L 11 KR 1649/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2683/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1649/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird bei einem stationären Krankenhausaufenthalt die
Grunderkrankung ""Diabetes mellitus"" behandelt und liegen
mindestens zwei Komplikationen des Diabetes mellitus vor,
ohne dass die Behandlung einer der Komplikationen im
Vordergrund steht, ist als Hauptdiagnose nach ICD-10 die
Kategorie E10.- zu verschlüsseln. Zu den Komplikationen,
die in diesem Fall an der vierten Stelle im ICD-10
mit ""7"" zu kodieren sind, gehören ua Hypoglykämie und
diabetische Nephropathie. Ist der Diabetes zudem als
""entgleist"" zu bewerten, wird die fünfte Stelle mit ""3""
verschlüsselt. In einem solchen Fall ist als Hauptdiagnose
E10.73 (primär insulinabhängiger Diabetes mellitus
(Typ-1-Diabetes): Mit multiplen Komplikationen: Mit
sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet)
zu kodieren.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.03.2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 622,10 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Vergütung für Leistungen einer stationären Krankenhausbehandlung iHv 622,10 EUR über die ordnungsgemäße Kodierung eines Behandlungsfalls im Zusammenhang mit Diabetes mellitus.

Die Beklagte ist Trägerin eines (Plan-)Krankenhauses nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. In ihrer Klinik wurde die bei der Klägerin Versicherte U. H. aufgrund ärztlicher Verordnung vom 18.04.2011 zur stationären Behandlung am 26.04.2011 aufgenommen. Als Einweisungsdiagnosen wurden genannt: Churg-Strauss-Granulomatose akuter Schub 12/07 pulmonal, primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ 1 Diabetes). Die Einweisung erfolgte zur Therapieüberprüfung des Diabetes mellitus. Bei Aufnahme der Versicherten wurden folgende Vorerkrankungen festgestellt: Hypereosinophiles Syndrom mit Lungen- und kardialer Beteiligung, Verdacht auf Erythema migrans am linken Fuß und positive Borrelienserologie, Diabetes mellitus Typ 1 mit Insulinpumpentherapie mit Albuminurie, aktuell Hydrocortisontherapie bei Nebenniereninsuffizienz, aktuell normotensives Blutdruckprofil, unauffällige Nierenfunktion, Nephrokalzinose links unter Calcium-D3 Therapie, Endometriose.

Im Rahmen des stationären Aufenthalts erfolgten eine Neueinstellung der Pumpentherapie mit Schulungen der Versicherten. Die Blutzuckerwerte der Versicherten waren bis zu ihrer Entlassung am 06.05.2011 stark schwankend. Während der Krankenhausbehandlung war keine Mikroalbuminurie nachweisbar. Die bereits vor dem stationären Aufenthalt diesbezüglich begonnene medikamentöse Therapie mit Ramipril wurde jedoch fortgesetzt. Regelmäßige Urinkontrollen wurden bei Entlassung empfohlen.

Die Beklagte stellte der Klägerin unter dem 16.05.2011 auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis-Related-Group (DRG) K60D, Diabetes mellitus ohne komplizierende Diagnosen, mit schwerer CC oder mit multiplen Komplikationen oder Ketoazidose, Alter ) 15 Jahre, insgesamt 2.662,46 EUR in Rechnung. Als Hauptdiagnose wurde hierbei ein primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ-1-Diabetes): Mit multiplen Komplikationen: Mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet (E10.73) angegeben.

Die Klägerin beglich die Rechnung zunächst, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Überprüfung der Abrechnung. Dieser kam in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 03.08.2011 zu dem Ergebnis, die Abrechnung sei auf der Grundlage der DRG K60E vorzunehmen. Hierbei legte der MDK als Hauptdiagnose einen primär insulinabhängigen Diabetes mellitus (Typ 1 Diabetes): Ohne Komplikationen: als entgleist bezeichnet, mit dem Schlüssel E10.91 zu Grunde, da Komplikationen nicht gegeben seien.

Mit Schreiben vom 19.08.2011 forderte die Klägerin unter Beifügung der Stellungnahme des MDK von der Beklagten einen Betrag iHv 622,10 EUR zurück.

