L 4 SO 92/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 28 SO 116/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 92/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Forderung eines Kostenersatzes von Erben für erbrachte Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).

Der im Jahr 1956 geborene F. A. besuchte ab dem 1. Januar 2006 die Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung des GX. Vereins Kreis A-Stadt e.V. Ab 2. Januar 2001 war ein GdB von 70 festgestellt worden. Ausweislich der vom GX. Verein Kreis A Stadt e.V. gefertigten Entwicklungsberichte war F. A. leicht geistig behindert; er zeigte Auffälligkeiten in seinem Sozialverhalten, die Interventionen erforderlich machten. Beim Beklagten wurde am 29. Dezember 2005 die Übernahme der Kosten durch den GX. Verein Kreis A-Stadt e.V. beantragt, mit am 1. März 2006 beim Beklagten eingegangenem Formular durch F. A. selbst. Dem Antrag lag eine ärztliche Befürwortung durch Dr. H., Institutsambulanz der Walter-Picard-Klinik Riedstadt vom 10. März 2006 zu Grunde, nach der krankheits- bzw. behinderungsbedingt der Zugang zum Arbeitsleben bzw. einer Werkstatt für behinderte Menschen oder andere rehabilitative Einrichtungen nicht möglich sei. Befürwortet werde die Teilnahme an der "teilstationären/tagesstrukturierenden Maßnahme nach § 40 Abs. 1 Nr. 8" Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Durch Bescheid vom 23. März 2006 erklärte der Beklagte die Kostenübernahme für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung des F. A. führte der Beklagte nicht durch. Auf einen entsprechenden Antrag hin wurde die Kostenübernahme durch Bescheid vom 15. November 2007 bis zum 31. Dezember 2009 verlängert. Eine Einkommens- und Vermögensprüfung fand wiederum nicht statt. Eine weitere Verlängerung wurde durch Bescheid vom 7. Januar 2010 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 erklärt. In den Verlängerungsanträgen und den beigefügten, von Diplom-Sozialpädagogen gefertigten Entwicklungsberichten wurde stets hervorgehoben, dass die Teilnahme am tagesstrukturierenden Angebot in erheblichem Maße zur Milderung der Folgen der seelischen Behinderung und zur Eingliederung in die Gemeinschaft beitrage. Eine Vermittlung in den Arbeitsmarkt sei nicht mehr möglich.

Am xx. xxx 2010 verstarb F. A. Der Beklagte stellte daraufhin Nachforschungen zu seinem Nachlass an und erhielt vom zuständigen Nachlassgericht die Auskunft, dass er insbesondere über Grundvermögen verfügt hatte. Der Nachlasswert wurde vom Nachlassgericht mit insgesamt 357.000 EUR angegeben. Erben wurden seine Mutter C. A. sowie die drei Geschwister A. A., D. D. und E. A.

Bei dem Grundvermögen handelte es sich zum einen um das von F. A. selbst mitbewohnte Haus in der A-Straße in A-Stadt, zum anderen jedoch auch um eine Eigentumswohnung in dem Anwesen in der J-Straße in J-Stadt nebst hälftigem Miteigentum an dem zugehörigen Grundstück. Anderer Miteigentümer und Alleineigentümer der zweiten Eigentumswohnung in dem Anwesen war sein Bruder A. A. F. A. hatte seine Eigentumswohnung fremdvermietet und erzielte während des Leistungsbezugs entsprechende Mieteinkünfte. Das Haus war von den Brüdern im Jahr 1994 für 700.000 DM gemeinsam gekauft worden. Zu diesem Zwecke hatte F. A. Kredite bei der K-bank K-Stadt eG (ursprünglich K-bank A-Stadt eG) i.H.v. 2 x 25.000 und 1 x 10.000 DM aufgenommen. Diese Darlehen wurden bereits vor Jahren - der genaue Zeitpunkt ist unklar - getilgt. Die Sicherung des Kredits erfolgte nach den von den Klägern vorgelegten Unterlagen durch Bestellung einer Grundschuld, lastend auf dem Haus A Straße in A-Stadt in Höhe von 220.000 DM. Laut Schreiben der K-bank K-Stadt eG vom 7. September 2016 und 6. Oktober 2016 gibt es infolge des Ablaufs der zehnjährigen Aufbewahrungsfristen keine Kontoauszüge zu diesen Darlehen mehr.

