L 7 AY 3535/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AY 812/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3535/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der Anwendungsbereich des § 7a AsylbLG umfasst im Wesentlichen die Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG, in denen Leistungsberechtigte trotz vorhandenen Vermögens in einer Einrichtung Sachleistungen beziehen und dem Träger deshalb zur Kostenerstattung verpflichtet sind.

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 5. September 2018 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2018 verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.967,64 Euro auszuzahlen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Auszahlung eines sichergestellten und an den beklagten Leistungsträger überwiesenen Geldbetrages an den Kläger streitig.

Der in 1990 geborene Kläger ist i. Staatsangehöriger. Er kam im September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland. Bei einer Kontrolle durch die Polizeiinspektion N.-Mitte in N. wurden beim Kläger am 7. September 2015 ausweislich des Sicherstellungsprotokolls mit seinem Einverständnis Bargeld in Höhe von 3.000,00 Euro und 200,00 US-Dollar sichergestellt und nach § 7a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Verwahrung genommen. Der Kläger wurde von der Polizei angewiesen, in die Zentrale Aufnahmeeinrichtung (ZAE) Z. zur Registrierung und Weiterleitung zu gehen, wo er am 11. September 2015 aufgenommen wurde. Von der Polizeiinspektion N.-Mitte wurde am 21. September 2015 ein Geldbetrag in Höhe von 3.000,00 Euro und 200 US-Dollar (167,64 Euro) an die ZAE Z. überwiesen. Am 21. September 2015 wurde der Kläger zur Aufnahmeeinrichtung (AE) in K. weitergeleitet; nachdem er dort nicht registriert worden war, wurde der Geldbetrag weiterhin in der ZAE Z. verwahrt.

Am 25. Februar 2016 kam der Kläger – nach seinen Angaben aus M. – in den Landkreis E ... Mit Unterbringungsbescheid vom 25. Februar 2016 wurde er nach § 7 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) mit Wirkung vom 25. Februar 2016 in der Gemeinschaftsunterkunft D. zur Unterbringung aufgenommen. Auf seinen Antrag vom 23. Februar 2016, in welchem er versicherte, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen, bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2016 Leistungen nach dem AsylbLG ab dem 25. Februar 2016, und zwar für die Zeit vom 25. bis 29. Februar 2016 in Höhe von 31,92 Euro, für den Monat März 2016 einen Geldbetrag zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums in Höhe von 145,00 Euro, Grundleistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums in Höhe von 185,14 Euro sowie ab April 2016 bis auf weiteres einen Geldbetrag zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums in Höhe von monatlich 135,00 Euro und Grundleistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums in Höhe 185,14 Euro. Weiter wurde ihm die unentgeltliche Nutzung der ihm zur Verfügung gestellten Unterkunft als Sachleistung gewährt.

Am 13. Juni 2016 wurde dem Kläger eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens ausgestellt. Mit Einweisungsverfügung der Gemeinde D. - Ortspolizeibehörde - vom 4. Oktober 2016 wurde der Kläger ab dem 4. Oktober 2016 in die gemeindliche Asylbewerberunterkunft im Anwesen W. Straße X, 79211 D., eingewiesen und hierfür eine Nutzungsentschädigung von monatlich 90,00 Euro zuzüglich 90,00 Euro Nebenkostenvorauszahlung festgesetzt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Dezember 2016 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz [AsylG]) zuerkannt.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 stellte der Beklagte die bisher gewährten Leistungen nach dem AsylbLG mit Wirkung vom 1. Januar 2017 ein. Die Leistungen nach dem AsylbLG wurden letztmals am 25. November 2016 für Dezember 2016 auf das Konto des Klägers überwiesen.

