L 11 KR 4533/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 871/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4533/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei drei Krankenhausaufenthalten eines Versicherten im selben Krankenhaus innerhalb von 30 Kalendertagen ist eine
Zusammenführung der Falldaten des ersten und des dritten Krankenhausaufenthaltes nach § 2 Abs 2 Fallpauschalenvereinbarung 2015 möglich, wenn die Fallpauschale für diese Behandlungen derselben Hauptdiagnosegruppe angehören (aA LSG Bayern 19.03.2019, L 20 KR 148/18).
(Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.11.2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 3.797,70 EUR und der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.071,42 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Krankenhausabrechnung über die Zusammenführung von stationären Behandlungen einer Versicherten der Beklagten im Krankenhaus der Klägerin im Jahr 2015.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassenes Krankenhaus in P ... Die bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte N. B. wurde 2015 in der vorgenannten Klinik behandelt.

In einem ersten Krankenhausaufenthalt vom 12.08.2015 bis zum 14.08.2015 wurde die Versicherte in der Abteilung für Innere Medizin wegen gürtelförmiger Oberbauchschmerzen sowie Cephalgie behandelt. Im Arztbrief der Klinik vom 14.08.2015 werden folgende Diagnosen genannt: biliäre Pankreatitis, Cholezystolithiasis, Cephalgie bei bekannter Migräne, acerbiertes Asthma bronchiale. Die Klägerin rechnete am 03.09.2015 gegenüber der Beklagten auf Basis der Fallpauschalen (Diagnosis Related Group - DRG) H64Z mit der Hauptdiagnose K80.20 einen Betrag von 2.033,57 EUR ab.

Vom 16.08.2015 bis zum 19.08.2015 wurde die Versicherte in einem zweiten Krankenhausaufenthalt auf der interdisziplinären Lungenstation aufgrund einer ausgeprägten allergischen Reaktion nach Infusion von Tramadol behandelt. Die Klägerin rechnete hierfür nach Korrekturen schließlich am 22.06.2016 auf Basis der DRG J67Z einen Betrag von 1.665,59 EUR gegenüber der Beklagten ab.

In einem dritten Krankenhausaufenthalt vom 24.08.2015 bis zum 28.08.2015 wurde die Versicherte in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und minimal-invasive Chirurgie erneut wegen Oberbauchschmerzen behandelt. Als Diagnosen (ohne Vorerkrankungen) werden im Arztbrief vom 28.08.2015 genannt: systematische Cholezystolithiasis, Zn biliärer Pankreatitis, Nabelhernie. Die Klägerin rechnete am 17.09.2015 auf Basis der DRG H08B mit der Hauptdiagnose K80.10 einen Betrag von 2.934,56 EUR gegenüber der Beklagten ab.

Die Beklagte beglich zunächst die Rechnung vom 03.09.2015 über den ersten Krankenhausaufenthalt, verrechnete diese dann jedoch am 13.03.2017 in voller Höhe zurück. Die Rechnung für den dritten Aufenthalt der Versicherten beglich sie nicht. Sie teilte der Klägerin mit, eine Fallzusammenführung sei vorzunehmen, wenn innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition oder die andere Partition" und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren sei. Weitere zwischenzeitlich erfolgte Aufenthalte in einer anderen MDC im gleichen oder in einem anderen Krankenhaus verhinderten die Fallzusammenführung nicht (Schreiben vom 18.01.2016). Am 28.03.2017 zahlte die Beklagte sodann an die Klägerin für den ersten und dritten Krankenhausaufenthalt zusammen 2.896,71 EUR. Unter Berücksichtigung der Gesamtforderung der Klägerin für beide Krankenhausaufenthalte in Höhe von insgesamt 4.968,13 EUR verblieb danach noch eine offene Differenz iHv 2.071,42 EUR.

Eine außergerichtliche Verständigung blieb ohne Erfolg, da die Beklagte der Auffassung war, dass aufgrund der Regelungen der Fallpauschalenvereinbarung 2015 (FPV) eine Fallzusammenführung des ersten und dritten Krankenhausaufenthalts vorzunehmen sei.

Die Klägerin hat am 12.03.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat zunächst einen Betrag iHv 3.797,70 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Aufklärung durch die Beklagte und Neuberechnung hat sie sodann noch den Differenzbetrag iHv 2.071,42 EUR begehrt.

