L 4 SO 103/17 KL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 103/17 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Anforderungen an eine hinreichend eindeutige, widerspruchsfreie Begründung eines Schiedsspruchs.
Der Schiedsspruch der Hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 SGB XII vom 28. März 2017 - 18 c 05-12/16 - wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 5/6 und der Kläger zu 1/6 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt u.a. die Aufhebung eines Schiedsspruches nach § 80 Zwölftes Buch – Sozialhilfe – SGB XII.

Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der C.-Gruppe, die soziale und pflegerische Dienstleistungen vornehmlich in Südhessen erbringt. Sie hat ihren Sitz in A-Stadt und erbringt unter anderem Leistungen der Schulassistenz bzw. Schulbegleitung für Kinder mit drohenden oder bestehenden körperlichen und/oder geistigen Behinderungen als Eingliederungshilfe.

Im Juli 2015 trat der Geschäftsführer der Klägerin an den Beklagten heran, um die Möglichkeit einer Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu erörtern. Vorausgegangen waren Kontakte von Schulleitern mit der Klägerin zur Bedarfssituation hinsichtlich Teilhabeassistenz im Kreisgebiet.

Nach diversen Gesprächen zwischen den Beteiligten kam es zunächst nicht zum Abschluss von Leistungs-. Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen.

Auf der Grundlage einer Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 2016 – S 27 SO 5/16 ER – wurde die Klägerin nach Maßgabe der mit der Stadt Frankfurt am Main geschlossenen Vereinbarungen im Kreisgebiet tätig. Die einstweilige Anordnung verpflichtete den Beklagten, bis zum 31. Dezember 2016 eine die Klägerin enthaltene Liste zu führen über Anbieter, die als Leistungserbringer für Hilfen zur Schulassistenz in Betracht kommen, und auf diese Liste die Leistungsberechtigten im Rahmen der Beratung hinzuweisen. Der Beschluss wurde mit Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. November 2016 - L 4 SO 58/16 B ER - aufgehoben.

Zuvor verhandelten die Beteiligten Mitte 2016 über Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen, als deren Teilergebnis am 8./12. August 2016 eine Leistungs-, Qualitäts- und Prüfungsvereinbarung abgeschlossen wurde. In deren § 4 — Qualifikation der Teilhabeassistenz — sind gestufte Qualifikationsmerkmale vereinbart. Es wurden drei "Qualifikationslevel" definiert, die je nach Bedarf des zu betreuenden Kindes von Nichtfachkräften (Qualifikationslevel 1) über Personen mit einer Ausbildung als Pflegeassistent/-innen (Qualifikationslevel 2) bis hin zu examinierten Fachkräften (Qualifikationslevel 3) reichen.

Im Rahmen der Verhandlungen um eine Vergütungsvereinbarung konnten sich die Beteiligten bis Oktober 2016 nicht auf folgende Punkte einigen:

1. Vergütung und Eingruppierung der Assistenzkräfte nach dem TVöD
2. Auslastungsquote
3. zu Grunde zu legende Jahresarbeitszeit
4. Höhe der Leistungs-, Verwaltungs- und Personalnebenkosten sowie der Sach- und Gebäudekosten,
5. Wagnis und Gewinn
6. Abwesenheitsvergütung bei Erkrankung des betreuten Kindes
7. nicht besprochen worden seien: Springerkosten.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 beantragte die Klägerin die Durchführung eines Schiedsverfahrens. Nach einer mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2017 setzte die Schiedsstelle das Verfahren zur weiteren Aufbereitung der Dissenspunkte durch die Beteiligten aus.