Die Beklagte lehnte eine Rechnungskorrektur ab. Mit Hypoglykämien sowie einem dysregulativen Diabetes mellitus seien zwei und damit multiple Komplikationen/Manifestationen des Diabetes mellitus gegeben, die beide explizit im ICD-10-GM gelistet seien und damit eindeutig Komplikationen/Manifestationen im Sinne der DKR (Deutsche Kodierrichtlinien) und folglich auch bei der Kodierung der Hauptdiagnose als solche zu berücksichtigen seien. Die Hypoglykämie sei für die als an vierter Stelle bei der Kodierung mögliche Ziffer "6 – mit sonstigen näher bezeichneten Komplikationen" ausdrücklich als Komplikation aufgelistet. Der dysregulative Diabetes mellitus sei im alphabetischen Verzeichnis des ICD-10-GM (Band 2) als Komplikation/Manifestation unter Diabetes mellitus "dysregulativ" aufgeführt. Die Hauptdiagnose E10.73 sei damit korrekt verschlüsselt.

Nach erneuter Überprüfung durch den MDK führte dieser in einer weiteren Stellungnahme vom 12.01.2012 zur Kodierung der Ziffer "6" an vierter Stelle aus, die von der Klägerin zitierte DKR setze voraus, dass neben der Hypoglykämie noch eine Manifestation bestehe. Dies sei nicht der Fall. Somit bleibe es bei der Kodierung E10.91. Eine Änderung in die E10.61 wäre aber ohnehin ohne DRG-Relevanz.

Die Beklagte wurde wiederholt zur Rückzahlung aufgefordert. Mit Schreiben vom 09.03.2012 erhob sie abermals Widerspruch gegen die Stellungnahme des MDK.

Dieser bestätigte in einer dritten sozialmedizinischen Stellungnahme seine Einschätzung, bei dem im Widerspruch angegebenen dysregulativen Diabetes mellitus handele es sich nicht um eine Langzeit-Komplikation. Aufgrund der Hypoglykämien sei die richtige Hauptdiagnose E10.61. Die von der Beklagten verschlüsselte Hauptdiagnose sei nicht korrekt.

Nachdem die Beklagte auch in der Folgezeit die durch die Klägerin geltend gemachte Rückforderung iHv 622,10 EUR nicht beglich, hat die Klägerin am 31.07.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie auf die wiederholten Stellungnahmen des MDK verwiesen. Dieser habe festgestellt, dass bei der Versicherten neben der Hypoglykämie keine weitere Komplikation bzw keine Manifestation vorgelegen habe. Die Aufnahme sei wegen der Grunderkrankung Diabetes mellitus mit dysregulativem Verlauf und Stoffwechselentgleisung in Form von stark schwankenden Blutzuckerwerten und nach Definition der Deutschen Diabetes-Gesellschaft dreimalig dokumentierten Hypoglykämien erfolgt. Letztere seien im Arztbericht nicht erwähnt und hätten offensichtlich nicht der Intervention bedurft. Ein Ressourcenverbrauch sei damit hierfür nicht gegeben. Hinsichtlich der Hypoglykämie hat die Klägerin weiter ausgeführt, eine Wahrnehmungsstörung habe nicht bestanden, somit sei die mit dem Diabetes Typ 1 in Verbindung stehende Hypoglykämie einzig über die fünfte Stelle - 1 statt null - abzubilden und nicht als Komplikation im Sinne des ICD zu werten. Die Dysregulation stelle das Krankheitsbild selbst dar, das bei der Kodierung bereits mit dem Zusatz "entgleist" berücksichtigt werde. Daher sei anstelle der Hauptdiagnose E10.73 die E10.61 "primär insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ-1-Diabetes: Mit sonstigen näher bezeichneten Komplikationen: Als entgleist bezeichnet" zu kodieren. Die Nebendiagnose I47.1 (supraventrikuläre Tachykardie) sei gestrichen worden, da diese laut EKG nicht vorgelegen habe. Dies führe zur Änderung der DRG und zur geltend gemachten Überzahlung. Richtigerweise sei die DRG K60E abzurechnen.