Durch Bescheid vom 18. Januar 2011 forderte der Beklagte von der Mutter C. A. Kostenersatz aus dem Nachlass für die an F. A. erbrachten Sozialhilfeleistungen i.H.v. insgesamt 52.795,69 EUR. Beigefügt waren Aufstellungen über seine Anwesenheit in der Tagesstätte sowie der hierfür angefallenen Betreuungs- und Fahrtkosten. Nachdem der Bescheid zunächst wegen der Nennung eines falschen Namens nicht zuging, übersandte der Beklagte ihn am 9. Februar 2011 nochmals.

Am 14. Februar 2011 legte C. A. Widerspruch ein und beanstandete die vorgelegten Aufstellungen und Berechnungen. Zudem teilte sie mit, ihrem Sohn F. sei seitens des GX. Vereins damals die Auskunft gegeben worden, dass eine Kostenpflicht für ihn nicht bestehe. Daraufhin erging am 29. August 2011 ein Teilabhilfebescheid, mit dem der Beklagte nunmehr nur noch Kostenersatz i.H.v. 50.740,38 EUR forderte. Im Übrigen wies er den Widerspruch jedoch sinngemäß zurück. Es treffe zwar zu, dass von dem Leistungsberechtigten selbst in Fällen wie dem vorliegenden zu dessen Lebzeiten kein Einsatz seines Einkommens und Vermögens verlangt werde. Dies lasse jedoch die mögliche Verpflichtung der Erben unberührt.

C. A. hat am 16. September 2011 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie ist am xx. xxx 2011 verstorben. Das Verfahren ist daraufhin von den jetzigen Klägern aufgenommen worden, die gemäß Erbschein vom 11. April 2012 Erben der C. A. sind.

Die Kläger haben vorgetragen, die vom Beklagten zugrunde gelegten Kosten der Sozialhilfe seien unzutreffend ermittelt worden. Insbesondere habe man zahlreiche Fehlzeiten des F. A. in der Tagesstätte nicht berücksichtigt. Auch sei die Berechnungsmethode grundsätzlich zu beanstanden. Die Nachlassverbindlichkeiten seien nicht vollständig abgezogen worden. Die Kläger haben ihre Einwendungen gegen die Berechnung mit Schriftsatz vom 3. Februar 2016 (Bl. 130 ff. d.A.) wiederholt und vertieft.

Der Beklagte hat vorgetragen, sein Vorgehen – wonach nur von den Erben aus dem Nachlass, aber nicht schon von dem Leistungsberechtigten selbst zu dessen Lebzeiten ein Vermögenseinsatz gefordert werde – sei rechtmäßig. Dies folge aus einer entsprechenden Regelung in der Anlage 7 zum Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII. Diese Regelung verfolge den Zweck, einen Anreiz zur Nutzung solcher Leistungen zu schaffen. Er hat auf ein Urteil des SG Kassel vom 31. Oktober 2013 S 11 SO 7/12 – verwiesen, in dem diese Auffassung bestätigt worden sei.

Das Sozialgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 5. April 2017 den Bescheid vom 18. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2011 aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte habe keinen Anspruch gegen die Erben auf Kostenersatz für die an F. A. erbrachten Sozialhilfeleistungen aus dem Nachlass. § 102 SGB XII erfasse nur rechtmäßig gewährte Leistungen der Sozialhilfe. Für die Beurteilung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Rechtmäßigkeit der Leistung seien allerdings nur materiell-rechtliche Vorschriften der Leistungsgewährung Maßstab, während reine Formverstöße ohne Bedeutung sein sollten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 2/09 R -). Bei zu Unrecht geleisteter Sozialhilfe sei auch gegenüber den Erben nur die Möglichkeit der Rücknahme des Verwaltungsaktes nach §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gegeben (Hinweis auf BVerwGE 78, 165). Eine Umdeutung eines Kostenersatzbescheides nach § 102 SGB XII in einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X sei nicht möglich. Vorliegend scheitere eine Kostenerstattungspflicht bereits daran, dass die Sozialhilfegewährung an F. A. materiell rechtswidrig gewesen sei. Dieser sei aufgrund vorhandenen Vermögens in Form der nichtselbstgenutzten Eigentumswohnung in J-Stadt nicht bedürftig gewesen. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen werde nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten sei, § 19 Abs. 3 SGB XII.