Die Klägerin vertrat zu den zuletzt noch streitigen Punkten die Rechtsauffassung, für die in der Leistungsvereinbarung fixierten Qualitätslevel 1 und 2 sei eine Vergütung nach Entgeltgruppe S3 des Tarifvertrages SuE anwenden. Die Anwendung dieser Entgeltgruppe sei – auch aufgrund der Vergleichbarkeit der Tätigkeiten der Schulassistenz mit Kinderpflegern – angemessen. Die Klägerin gab an, in ihrem Unternehmen die Entgelttabellen nach dem TVöD-SuE anwenden zu wollen. Dabei gehe sie jeweils bezogen auf die vereinbarten Qualifikationslevel 1 bis 3 von folgenden Eingruppierungen und Einstufungen aus:

- Qualifikationslevel 1 (angelernte Kräfte ohne Pflege): S3 Stufe 3;
- Qualifikationslevel 2 (angelernte Kräfte mit Pflege): S3 Stufe 4;
- Qualifikationslevel 3 (Fachkräfte): S8&1072; Stufe 3.

Dazu gab die Klägerin folgende verbindliche Erklärung gegenüber dem Beklagten und der Schiedsstelle mit Schriftsatz vom 8. März 2017 ab:

"1. Der Leistungserbringer verpflichtet sich, seine als Teilhabeassistenten eingesetzten Beschäftigten entsprechend den der Kalkulation zu Grunde gelegten tariflichen Entgeltmerkmalen des TVöD-VKA, Tabellen SuE (§ 15 TVöD-VKA), nach Maßgabe der jeweiligen Erfahrungsstufe (§ 16 TVöD-VKA), einschließlich der Jahressonderzahlung (§ 20 TVöD-VKA), des Urlaubs (§ 26 TVöD-VKA) und der Arbeitszeit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b TVöD-VKA), zu bezahlen. Die Eingruppierung gemäß den SuE-Tabellen erfolgt für die Beschäftigten in Abhängigkeit von dem in § 4 der mit dem Landkreis Limburg-Weilburg als Träger der Sozialhilfe am 08./12.08.2016 geschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung bestimmten Qualifikationslevel wie folgt:

a) (Nr. 1) Qualifikationslevel 1: Entgeltgruppe S3
b) (Nr. 2) Qualifikationslevel 2: Entgeltgruppe S3
c) (Nr. 3) Qualifikationslevel 3: Entgeltgruppe 8a

2. Diese Erklärung gilt im Anwendungsbereich der mit dem Landkreis Limburg-Weilburg als Träger der Sozialhilfe am 08./12.08.2016 geschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung in Verbindung mit der dazugehörigen Vergütungsvereinbarung vom 15.08.2016 an.

3. Der Leistungserbringer wird seinen entsprechenden Beschäftigten die sich aus Ziffer 1 ergebenden Vergütungen und Leistungen rückwirkend zum 15.08.2016 gewähren und entsprechende Nachzahlungen vornehmen. Die Nachzahlungen weist er dem zuständigen Sozialhilfeträger in anonymisierter Form nachvollziehbar nach."

Sie gehe von einer Auslastungsquote von 95% aus. Wagnis und Gewinn würden von der Klägerin mit einem Anteil von jeweils 4% berechnet. Die jährlich abrechenbare Arbeitszeit beziffere die Klägerin - in Anlehnung an die Hessische Rahmenvereinbarung nach §§ 78&1072; ff. SGB VIII - auf 1345 Stunden. Sie kalkuliere - mit Bezugnahme auf die Hessische Rahmenvereinbarung – die Leitungskosten mit 10%, Verwaltungskosten mit 10% und die Personalnebenkosten mit 5%.