In der Zeit vom 25. Februar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 gewährte der Beklagte dem Kläger insgesamt 3.976,92 Euro (2.591,92 Euro Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, 1.360,00 Euro Taschengeld, 25,00 Euro Krankenhilfe), daneben erhielt er als Sachleistung für die Zeit vom 25. Februar 2016 bis 4. Oktober 2016 Unterkunft; nach der Gebührenordnung des Landratsamts E. beträgt der Sachleistungswert Unterkunft monatlich 200,00 Euro.

Nachdem der Beklagte durch die ehrenamtliche Betreuerin des Klägers im Juli 2017 Kenntnis davon erhalten hatte, dass bei dem Kläger bei seiner Einreise Barmittel sichergestellt worden waren, machte der Beklagte zunächst gegenüber der Polizeiinspektion N.-Mitte einen Erstattungsanspruch geltend. Nach dessen Weiterleitung an die ZAE Z. teilte diese mit Schreiben vom 18. September 2017 dem Beklagten mit, der von der Polizei sichergestellte Betrag von 3.167,64 Euro sei als "gemischte Verwaltungseinnahme" eingezogen worden, nachdem der Kläger zur AE K. weitergeleitet worden, dort jedoch nicht eingetroffen sei. In der Folgezeit wurde der sichergestellte Betrag an den Beklagten überwiesen.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, nach § 7 Abs. 1 AsylbLG seien Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden könne, von dem Leistungsberechtigten vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Abzusetzen sei ein Freibetrag in Höhe von 200,00 Euro. Der Kläger hätte sein Vermögen vor der Leistungsgewährung im Zeitraum vom 25. Februar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 einsetzen müssen, dies sei durch die Sicherstellung der Barmittel jedoch nicht möglich gewesen. Das verfügbare Barvermögen werde abzüglich eines Freibetrages von 200,00 Euro, der an den Kläger ausgezahlt wurde, einbehalten.

Am 3. November 2017 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Auszahlung eines Geldbetrages von 3.167,64 Euro geltend. Sein persönliches Vermögen habe bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland lediglich 200,00 Dollar, umgerechnet 167,64 Euro, betragen. Die Brüder O. und A. K. S. A., B./I., hätten ihm 3.000,00 Euro (jeweils 1.500,00 Euro) für seine Flucht geliehen und forderten diese Beträge zurück. Mit Bescheid vom 24. November 2017 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die sichergestellten Barmittel seien Vermögen, das nach § 7 AsylbLG einzusetzen sei. Der Kläger habe im Zeitraum vom 25. Februar 2016 bis 31. Dezember 2016 Leistungen nach dem AsylbLG bezogen. Die sichergestellten Barmittel würden abzüglich des Freibetrages als vorhandenes Vermögen einbehalten.

