L 9 SO 20/18

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 12 SO 108/13 (SG Schleswig)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 20/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Aus der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck der Regelungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII ergibt sich, dass Beihilfen zum Zwecke des Besuches von Familienangehörigen gemäß § 54 Abs. 2 SGB XII bezogen auf die Person des nach § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungsberechtigten selbst als integraler Bestandteil der den behinderten Menschen in einer stationären Einrichtung gewährten Eingliederungshilfe einzustufen sind.

2. Beihilfen nach § 54 Abs. 2 SGB XII zu Gunsten der Hilfebedürftigen sind nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuzuordnen. Insofern wird kein uneingeschränkter Ermessensspielraum zugunsten des Beklagten eröffnet

3. Der Träger der Sozialhilfe hat die Kosten der von ihm selbst für erforderlich angesehenen Heimreisen als Beihilfe zu übernehmen, wenn sie integraler Bestandteil der Eingliederungshilfemaßnahme des Leistungsempfängers sind und keine unangemessenen Wünsche hinsichtlich des Beförderungsmittels angemeldet werden.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. Oktober 2017 wird zurückgewiesen Der Beklagte hat der Klägerin auch deren notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt weitere Leistungen der Sozialhilfe für Familienheimfahrten im Jahre 2012, deren Kosten der Beklagte unter Abzug von 15,00 EUR Eigenanteil pro Heimfahrt bzw. Monat erstattet hat. Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, zu Lasten der Klägerin einen solchen "Eigenanteil" in Ansatz zu bringen.

Bei der 1978 geborenen Klägerin, die seit über 20 Jahren im "B H ", einer stationären Einrichtung in A -B lebt, besteht eine geistige Behinderung – mittelschwere Intelligenzminderung (ICD-10 F71), Anpassungsstörung (ICD-10 F68.8) –. Zudem liegt eine körperliche Behinderung mit Bewegungsstörungen sowie einer Hüftdysplasie beidseits vor. Zu gesetzlichen Betreuern der Klägerin sind deren Eltern bestellt worden. Die Kosten für die vollstationäre Betreuung im "B H " leistet der Beklagte als Leistung der Eingliederungshilfe. Zudem werden der Barbetrag, der monatlich an die Klägerin gezahlt wird, die Bekleidungskosten, die Kosten der Krankenversicherung der Klägerin sowie Zuzahlungen der nicht durch die Krankenversicherung gedeckten Kosten vom Beklagten übernommen. Die Klägerin wird von ihren Eltern, wohnhaft in E , in der Regel einmal pro Monat am Wochenende nach Hause geholt. Die Kosten dafür erstattet der Beklagte mit 0,20 EUR je gefahrenem Kilometer. Je Heimfahrt (Hin- und Rückweg) werden 404 km angesetzt.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 übersandten die Eltern der Klägerin die Nachweise über insgesamt 14 durchgeführte Familienheimfahrten im Jahre 2012.