Die Klägerin beantragte, die Vergütung für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, für die keine fachpflegerische Qualifikation erforderlich ist (Qualifikationslevel 1), auf 43,34 EUR je Fachleistungsstunde festzusetzen, die Vergütung für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen mit einem über das normale Maß hinausgehenden Anteil grundpflegerischer Leistungen, für die eine Qualifikation als Pflegeassistentin oder eine vergleichbare Qualifikation, die zur grundpflegerischen Versorgung von Pflegebedürftigen befähigt, erforderlich ist (Qualifikationslevel 2), auf 45,60 EUR je Fachleistungsstunde festzusetzen, die Vergütung für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, für die eine fachliche Qualifikation mit einer Ausbildung als Sozialassistent/in, Erzieher/in, Heilerziehungspfleger/in, examinierte Pflegfachkraft oder vergleichbar erforderlich ist (Qualifikationslevel 3), auf 52,95 EUR je Fachleistungsstunde festzusetzen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Eingruppierung sei nicht plausibel. Eine Auslastung von 98 Prozent sei zugrunde zu legen. Ein Wagniszuschlag nur von 2% sei gerechtfertigt, da in Fällen, in denen ein Kind nicht zur Verfügung stehe, die Bereitschaft bestehe, die Vergütung bis zu 20 Tage weiterzuzahlen. Ferner sei ein zusätzlicher Gewinnaufschlag von 1% gerechtfertigt. Der Beklagte sah einen Zusammenhang zwischen der Anerkennung eines Ausfallwagnisses und der Höhe der Auslastungsquote und akzeptierte eine Auslastung von 95%, dann aber ohne Gewinnzuschlag. Hinsichtlich der Leistungs- und Verwaltungskosten sei - unter Berufung auf Erfahrungswerte - von einem Schlüssel von 1:40 auszugehen.

Zusammenfassend ging der Beklagte von folgenden Vergütungssätzen aus:

- 27,46 EUR für Kräfte nach Qualifikationslevel 1,
- 29,85 EUR für Kräfte nach Qualifikationslevel 2,
- 34,70 EUR für Kräfte nach Qualifikationslevel 3.

Mit Beschluss vom 28. März 2017 setzte die Schiedsstelle die Vergütungen für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen für die Leistungen der Schulassistenz nach §§ 53, 54 SGB XII wie folgt fest:

- für Kräfte nach Qualifikationslevel 1: 29,68 EUR
- für Kräfte nach Qualifikationslevel 2: 34,00 EUR
- für Kräfte nach Qualifikationslevel 3: 45,93 EUR

Die Laufzeit wurde auf 15. August 2016 bis 31. Juli 2017 bestimmt.

Zur Begründung führte die Schiedsstelle aus, sie halte es für zulässig, dass ein Leistungserbringer sich hinsichtlich einzelner Tarifmerkmale an den TVöD SuE anlehne. Dabei gehe sie davon aus, dass die Antragstellerin sich an die abgegebene, verbindliche Erklärung vom 8. März 2017 halte. Hinsichtlich des Qualifikationslevels 1 sei die Tätigkeit derjenigen von Kinderpfleger/innen vergleichbar (Entgeltgruppe S3), deren Tätigkeit pflegerische Leistungen sowie die Anleitung zum Spiel beinhalten. Bei dem Qualifikationslevel 2 seien erhebliche pflegerische Leistungen zu bewältigen, eine abgeschlossene pflegerische Ausbildung sei erforderlich. Die Schiedsstelle halte den Zusammenhang zwischen Auslastungsgrad, Wagnis und Gewinn für nachvollziehbar. Sie gehe grundsätzlich von einem Auslastungsgrad von 98% aus. Ein Auslastungsgrad von 95% - ohne Gewinn- und Wagniszuschlag - sei deshalb plausibel. Mangels einschlägiger Berechnungsgrundlagen im SGB XII lege die Schiedsstelle wegen der Sachnähe und Vergleichbarkeit der Fragestellungen die - auch von der Klägerin mehrfach herangezogene - Anlage 5 der Hessischen Rahmenvereinbarung nach § 78 a ff. SGB VIII zu Grunde.

Die Berechnung für die Qualifikationsstufe 1 wurde im Beschluss wie folgt begründet:

"Berechnung des Entgelts für Fachleistungsstunden als Zusatzleistung
(face to face Stunde als Zusatzleistung umfasst 60 Minuten)
a) Personalkosten
Kosten einer Fachkraft gem. TVöD SuE S2 Stufe 3 36.814,15 EUR
(Obergrenze Kommunal ist zu beachten)
zuzüglich davon 10% für Leitung und Verwaltung 3.681,42 EUR
zusammen: 40.495,57 EUR
Sachkosten
in Höhe von 10% der Personalkosten 4.049,56 EUR
Personal- und Sachkosten insgesamt:
(inkl. Fahrtkosten bei Entfernung bis 10 km einfache Strecke) 44.545,12EUR
maßgebliche Jahresarbeitszeit 1580,00 Std. Auslastung 95%
Die Kosten für eine Fachleistungsstunde als Zusatzleistung betragen somit
29,68EUR
(Personal- und Sachkosten insgesamt/ maßgebliche Jahresarbeitszeit)"

Hinsichtlich der Berechnung im Übrigen wird auf Seite 4f. des Schiedsspruchs (Bl. 232f. der Akte der Schiedsstelle) Bezug genommen.