Die Beklagte hat ausgeführt, die Rechnung vom 16.05.2011 sei korrekt gewesen. Bei der Versicherten hätten sowohl ein dysregulativer Diabetes mellitus Typ 1 sowie Hypoglykämien als Komplikationen/Manifestation vorgelegen. Hierbei sei insbesondere der dysregulative Diabetes mellitus als Manifestation/Komplikation im Rahmen der ICD-10-GM bzw im Rahmen der Deutschen Kodierrichtlinien zu werten. Zwar werde sowohl das Auftreten von Hypoglykämien als auch der dysregulative Diabetes mellitus zur Bestimmung herangezogen, ob ein entgleister Diabetes mellitus vorliege. Völlig unabhängig davon seien die Hypoglykämien und der dysregulative Diabetes als eigenständige Komplikation/Manifestationen des Diabetes mellitus für die Kodierung der vierten Stelle zu kodieren. Aufwändiger Ressourcenverbrauch liege für beide Manifestationen/Komplikationen vor. Es sei nur mittels einer hochaufwändigen Insulinpumpen-Therapie möglich gewesen, die Versicherte einzustellen.

Das Gericht hat das Gutachten des Prof. Dr. R. vom 24.08.2016 eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, bei der Versicherten liege ein langjähriger Typ 1 Diabetes mellitus mit stark schwankenden Blutzuckerwerten, häufig auftretenden Hypoglykämien sowie einer diabetischen Nephropathie vor. Der korrekte Diagnoseschlüssel sei E10.73 (Diabetes mellitus) als Kreuz-Kode und die N08.3 (diabetische Nephropathie) als Stern-Kode. Die Abrechnung nach der DRG K60D sei damit korrekt. Ursache dafür sei die in den Unterlagen dokumentierte, jedoch von der Beklagten nicht kodierte diabetische Nephropathie. Die explizit in den Kodierrichtlinien aufgeführte Hypoglykämie sei als sonstige näher bezeichnete Komplikation bei der Kodierung zu berücksichtigen und gelte damit als zweite Komplikation.