Bei der Eigentumswohnung habe es sich um Vermögen gehandelt, dass er vorrangig hätte einsetzen müssen. Einzusetzen sei nach § 90 Abs. 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. F. A. sei im Leistungszeitraum Alleineigentümer der Wohnung. Diese sei auch verwertbar gewesen. Zwar sei im Grundbuch eine Veräußerungsbeschränkung dergestalt, dass eine Veräußerung nur mit Zustimmung des Eigentümers der anderen Wohnung im Haus erfolgen könne, eingetragen. Jedoch hätte F. A. Anspruch gegen seinen Bruder auf Erteilung einer solchen Zustimmung gehabt, sofern kein wichtiger Grund entgegenstehe (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 Wohnungseigentumsgesetz - WEG). Auch wäre es für ihn ohne Zustimmung möglich gewesen, ein Darlehen aufzunehmen und dieses mit der Eigentumswohnung zu sichern. Die Wohnung sei auch keinem Schonvermögenstatbestand nach § 90 Abs. 2 SGB XII unterlegen. Insbesondere habe ihr Wert den der kleineren Barbeträge gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII überstiegen. Das Gesamtgrundstück sei im Jahr 1994 von beiden Brüdern für 700.000 DM erworben worden. Ob zur Zeit der Aufnahme der Leistungsgewährung ab dem 1. Januar 2006 noch eine Belastung des Eigentumsteils von F. A. mit Darlehen bestanden habe oder nicht, habe sich im Verfahren nicht restlos klären lassen. So hätten die Kläger das genaue Datum der Tilgung nicht mehr benennen können. Auch die K-bank K-Stadt eG habe bestätigt, dass es infolge des Ablaufes der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist für Belege nunmehr keine Kontoauszüge über diese Darlehenskonten mehr gebe. Daher wäre es theoretisch möglich, dass zumindest im Jahr 2006 noch eine Belastung des Wohnungseigentums gegeben gewesen sein könnte. Jedoch trage der Beklagte ohnehin als Anspruchsteller die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Sozialhilfegewährung, so dass die Unaufklärbarkeit dieses Punktes zu seinen Lasten gehe. Auch, dass die Verwertung für F. A. eine besondere Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII bedeutet hätte, sei nicht erkennbar. Es habe hier auch kein Fall vorgelegen, in dem der Vermögenseinsatz ausgeschlossen gewesen sei. Nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII seien bestimmte Hilfen ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Darunter fielen insbesondere auch Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht würden (§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB XII). Zwar sei F. A. hier Hilfe in einer besonderen teilstationären Einrichtung erbracht worden. Jedoch seien die Hilfen nicht auf eine Teilnahme am Arbeitsleben gerichtet gewesen. Aus den Bewilligungsbescheiden des Beklagten ergebe sich die Hilfeart nicht. Allerdings folge aus den sonstigen Umständen, dass es sich bei den erbrachten Hilfen um solche zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehandelt habe. F. A. sei bei Beginn der Hilfen bereits 50 Jahre alt gewesen und habe nach langjähriger Tätigkeit als Hilfsarbeiter nunmehr im Bezug von Erwerbsminderungsrente gestanden. Aus den Entwicklungsberichten des GX. Vereins vom 6. November 2007 und 20. Dezember 2009 ergebe sich zudem, dass er vom Besuch der Tagesstätte profitiert habe, indem er dort eine Tagesstrukturierung erfahren habe. Des Weiteren habe er Selbstbestätigung durch die Tätigkeit im Arbeitsbereich erlebt, habe an Freizeitbetätigungen teilgenommen und habe soziale Kontakte aufgebaut. Eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt habe der betreuende Sozialpädagoge hingegen nicht mehr für möglich gehalten.