Der Beschluss ist der Klägerin am 10. Mai 2017 zugestellt worden.

Hiergegen hat die Klägerin am Montag, den 12. Juni 2017 Klage erhoben.

Die Klägerin wendet sich gegen sechs aus ihrer Sicht fehlerhafte Positionen im Rahmen der rechnerischen Begründung des Schiedsspruches, nämlich (1.) die widersprüchliche Anknüpfung an die Eingruppierung im Qualifikationslevel 1, (2.) die nicht begründete Nichtberücksichtigung von Personalnebenkosten, (3.) die zusammenfassende Berücksichtigung von Auslastung, Wagnis und Gewinn mit 95 Prozent, (4.) die kumulative Berücksichtigung der Kosten von Leitung und Verwaltung mit lediglich zehn Prozent, (5.) die aus Sicht der Klägerin "willkürlich" gegriffene Jahresarbeitszeit von 1.580 Stunden bei der Anzahl der abrechenbaren Fachleistungsstunden und (6.) die Nichtberücksichtigung von sog. Springerkosten.

Zu 1. trägt die Klägerin vor, die Schiedsstelle sei dem Antrag und der Argumentation der Klägerin ohne Einschränkungen gefolgt. Sie habe ausgeführt, dass die Tätigkeit der Tellhabeassistentinnen und -assistenten derjenigen von Kinderpflegern entspreche, die Im TVöD-SuE In die Gruppe S3 eingruppiert würden. Akzeptiert hab sie auch die prospektive Annahme einer durchschnittlichen Entgeltstufe 3. Im Widerspruch dazu habe sie allerdings bei der Berechnung des Entgeltsatzes je Fachleistungsstunde die Entgeltgruppe S2 zugrunde gelegt, entsprechend einem Jahres-Arbeitgeberbrutto von nur 33.314,15 Euro. Die Klägerin habe diesen Wert aber mit 40.171,00 Euro beziffert, wie es 12,9 Gehältern in der Gruppe S3 bei Stufe 3 entspricht. Durch dieses "Tabellen-Versehen" sei der festgesetzte Entgeltsatz erheblich zu niedrig.

Zu 2. trägt die Klägerin vor, dass im Rahmen der Entgeltverhandlungen ein Betrag von pauschal 500 EUR unstreitig gewesen sei; dieser hätte also mindestens berücksichtigt werden müssen.

Zu 3. trägt die Klägerin vor, dass sie neben der anerkannten 95-prozentigen Auslastung die Einbeziehung eines Zuschlages von vier Prozent auf die Kosten für tätigkeitsspezifische Wagnisse, die sie im Einzelnen dargelegt gehabt habe, sowie von weiteren vier Prozent für den Unternehmergewinn beantragt habe. Die Schiedsstelle habe über die Forderung der Klägerin nicht in einer Weise entschieden, die erkennen lasse, was sie für unbegründet halte und aus welchen Gründen. Sie habe sich offenbar auf den Standpunkt zurückgezogen, mit einer Auslastung von 95 Prozent sei dem Anliegen der Klägerin im Ergebnis angemessen Rechnung getragen. Welche Aspekte dafür maßgeblich seien, bleibe offen, was ein gravierender Begründungsmangel sei.