Mit Urteil vom 27.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche stationäre Behandlung der Versicherten sei nach der von der Beklagten abgerechneten DRG-Fallpauschale K60D zu vergüten. Die Beklagte habe zu Recht als Hauptdiagnose die E10.73 (primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ 1 Diabetes) mit multiplen Komplikationen: als entgleist bezeichnet) zugrundegelegt. Der Krankenhausaufenthalt sei durch die Erkrankung an einem Typ 1 Diabetes mellitus veranlasst worden. Damit stehe für die Kodierung der Hauptdiagnose die ersten drei Ziffern fest. An vierter Stelle seien mögliche Komplikationen zu verschlüsseln. An fünfter Stelle stehe "0" für "nicht als entgleist bezeichneter Diabetes mellitus" oder "1" für "als entgleist bezeichneter Diabetes mellitus". Beide Beteiligten gingen zutreffend von einem als entgleist bezeichneten Diabetes mellitus aus. Streitig sei lediglich die korrekte Kodierung der vierten Stelle. Zur Überzeugung der Kammer haben zwei Komplikationen, nämlich Hypoglykämie sowie diabetische Nephropathie vorgelegen. Hypoglykämien seien als eigenständige Komplikation/Manifestation zu berücksichtigen. Hypoglykämien seien unter Punkt "6" der Kodierungsvorgaben des ICD-10-GM als sonstige näher bezeichnete Komplikationen ausdrücklich aufgeführt. Auch in den DKR werde die Hypoglykämie als spezifische Komplikation des Diabetes mellitus unter der Überschrift "Störungen der inneren Sekretion des Pankreas" ausdrücklich erwähnt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Auftreten von Hypoglykämien bei der Hauptdiagnose Diabetes mellitus bereits in der Kodierung der fünften Stelle mit "1 - als entgleist bezeichnet" enthalten sei. Als weitere Komplikation habe die diabetische Nephropathie bestanden.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.04.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.04.2017 erhobene Berufung der Klägerin. In der Medizin werde eine Komplikation bezeichnet als unerwünschte Entwicklung bzw unerwartet schwerer Verlauf einer Erkrankung, eines Traumas oder einer Therapie. Bei einer Komplikation handele es sich um ein sekundäres Ereignis. Ein solch sekundäres Ereignis sei in einem dysregulativen Diabetes mellitus nicht gegeben. Eine Hypoglykämie sei eine Absenkung der Blutglukose-Konzentration unter den physiologischen Normwert. Sie sei direkt vergesellschaftet mit der Koordination bzw Regulation zwischen Glukoseabgabe durch die Leber und der Glukoseaufnahme durch die verbrauchenden Organe. Es handele sich somit nicht um einen sekundäres, sondern um ein primäres Ereignis. Andernfalls würde man denselben Sachverhalt sowohl als Grunderkrankung als auch gleichzeitig als deren Komplikation ansehen. Wenn als Hauptdiagnose ein Kode gewählt werde, der multiple Komplikationen ausweise, seien diese als Nebendiagnose in Form der Manifestation zu nennen und mit einem Stern zu kennzeichnen. Bei Vorliegen multipler Komplikationen müssten diese auch einzeln als Erkrankung mit einem Stern-Kode darstellbar sein. Weder für die dysregulative Verlaufsform des Diabetes mellitus Typ 1 noch für die im Rahmen des Diabetes mellitus auftretende Hypoglykämie gebe es einen spezifischen Erkrankungskode. Hätte man gewollt, dass eine Entgleisung der Stoffwechsellage grundsätzlich als Komplikation im Sinne des ICD zu werten sei, gäbe es den ICD-Kode E10.91 nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.03.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 622,10 EUR nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2012 und weiteren drei Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Klägerin in der Klageschrift vom 30.07.2013 das Gutachten des MDK vom 11.05.2012 zitiere, wo die Hypoglykämie ausdrücklich als Komplikation bezeichnet worden sei. Sie schließt sich den Feststellungen des Sachverständigen an. Das ICD-10 gebe für die vierte Stelle dezidiert auch multiple Nicht-Stern-Kodes zur Kodierung vor. Außerdem hat sie auf in anderen Verfahren eingeholte Gutachten verwiesen, wonach die Hypoglykämie eine weitere Komplikation sei, die nicht in der Entgleisung des Diabetes mellitus aufgehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und Patientendokumentation sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die vom SG zugelassene Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 622,10 EUR.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Rückzahlung des streitigen Betrages zu. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R) besteht nur dann, wenn die ursprüngliche Zahlung der Klägerin ohne Rechtsgrund erfolgte. Da die Beklagte jedoch Anspruch auf den vollen Rechnungsbetrag von 2.662,46 EUR hat, wurde die Rechnung in voller Höhe mit Rechtsgrund beglichen. Die Beklagte hat zu recht die DRG K60D (Diabetes mellitus ohne komplizierende Diagnosen, mit schwerer CC oder mit multiplen Komplikationen oder Ketoazidose, Alter ) 15 Jahre) unter Zugrundelegung der Hauptdiagnose E10.73 (primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ-1-Diabetes): Mit multiplen Komplikationen: Mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet) in Rechnung gestellt.

Die Beklagte erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 26.04.2011 bis 06.05.2011 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iSv § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Die konkrete Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 iVm § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3). Maßgeblich sind hier der für das Jahr 2011 vereinbarte Fallpauschalen-Katalog (DRG-Version 2011) und die Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2011.

Der Fallpauschalen-Katalog ist nach Fallgruppen geordnet. Die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG erfolgt dadurch, dass die Diagnosen nach der ICD-10-Klassifikation und die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel" (OPS) verschlüsselt werden (§ 301 Abs 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren" beschlossen (Deutsche Kodierrichtlinien – DKR). Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 FPV 2011 die für den Tag der stationären Aufnahme geltenden Abrechnungsregeln, dh vorliegend die DKR 2011. Die verschlüsselten Daten werden in ein automatisches Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert, eingegeben und von diesem einer bestimmten DRG zugeordnet ("Groupierung"), anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalen-Katalogs die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (vgl BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2; BSG 25.11.2010, B 3 KR 4/10 R, BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21).

