L 7 AY 2735/19 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AY 2797/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 2735/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung (hier Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG statt Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG) betroffen sind, genügt nicht, um generell einen Anordnungsgrund anzunehmen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. August 2019 (Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er bei sachgerechter Auslegung die Gewährung von sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab dem 25. Juni 2019 (Antragseingang beim Sozialgericht Stuttgart [SG]) anstelle von Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG begehrt, ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 SGG).

2. Die Beschwerde des Antragstellers ist aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 21; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 3; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 19; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 3; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 8).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 9; vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris Rdnr. 2; Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 9; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris Rdnr. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Auch dann kann aber nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 9; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris Rdnr. 4).

b) Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

aa) Hinsichtlich des Anordnungsgrundes muss der Antragsteller darlegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird (Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 7; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 6; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 10; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. September 2015 – L 7 SB 48/14 B ER – juris Rdnr. 21). Ein Anordnungsgrund ist nur glaubhaft gemacht, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass dem Antragsteller bei einem Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens unzumutbare Nachteile entstünden (Beschluss des Senats vom 14. März 2019 – L 7 AS 634/19 ER-B – juris Rdnr. 6; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 10; vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. September 2017 – L 11 KR 3371/17 ER-B – juris Rdnr. 15).

Ein Anordnungsgrund besteht regelmäßig nur, soweit Leistungen für die Gegenwart oder die nahe Zukunft begehrt werden (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 – L 13 AS 3794/12 ER-B – juris Rdnr. 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 13 AS 628/11 ER-B – juris Rdnr. 2). Durch eine einstweilige Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rdnr. 11). Für die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit besteht demgegenüber regelmäßig kein Anordnungsgrund (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rdnr. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2016 – L 29 AS 2544/16 B ER – juris Rdnr. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rdnr. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rdnr. 11). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, weil die fehlenden Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirken und eine gegenwärtige Notlage begründen (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rdnr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Januar 2017 – L 19 AS 2381/16 B ER – juris Rdnr. 26; LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rdnr. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2016 – L 32 AS 1688/16 B ER – juris Rdnr. 28; Meßling in Hennig, SGG, § 86b Rdnr. 168 [Dezember 2014]). Es muss dann ein noch gegenwärtig schwerer, ohne Erlass der einstweiligen Anordnung irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht werden (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rdnr. 12). Gegenüber Dritten bestehende Verbindlichkeiten reichen für die Annahme eines solchen Nachteils regelmäßig nicht aus (Beschluss des Senats vom 28. November 2017 – L 7 SO 3860/17 ER-B – n.v.; Beschluss des Senats vom 30. Juli 2019 – L 7 SO 2356/19 ER-B – juris Rdnr. 11; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rdnr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rdnr. 29 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rdnr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2011 – L 9 KR 283/10 B ER – juris Rdnr. 5; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2016 – L 32 AS 1688/16 B ER – juris Rdnr. 28).

bb) Gemessen daran ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, weil nicht ersichtlich ist, dass auf Seiten des Antragstellers ohne die Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG eine Notlage bestünde. Der Antragsteller hat zur Frage des Anordnungsgrundes weder vor dem SG noch im Beschwerdeverfahren auch nur irgendetwas vorgetragen. Allein der Umstand, dass Grundleistungen der sozialen Sicherung betroffen sind, genügt nicht, um generell einen im Hauptsacheverfahren nicht mehr korrigierbaren, irreparablen Nachteil anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2017 – 1 BvR 1719/17 – juris Rdnr. 8). Der Antragsteller bezieht bereits seit dem 31. März 2009 Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG; er hat nicht einmal behauptet, dass diese Leistungen zur Deckung seines Existenzminimums in der Vergangenheit oder gegenwärtig nicht ausreichten.