Zu 4. führt die Klägerin an, die Schiedsstelle habe in einem unbekannten Verhältnis zehn Prozent für Kosten von Leitung und Verwaltung angesetzt und die beanspruchten fünf Prozent für Personalnebenkosten unterschlagen. § 12 Abs. 18 sehe jeweils 7, 5-10 Prozent für Leitung und Verwaltung vor. Hinsichtlich des weiteren Vortrages insoweit wird auf S. 7 f. der Klagebegründung (Bl. 26 d.A.) Bezug genommen.

Zu 5. trägt die Klägerin vor, die Schiedsstelle beziehe sich nominell zwar auf die Hessische Rahmenvereinbarung nach §§ 78a ff. des Achten Buches Sozialgesetzbuch. Sie setze aber willkürlich gegriffene 1.580 Stunden Jahresarbeitszeit als Divisor zur Ermittlung des Stundensatzes an, welche exakt dem Antrag des Beklagten entsprächen. In der Rahmenvereinbarung seien hingegen in der Anlage S auf Seite 2 realistische 1.344,79 Stunden produktive direkte Arbeitszeit genannt und nachvollziehbar ermittelt, während die Klägerin sich im Sinne eines Entgegenkommens bereit erklärt hat. in den Qualifikationslevels 1 und 2 mit jeweils 1.450 Stunden arbeiten zu wollen. Begründung und Entscheidung widersprächen sich hier also eindeutig.

Zu 6. wird ausgeführt, die vorgetragene Kalkulation zu den Springerkosten (eine Springerkraft pro zwanzig betreute Kinder, entspreche fünf Prozent) sei nicht ohne Begründung nicht berücksichtigt worden. Es sei unklar, ob dies eine Ablehnung oder eine Nichtentscheidung sei.

Hinsichtlich der Vertiefung des Vortrages zu allen Punkten wird auf den Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 (Bl. 167 ff. d.A.) Bezug genommen.

Ursprünglich hat die Klägerin über den Aufhebungsantrag hinaus beantragt, festzustellen, dass die Schiedsstelle die Einsatzpersonalkosten auf der Grundlage des TVöD-SuE gemäß der Eingruppierung in die Entgeltgruppe S3 der Entgeltkalkulation und-Bemessung zugrunde zu legen hat.

Die Klägerin beantragt nunmehr,
den Schiedsspruch der hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 SGB XII vom 28. März 2017 – 18c 05 – 12/16 – aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Schiedsstelle habe mit der von der Klägerin als widersprüchlich angesehenen Formulierung auf Seite 4 lediglich auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten hinweisen wollen, nicht aber ausdrücken wollen, dass dies zur Eingruppierung nach der Entgeltstufe S3 führe. Inhaltlich allein zutreffend sei eine Eingruppierung nach S2. Teilhabeassistenzen benötigten keine Ausbildung oder Vorkenntnisse. Demgegenüber finde für Kinderpfleger/-innen, die in der Entgeltgruppe S3 eingruppiert seien, eine Ausbildung von zwei Jahren in einer Berufsfachschule statt.

Die Tätigkeit, die nach § 3 Abs. 2 der Leistungs-, Qualitäts- und Prüfungsvereinbarung im Rahmen der Teilhabeassistenz zu absolvieren sei, entspreche nicht den Tätigkeiten, die im Rahmen der Ausbildung zum Kinderpfleger anstünden.

Eine Eingruppierung nach S3 wäre damit übertariflich. Der Beklagte ist insoweit der Rechtsauffassung, dass zwar eine angemessene übertarifliche Bezahlung tolerierbar sei, die wirtschaftliche Angemessenheit der Zahlung von Tariflöhnen dürfe aber kein "Freibrief sein (Hinweis auf Sächsisches LSG, Urteil vom 10. Juni 2015 – L 8 SO 58/14).

Hinsichtlich der Personalnebenkosten treffe zu, dass die Beklagte 500 EUR jährlich anerkannt habe.

Der Beklagte habe im Schiedsverfahren in Auseinandersetzung mit der von der Klägerin vorgelegten Rechtsprechung dargelegt, dass die Frage der Höhe der Auslastungsquote nicht von der Frage der Höhe einer Gewinnquote und der Höhe des Ausfallwagnisses getrennt werden könne. Dort sei auch dargelegt worden, wie sich ein Auslastungsgrad von 98 Prozent bzw. ein Wagnis- und Gewinnabschlag von insgesamt 3 Prozent ermittele. Dem sei die Schiedsstelle ersichtlich gefolgt.