Die Sozialhilfegewährung an F. A. sei schließlich auch nicht deshalb rechtmäßig, weil in Punkt 8 der Anlage 7 zum Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII ("Vereinbarung Beschäftigung und Betreuung von Menschen mit seelischer Behinderung in Tagesstätten in Hessen") geregelt gewesen sei, dass "auf den Einsatz des Einkommens und Vermögens ( ...) verzichtet" werde. Denn dieser Verzicht im Verhältnis Leistungserbringer – Leistungsträger verstoße gegen die gesetzliche Regelung des SGB XII zum Einkommens- und Vermögenseinsatz und sei daher unbeachtlich. Er überschreite den nach § 79 Abs. 1 SGB XII zulässigen Inhalt dieser Rahmenvereinbarungen. Diese Vorschrift lasse keine Auslegung zu, wonach der überörtliche Sozialhilfeträger ermächtigt würde, innerhalb des Vertrages auf Voraussetzungen der Sozialhilfegewährung wie etwa die Bedürftigkeit des Leistungsberechtigten zu verzichten. Gegenstand der Verträge sollte allein das Leistungserbringungsverhältnis zwischen den Leistungserbringern und dem Sozialhilfeträger sein, nicht aber das Verhältnis Leistungsberechtigter zum Leistungsträger. Das Gericht vermöge daher der durch das Sozialgericht Kassel in seinem Urteil vom 31. Oktober 2013 vertretenen gegenteiligen Auffassung nicht zu folgen.

Das Urteil ist dem Beklagten am 19. April 2017 zugestellt worden.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 18. Mai 2017 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Beklagte trägt vor, der Antrag sei von Herrn A. selbst unterschrieben worden. Darüber hinaus sei Sozialhilfe ab Kenntnis des Hilfebedarfs zu gewähren.

Der Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass es sich bei der von F. A. besuchten Tagesstätte um eine Einrichtung gehandelt habe, die unter § 92 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII falle und bei der die Leistung ohne Einsatz des Vermögens erbracht werde. Die den Werkstätten für behinderte Menschen angegliederten Förderstätten seien nicht der einzige Anwendungsfall dieser Vorschrift. Die in Hessen bestehenden Tagesstätten für seelisch behinderte Menschen, deren Ausrichtung und Tätigkeitsschwerpunkte und Vergütung in Anlage 7 zum Rahmenvertrag vereinbart worden seien, sollten auf die Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen, den allgemeinen Arbeitsmarkt oder auf eine Ausbildung vorbereiten. Nr. 8 der Anlage 7 sei daher nur eine klarstellende Feststellung. Da sowohl die Leistungen der Tagesförderungsstätte für geistig behinderte Menschen sowie die Kosten der Werkstätten für geistig und seelisch behinderte Menschen von Gesetzes wegen ohne Vermögenseinsatz erfolgten, würde der Vermögenseinsatz im Rahmen der Tagesstätte für seelisch behinderte Menschen eine besondere Härte darstellen und die Implementierung dieses niedrigschwelligen Angebots erschweren. Einkommenseinsatz werde bei diesen Leistungen nur für die Kosten des Lebensunterhalts gefordert, so dass das Mittagessen in diesen Einrichtungen durch den Leistungsberechtigten selbst finanziert werde. Seinerzeit wäre eine Ablehnung der Übernahme der Kosten in der Tagesstätte aufgrund vorhandenen Einkommens und Vermögens dem Beklagten nicht gestattet gewesen. § 102 SGB XII gehe grundsätzlich von der Ersatzpflicht des Erben aus und betreffe vielfach gerade die Fälle, in denen vor dem Ableben des Erblassers eine Privilegierung von Vermögen nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII bzw. § 92 Abs. 2 SGB XII bestanden habe. Der Verzicht auf den Einsatz des Vermögens für bestimmte Leistungen solle nur dem Leistungsberechtigten zugutekommen, nicht aber nach seinem Ableben den Erben.