Die Klägerin hat ausgeführt, der zweite Krankenhausaufenthalt entfalte eine Zäsur, so dass eine Fallzusammenführung des ersten und dritten Aufenthalts nicht mehr möglich sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 2 Abs 2 FPV sowie aus den Leitsätzen zur Anwendung der Wiederaufnahmeregelung zu der dem Wortlaut nach identischen § 2 der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser 2004 (KFPV 2004). Aus dieser ergebe sich, dass nur unmittelbar aufeinanderfolgende Aufenthalte zusammenzuführen seien. Auch die Regelung des § 2 Abs 4 FPV, nach der eine chronologische Prüfung vorzunehmen sei, spreche für die Ansicht der Klägerin.

Die Beklagte ist der Ansicht, der zweite Krankenhausaufenthalt der Versicherten hindere die Fallzusammenführung nicht. Aus § 2 Abs 2 FPV gehe nicht hervor, dass für eine Zusammenlegung der Abrechnung die Wiederaufnahme unmittelbar der Erstbehandlung folgen müsse und eine dazwischenliegende Krankenhausbehandlung die Zusammenführung der Fälle verhindere. Die Beklagte hat auf die amtliche Begründung zum Referentenentwurf zur KFPV 2004 verwiesen. Aus ihr lasse sich ableiten, dass der Verordnungsgeber ein Fallsplitting aus rein wirtschaftlich orientierten Gründen habe verhindern wollen. Maßgeblicher Aspekt für den Verordnungsgeber sei ausschließlich der Anrechnungszeitraum von 30 Tagen ab der ersten Aufnahme gewesen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.11.2018 abgewiesen, da eine Fallzusammenführung für den ersten und dritten Behandlungsfall vorzunehmen gewesen sei. Der zweite Krankenhausaufenthalt stelle keine Zäsur dar, die einer Zusammenführung entgegenstehe. Hätte die Versicherte den zweiten Krankenhausaufenthalt in einem anderen Krankenhaus verbracht, wäre die Fallzusammenführung bezüglich des ersten und dritten Krankenhausaufenthalts unproblematisch möglich gewesen. Die Auslegung des in § 2 Abs 2 Nr 2 FPV aufzufindenden Passus "zuvor abrechenbare Fallpauschale" ergebe, dass damit nicht extensiv auf sämtliche Krankenhausaufenthalte Bezug genommen werde, sondern vielmehr, dass nur auf diejenigen Krankenhausaufenthalte abzustellen sei, die innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe liegen. Der Wortlaut lege explizit Wert auf die Trennung zwischen der diagnostischen medizinischen Partition M und der operativen Partition O, deren künstliches Splitting verhindert werden solle. Es ergebe nur Sinn, diejenigen Krankenhausaufenthalte in diese Regelung mit einzubeziehen, die in einem Verhältnis der Partition M zur Partition O stünden. Dieses Auslegungsergebnis werde gestützt von dem in § 2 Abs 4 FPV offenbarten Wortlaut, dass eine chronologische Prüfung vorzunehmen sei. Chronologisch bedeute nicht ein detailgetreues "eins nach dem anderen".