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2011). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Die Anwendung der DKR, vorliegend Stand 2011, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier anwendbar in der Version 2011) regeln Kodieranweisungen. Der Begriff der Hauptdiagnose ist in den Allgemeinen Kodierrichtlinien für Krankheiten der DKR unter D002f, definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich ist. Der Begriff nach Analyse bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.

Neben den Allgemeinen Kodierrichtlinien bestehen Spezielle Kodierrichtlinien für Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten. In der Kodierrichtlinie 0401h werden zunächst die verschiedenen Typen des Diabetes mellitus beschrieben sowie die Verschlüsselungen angewiesen. Liegt eine Form des Diabetes mellitus vor, die mit einem Kode aus E10.&8722; bis E14.&8722; verschlüsselt wird, und bestehen Komplikationen des Diabetes, so ist demnach für die korrekteVerschlüsselung zunächst festzustellen, ob die Behandlung der Grunderkrankung Diabetes mellitus oder die Behandlung einer oder mehrerer Komplikationen hauptsächlich die stationäre Aufnahme veranlasst hat.

Des Weiteren ist nach der Kodierrichtlinie 0401h für die Kodierung von Bedeutung, wie viele Komplikationen des Diabetes mellitus vorliegen, und ob diese die Nebendiagnosendefinition erfüllen. Sofern die Grunderkrankung Diabetes mellitus behandelt wird und nur eine Komplikation (Manifestation) des Diabetes mellitus vorliegt, ist die vierte Stelle "6" zu kodieren. An vierter Stelle ist "7" zu kodieren, sofern die Grunderkrankung Diabetes mellitus behandelt wird und multiple Komplikationen des Diabetes mellitus vorliegen, ohne dass die Behandlung einer Manifestation im Vordergrund steht. Außerdem sind die Kodes für die einzelnen Manifestationen anzugeben, sofern diese der Nebendiagnosedefinition entsprechen. Sofern Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus vorliegen und die Behandlung einer Manifestation im Vordergrund steht, ist E10-E14, vierte Stelle entsprechend dieser Manifestation zu kodieren gefolgt vom entsprechenden Kode für diese Manifestation. Die Kodes für die weiteren Manifestationen sind anzugeben, sofern sie der Nebendiagnosedefinition entsprechen.

Sofern multiple Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus vorliegen und die Behandlung mehrerer Manifestationen im Vordergrund steht, ist entsprechend der Regelung zu "zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechend" in der DKR D002 Hauptdiagnose zu verfahren. Somit ist die vierte Stelle des Kodes aus E10 - E14 entsprechend der Manifestation zu wählen, die vom behandelnden Arzt als die am besten der Hauptdiagnosedefinition entsprechende ausgewählt wurde. Zudem ist der entsprechende Kode für diese Manifestation anzugeben. Die Kodes für die weiteren Manifestationen sind anzugeben, sofern sie der Nebendiagnosedefinition entsprechen.

Gemessen hieran hat die Beklagte zu Recht ihrer Abrechnung die Hauptdiagnose E10.73 (primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ-1-Diabetes): Mit multiplen Komplikationen: Mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet) zugrunde gelegt.

Der Senat ist aufgrund der vorhandenen Unterlagen und dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten davon überzeugt, dass die Versicherte berechtigt war, eine vollstationäre Behandlung in Anspruch zu nehmen und der Krankenhausaufenthalt durch die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1 veranlasst worden war. Diese Behandlung des Diabetes mellitus stand mit der Einstellung des Blutzuckerwerts im Vordergrund. Es handelt sich um einen primär insulinabhängigen Diabetes mellitus (Typ 1), der mit der Kategorie E10.- zu verschlüsseln ist.

Die vierte Stelle ist mit 7 zu verschlüsseln, da bei der Versicherten multiple Komplikationen vorlagen in Form von Hypoglykämie und diabetischer Nephropathie.

Wie Prof. Dr. R. nachvollziehbar dargelegt hat und von den Beteiligten auch nicht bestritten wird, sind bei der Versicherten während des stationären Aufenthalts Hypoglykämien eingetreten.