Anlage 7 zum Rahmenvertrag sei bereits unter Geltung des § 93d BSHG vereinbart worden. Nach dieser Vorschrift sollten in den Rahmenverträgen die Merkmale und Besonderheiten der jeweiligen Hilfeart berücksichtigt werden. Wegen der geplanten Niedrigschwelligkeit zur Vermeidung vollstationärer Maßnahmen und des besonderen Personenkreises der seelisch behinderte Menschen, von dem die Werkstatt für seelisch behinderte Menschen aufgrund der Schwere der Behinderung nicht regelmäßig besucht werden könne, sei als Merkmal und Besonderheit dieser Hilfeart der Verzicht auf den Einsatz von Vermögen festgelegt worden. Diese Regelung zielte auf eine Gleichstellung der Tagesstätten für seelisch behinderte Menschen ab.

Der Beklagte sei nicht zur Beratung dergestalt verpflichtet gewesen, über eine zukünftige Pflicht der Erben zum Kostenersatz zu beraten. Selbst wenn eine solche Beratungspflicht bestünde und verletzt worden sei, stünde den Klägern kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Inhalts zu, die Bescheide aufzuheben. Eine etwaige Disposition hinsichtlich des Verzichts des Besuches der Tagesstätte könne nicht mehr nachgeholt werden (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 23. Februar 2012 – L 8 SO 113/09 -, juris Rn. 74).

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen vor, der Antrag auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Gestaltung des Tages in einer Tagesstätte sei nicht durch F. A. oder seine Angehörigen gestellt worden, sondern durch den GX. Verein A-Stadt. Der Beklagte habe rechtswidrig auf die Prüfung des Einkommens und Vermögens des Verstorbenen verzichtet. Auch sei F. A. nicht darauf hingewiesen worden, dass die Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu einem späteren Zeitpunkt für die Erben kostenpflichtig sein würden bzw. dass die Erben zum Ersatz der Sozialhilfe verpflichtet sein würden. Eine solche Information sei auch seitens des GX. Vereins unterblieben. Im Falle einer entsprechenden Belehrung hätten der Verstorbene und seine Geschwister über die Fortführung der Maßnahme neu entscheiden können und müssen. Die F. A. zugedachten Hilfen seien nicht auf eine Teilnahme am Arbeitsleben gerichtet gewesen, daher sei § 92 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht einschlägig. Sofern der Beklagte sich darauf berufe, dass eine Berücksichtigung von Vermögen bei Leistungen anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX und vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten anzunehmen sei, sei auszuführen, dass der sozialpsychiatrische Verein keine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen und auch keine sonstige Beschäftigungsstätte darstelle. Wenn der Beklagte anführe, dass nach Anlage 7 Nr. 7 und Nr. 8 des Rahmenvertrages zu § 79 Abs. 1 SGB XII ein Einsatz des Einkommens und Vermögens nicht durchgeführt werde, so handele es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter, der sich nicht zulasten der Kläger in einen Vertrag zulasten Dritter umwandelte.

Die Kläger sind der Rechtsauffassung, es sei F. A. zumutbar gewesen, das vorhandene Vermögen in Gestalt der Eigentumswohnung einzusetzen. Die Entscheidung des Sozialgerichts Kassel vom 31. Oktober 2013 – S 11 SO 7/12 – betreffe einen anderen Sachverhalt. Die dortige Leistungsempfängerin habe neben dem Tagesstättenbesuch auch zusätzlich fortlaufende Leistungen im Rahmen des betreuten Wohnens im Umfang von sechs Stunden monatlich erhalten. Außerdem sei dort – anders als hier – zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung kein verwertbares Vermögen des Leistungsberechtigten vorhanden gewesen.

Der Beklagte ist hierzu der Rechtsauffassung, dass im vom Sozialgericht Kassel entschiedenen Fall das Vermögen schon vor dem Tod verwertbar gewesen wäre.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf den Inhalt des Protokolls vom 9. Januar 2019 Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 18. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2011 zu Recht aufgehoben, da die Bescheide die Kläger in ihren Rechten verletzen.

Die Kläger sind nicht nach § 102 SGB XII ersatzpflichtig. Nach dieser Norm ist der Erbe der leistungsberechtigten Person oder ihres Ehegatten oder ihres Lebenspartners, falls diese vor der leistungsberechtigten Person sterben, vorbehaltlich des Absatzes 5 zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet (§ 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Ersatzpflicht besteht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Der Ersatz der Kosten durch die Erben gilt nach § 105 Abs. 5 SGB XII nicht für Leistungen nach dem Vierten Kapitel und für die vor dem 1. Januar 1987 entstandenen Kosten der Tuberkulosehilfe.