Anlage 5 der zitierten Hessischen Rahmenvereinbarung nach §§ 78a ff. SGB VIII sehe unter Ziff. 3 einen Zuschlag von 10 Prozent für Leitung und Verwaltung vor.

Die Anzahl der Jahresarbeitsstunden sei nicht willkürlich festgesetzt worden, sondern entspreche der Berechnung des Beklagten im Schriftsatz vom 3. März 2017 an die Schiedsstelle.

Vertretungskosten seien bereits anerkannt. Weitere Springerkosten seien nicht einzustellen; die Entscheidung der Schiedsstelle könne nur bedeuten, dass sie sich der Position der Beklagten angeschlossen habe.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Protokolls des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 6. Februar 2019 verwiesen (Bl. 184 ff. d.A.). Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Schiedsstelle verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 18. Februar 2019 und 21. März 2019 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund der Zustimmung der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Der Senat ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 SGG zur erstinstanzlichen Entscheidung berufen.

Nach Teilrücknahme des Feststellungsantrages ist die Klage insgesamt zulässig und begründet.

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Bei dem Schiedsspruch handelt es sich um den Verwaltungsakt einer Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), gegen den die Anfechtungsklage statthaft ist (Urteil des Senats vom 19. Dezember 2012 – L 4 SO 157/11 KL – m. w. N.). Eine Verpflichtungsbescheidungs- oder Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 3. Alt, Abs. 4, § 131 Abs. 3 SGG) ginge "ins Leere" und wäre deshalb unzulässig. Beide Klagen würden auf eine Verurteilung des Beklagten zum Erlass eines Schiedsspruchs zielen; Beklagter ist nach § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XII aber nicht die Schiedsstelle, sondern, anders als im SGB XI, die andere Vertragspartei (ausf. auch zum Folgenden BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 2/13 R –, SozR 4-3500 § 77 Nr. 1, Rn. 12). Diese wiederum kann nicht durch das Gericht zum Erlass eines anderen Schiedsspruchs verpflichtet werden. Hat die Anfechtungsklage - wie hier - Erfolg, ist zudem nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wiedereröffnet, sodass es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Schiedsstelle im Rahmen einer Verpflichtungsbescheidungsklage auch in der Sache gar nicht bedarf (BVerwGE 116, 78 ff). Eine Bindung der Schiedsstelle an die Begründung des Anfechtungsausspruchs des Gerichts wird mittelbar dadurch bewirkt, dass die Schiedsstelle ihre Rechte, wie ausgeführt, nur von den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens ableitet, die wiederum an den Urteilsausspruch gebunden sind.

Die Klage richtet sich – wie bereits ausgeführt – zutreffend nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen den Beklagten als örtlich für die Einrichtung zuständigen Träger der Sozialhilfe als Vertragspartner der Klägerin (§ 77 Abs. 1 Satz 2 und 5 SGB XII).

Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§ 77 Abs. 1 Satz 6 SGB XII, § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG).

Die Klägerin hat auch die nach § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGG geltende einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 SGG eingehalten.

Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang auch begründet.

Im Rahmen der Begründetheitsprüfung unterliegt der Beschluss der Schiedsstelle nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (vgl. zum Folgenden auch Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 – L 4 SO 157/11 KL –, juris Rn. 38). Den paritätisch aus Vertretern der Einrichtungen und der Sozialhilfeträger besetzten Schiedsstellen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) wird vom Gesetz als mit der zu regelnden Materie vertrautem und zu einer vermittelnden Zusammenführung von gegenläufigen Interessen der Beteiligten berufenem Gremium eine besondere Beurteilungskompetenz zugemessen. Den Schiedsstellen kommt deshalb eine Einschätzungsprärogative zu, die mit einer Einschränkung der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten einhergeht. Es ist gerichtlich allein zu überprüfen, ob die Schiedsstelle den streitige Sachverhalt richtig ermittelt hat, die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten hat und die Schiedsstelle bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange die Grenzen ihres Gestaltungsspielraum, der sich insbesondere aus den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts ergibt, nicht verkannt hat (Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O.; BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R –, SozR 4-3500 § 75 Nr. 9, Rn. 12).