Der Senat ist mit dem SG der Auffassung, dass eine Hypoglykämie eine Komplikation darstellt. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, zeigt dies die in den ICD-10-GM unter der an vierter Stelle kodierbare Ziffer "6" enthaltene Aufzählung von möglichen Komplikationen. Die Hypoglykämie ist dort explizit aufgeführt. Außerdem wird die Hypoglykämie als spezifische Komplikation des Diabetes mellitus unter der Überschrift "Störungen der inneren Sekretion des Pankreas" (E16.0, E16.1 und E16.2) ausdrücklich genannt.

Anders als die Klägerin meint, handelt es sich bei der Hypoglykämie nicht um die Primärerkrankung. Diabetes mellitus ist eine Sammelbezeichnung für Glukosestoffwechselstörungen unterschiedlicher Ätiologie und Symptomatik mit relativem oder absolutem Insulinmangel und Hyperglykämie als gemeinsamem Kennzeichen (vgl Psychrembel online, Stand 03/2018), der Blutzuckerspiegel ist krankhaft erhöht. Eine Hypoglykämie hingegen ist eine verminderte Konzentration von Glukose im Blut unter einem dem jeweiligen Lebensalter entsprechenden Wert (vgl Psychrembel online, Stand 08/2017). Sie ist als Unterzuckerung eine Akutkomplikation infolge der Therapie des Diabetes mellitus zB aufgrund der Verabreichung von zuviel Insulin. Die Auffassung der Klägerin, nur eine Hypoglykämie, die mit einer Wahrnehmungsstörung einhergehe, sei eine Komplikation, findet in den DKR 2011 keine Stütze.

Die Einordnung als Komplikation widerspricht auch nicht den in den Kodierrichtlinien 0401 genannten Beispielen 2 und 3, in denen schwere Entgleisungen der Stoffwechsellage mit E10.61 kodiert werden. Die Beispiele verhalten sich nicht zur Art der Entgleisung, dh Über- oder Unterzuckerung.

Die Hypoglykämie geht auch nicht in der fünften Stelle des Kodes mit der Verschlüsselung "1 – als entgleist bezeichnet" auf, denn nicht jede Entgleisung stellt auch eine Hypoglykämie dar. Dies zeigt sich schon daran, dass eine Definition von Entgleisung anhand bestimmter Grenzwerte nicht vorgesehen und der Begriff daher von der Deutschen Diabetes Gesellschaft Kritik erfährt (vgl hierzu bspw die Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft zur ICD-Kodierung bei Hypoglykämie, Diabetesentgleisungen, Multikausalen Bedingungen von Diabetesmanifestationen/-komplikationen vom 01.03.2012, abrufbar unter www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de) während für Hypoglykämien Grenzwerte bestimmt werden (vgl Deutsche Diabetes Gesellschaft aaO; Pschyrembel online, Stand 08/2017).

Als weitere Komplikation liegt eine diabetische Nephropathie vor. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugend und nachvollziehbaren Ausführungen des SG und des Prof. Dr. R. an. Die diabetische Nephropathie war bereits vorbeschrieben im Befundbericht der nephrologischen Gemeinschaftspraxis vom 17.03.2011. Diese Nierenerkrankung, die zur Folge hat, dass die Nieren das Eiweiß Albumin wegen einer Schädigung der niereneigenen Filter nicht mehr komplett zurückhalten können, wurde mittels Ramipril behandelt. Wie Prof. Dr. R. nachvollziehbar ausführt, wird die Ramipril-Medikation gegeben, um eine Normalisierung der Albuminausscheidung zu erreichen, was bei der Versicherten auch gelungen ist. Eine Heilung der diabetischen Nephropathie stellt dies jedoch nicht dar. Dementsprechend wurde diese Behandlung auch während des Krankenhausaufenthalts mittels niedrigdosierter ACE-Hemmertherapie fortgeführt. Regelmäßige Kontrollen wurden empfohlen.

Da der Diabetes mellitus übereinstimmend als entgleist bezeichnet wurde, ist die fünfte Stelle mit "3 – für Diabetes mellitus mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet" zu kodieren.

Weil bereits mit der Hypoglykämie und der diabetischen Nephropathie zwei Komplikationen vorliegen und aus diesem Grund bereits die vierte Stelle mit "7" zu kodieren war, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob der dysregulative Diabetes mellitus als solches eine Komplikation darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Hs 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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