Eine Verpflichtung zum Ersatz von Kosten der Sozialhilfe nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kommt jedoch ebenso wie bei der Vorgängervorschrift des § 92c BSHG nur in Betracht, wenn die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Sozialhilfe vorgelegen haben. Es handelt sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass der notwendigen Abgrenzung zu §§ 45 ff. SGB X geschuldet ist; wenn die Leistungen rechtswidrig gewährt wurden, sind die Regelungen der §§ 45, 48, 50 SGB X abschließend (BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 2/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.); eine Anwendung des § 102 SGB XII scheidet in diesem Fall aus, da die dem Vertrauensschutz, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit dienenden Beschränkungen der §§ 45 ff. SGB X auch dem Erben zugutekommen und nicht unterlaufen werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1987 - 5 C 39/85 - BVerwGE 78, 165, zitiert nach juris Rn. 9).

Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, war die Leistungsgewährung an F. A. rechtswidrig, da jedenfalls das Vermögen in Gestalt der Eigentumswohnung nach § 90 Abs. 1 SGB XII hätte eingesetzt werden müssen, da die Wohnung keinem Schonvermögenstatbestand nach § 90 Abs. 2 SGB XII unterfiel, keine besondere Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII gegeben war und auch nach § 92 Abs. 2 SGB XII kein Ausschluss des Vermögenseinsatzes bestand. Der Senat nimmt insoweit mit den nachfolgenden Ergänzungen Bezug auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Eigentumswohnung J-Straße in J-Stadt war nach § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbares Vermögen. F. A. war im Leistungszeitraum Miteigentümer des von ihm mitbewohnten Hauses A-Straße in A-Stadt sowie Alleineigentümer der Wohnung J-Straße in J-Stadt nebst hälftigem Miteigentum am Hausgrundstück. Soweit nicht abschließend aufklärbar ist, ob die Darlehensschulden aufgrund der drei mit der K-bank A-Stadt eG geschlossenen Verträge zur Finanzierung des Hauskaufs in J-Stadt restlos getilgt waren, stand dies nach Auffassung des Senats einer Verwertung des Vermögens in Gestalt des Wohnungseigentums an der Wohnung in der J-Straße in J-Stadt bereits deshalb nicht entgegen, da die Grundschuld auf dem von dem Verstorbenen bewohnte Hausgrundstück lastete. Der Senat ist auch im Übrigen davon überzeugt, dass F. A. eine bedarfsdeckende wirtschaftliche Verwertung der Eigentumswohnung J-Straße in J-Stadt seinerzeit tatsächlich möglich war. Der Verwertbarkeit entgegenstehende Umstände werden auch vom Beklagten nicht vorgetragen. Zutreffend hat das Sozialgericht hinsichtlich einer im Grundbuch eingetragenen Veräußerungsbeschränkung die Auffassung vertreten, dass F. A. gegen seinen Bruder einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Zustimmung gehabt hätte, sofern kein wichtiger Grund entgegenstehe (§ 12 Abs. 2 Satz 1 WEG). Ein solcher wichtiger Grund ist nicht ersichtlich. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sein Bruder die Zustimmung rechtswidrig verweigert hätte oder sonst Verwertungshindernisse bestanden hätten. Zudem hätte letzteres nur dazu geführt, dass die Eingliederungshilfe darlehensweise zu gewähren gewesen wäre (§ 91 SGB XII) und der streitgegenständliche Bescheid auch dann rechtswidrig gewesen wäre. Daher muss der Senat auch nicht weiter aufklären, ob angesichts eines Nachlasswertes von 357.000 EUR die anderen Vermögensgegenstände verwertbares Einkommen i.S.d. § 90 SGB XII darstellten.

Der Vermögenseinsatz war nicht nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ausgeschlossen. Hiernach sind Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden, ohne Einsatz des Vermögens zu erbringen.