Hiergegen legte der Kläger am 14. Dezember 2017 Widerspruch ein. Beigefügt war ein nicht datiertes Schreiben der Brüder O. und A. K. S. A., in welchem diese angeben, sie seien mit dem Kläger und weiteren Freunden am 9. August 2015 gemeinsam nach Europa aufgebrochen. In S. hätten sie dem Kläger einen Geldbetrag von jeweils 1.500,00 Euro geliehen, da sie nicht gewusst hätten, wieviel Geld für die Reise bis nach Europa benötigt würde und er nur 300,00 Dollar dabei gehabt habe. Es sei vereinbart worden, dass er den Betrag zurückgebe, falls er ihn nicht für die Reise benötigen würde. Sollte er nur einen Teil davon benötigen, würde er den verbliebenen Betrag gleich zurückgeben und den Rest der 3.000,00 Euro zu einem späteren Zeitpunkt. Zu ihrer Überraschung sei am 7. September 2015 in N. eine Zugkontrolle durchgeführt worden, bei welcher der Kläger habe aussteigen müssen. Sie selbst seien nach B. weitergefahren. Zwei Tage später hätten sie den Kläger angerufen und ihn gebeten, den Geldbetrag zurückzugeben. Mittlerweile seien sie zurück im I. und benötigten das Geld dringend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2018, auf den Bezug genommen wird, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gegen den am 27. Januar 2018 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13. Februar 2018 Klage zum Sozialgericht F (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die sichergestellten 3.000,00 Euro seien nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Diesen Betrag habe er nur darlehensweise und damit lediglich vorübergehend erhalten, so dass es sich bereits überhaupt nicht um "Vermögen" im Sinne der §§ 7, 7a AsylbLG handele.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Leistungen erbringende bzw. Erstattung beanspruchende Leistungsträger dürfe auch auf das sichergestellte Vermögen zugreifen. Der streitige Betrag sei dem Kläger nicht etwa zur Verwahrung übergeben worden, sondern um diesen auf der Flucht einzusetzen. Das Geld sei in das Eigentum des Klägers übergegangen, der einem entsprechenden Darlehensrückzahlungsanspruch ausgesetzt sei. Dieser stehe der Berücksichtigung als Vermögen jedoch nicht entgegen. Das Vermögen umfasse die Summe aller aktiven Vermögenswerte. Diese müssten grundsätzlich zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden, eine Saldierung von Aktiva und Passiva sei nicht zulässig. Vorliegend sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Geldbetrag dem Kläger in S. übergeben worden sei und somit bereits vor Erreichen der Bundesrepublik und bevor ein Leistungsanspruch nach dem AsylbLG überhaupt denkbar sei. Der Geldbetrag habe gerade dazu gedient, dem Kläger den Weg in die Bundesrepublik zu ermöglichen, nicht aber, um dort seinen Unterhalt zu sichern. Deswegen handele es sich auch nicht um (während des Leistungsbezuges erzieltes) Einkommen, sondern um Vermögen.

Hiergegen hat der Kläger am 2. Oktober 2018 Berufung zum (LSG) B.-W. eingelegt. Er hat vorgetragen, zum einen sei nicht geklärt, ob er tatsächlich Eigentümer der 3.000,00 Euro geworden sei; dies beurteile sich nach serbischem Recht, da die Darlehensgewährung in S. erfolgt sei. Aber auch wenn er Eigentümer geworden sei, seien die 3.000,00 Euro mit einem Darlehensrückgewähranspruch belastet und deshalb nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Denn bei den 3.000,00 Euro habe es sich um den einzigen Vermögensgegenstand gehandelt, über den er verfügt habe. Zwischen Vermögensgegenstand und Belastung bestehe eine ähnliche Identität wie zwischen Vermögensgegenstand und dinglicher Belastung nach der Rechtsprechung des BundesSG (BSG) bei der dinglichen Belastung von Grundstücken.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG F vom 5. September 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2018 zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 2.967,64 Euro an ihn auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt vor, bei den bei der Einreise des Klägers sichergestellten Beträgen von 3.000,00 Euro und 200,00 Dollar handele es sich um Vermögen des Klägers. Normzweck und Norminhalt der Regelung des § 7 AsylbLG knüpften an das sozialhilferechtliche Gebot des Vorrangs der Selbst- und Dritthilfe und den daraus folgenden Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe an. § 7a AsylbLG diene gerade der Verhinderung einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG, indem er eine Rechtsgrundlage für die Sicherstellung vorhandener Vermögenswerte von Ausländern bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland schaffe. Aus der tatbestandlichen Formulierung des § 7a AsylbLG "Leistungen nach diesem Gesetz" folge, dass in Anknüpfung an die vorzunehmende Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 7a Satz 1 AsylbLG auf Kostenerstattungsansprüche nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG regelmäßig nur diejenigen Leistungen zu verstehen seien, die solche Ansprüche entstehen ließen. Dies seien die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zu gewährenden Grundleistungen, deren Höhe sich in entsprechender Anwendung der in § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG genannten Leistungen auch betragsmäßig ausdrücken lasse. Auch die nach den §§ 4 und 6 AsylbLG erbrachten Leistungen lösten Erstattungsansprüche nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG aus. Der Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG setze zudem, anders als § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, lediglich vorhandenes Vermögen voraus, ohne dass dieses im Zeitpunkt der Leistungserbringung verfügbar sein müsse. Hinzuzurechnen sei noch der Wert der erbrachten Leistungen für die Unterbringung in der ZAE Z. und der BEA M. vom 11. September 2015 bis zum 25. Februar 2016. Dem Kläger sei darüber hinaus zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung der Verbleib des Geldes bekannt gewesen, denn nach dem Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 5. Oktober 2017 habe der Kläger gewusst, dass das Geld in der ZAE Z. verwahrt worden sei. Zudem habe der Kläger bei seiner Aufnahme in der Einrichtung des Beklagten die Frage nach seinen Vermögensverhältnissen falsch beantwortet. Die Leistungsbewilligung an den Kläger sei deshalb rechtswidrig erfolgt.