Bei fehlender Einigung weist die Schiedsstellenentscheidung häufig Kompromisscharakter auf und stellt nicht immer die einzig sachlich vertretbare Lösung dar. Daher ist es notwendig, sie mit einer hinreichenden Begründung zu versehen, damit nachvollzogen werden kann, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist (LSG Hamburg, Urteil vom 30. Oktober 2012 – L 4 SO 33/10 KL –, juris Rn. 30; vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 P 3/08 R). Die Schiedsstelle muss bei der Zugrundelegung von Daten oder Annahmen eine hinreichende Begründung dafür geben, auf welcher tatsächlichen Basis diese Daten bzw. Annahmen gegründet sind (LSG Hamburg a.a.O. Rn. 39). Insgesamt muss erkennbar sein, dass die gefundene Abwägung durch die Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat (Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O.).

Diesen Anforderungen genügt der Schiedsspruch in seiner Begründung nicht.

Betroffen ist zunächst die rechnerische Anknüpfung an die Eingruppierung im Qualifikationslevel 1. Zutreffend weist die Klägerin auf einen Widerspruch zwischen der im Schiedsspruch vorgesehenen Tabelle auf Seite 5 und der Begründung auf Seite 4 hin. In der Tabelle wird die Entgeltgruppe S2 für das Qualitätslevel 1 erwähnt. Demgegenüber wird zur Begründung ausgeführt hinsichtlich des Qualifikationslevels 1 sei die Tätigkeit derjenigen von Kinderpfleger/innen vergleichbar (Entgeltgruppe S3), deren Tätigkeit pflegerische Leistungen sowie die Anleitung zum Spiel beinhalten. Vom Wortlaut her bezieht sich durch den Klammerzusatz "(Entgeltgruppe S3)" die Vergleichbarkeit nicht nur auf die Tätigkeit – wie die Beklagte meint – sondern auch auf die Eingruppierung. Jedenfalls ist durch den Klammerzusatz die Formulierung so mehrdeutig, dass der Widerspruch zwischen Seite 4 und Seite 5 nicht dadurch aufgelöst werden kann, dass sich die Ausführungen auf Seite 4 nur auf die Tätigkeit beziehen.

Der Widerspruch bzw. die Mehrdeutigkeit lässt sich auch nicht durch Auslegung beseitigen, so dass bereits der Schiedsspruch hinsichtlich der in die Berechnung eingestellten Personalkosten an einem erheblichen Begründungsmangel leidet.