Ärztlich befürwortet und bewilligt wurden seinerzeit allein Leistungen "nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG"; gemeint waren damit bereits 2006 Leistungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, nicht etwa Leistungen nach § 54 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es insoweit nicht allein auf den Charakter der Einrichtung an; nach dem klaren Wortlaut des § 92 Abs. 2 SGB XII ist vielmehr auf den Charakter der Leistung abzustellen, es ist lediglich weitere Voraussetzung, dass sie in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden muss. Selbst wenn es sich bei der Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung des GX. Vereins Kreis A-Stadt e.V. um eine besonderen teilstationäre Einrichtungen für behinderte Menschen handelt, in der auch Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten erbracht werden, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, so kommt es für den Ausschluss des Vermögenseinsatzes darauf an, ob im konkreten Fall an den Hilfebedürftigen derartige Leistungen erbracht wurden.

Dies war nicht der Fall. Ein Eingliederungsziel des Erwerbs praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, ist der Gewährung der Leistung in Gestalt des Besuchs der Tagesstätte für Menschen mit seelischer Behinderung des GX. Vereins Kreis A-Stadt e.V. nicht zu entnehmen. Nach der ärztliche Befürwortung durch Dr. H., Institutsambulanz der Walter-Picard-Klinik Riedstadt, vom 10. März 2006 sei krankheits- bzw. behinderungsbedingt der Zugang zum Arbeitsleben bzw. einer Werkstatt für behinderte Menschen oder andere rehabilitative Einrichtungen nicht möglich. Befürwortet werde die Teilnahme an der "teilstationären/tagesstrukturierenden Maßnahme nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG". Auch den Entwicklungsberichten des GX. Vereins ist kein auf das Arbeitsleben bezogenes Eingliederungsziel zu entnehmen, vielmehr hielt auch der betreuende Sozialpädagoge eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr für möglich. Dies deutet der Senat dahingehend, dass auch der hinführende Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten nicht angestrebt werden konnte und sollte.

Eine Leistungsgewährung ohne Vermögensanrechnung war auch nicht nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII möglich, da es sich bei der Leistungsgewährung nicht um eine Leistung in einer einer Werkstatt für behinderte Menschen vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätte handelt. Auch hier kommt es auf den Charakter der Leistungsgewährung an; zu diesen Beschäftigungsstätten zählen nicht Tagesstätten, Selbsthilfeeinrichtungen und Zusatzverdienstfirmen ohne arbeits- und berufsfördernde Maßnahmen (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 [Stand: 1. August 2018], § 56 SGB XII, Rn. 9 und 10).

Das Sozialgericht hat schließlich zu Recht die Auffassung vertreten, dass Nr. 8 der Anlage 7 "Vereinbarung Beschäftigung und Betreuung von Menschen mit seelischer Behinderung in Tagesstätten in Hessen" zum Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII die Rechtmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Vermögen nicht herstellen kann. Hiernach wird zwar bei Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft an seelisch behinderte Menschen durch Tagesstätten auf den Einsatz des Einkommens bzw. Vermögens verzichtet, außer bei gleichzeitiger vollstationärer Unterbringung. In der Nr. 8 wird auch der Zweck dieser Klausel beschrieben, nämlich die Niederschwelligkeit des Angebots zu erhalten. Jedoch überschritte diese Regelung die Rechtsgrundlage in § 79 SGB XII, wenn man sie als Abweichung von § 92 Abs. 2 SGB XII auslegen würde.