Der Senat hat die beim Ausländeramt des Landratsamts E. geführte Ausländerakte und die beim Regierungspräsidium K. geführte Akte des Klägers beigezogen, auf die Bezug genommen wird.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 24. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2018, mit dem der Beklagte die Auszahlung der beim Kläger am 7. September 2015 sichergestellten Barmittel mit Ausnahme des Betrages von 200,00 Euro abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der er die Rückzahlung des sichergestellten Geldbetrages geltend macht.

2. Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.

a) Auch im öffentlichen Recht gilt – ebenso wie nach den §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im bürgerlichen Recht –, dass Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden müssen. Der Verwirklichung dieses Grundsatzes dient der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der aus rechtsstaatlichen Gründen generell eine Korrektur rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen gebietet. Seine Geltung ist heute allgemein anerkannt (st. Rspr., vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 18. Januar 2001 – 3 C 7/00BVerwGE 112, 351 –¬ juris m.w.N.; BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 LW 1/16 RBSGE 124, 128 - juris Rdnr. 27). Ebenso ist anerkannt, dass die Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 – 7 C 48/82BVerwGE 71, 85 ¬– juris Rdnr. 11; Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 22. November 2012 – 1 K 262.10 – juris Rdnr. 28). Das Bestehen des Anspruchs des Klägers hängt mithin davon ab, ob der Beklagte die begehrten 2.967,40 Euro durch eine unmittelbare Vermögensverschiebung zu Lasten des Klägers ohne Rechtsgrund erlangt hat. Das ist vorliegend der Fall.

b) Zwar hat es sich bei dem am 7. September 2015 von der Polizeiinspektion N.-Mitte sichergestellten Geld um Vermögen des Klägers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gehandelt. Einkommen und Vermögen werden im AsylbLG nicht definiert. Was unter Einkommen bzw. Vermögen zu verstehen ist, ist deshalb unter Rückgriff auf die Bestimmungen der §§ 82, 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil 26. Juni 2013 – B 7 AY 6/11 R – juris Rdnr. 23 f.). Vermögen sind danach alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Das Vermögen umfasst die Summe aller aktiven Vermögenswerte (z.B. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 28/09 R – juris Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rdnr. 13). Hierbei sind alle Vermögensbestandteile einzeln zu betrachten. Zu berücksichtigen ist nur das tatsächlich vorhandene Vermögen (vgl. Senatsurteil vom 4. August 2016 – L 7 SO 1394/16 – juris Rdnr. 32; Mecke in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 90 Rdnr. 11 ff. m.w.N.). Vom Vermögen abzugrenzen ist das Einkommen. Hierbei ist an die Regelungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und SGB XII und der dort maßgeblichen modifizierten Zuflusstheorie anzuknüpfen. Danach gilt als Einkommen all das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und als Vermögen das, was er bei Antragstellung bereits hatte (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – juris Rdnr. 18). Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger von Anfang an Eigentümer der sichergestellten Geldmittel war – wofür spricht, dass er ausweislich des Protokolls der Polizeiinspektion N.-Mitte vom 8. September 2015 angegeben hatte, Eigentümer der Geldmittel zu sein –, oder ob er diese von den Brüdern S. A. als Darlehen erhalten hatte. Denn die behauptete Darlehensgewährung war jedenfalls bereits vor der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt, so dass der Kläger bereits vor der Sicherstellung am 7. September 2015 über den Geldbetrag verfügen konnte. Dahingestellt bleiben kann hierbei, nach welchem Recht der nach den Angaben des Klägers in S. geschlossene Darlehensvertrag zu bewerten ist. Maßgeblich ist vorliegend allein, dass der dem Kläger übergebene Geldbetrag prinzipiell geeignet war, zur Sicherung seines Lebensunterhalts zu dienen (vgl. Mecke in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 90 Rdnr. 13) und er zu diesem Zweck auch hierüber zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verfügen konnte.