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19.12.2018 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass sich in § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2 FPV eine inhaltliche Beschränkung finde, nämlich eine Beschränkung auf den Krankenhausaufenthalt, der die zuvor abrechenbare Fallpauschale ausgelöst habe. Diese Formulierung im Singular zeige, dass ein stationärer Aufenthalt stattgefunden haben müsse, der eine Fallpauschale ausgelöst habe und dass dieser Aufenthalt zuvor stattgefunden haben müsse. "Zuvor" unterstreiche, dass eine Fallzusammenführung von Fällen, die nicht aufeinanderfolgten, nicht stattfinden könne. Bei einer Auslegung wie der des SG wäre die Formulierung "zuvor abrechenbare Fallpauschale" überflüssig. Die Definition des Duden für "chronologisch", insbesondere "eins nach dem anderen" zeige, dass eine zeitliche Reihenfolge stattfinden müsse. Würde man wahllos Fälle innerhalb des Zeitfensters von 30 Kalendertagen auf ihre Zusammenführung prüfen, hätte dies nichts mit einer chronologischen Prüfung zu tun. Auch wenn es ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entspreche, dass die Leitsätze des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 08.06.2004 zur Anwendung der Wiederaufnahmeregelung nach § 2 KFPV 2004 nicht verbindlich die Auslegung der FPV bestimmen könne, unterstreiche der vierte Leitsatz, dass es immer auf die unmittelbar zuvor abrechenbare Fallpauschale ankommen müsse.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.11.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.071,42 EUR zuzüglich Zinsen hieraus iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.03.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid an. Mit "die zuvor abrechenbare Fallpauschale" sei eine Fallpauschale gemeint, die innerhalb der vorangegangenen 30 Tage angefallen sei. Angesichts der Pflicht zu streng wortlautgetreuen Auslegung müsste hier die Formulierung "unmittelbar zuvor abrechenbare Fallpauschale" lauten, um die klägerische Auslegung zu stützen. § 2 Abs 4 Satz 3 FPV sei in Verbindung mit dem unmittelbar vorausgehenden Satz 2 zu lesen, dass eine neue Einstufung mit den Falldaten aller zusammenführenden Krankenhausaufenthalte durchzuführen sei. Hierbei sei eine chronologische Prüfung vorzunehmen. Die Notwendigkeit einer chronologischen Prüfung beziehe sich auf den Fall, dass mehr als zwei Fälle zusammengeführt werden sollen. Es solle verhindert werden, dass beispielsweise der erste und der vierte Fall einer zusammenzuführenden Fallgruppe aus wirtschaftlichen Gründen zusammengeführt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Patientenakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Vergütung iHv 2.071,42 EUR nebst Verzugszinsen, da sie für den ersten und dritten Krankenhausaufenthalt der Versicherten nicht zwei Fallpauschalen abrechnen durfte, sondern eine Fallzusammenführung vorzunehmen war.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 12.08.2015 und 14.08.2015 und vom 24.08.2015 bis 28.08.2015 sowie hier nicht unmittelbar streitgegenständlich vom 16.08.2015 bis 19.08.2015 in ihrem nach § 108 Nr 2 SGB V zugelassenen Krankenhaus stationär behandelte. Die Behandlungen waren auch erforderlich. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2).

Die konkrete Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich ge-mäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 iVm § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3). Maßgeblich sind hier der für das Jahr 2015 vereinbarte Fallpauschalen-Katalog (DRG-Version 2015) und die FPV 2015.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene - zertifiziert worden sind.

In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) konkrete Vorgaben für die Eingaben.

Die Anwendung der DKR, vorliegend Stand 2015, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

Für den ersten Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 12.08.2015 bis zum 14.08.2015 war die DRG H64Z maßgeblich. Diese DRG gehört zur Hauptdiagnosegruppe (MDC) 7 "Krankheiten und Störungen an hepatobiliärem System und Pankreas" und ist der Partition M, dh der medizinischen Partition zuzuordnen. Der zweite Krankenhausaufenthalt der Versicherten vom 16.08.2015 bis 19.08.2015 ist grundsätzlich der DRG J67Z zuzuordnen, die der MDC 9 "Krankheiten und Störungen an Haut, Unterhaut und Mamma" angehört und ebenfalls der Partition M zuzuordnen ist. Für den dritten Aufenthalt vom 24.08.2015 bis zum 28.08.2015 lautet die DRG H08B, die wiederum MDC 7 angehört und in die operative Partition (Partition O) fällt.

Der erste und dritte Krankenhausaufenthalt der Versicherten waren jedoch zusammenzuführen und mit einer Fallpauschale abzurechnen.

Eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 1 FPV kommt nicht in Betracht, da für die Wiederaufnahme der Versicherten keine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen worden ist. Der erste Fall war in die DRG H64Z einzustufen, der zweite Krankenhausaufenthalt in die DRG J67Z und die dritte Behandlung war mit der DRG H08B abzurechnen. Auch hat keine Zusammenführung nach § 2 Abs 3 FPV stattzufinden, weil für eine Wiederaufnahme aufgrund von in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikationen nichts ersichtlich ist.

Es hat jedoch eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 FPV zu erfolgen. Die Vorschrift lautet:

Eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale ist auch dann vorzunehmen, wenn 1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthalts wieder aufgenommen wird und 2. innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition" oder die "andere Partition" und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren ist. Eine Zusammenfassung und Neueinstufung nach Satz 1 wird nicht vorgenommen, wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 oder bei belegärztlicher Versorgung in Spalte 15 des Fallpauschalen-Katalogs gekennzeichnet ist.

Eine Zusammenfassung aller drei oder aber des ersten mit dem zweiten Aufenthalt oder des zweiten mit dem dritten Aufenthalt ist nicht möglich, weil sie jeweils nicht innerhalb derselben Hauptdiagnosegruppen erfolgt sind, denn der erste Aufenthalt mit der DRG H64Z unterfällt der Hauptdiagnosegruppe 7, der zweite Krankenhausaufenthalt mit der DRG J67Z der Hauptdiagnosegruppe 9, während der dritte Aufenthalt mit der DRG H08B wiederum der Hauptdiagnosegruppe 7 unterfällt.

Allerdings ist eine Zusammenfassung der Falldaten des ersten und des dritten Aufenthalts in eine Fallpauschale möglich, da die DRG für diese Behandlungen derselben Hauptdiagnosegruppe angehören. Die Wiederaufnahme für den dritten Krankenhausaufenthalt der Versicherten am 24.08.2015 erfolgte auch innerhalb von 30 Kalendertagen nach der erstmaligen Aufnahme am 12.08.2015. Außerdem ist die für den ersten Aufenthalt abrechenbare Fallpauschale in die medizinische Partition (M) einzugruppieren, die Fallpauschale für den dritten Krankenhausaufenthalt der Versicherten abrechenbare Fallpauschale ist in die operative Partition (O) einzugruppieren.

Dass die den zusammenzuführenden Falldaten zugrundeliegenden Krankenhausaufenthalte der Versicherten nicht unmittelbar aufeinanderfolgen, ist unbeachtlich. Dem Wortlaut des § 2 Abs 3 Nr 2 FPV lässt sich dieses Kriterium der Unmittelbarkeit nicht entnehmen.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich der Passus "die zuvor abrechenbare Fallpauschale" auf die sich innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe befindlichen Krankenhausaufenthalte. Für die Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 FPV sind nur die innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe liegenden Krankenhausaufenthalte in den Blick zu nehmen. Ggf dazwischenliegende weitere Aufenthalte mit einer anderen Hauptdiagnosegruppe sind unerheblich und nicht in die Betrachtung einzubeziehen. Sie haben keine Zäsurwirkung, denn eine solche Bedeutung kann dem Wortlaut des § 2 Abs 2 Nr 2 FPV nicht entnommen werden. Eine Fallzusammenrechnung setzt dann nur voraus, dass die "zuvor", dh die im zeitlich früheren Aufenthalt abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition" oder in die "andere Partition" und die "anschließende", dh die im zeitlich späteren Aufenthalt abrechenbare Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren ist.

Das Argument, dass diese Auslegung nur in Betracht käme, wenn die Wortgruppe "innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MCD)" nicht vorangestellt am Anfang der Nr 2 stünde, sondern Nr 2 lautete "die zuvor innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) abrechenbare Fallpauschale" (so LSG Bayern 19.03.2019, L 20 KR 148/18, juris Rn 38) ist aus Sicht des Senats nicht zutreffend.

Die ohnehin nur ergänzend heranzuziehende systematische Auslegung steht dem nicht entgegen. Dass § 2 Abs 4 FPV auf eine chronologische Prüfung bei der Neueinstufung in eine Fallpauschale mit den Falldaten aller zusammenzuführenden Krankenhausaufenthalte abstellt, erlaubt keine Rückschlüsse darauf, ob im Falle des § 2 Abs 2 FPV nur unmittelbar hintereinanderliegende Krankenhausaufenthalte zusammengeführt werden können. Eine chronologische Prüfung der zusammenzuführenden Fälle ist unabhängig davon möglich, ob sie einander unmittelbar nachfolgen.

Da die Vergütungsregelungen wie oben erläutert stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen sind, bleibt für die eine historische Betrachtungsweise unter Heranziehung der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 16.09.2004 aufgestellten "Leitsätze zur Anwendung der Wiederaufnahmeregelung nach § 2 KFPV 2004" zur zunächst nach Einführung der Vergütung nach Fallschaupalen vom BMG erlassenen Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung 2004 – KFPV 2004 vom 13.10.2003, BGBl 2003 Teil I, S 1995) und deren unveränderten Übernahme ab dem Jahr 2005 durch die Vertragspartner auf Bundesebene in die jährlichen Fallpauschalenvereinbarungen gemäß § 17 Abs 2 KHG kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Hs 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin zunächst einen Betrag iHv 3.797,70 EUR geltend gemacht und die Klageforderung im Laufe des Verfahrens erster Instanz reduziert hat.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Revision angefochten werden.

Die Revision ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Revision in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte).

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsmäßige Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Rechtskraft
Aus
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