Rahmenverträge nach § 79 SGB XII sind im Gefüge des Leistungserbringerrechts des SGB XII dadurch charakterisiert, dass sie allgemeine Regelungen in Bezug auf die im öffentlich-rechtlichen Sachleistungsverschaffungsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer zu schließenden Vereinbarungen i.S.d. § 75 Abs. 3 SGB XII treffen (Jaritz/Eicher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 [Stand: 1. August 2018], § 79 SGB XII, Rn. 15). Auch die in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB XII genannten Inhalte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie allein das Leistungserbringerverhältnis zwischen den Trägern der Sozialhilfe und den Einrichtungsträgern betreffen, nicht aber die Leistungsvoraussetzungen im Verhältnis zur leistungsberechtigten Person. Diese Aufzählung in § 79 Abs. 1 SGB XII begrenzt auch die Vertragsabschlusskompetenz für die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene einerseits und die Vereinigungen der Träger der Einrichtungen auf Landesebene andererseits; ein solches Verständnis des § 79 SGB XII als Kompetenzgrenze ist nicht zuletzt deshalb geboten, da auch im Leistungserbringerrecht der Rahmenvertrag von der individualvertraglichen Ebene abzugrenzen ist (vgl. dazu Jaritz/Eicher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 79 SGB XII, Rn. 1-13, 15). Nichts anderes kann für Kompetenzüberschreitungen im Verhältnis zum Gesetzgeber gelten. Der Beklagte kann auch mit seinem Argument nicht durchdringen, Anlage 7 zum Rahmenvertrag sei bereits unter Geltung des § 93d BSHG vereinbart worden. Nach dieser Vorschrift hätten in den Rahmenverträgen die "Merkmale und Besonderheiten" der jeweiligen Hilfeart berücksichtigt werden sollen. Auch diese Formulierung des § 93d BSHG muss systematisch auf eine rein leistungserbringerrechtliche Kompetenz zum Abschluss von Rahmenverträgen begrenzt werden, die keine Abweichung von Merkmalen der Hilfeart gestattet, die sich letztlich als Abweichung von gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen darstellt. Mithin kann als Merkmal einer Leistung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht der Verzicht auf die Berücksichtigung von Vermögen angesehen werden, weil dies kein Merkmal der Leistungsgewährung durch den Leistungserbringer ist, sondern eine durch den zuständigen Sozialleistungsträger zu prüfende Leistungsvoraussetzung. Nr. 8 der Anlage 7 wäre daher kompetenzwidrig und damit unwirksam, wenn man der Regelung eine Außenwirkung zugunsten des Leistungsberechtigten zubilligen würde. Offen bleiben kann hier, ob der vertraglichen Regelung leistungserbringerrechtlich noch eine eigenständige Bedeutung zukommen kann.

Der Senat kann in diesem Zusammenhang auch nicht die Rechtsansicht des Sozialgerichts Kassel im Urteil vom 31. Oktober 2013 – S 11 SO 7/12 – teilen, wonach die vertraglich geregelte Nichtheranziehung des Leistungsempfängers nicht die Erbenhaftung berühre. Ein solches relatives Verständnis von Rechtswidrigkeit liefe dem vom Bundesverwaltungsgericht und Bundessozialgericht festgestellten Zweck des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals zuwider, eine Umgehung der §§ 45 ff. SGB X durch den Rückgriff auf § 102 SGB XII zu verhindern. Soweit der Beklagte zutreffend darauf verweist, dass § 102 SGB XII grundsätzlich von der Ersatzpflicht des Erben ausgehe und vielfach gerade die Fälle betreffe, in denen vor dem Ableben des Erblassers eine Privilegierung von Vermögen nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII bzw. § 92 Abs. 2 SGB XII bestanden habe, vermag dies die Rechtsauffassung des Senats nicht zu berühren, da im vorliegenden Fall gerade keine gesetzliche Privilegierung des Leistungsberechtigten nach § 92 Abs. 2 SGB XII vorliegt, die – wie gezeigt – auch nicht zur Disposition der leistungserbringerrechtlichen Vertragspartner steht.

Da die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung an F. A. auf einer Verletzung materiellen Rechts beruht, kann auch offen bleiben, ob der Auffassung des Bundessozialgerichts zu folgen ist, dass im Rahmen von § 102 SGB XII eine Verletzung von Formvorschriften unbeachtlich ist (BSG, Urteil vom 23. März 2010 – B 8 SO 2/09 R , juris Rn. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Beschränkung des Rückgriffs auf die Erben nur im Falle der rechtmäßigen Leistungsgewährung ist höchstrichterlich geklärt. Auch im Übrigen fehlt an einer grundsätzlichen Bedeutung, da die hier vorgenommene Auslegung von § 79 SGB XII als Kompetenznorm unzweifelhaft ist und keine weiteren Fragen aufwirft.
Rechtskraft
Aus
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