Der Berücksichtigung als Vermögen des Klägers steht auch nicht entgegen, dass dieser möglicherweise einem Darlehensrückzahlungsanspruch ausgesetzt ist. Nicht zutreffend ist die in der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, just der sichergestellte Vermögensbestandteil sei mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn das konkret dem Kläger als Darlehen ausgehändigte Geld wieder zurückgegeben werden müsste. Dem steht jedoch bereits entgegen, dass die Vorschriften über den Sachdarlehensvertrag auf die Übergabe von Geld keine Anwendung finden (§ 607 Abs. 2 BGB). Der Darlehensrückzahlungsanspruch bezieht sich deshalb nur auf die Summe des Geldes, nicht dagegen auf die Rückgabe konkret ausgehändigter Geldscheine.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte allenfalls dann geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lastet (z. B. eine auf einem Grundstück eingetragene Hypothek), da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden könnte (BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R – juris Rdnr. 44; Beschluss vom 2. November 2011 – B 4 AS 154/11 B – juris Rdnr. 7). Eine solche unmittelbare Belastung liegt, wie ausgeführt, nicht vor. Unzutreffend ist auch der weitere Berufungsvortrag, bei dem Betrag von 3.000,00 Euro habe es sich um den einzigen Vermögensgegenstand des Klägers gehandelt. Dagegen spricht nämlich, dass bei dem Kläger am 7. September 2015 neben dem Betrag von 3.000,00 Euro ein weiterer Geldbetrag i.H.v. 200,00 US-Dollar sichergestellt worden ist.

c) Ein Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung liegt jedoch nicht vor und folgt insbesondere nicht aus § 7a Satz 1 AsylbLG. Danach kann von Leistungsberechtigten wegen der ihnen und ihren Familienangehörigen zu gewährenden Leistungen nach diesem Gesetz Sicherheit verlangt werden, soweit Vermögen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden ist.

aa) Hierbei sind "zu gewährende Leistungen" - anders als erbrachte Leistungen - nur diejenigen Leistungen, welche die zuständige Behörde zur Erfüllung von Rechtsansprüchen der Leistungsberechtigten rechtmäßig zu leisten hat (W. in G./W., SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 7a AsylbLG Rdnr. 8; Groth in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 7a Rdnr. 16). Der Anwendungsbereich des § 7a Satz 1 AsylbLG ist deshalb im Regelfall erheblich eingeschränkt; die Vorschrift erstreckt sich im Wesentlichen auf die Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG, in denen Leistungsberechtigte trotz vorhandenen Vermögens in einer Einrichtung (insbesondere in einer Gemeinschaftsunterkunft) Sachleistungen beziehen und dem Träger deshalb zur Kostenerstattung verpflichtet sind (Groth, a.a.O., Rdnr. 16; Hohm in GK-AsylbLG, Stand Juni 2018, § 7a Rdnr. 23 m.w.N.; a.A. Cantzler, AsylbLG, 2019, § 7a Rdnr. 10). Für alle anderen Leistungen scheidet eine Sicherheitsleistung im Regelfall aus, da Vermögen vor der Inanspruchnahme von Leistungen aufzubrauchen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) und deshalb bei Vorhandensein von Vermögen mangels Hilfebedürftigkeit kein rechtmäßiger Leistungsanspruch besteht.

bb) Eine Sicherheitsleistung nach § 7a Satz 1 AsylbLG darf zudem nur von der Behörde angeordnet werden, die als Träger der Leistungen nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständig ist. Denn nur sie hat als diejenige Behörde, die die Leistungen zu gewähren hat, ein berechtigtes Interesse an der Anordnung der Sicherheitsleistung (Dollinger in Siefert, AsylbLG, 2018, § 7a Rdnr. 9). Die Leistungsbehörden sind nach §§ 10, 10a AsylbLG für die Anordnung der Sicherheitsleistung zuständig. Hierdurch erhalten sie aber nicht die Befugnis, diese unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchzusetzen. Die zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugten Vollstreckungsbehörden bzw. -beamten sind vielmehr nach den landesgesetzlichen Regelungen zu bestimmen, sie müssen dann ggf. von den Leistungsbehörden nach dem AsylbLG herangezogen werden (Cantzler, a.a.O., § 7a Rdnr. 19). Vorliegend erfolgte die Anordnung der Sicherheitsleistung jedoch nicht durch den Beklagten bzw. die im Zeitpunkt der Anordnung für Leistungen nach dem AsylbLG zuständigen Behörde, sondern durch die Ortspolizeibehörde und damit durch eine unzuständige Behörde.

cc) Darüber hinaus setzt die Anordnung einer Sicherheitsleistung eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 40 Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]) voraus. Dies muss in der Begründung der Entscheidung zum Ausdruck kommen; diese soll die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG) (Dollinger, a.a.O., § 7a Rdnr. 17). Eine Ermessensentscheidung ist vorliegend nicht getroffen worden.

§ 7a Satz 1 AsylbLG ermächtigt jedenfalls nicht die Einbehaltung von Vermögen zur generellen Herstellung des Nachrangs der Leistungen nach dem AsylbLG oder zur Sicherung jedweder Erstattungsansprüche, im Besonderen nicht der auf der Grundlage des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als Folge der Aufhebung einer Leistungsbewilligung auf der Grundlage der §§ 44 ff. SGB X (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. April 2016 – L 15 AY 2/12 – juris Rdnr. 28), die hier ohnehin nicht vorliegt.

d) Ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten folgt auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG. Danach haben Leistungsberechtigte bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, soweit Einkommen und Vermögen im Sinne des Satzes 1 vorhanden sind, für die erhaltenen Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Der Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG setzt voraus, dass der Erstattungspflichtige Leistungen in Form von Sachleistungen erhalten hat (Cantzler, a.a.O., § 7 Rdnr. 44; Scheider in GK-AsylbLG, § 7 Rdnr. 98) und wäre deshalb allein auf die Unterkunftskosten beschränkt, da nur diese als Sachleistung erbracht worden sind. Vorliegend fehlt es aber bereits an einem Verwaltungsakt, mit dem die zu erstattenden Kosten geltend zu machen sind (vgl. Scheider in GK-AsylbLG, Stand Januar 2018, § 7 Rdnr. 160). Die Erstattungspflicht tritt entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zudem nur ein, soweit Einkommen oder Vermögen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden sind. Aus der Gesetzesformulierung bzw. der Bezugnahme auf Satz 1 ergibt sich, dass bei der Erstattungsforderung Einkommen und Vermögen nur zu berücksichtigen sind, soweit sie schon während des Leistungsbezugs in der Einrichtung vorhanden und verfügbar waren (Cantzler, a.a.O., § 7 Rdnr. 48; Krauß in Siefert, AsylbLG, § 7 Rdnr. 46; Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 – L 7 AY 3353/09 – juris Rdnr. 19). Das Vermögen im Sinne von § 7 Abs. 1 AsylbLG ist dann "verfügbar", wenn es ohne tatsächliche oder rechtliche Hindernisse zur Bestreitung des aktuellen Lebensunterhalts eingesetzt werden kann. Es muss sich also - wie im Rahmen des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII - um sog. bereite Mittel handeln (Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 – L 7 AY 3353/09 – juris Rdnr. 19; Schmidt in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 7 AsylbLG Rdnr. 48). Dies war vorliegend nicht der Fall. Bei dem eingezogenen Betrag hat es sich im Zeitraum der Leistungsgewährung durch den Beklagten nicht um bereite Mittel des Klägers gehandelt. Denn dem Kläger war während des Leistungsbezugs der Verbleib der eingezogenen Geldmittel nicht bekannt, er konnte deshalb nicht auf das bei der ZAE Z. verwahrte Vermögen zur Bestreitung seines aktuellen Lebensunterhalts zurückgreifen. Im vom Kläger unterzeichneten Sicherstellungsprotokoll vom 7. September 2015 ist lediglich die Sicherstellung des beschlagnahmten Bargeldes durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion N.-Mitte, nicht jedoch der Verbleib des Bargeldes dokumentiert. Die Mitteilung über die Maßnahme nach § 7a AsylbLG und die Weiterleitung der Geldmittel an die Sozialbehörde vom 8. September 2015 (Bl. 95 Beklagtenakte) ist nicht zur Kenntnis des Klägers gelangt. Mit Schreiben vom 15. September 2015 hat die ZAE Z. der Polizeiinspektion N.-Mitte mitgeteilt, der Kläger sei in der ZAE Z. nicht eingetroffen. Es werde um Überweisung des Geldes an die ZAE Z. gebeten, das Geld werde dann weitergeleitet. In einer "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" vom 21. September 2019 eines Sachbearbeiters der ZAE Z. wurde als zuständige Aufnahmeeinrichtung die ZAST K. genannt. An einbehaltenen Unterlagen wurde nur der Nationalpass aufgeführt. Eine Mitteilung an den Kläger über den Verbleib des Geldes ist damit nicht erfolgt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der ZAE Z. vom 5. Oktober 2017 an den Kläger. Dieses bezieht sich nämlich auf eine Anfrage des Klägers vom 25. September 2017 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge N., in welcher dieser mitgeteilt hatte, mittlerweile habe er den Verbleib des Geldbetrages recherchiert, ihm sei von einem Mitarbeiter der ZAE Z. mitgeteilt worden, dass der Geldbetrag immer noch auf einem Sparkassenkonto der Sparkasse F. liege. Dem Kläger war danach bis zu dieser Information nicht bekannt, wo der eingezogene Geldbetrag verwahrt wurde. Auch der aufbewahrenden Stelle, der ZAE Z., war nicht bekannt, wo sich der Kläger aufhielt, nachdem er von dort am 21. September 2015 zur Aufnahmeeinrichtung in K. weitergeleitet, dort jedoch nicht registriert worden war. So hat der Kläger im Schreiben vom 3. November 2017 auch angegeben, der Verbleib des Geldbetrages sei zwei Jahre lang ungeklärt gewesen. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Beklagten, der insoweit die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG trägt (Scheider a.a.O., § 7 Rdnr. 110; Cantzler, a.a.O., § 7 Rdnr. 48).

e) Schließlich ist auch keine Rücknahme der Leistungsbewilligung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 SGB X erfolgt und kann – da die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X abgelaufen ist – auch nicht mehr rechtmäßig erfolgen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beklagte trotz einer geringfügigen teilweisen Berufungsrücknahme angesichts des betragsmäßig weit überwiegenden Obsiegens des Klägers dessen außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen trägt.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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