c) Im Übrigen hat der Antragsteller aber auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er einen Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hat. Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der seit dem 21. August 2019 geltenden Fassung; ab dem 1. September 2019: § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Begriff des Rechtsmissbrauchs als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet eine objektive (den Missbrauchstatbestand) und eine subjektive Komponente (das Verschulden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 32). In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer soll danach von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthalt von 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 33). Die Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes führt beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an (Bundestags-Drucksache 15/420, S. 121; dies aufgreifend etwa BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 34). Der anspruchsausschließende Tatbestand der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer ist also unter anderem dann erfüllt, wenn der Betroffenen seinen Pass vernichtet hat oder dessen Verlust behauptet (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Juni 2017 – L 7 AY 2217/13 – juris Rdnr. 29 f.; Beschluss des Senats vom 6. November 2017 – L 7 AY 2691/15 – juris Rdnr. 39 f.) und/oder an der Passbeschaffung nicht hinreichend mitwirkt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. August 2018 – L 9 AY 5/11 – juris Rdnr. 44). Die Begründung des Gesetzentwurfes zu § 1a AsylbLG a.F., der Leistungskürzungen unter das Niveau der §§ 3 ff. AsylbLG ermöglicht, nennt als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung, also ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist (Bundestags-Drucksache 13/10155, S. 5). Entsprechend hat der Senat auch die fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten als typischen Anwendungsfall des § 1a AsylbLG angesehen (Urteil des Senats vom 8. November 2018 – L 7 AY 4468/16 – juris Rdrn. 40); diese Bewertung gilt für den bloßen Ausschluss von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erst Recht. Auf die – vom Antragsteller angesprochene – Frage, ob Staatenlosigkeit einen Verstoß gegen den ordre public darstellt, kommt es nicht an, da § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht hieran anknüpft.

Die anspruchsausschließenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG liegen hier vor. Der am 1. Juli 1972 (so die Akte des Antragsgegners) oder am 1. Januar 1974 (so Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Oktober 2017) geborene Antragsteller verfügte ursprünglich über die türkische Staatsangehörigkeit und ist nach seiner Darstellung inzwischen staatenlos. Er wurde mit bestandskräftig gewordenem Bescheid des Regierungspräsidiums S. vom 2. August 2006 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, nachdem er mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. März 2004 (14 KLs 203 Js 79186/02) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist. Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Canstatt verurteilte den Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Juni 2010 (5 LS 232 Js 37371/09) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Antragsteller weigert sich weiterhin, die nach seinen Angaben verlorene türkische Staatsangehörigkeit wieder zu beantragen; damit liegt eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vor.

Dass dem Antragsteller im vorliegenden Fall nicht zumindest die Antragstellung bei der zuständigen türkischen Behörde möglich und zumutbar wäre, ist nicht ersichtlich. Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat insofern im Widerspruchsverfahren lediglich vorgebracht, er sei "nicht in der Lage, einen solchen Antrag zu stellen, wie fachärztlich festgestellt", dies aber ansonsten nicht konkretisiert; im Beschwerdeverfahren hat er auf ein ärztliches Attest vom 1. Februar 2018 verwiesen, aber ein solches Attest nicht vorgelegt. Auch ist nicht ersichtlich, dass ein Wiedereinbürgerungsantrag des Antragstellers aussichtlos wäre. Der Antragsteller hat insofern im Beschwerdeverfahren lediglich auf Art. 11 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 (vom 29. Mai 2009) hingewiesen, wonach Voraussetzung der Einbürgerung ein achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in der Türkei wäre, woran es hier fehle. Abgesehen davon, dass Art. 11 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes lediglich einen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalt in der Türkei verlangt (vgl. auch Rumpf, Einführung in das türkische Recht, 2. Aufl. 2016, § 10 Rdnr. 8), hat das SG zu Recht auf Art. 43 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes verwiesen. Danach kann unter anderem denjenigen, die – wie nach seiner Darstellung der Antragsteller – nach Art. 25 Abs. ç des aufgehobenen Gesetzes Nr. 403 über die türkische Staatsangehörigkeit (wegen Nichtableistung des Wehrdienstes) die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben und einen Antrag stellen, ungeachtet der Voraussetzung des Aufenthalts in der Türkei wieder die türkische Staatsangehörigkeit erteilt werden, wenn keine Umstände vorliegen, die zu Bedenken aufgrund der nationalen Sicherheit führen. Hierauf geht der Antragsteller nicht ein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Beschwerde abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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