So lässt sich aus den materiell-rechtlichen Grenzen des Gestaltungsspielraums in Gestalt der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit (§ 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) nichts für eine klärende Auslegung herleiten. Zahlt eine Einrichtung Gehälter nach Tarifvertrag oder sonstige ortsübliche Arbeitsvergütungen, kann ihr regelmäßig nicht entgegengehalten werden, dass andere Träger geringere Entgelte zahlen und deshalb ihr Aufwand einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht entspreche; die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind danach grundsätzlich als wirtschaftlich angemessen zu werten und genügen insoweit den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung. Darin liegt mithin ein nachvollziehbarer (plausibler) Aufwand der Einrichtung, unabhängig davon, ob andere Einrichtungen eine günstigere Kostenstruktur aufweisen (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 – B 8 SO 21/14 R –, SozR 4-3500 § 75 Nr. 9, Rn. 19). Zudem kann sogar eine sachlich begründete, angemessen-übertarifliche Vergütung dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 2/12 R –, SozR 4-3300 § 85 Nr. 4, Rn. 21f.). Solche sachlichen Gründe könnten z.B. darin bestehen, dass ein bisher vorhandener Rückstand der Arbeitsentgelte bei gleicher beruflicher Qualifikation der Pflegekräfte und vergleichbarer Leistungsqualität allmählich ausgeglichen wird, um der Gefahr der Abwerbung guter Kräfte durch Konkurrenzunternehmen vorzubeugen. Denkbar ist auch, dass eine besondere Bezahlung in Anbetracht besonders guter Leistungen und/oder eines besonderen beruflichen Einsatzes erfolgt. Dementsprechend ist weder erkennbar, dass eine Auslegung des Schiedsspruches im Sinne der klägerischen Lesart mit einer Anknüpfung an TVöD SuE S3 von vornherein gegen das Wirtschaftlichkeitsverbot verstieße, noch eine Vergütung angelernter Kräfte nach TVöD SuE S2 Stufe 3 die Interessen der Klägerin in jedem Fall unangemessen untergewichten würde. Hieraus ergibt sich mithin kein Anhalt für eine Auslegung. Zudem vermischt die Begründung auf Seite 4 in nicht plausibler Weise die Anknüpfung an Tätigkeit und Vergütung der Kinderpfleger/-innen mit einer für den Senat nicht zwingenden Stufung bestimmter Qualifikationen im Antrag der Klägerin. Unter der Bezeichnung Kinderpfleger wird üblicherweise ein Ausbildungsberuf mit staatlicher Abschlussprüfung verstanden, der zwar hinsichtlich der Eingruppierung unterhalb des Erziehers angesiedelt ist, bei dem sich dem Senat aber nicht erschließt, warum eine Einordnung unterhalb der/des Pflegeassistent/-in/-en zu erfolgen hat. Ausgangspunkt des Stufenmodells der Klägerin hinsichtlich Q1 und Q2 war, dass auch angelernte Kräfte danach zu differenzieren sind, ob sie über die für die Schulassistenz erforderlichen Grundfähigkeiten hinaus auch über fachpflegerische Qualifikationen auf dem Niveau einer/eines Pflegeassistent/-in/-en verfügen müssen. Dies hat aber nicht zwingend etwas mit der Eingruppierung der Qualifikation als Kinderpfleger/-innen zu tun, die je nach Erfahrung – im Ergebnis – mit einer vergleichbaren oder auch höheren Vergütung eingruppiert werden können als Pflegeassistent/-innen nach dem TVöD Pflege. Auch diese Unklarheit steht einer klärenden Auslegung im Sinne des Verständnisses des Beklagten entgegen.

Darüber hinaus leidet der Schiedsspruch an mindestens einem weiteren Mangel. Die Schiedsstelle hat die Grenzen des Schiedsauftrages überschritten, indem sie eine Jahrespauschale von 500 EUR hinsichtlich der Personalnebenkosten unberücksichtigt gelassen hat, die vom Beklagten bereits anerkannt worden war.

Diese beiden Mängel führen bereits zur Aufhebung des Schiedsspruches.

Offen bleiben kann danach, ob die weiteren von der Klägerin gerügten Mängel vorliegen. Hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Begründungsausfalls bei der Berücksichtigung von Wagnis und Gewinn weist der Senat gleichwohl darauf hin, dass bezüglich dieses Punktes zwar die Schiedsstelle erkennbar der Position des Beklagten folgt. Allerdings erfordert diese Position im Hinblick auf die wirtschaftliche Rationalität der Entscheidung naturgemäß einen erheblichen Begründungsaufwand, gerade auch angesichts der im Erörterungstermin zu Tage getretenen grundlegenden Differenzen in der jeweiligen Berechnungsweise der Beteiligten. Der Senat hegt zumindest Zweifel, ob hinreichend erkennbar ist, wie die gefundene Abwägung durch die Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat (vgl. zu den entsprechenden, allerdings höchst einzelfallbezogenen Begründungsanforderungen auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. September 2015 – L 15 SO 308/14 KL –, Rn. 52 ff.).

Bei der Kostenentscheidung, die aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung folgt, wurde der zurückgenommene Feststellungsantrag mit 1/6 berücksichtigt.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved