L 4 SO 160/19 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 125/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 160/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Werden zeitlich nach Erlass einer Verlustfeststellung gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU die Voraussetzungen eines Freizügigkeitstatbestandes neu verwirklicht, so erledigt sich die Verlustfeststellung mit Wirkung für die Zukunft auf andere Weise als durch Zeitablauf i.S.d. § 43 Abs. 2 HVwVfG.

2. Ungeachtet dessen verpflichten die Leistungsausschlüsse des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XII - anders als § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII - die Sozialbehörden wie die Sozialgerichte im Bereich der Freizügigkeit der Unionsbürger zu einer materiellen Betrachtungsweise. Dies begrenzte die Tatbestandswirkung einer Verlustfeststellung im Falle eines später entstandenen Aufenthaltsrechts, sofern man nicht von einer Erledigung ausginge.

3. Mit der Struktur des Arbeitnehmerbegriffes in Art. 45 AEUV, Art. 7 Abs. 1 lit. a) RL 2004/28/EG und § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist die Suche nach festen Untergrenzen der Entlohnung oder Arbeitsstundenzahl unvereinbar.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. August 2019 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 763,50 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis 30. November 2019 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für den Beschwerderechtszug ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., B-Straße, B-Stadt bewilligt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt vorrangig nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1961 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben seit dem 20. Oktober 2011 hält er sich zusammen mit seiner rumänischen Ehefrau in Deutschland auf.

Mit Bescheid vom 31. August 2017, hatte die Ausländerbehörde des Antragsgegners den Verlust der Freizügigkeit festgestellt und verfügt:

"1. Das Nichtbestehen Ihres Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) wird gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU festgestellt.

2. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sind Sie verpflichtet, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.

3. Sollten Sie dieser Ausreiseverpflichtung nicht spätestens zwei Monate nach Bestandskraft dieser Verfügung nachgekommen sein, wird Ihnen hiermit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU die Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Rumänien angedroht. Nach § 11 Abs. 2 FreizügG/EU i.V.m. § 59 Abs. 2 AufenthG (Aufenthaltsgesetz) können Sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, wenn Sie in diesen einreisen dürfen oder dieser Staat zu Ihrer Rücknahme verpflichtet ist."

Dagegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt - 6 K 4545/17.DA -, über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat. Ein entsprechender Bescheid erging auch gegenüber der Ehefrau.

In der Folge stritten die Beteiligten und die Ehefrau des Antragstellers über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die erwerbstätige Ehefrau und den Kläger, u.a. mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 9. November 2017. Dort gab die Ehefrau des Antragstellers an, seit 2013 mit einem Reinigungsgewerbe selbständig tätig zu sein. Mit dieser Tätigkeit habe sie bis einschließlich Mai 2017 monatlich 500,00 EUR verdient. Seit Juni 2017 verdiene sie 800,00 EUR monatlich, ohne dass sie ihre Wochenarbeitsstunden wesentlich erhöht habe. Insoweit wird hinsichtlich des Sachverhalts auf die den Beteiligten bekannten Beschlüsse des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Februar 2018 – S 9 AS 1009/17 – und des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018 – L 9 AS 142/18 B ER – verwiesen. Der hiesige Beigeladene wurde im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis zum 31. August 2018 zu gewähren.

Bereits am 18. Dezember 2017 stellte der Rentenversicherungsträger bezüglich des Antragstellers die volle Erwerbsminderung auf Dauer seit (zumindest) 23. Dezember 2015 fest.

Der Antragsteller beantragte nach Aufforderung durch den Beigeladenen am 13. März 2019 Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.

Die Ehefrau gab ihre Tätigkeit zum 1. Februar 2019 auf. Der Antragsteller gibt hierzu an, dies sei unfreiwillig geschehen, seit dem 10. Juni 2019 ist die Ehefrau des Antragstellers aufgrund eines Vertrages über die Tätigkeit als Reinigungskraft für Frau C. an der D. für ca. 10 Stunden pro Woche für 450,00 EUR im Monat tätig. Insoweit wird auf den Vertrag und die Lohnabrechnung als Anlage zur Antragsschrift (Bl. 4 f. d.A.), ergänzend auf den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. September 2019 – S 27 AS 617/19 ER – (Bl. 70 ff. d.A.) sowie das Protokoll der Beweisaufnahme in diesem Verfahren (Bl. 67 ff. d.A.) verwiesen.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2019 hob der Beigeladene einen Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II zu Gunsten des Antragstellers und seiner Ehefrau für den Zeitraum vom 1. März 2019 bis 31. August 2019 ab 1. Juli 2019 auf.

Hinsichtlich der übrigen Angaben des Antragstellers zu Einkommen und Vermögen wird auf das ausgefüllte Antragsformular (Verwaltungsakte, GruSi Bl. 1-7) sowie im Prozesskostenhilfeformular verwiesen.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, da sich der Antragsteller aufgrund der Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit nicht mehr rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Die anhängige Klage führe zu einer aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung, nicht jedoch hinsichtlich des Aufenthaltsrechts.

Dagegen legte der Antragsteller am 17. Juni 2019 Widerspruch ein unter Verweis auf die o.g. Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts.

Am 3. Juli 2019 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Darmstadt beantragt.

Zur Begründung hat er sich wiederum auf den o. g. Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts berufen und vorgetragen, dass er als Ehemann einer Arbeitnehmerin gemäß § 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sei. Die Tatbestandswirkung der Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit vom 31. August 2017 stehe der Annahme der Freizügigkeitsberechtigung der Ehefrau nicht entgegen.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, der Antragsteller sei bereits mangels eines Aufenthaltsrechts von Leistungen nach dem SGB XII, mit Ausnahme von Überbrückungsleistungen, ausgeschlossen. Die förmliche Verlustfeststellung begründe dabei die sofortige Ausreisepflicht. Diese entstehe nach der geltenden Rechtslage dabei nicht mehr erst dann, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts unanfechtbar festgestellt sei, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlusts. Den Verfügungen der Ausländerbehörde komme insoweit Tatbestandswirkung zu. Den Sozialhilfeträgern sowie den Sozialgerichten sei die eigenständige Überprüfung dieser Entscheidung verwehrt.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5. August 2019 abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 3 Satz 7, 1. Halbsatz SGB XII seien nicht gegeben. Zwar halte sich der Antragsteller bereits seit mehr als fünf Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf. Eine Leistungsgewährung scheitere jedoch daran, dass die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 7, 2. Halbsatz SGB XII erfüllt seien. Die Ausländerbehörde des Antragsgegners habe mit Bescheid vom 31. August 2017 den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt. Der Antragsteller verfüge damit aktuell über kein Aufenthaltsrecht. Dass die Verlustfeststellung angefochten worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 7 Halbsatz 2 SGB XII führe bereits die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zur Unanwendbarkeit der Ausnahme, die Rechtskraft der Verlustfeststellung werde nicht vorausgesetzt. Darüber hinaus beende die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU den rechtmäßigen Aufenthalt auch dann, wenn der Ausländer gegen den feststellenden Verwaltungsakt Widerspruch einlege oder Anfechtungsklage erhebe. Der Suspensiveffekt lasse die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes unberührt und führe nur zu einem umfassenden Verwirklichungs- und Ausnutzungsverbot, da dem Suspensiveffekt nur Vollzugs- und keine Wirksamkeitshemmung zukomme. Rechtsmittel hemmten folglich nicht die Ausreisepflicht selbst, sondern nur deren Durchsetzung. Bereits das Bestehen der Ausreisepflicht stehe aber der Annahme eines verfestigten Aufenthalts im Sinne der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII entgegen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von dem Antragsteller zitierten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018 – L 9 AS 142/18 B ER. Diese Entscheidung beziehe sich auf einen anderen Sachverhalt: In dem dort maßgeblichen Bescheid sei die Ausreiseverpflichtung erst zwei Monate nach Bestandskraft der jeweiligen Verfügung von der Ausländerbehörde verfügt worden. Ob der Antragsteller aufgrund der Arbeitsaufnahme seiner Ehefrau nunmehr freizügigkeitsberechtigt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sei, sei im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu klären. Die Ausreisepflicht aufgrund des Bescheides vom 31. August 2017 bestehe solange, wie die Feststellung nicht aufgehoben worden sei. Dementsprechend werde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprüft, ob aufgrund einer Änderung der Verhältnisse der Grund für die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entfallen sei. In diesem Fall wäre die Feststellung mit Wirkung ex nunc aufzuheben (Hinweis auf Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU, Rn. 25). Erst mit der Aufhebung der Feststellung über das Nichtbestehen der Freizügigkeit lebe die Freizügigkeitsvermutung wieder auf und es werde für Dritte erkennbar, dass sich der Betroffene wieder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die Freizügigkeitsberechtigung lebe hingegen nicht von selbst wieder auf, allein aufgrund der Änderung der Sachlage (Hinweis auf Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. März 2018, L 19 AS 133/18 B ER, juris, Rn. 12). Hierdurch werde deutlich, dass den Sozialleistungsträgern wie auch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage nach Erlass einer Verlustfeststellung verwehrt sei. Denn den Verwaltungsakten der Ausländerbehörden über die Feststellung des Bestehens wie des Verlustes der Freizügigkeitsberechtigung und der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht verbunden mit einer Abschiebungsandrohung komme Tatbestandswirkung zu, so dass diese ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit Wirkung entfalteten. Die Gewährung von Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII komme aktuell nicht in Betracht, da es derzeit keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass der Antragsteller beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Der Antragsteller habe auch keine Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz glaubhaft gemacht. Da der Antragsteller aufgrund der aufschiebenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage momentan nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), scheide trotz der Verlustfeststellung die Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes aus.

Gegen den am 6. August 2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 8. August 2019 Beschwerde eingelegt. Er ist der Rechtsauffassung, die Ausreisepflicht entfalle bereits dann, wenn der Grund für die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entfalle, weil der Betroffene erneut Freizügigkeit erlangt habe. Eine Aufhebung der Feststellung über das Nichtbestehen der Freizügigkeit sei nach der Kommentarliteratur nur erforderlich, um die Freizügigkeitsvermutung wieder aufleben zu lassen und zugleich für Dritte erkennbar werden zu lassen, dass der Betroffene sich wieder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte (Hinweis auf Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU Rn. 25). Das Sozialgericht habe diese Ausführungen fälschlicherweise so verstanden, dass erst dann das Freizügigkeitsrecht wieder auflebe. Die Aufhebung der Verfügung sei aber lediglich erforderlich, um die Freizügigkeitsvermutung aufleben zu lassen.

Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss vom 5. August 2019 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe, hilfsweise nach dem AsylbLG zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Rechtsauffassung, das Sozialgericht habe zutreffend betont, dass die Tatbestandswirkung der Feststellung über den Verlust des Freizügigkeitsrechts einer anderweitigen Entscheidung entgegenstehe. Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts habe in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2018 verkannt, dass im Verfügungssatz der ausländerbehördlichen Entscheidung die Feststellung des Verlustes des Rechts zur Einreise und zum Aufenthalt getroffen worden sei. An diese Feststellungen seien der Antragsgegner und die Gerichte aufgrund der Tatbestandswirkung gebunden. Anders als in der vom 9. Senat des Landessozialgerichts zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gehe es nicht um eine nur aus der Begründung des Verwaltungsakts hervorgehenden Vorfrage. Bei der Verlustfeststellung handele es sich um einen statusfeststellenden Verwaltungsakt, der alle Behörden in Bezug auf das Bestehen eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt binden solle. Die Rechtssicherheit könne beeinträchtigt werden, wenn jede Behörde prüfen könnte, ob die Voraussetzung des Freizügigkeitsrechts noch vorlägen und dabei zu divergierenden Entscheidungen kämen (Hinweis auf Hailbronner, AuslR, Stand 3/2017, D1, § 2 Rn. 134).

Entgegen der Rechtsauffassung des Berichterstatters im Hinweis vom 17. September 2019 habe sich die Verlustfeststellung nicht auf andere Weise erledigt. Nach der keineswegs uneindeutigen, vom Sozialgericht zitierten Kommentarliteratur sei die Aufhebung der Feststellung erforderlich. Die bloße Tatsache, dass damit auch wieder erkennbar wäre, dass die Freizügigkeit wiederhergestellt sei, schließe den regelnden Charakter der Aufhebung der Verlustfeststellung nicht aus.

Der Antragsteller betreibe einen PKW, wobei unklar sei, aus welchen Mitteln dies möglich sei.

Hierzu trägt der Antragsteller vor, das Kraftfahrzeug, das im letzten Jahr für 350,00 EUR erworben worden sei, habe zunächst aufgrund der Erwerbstätigkeit der Ehefrau unterhalten werden können. Derzeit erfolge die Unterhaltung des Fahrzeugs durch Unterstützungsleistungen seiner Kinder.

Der Beigeladene trägt vor, dass in der Entscheidung des 9. Senats des Landessozialgerichts vom 10. Juli 2018 zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sei, dass der Antragsteller dauerhaft erwerbsunfähig sei. Bereits dies schließe Leistungen nach dem SGB II aus, ein Fall für Nahtlosigkeitsleistungen nach Maßgabe von § 44a SGB II liege nicht vor.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Darmstadt 6 K 4545/17.DA, der Akte der Ausländerbehörde sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Diese Anforderungen sind im Lichte der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu konkretisieren (zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, juris, Rn. 10 m.w.N.). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt. Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten, müssen die Gerichte bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird.

Gemessen an diesem Maßstab hat der Antragsteller die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 19, 41 ff. SGB XII i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII glaubhaft gemacht.

Nach diesen Vorschriften erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Der Antragsteller ist vom persönlichen Anwendungsbereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfasst. Aufgrund des mit Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom 18. Dezember 2017 mitgeteilten Ergebnisses der Begutachtung ist er dauerhaft voll erwerbsgemindert.

Der Antragsteller hat nach wie vor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Allein der Erlass einer Verlustfeststellung beendet nicht die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts. Die Verfügung der Ausländerbehörde des Antragsgegners vom 31. August 2017 sieht eine Ausreiseverpflichtung erst zwei Monate nach Bestandskraft der jeweiligen Verfügung vor. Der Sofortvollzug wurde nicht angeordnet. Es besteht daher im vorliegenden Fall nach Klageerhebung beim Verwaltungsgericht derzeit keine Ausreisepflicht des Antragstellers. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen will. Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss des 9. Senats des Hessischen Landessozialgericht vom 10. Juli 2018 – L 9 AS 142/18 B ER –, juris Rn. 11-13.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Sozialgerichts unterfällt der Antragsteller als rumänischer Staatsangehöriger nicht einem der Leistungsausschlüsse des § 23 Abs. 3 SGB XII. Damit kann ihm nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auch ein Leistungsanspruch nach dem Vierten Kapitel zukommen.

Zwar geht das Sozialgericht nach Auffassung des Senats zutreffend davon aus, dass der Bescheid der Ausländerbehörde vom 31. August 2017 die Anwendung der Rückausnahme des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII sperrt. Hiernach erhalten Ausländer Leistungen nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB XII, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügigG/EU festgestellt wurde. Nach dem letzten Halbsatz sperrt allein der Erlass der Feststellung und die bislang fehlende Aufhebung ex tunc den Leistungsanspruch. Auf die Vollziehbarkeit oder eine Erledigung auf andere Weise für die Zukunft (dazu sogleich) kommt es nicht an.

Jedoch ist der Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft seiner Ehefrau nach § 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger – nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU: Arbeitnehmer – das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist Familienangehöriger u.a. der Ehegatte. Diese Freizügigkeitsberechtigung steht einem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen.

Die Ehefrau des Antragstellers ist jedenfalls seit 10. Juni 2019 gemessen am o.g. Maßstab zur hinreichenden Überzeugung des Senats Arbeitnehmerin. Der Arbeitnehmerbegriff ist ein unionsrechtlich autonom auszulegenden Rechtsbegriff, da § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU auf Art. 7 Abs. 1 lit. a) der Freizügigkeits- oder Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG) und Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beruht. Arbeitnehmer ist hiernach, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistung erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält; dabei muss es sich um eine "tatsächliche und echte" Tätigkeit handeln, die nicht einen so geringen Umfang hat, dass sie "völlig untergeordnet und unwesentlich" ist (grundlegend EuGH, Urteil vom 3. Juli 1986, Rs. 66/85 – Lawrie-Blum – Slg 1986, 2121, Rn. 16ff. ,21; zur Formel "tatsächlich und echt" und "völlig untergeordnet und unwesentlich" EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 53/81Levin, Slg. 1982 – 1035; Rn. 17f.; zusammenfassend z.B. EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2015 – Rs. C-432/14 – O – ZESAR 2016, 222, Rn. 22). Dies ist eine abschließende Definition, weshalb es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, zusätzliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art.&8201;45 AEUV aufzustellen (EuGH, Urteil vom 21. Juni 1988, Rs. 39/86 – Lair – Slg. 1988, 3161, Rn. 41 m.w.N). Die einzelnen Begriffsmerkmale und ihre weiteren Konkretisierungen bedürfen einer Gesamtbewertung. Dabei ist insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer Bezug zu nehmen (BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R –, juris Rn. 20 m.w.N.). Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon je für sich die Arbeitnehmereigenschaft begründen können; maßgeblich ist ihre Bewertung in einer Gesamtschau; der Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf einschlägige Rechtsprechung des EuGH ein weites Verständnis zugrunde zu legen (BSG a.a.O., Rn. 20). Unvereinbar mit diesem Verständnis der Norm ist die Suche nach festen Untergrenzen der Entlohnung oder Arbeitsstundenzahl. Der EuGH verweist daher auch in ständiger Rechtsprechung darauf, dass der Teilzeitcharakter oder die Frage der Existenzsicherung für sich genommen irrelevant seien (siehe bereits EuGH v. 23.3.1982 – Rs. 53/81, Levin, Slg. 1982, 1035; Rn. 16ff.; EuGH v. 14.12.1995, Rs. C-444/93, Megner und Scheffel, Slg. 1995, I-4741, Rn. 17f.; zusammenfassend EuGH v. 4.10.2010 – Rs. C-14/09, Genc, Slg 2010, I-931, Rn. 20 m.w.N.).

Nach den Angaben des Antragstellers und nach dem dem Senat vorliegenden Sitzungsprotokoll des Sozialgerichts Darmstadt – S 27 AS 617/19 ER – vom 30. August 2019 ist der Senat hinreichend davon überzeugt, dass die Ehefrau des Antragstellers seit dem 10. Juni 2019 bei Frau C. als Reinigungskraft tätig ist, auf dem Gelände der D. eingesetzt wird und für ca. 10 Stunden in der Woche 450,00 EUR monatlich erhält. Ihr wird vorgeschrieben, welche Objekte sie zu welcher Zeit zu reinigen hat; insoweit liegt eine weisungsabhängige Tätigkeit vor. Es handelt sich auch nicht um eine nur völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit. Insoweit kommt einer 10 Stunden pro Woche zukunftsoffen dauerhaft ausgeübten Tätigkeit mit einer monatlichen Vergütung von 450,00 EUR hinreichende wirtschaftliche Bedeutung zu. Auch der Einsatz professioneller Personalsoftware zur ordnungsgemäßen Lohnabrechung durch die Arbeitgeberin sowie die in der Abrechnung dokumentierte Anmeldung zur Sozialversicherung sprechen für eine tatsächliche und echte Tätigkeit. Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch, der die Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit ausschließt (vgl. EuGH Urteil vom 6. November 2003, Rs. C-413/01 – Ninni-Orasche – Slg 2003, I-13187, Rn. 31 und Rn. 36 m.w.N.; Kamanabrou, EuZA 2018, 18) sind nicht ersichtlich. Hiergegen spricht bereits die bisherige Erwerbsbiografie der Ehefrau des Antragstellers. Allein der Umstand, dass die Erwerbstätigkeit in der Vergangenheit nicht von Dauer und durch Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen war, kann aus sich heraus keinen Missbrauch begründen, ebensowenig, wie die jeweils nicht existenzsichernde Entlohnung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Bezug aufstockender existenzsichernder Leistungen bzw. der Bezug von Leistungen nach unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gerade in den Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit fallen und unter anderem von Art. 7 Abs. 2 VO (EU) 492/2011 garantiert werden. Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist erst überschritten, wenn objektive Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung (hier: der Arbeitnehmerfreizügigkeit) nicht erreicht wird und das subjektives Element gegeben ist, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen "willkürlich" oder "künstlich" geschaffen werden (so allgemein EuGH, Urteil vom 12. März 2014, Rs. C-456/12 – O – ZAR 2014, 377, Rn. 58 m.w.N.; vgl. Kamanabrou, EuZA 2018, 18 (47f.)). Hierzu ist nichts ersichtlich. Ergänzend nimmt der Senat auf die überzeugenden Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts vom 3. September 2019 – S 27 AS 617/19 ER – Bezug.

Dem Entstehen der Freizügigkeitsberechtigung jedenfalls seit 10. Juni 2019 nach § 3 FreizügG/EU steht die Verlustfeststellung der Ausländerbehörde vom 31. August 2017 nicht entgegen. Erstens hat sich die Verlustfeststellung mit dem nach ihrem Erlass kraft Gesetzes verwirklichten neuen Freizügigkeitstatbestand nach § 3 FreizügG/EU im Sinne des § 43 Abs. 2 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) auf andere Weise als durch Zeitablauf jedenfalls mit Wirkung ex nunc erledigt. Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung nicht folgen wollte, ist zweitens nach dem SGB XII – wie auch bei den Leistungsausschlüssen des SGB II – eine eigenständige materielle Prüfung geboten, in der jedenfalls Umstände, die eine materielle Freizügigkeitsberechtigung verwirklichen und die zeitlich nach Erlass der Verlustfeststellung eintreten, trotz der Rechtswirkungen einer Verlustfeststellung berücksichtigt werden müssen.

Zu 1.: Für die Erledigung der Verlustfeststellung durch die Verwirklichung eines neuen Freizügigkeitstatbestandes nach ihrem Erlass spricht, dass mit der Erfüllung der Bedingungen und Beschränkungen der Freizügigkeit das Aufenthaltsrecht kraft Unionsrecht unmittelbar entsteht (allein aufgrund der Unionsbürgerschaft vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juni 2007, Rs.&8201;C-50/06 - Kommission/Niederlande – Rn.&8201;32&8198;f., InfAuslR 2007, 266; EuGH, Urteil vom&8201;18. Juli 2006, Rs.&8201;C-406/04 – De Cuyper – Rn. 36, NVwZ 2006, 1037; für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Familienangehörigen des Arbeitnehmers vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 1976, Rs. 48/75 – Royer – Slg. 1976, 497, alle m.w.N.). Die Richtlinie 2004/38/EG, die die Bedingungen und Beschränkungen der Freizügigkeit regelt, enthält keine besonderen Vorgaben für die Verlustfeststellung, wie sie in § 5 Abs. 4 FreizügG/EU geregelt ist. In der Richtlinie 2004/38/EG sind für diese Variante auch keine weitergehenden Beschränkungen der Freizügigkeit geregelt, wie etwa eine Wiedereinreisesperre. Eine Wiedereinreisesperre sieht Art. 32 RL 2004/38/EG vielmehr ausschließlich für Personen vor, gegen die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Aufenthaltsverbot verhängt worden ist. Nur solche Regelungen in einem Verwaltungsakt führen dazu, dass er sich nicht erledigt, auch nicht durch Ausreise, da das Verbot gerade zukunftsgerichtet wirken soll (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 2017 – 1 B 257/17). Allerdings ist nicht erkennbar, wie eine einfache Verlustfeststellung ohne Wiedereinreisesperre die Neuentstehung der Freizügigkeit hindern soll. Die Ausreisepflicht entfällt, wenn der Grund für die Feststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU entfällt, weil der Betroffene erneut Freizügigkeit erlangt hat (Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU Rn. 25). Ihre Funktion als Grundverfügung für die Verwaltungsvollstreckung (Abschiebung) hätte der Verwaltungsakt ohnehin verloren, denn das materielle Freizügigkeitsrecht dürfte der Vollstreckung entgegen gehalten werden können. Auch wäre es um die praktische Wirksamkeit (effet utile) des Freizügigkeitsrechts schlecht bestellt, wenn die Untätigkeit der Ausländerbehörde, eine rechtswidrige oder rechtswidrig gewordene Verlustfeststellung aufzuheben, über Monate oder gar Jahre die Freizügigkeit entgegen der materiellen Rechtslage blockieren könnte. Die Verlustfeststellung würde dann ähnlich einer Wiedereinreisesperre wirken, die unionsrechtlich im Falle des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU gerade unverhältnismäßig wäre (vgl. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU Rn. 47 ff.). Die Untätigkeit der Ausländerbehörde führt also nicht dazu, dass das Erlangen von Freizügigkeit ipso iure blockiert wäre. Gleichwohl bleibt die Ausländerbehörde verpflichtet, einen fehlerhaften Rechtsschein durch die Aufhebung zu beseitigen. Die Aufhebung dürfte auch erforderlich sein, um die Freizügigkeitsvermutung wiederaufleben zu lassen (Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 7 FreizügG/EU Rn. 25). Zutreffend weist die Bevollmächtigte des Antragstellers aber darauf hin, dass sich der Antragsteller nicht auf die Freizügigkeitsvermutung, sondern auf das materielle Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger einer Arbeitnehmerin beruft. Die Notwendigkeit, für das Wiederaufleben der Freizügigkeitsvermutung in bestimmten Fällen die Verlustfeststellung aufheben zu müssen, steht der hier vertretenen Rechtsansicht nicht entgegen. Denn nur das Entstehen einer Freizügigkeitsberechtigung führt zur Erledigung des Verwaltungsakts. Wenn keine Freizügigkeitsberechtigung entsteht, bleibt die Verlustfeststellung wirksam auch im Hinblick auf die Beseitigung der Freizügigkeitsvermutung. Anders ist es in einer künftigen Situation, in der die Voraussetzungen einer zeitlich nach Erlass der Verlustfeststellung entstandenen Freizügigkeitsberechtigung wieder entfallen sind. Auf diese Situation kann die frühere Verlustfeststellung nicht fortwirken; allein wegen der vorherigen materiellen Berechtigung ist dann von der Freizügigkeitsvermutung auszugehen.

Diese Erledigung des Verwaltungsakts auf andere Weise als durch Zeitablauf nach § 43 Abs. 2 HVwVfG tritt allerdings nur vom Zeitpunkt des Entstehens der Freizügigkeit für die Zukunft ein, denn die Verlustfeststellung soll nach dem Gesetz für die Vergangenheit weiterhin belastende Rechtswirkungen entfalten, etwa im Hinblick auf die Folgen für die Daueraufenthaltsberechtigung nach § 4a FreizügG/EU (siehe Sächsisches OVG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 3 A 736/16 –, juris Rn. 23) oder – wie oben dargestellt – im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII.

Zu 2.: Ungeachtet dessen verpflichten die Leistungsausschlüsse des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XII die Sozialbehörden wie die Sozialgerichte im Bereich der Freizügigkeit der Unionsbürger zu einer materiellen Betrachtungsweise. Die Regelungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XII stellen nicht auf eine Freizügigkeitsberechtigung als solche ab, sondern vorrangig auf deren materiellen Grund; daher ist eine Prüfung aller in Betracht kommenden Aufenthaltsrechtstatbestände notwendig. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen einer Freizügigkeitsberechtigung aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die Feststellung, "kein Aufenthaltsrecht" zu haben, und die notwendige positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R, SGb 2013, 603, Rn. 23; BSG, Urteil vom 13. Juli 2017– B 4 AS 17/16 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 54, Rn. 18). Insbesondere mit der Schaffung des neuen Leistungsausschlusses für Personen, "die kein Aufenthaltsrecht" haben, wollte der Gesetzgeber klarstellen, "dass nicht erwerbstätige Personen ohne materielles Freizügigkeits- oder Aufenthaltsrecht "erst recht" von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind" (BR-Drs. 587/16 S. 7 f.). Die Neufassung steht damit der zuvor verbreitet vertretenen Rechtsauffassung entgegen, die gegen einen "erst recht"-Schluss eingewandt hatte, dass bis zur Verlustfeststellung durch die Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU von der Freizügigkeitsvermutung auszugehen sei. Mithin sollte klargestellt werden, dass Sozialleistungsträger und die Sozialgerichte zur eigenständigen Prüfung der materiellen Rechtslage ermächtigt sind; sie sollten gerade nicht vom Erlass der Verlustfeststellung abhängig sein. Die gesetzlich angeordnete materielle Betrachtungsweise setzt sich in umgekehrter Richtung auch gegen eine rechtswidrig gewordene Verlustfeststellung durch, nämlich dort, wo das Gesetz nicht auf die Verlustfeststellung selbst – wie etwa in § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII – sondern allein auf das materielle Recht abstellt.

Diese Rechtsauffassung setzt sich nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung zur Tatbestandswirkung von Aufenthaltserlaubnissen (z.B. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 8/13 R –, juris Rn. 12). Denn soweit nach materiellem Sozialrecht ein bestimmter Aufenthaltstitel erforderlich ist, beruht dieses Erfordernis eines Titels auf dem Zusammenwirken von Sozial- und Aufenthaltsrecht: Soweit es dazu auf den "Besitz" eines bestimmten Aufenthaltstitels ankommt (z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG) oder darauf, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel "erteilt worden ist" (vgl. § 1 Abs. 2 AsylbLG), ist für zusätzliche Entscheidungen der Leistungsträger zum Aufenthaltsgesetz (AufenthG) schon sprachlich kein Raum. Zudem entsteht nach § 4 Abs. 1 AufenthG – anders als nach § 2 FreizügG/EU – das Recht auf Einreise und Aufenthalt grundsätzlich erst mit der Erteilung des Titels. Mit dieser Wortwahl bedient sich der Gesetzgeber der im Sozialrecht verbreiteten Regelungsmethode, dem Besitz der jeweiligen Erlaubnis oder Entscheidung Tatbestandswirkung für den betreffenden Sozialleistungsanspruch derart beizumessen, dass er für Behörden und auch Gerichte ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit bindende Wirkung entfaltet (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 8/13 R –, juris Rn. 12). Einer solchen Regelungstechnik hat sich der Gesetzgeber aber bei den § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XII – die auch vorrangig auf Unionsbürger und damit die Rechtslage nach dem FreizügG/EU abzielen – gerade nicht bedient.

Da nach hier vertretener Auslegung der § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB XII die Tatbestandswirkung der Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU für sozialhilferechtliche Rechtsfolgen bereits gesetzlich begrenzt ist, kann der Senat offenlassen, ob die vom 9. Senat des Landessozialgerichts im Beschluss vom 10. Juli 2018 – L 9 AS 142/18 B ER – aus der allgemeinen Dogmatik zur Tatbestandswirkung hergeleiteten Erwägungen ebenfalls durchgreifen.

Der Antragsteller ist nicht in der Lage, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Der Senat zweifelt insoweit nicht an den Feststellungen des Sozialgerichts Darmstadt im Verfahren S 27 AS 617/19 ER, wonach mit Bescheid des Beigeladenen vom 24. Juni 2019 die ursprüngliche Bewilligung bis 31. August 2019 mit Wirkung zum 1. Juli 2019 aufgehoben wurde. Weder der Antragsgegner noch der Beigeladene sind auf die entsprechende Erläuterung der Bevollmächtigten des Antragstellers entgegengetreten. Allein das Vorhandensein eines PKW begründet angesichts des angegebenen Anschaffungspreises von 350 EUR und des Einkommens der Ehefrau des Antragstellers keine Zweifel an der Einkommenslosigkeit des Antragstellers. Nach Würdigung der Angaben des Antragtellers in der Verwaltungsakte in Zusammenschau mit den aktuellen Angaben des Antragstellers im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen ist der Senat auch mit der für den einstweiligen Rechtsschutz hinreichenden Gewissheit von der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Antragstellers selbst überzeugt. Zu berücksichtigen ist das Einkommen der Ehefrau i.H.v. 450,00 EUR.

Der tenorierte Betrag der Leistungshöhe folgt dabei – mit Bindungswirkung nur für dieses Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – aus dem vom Beigeladenen im Bescheid vom 7. März 2019 zugrunde gelegten Bedarf. Die Berechnung des anrechenbaren Einkommens der Ehefrau des Antragstellers beruht auf den in BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 20/09 R – Rn. 12 bis 24 dargestellten Grundsätzen. Hiernach ist kein Einkommen der Ehefrau i.H.v. 450 EUR auf den Bedarf des Antragstellers anzurechnen, da nach der gebotenen vertikalen Betrachtungsweise ihr Einkommen nicht bedarfsdeckend ist. Konsequent hat der Beigeladene im Bescheid vom 6. September 2019 das Einkommen der Ehefrau des Antragstellers in Übereinstimmung mit den Grundsätzen über die gemischte Bedarfsgemeinschaft nur bei ihr angerechnet.

Ein Anordnungsgrund besteht, da ohne Erlass der einstweiligen Anordnung der Lebensunterhalt des Antragstellers ungesichert bliebe und damit der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz - GG - i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG) im dann verstrichenen Zeitraum nicht mehr verwirklicht werden könnte.

Der Senat hat angesichts der Antragstellung beim Sozialgericht am 3. Juli 2019 aus prozessökonomischen Gründen von einer anteiligen Kürzung des Betrages abgesehen. Da keine besonderen Umstände vorliegen, ist die einstweilige Anordnung auf das Ende des dem Entscheidungsmonat folgenden Monats begrenzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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