Mit Bescheid vom 21. März 2013 bewilligte der Beklagte 921,20 EUR für 14 Fahrten. Von den errechneten Gesamtkosten für 14 Familienheimfahrten (14 x 4 x 101 km x 0,20 EUR = 1.131,20 EUR) zog der Beklagte 210,00 EUR ab, wobei er 15,00 EUR Eigenanteil pro Heimfahrt in Ansatz brachte.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. April 2013 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Berücksichtigung eines Eigenanteils rechtswidrig sei. Ein Vergleich mit dem Regelbedarf gehe fehl. Die Kosten für Familienheimfahrten stellten einen weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen dar, die vom Beklagten zu erstatten seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin dergestalt ab, dass ein Eigenanteil in Höhe von 15,00 EUR lediglich einmalig pro Monat und nicht für jede gewährte Familienheimfahrt in Abzug gebracht wurde. Demzufolge wurde der Eigenanteil für das Jahr 2012 insgesamt mit 180,00 EUR statt wie bisher mit 210,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung hieß es im Wesentlichen, der Widerspruch der Klägerin richte sich gegen die Festsetzung des Eigenanteils in Höhe von 15,00 EUR pro Fahrt bzw. Monat. Im Rahmen der stationären Unterbringung und Betreuung sei der Klägerin neben den Leistungen für die Maßnahmekosten und der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen auch ein monatlicher Barbetrag gemäß § 27b Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), für das Jahr 2012 in Höhe von monatlich 100,98 EUR zur freien Verfügung gewährt worden. Jener Barbetrag habe in der Zielsetzung den Leistungen entsprochen, die bei der Regelbedarfsstufe für den Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse enthalten seien. Die persönlichen Bedürfnisse seien vormals gemäß § 2 Regelsatzverordnung und nunmehr unverändert gemäß § 27b SGB XII u. a. Bedürfnisse im Bereich Gesundheitspflege, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Kultur, Unterhaltung und Verkehr. Das bedeute also, dass bei der Bemessung der Mittel, die für die persönlichen Bedürfnisse in der Regelbedarfsstufe veranschlagt seien, Mittel für Kosten zur Nutzung von Verkehrsmitteln berücksichtigt seien. Somit seien auch Anteile des Barbetrages für diesen Zweck zu veranschlagen. Unter Berücksichtigung dessen, dass im Barbetrag somit ein Anteil für die Teilnahme am Verkehr enthalten sei, sei es nicht ermessensfehlerhaft, bei der Gewährung von Fahrtkosten diesen Eigenanteil im angemessenen Umfang zu berücksichtigen. Hierbei sei ausdrücklich zu bedenken, dass auch Hilfeempfänger außerhalb von stationären Einrichtungen Besuchsfahrten aus ihrem Regelsatz finanzieren müssten. In Anbetracht des Anteils für Verkehr im Rahmen der monatlichen Barbetragsgewährung und vor dem Hintergrund, dass Bedarfe für z. B. Nachrichtenübermittlung für die Klägerin keinen relevanten Umfang hätten, erscheine ein Eigenanteil für die Heimfahrten in Höhe von 15,00 EUR monatlich nicht unangemessen hoch. Besondere Belastungen, die die Klägerin im Gegensatz zu anderen Leistungsberechtigten in stationären Einrichtungen aufbringen müsse, seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles und in Abwägung des Interesses der Klägerin mit dem Interesse der Öffentlichkeit an einem verantwortungsvollen Einsatz öffentlicher Mittel, sei es der Klägerin im Rahmen der Selbsthilfe gemäß § 2 SGB XII zuzumuten, 15,00 EUR pro Fahrt bzw. Monat selbst aufzubringen. Der Klägerin seien trotz der Berücksichtigung des Eigenanteils Ansparungen möglich gewesen, so dass ein weiterer notwendiger Bedarf, mithin das Begehren der Klägerin, den Eigenanteil für Familienheimfahrten nicht zu zahlen zu müssen, nicht erkannt werden könne.

Die Klägerin hat am 25. September 2013 Klage erhoben und die Ansicht vertreten, sie habe einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Familienheimfahrten, ohne einen Eigenanteil leisten zu müssen. Die Familienheimfahrten würden nicht selbst von der Einrichtung erbracht. Faktisch müsste sie – die Klägerin – den Eigenanteil von 15,00 EUR pro Heimfahrt aus ihrem Barbetrag bestreiten; das sei aber nicht zulässig, vielmehr müsse ihr dieser zur freien Verfügung verbleiben. Ein Vergleich mit der Aufteilung des Regelbedarfs gehe fehl. Die Zusammensetzung des Barbetrages und des Regelbedarfs seien nicht vergleichbar. Die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens ließen sich nicht allein mit 27 % der Regelbedarfsstufe decken. Im Übrigen setze der Beklagte den Anteil an Verkehrsausgaben im Barbetrag zu hoch an. Im Regelbedarf sei ein Anteil von 6,3 % für Verkehrsdienstleistungen enthalten. Der Beklagte gehe hier hingegen von 15 % aus. Da sie – die Klägerin – die Heimfahrtkosten voll verauslagt habe, seien ihr die nicht bewilligten zwei Heimfahrten sowie die abgezogenen Eigenanteile zu erstatten. Sämtliche durchgeführten Familienheimfahrten seien notwendig gewesen, weil sie sich durch diese konstanten Ereignisse sicherer und wohler gefühlt habe. Es sei ihr – der Klägerin – wichtig, den liebevollen Kontakt zu ihrer Familie zu pflegen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII auf vollständige Übernahme der Familienheimfahrten aus dem Jahr 2012 ohne Abzug des Eigenanteils zu erbringen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, bei den Familienheimfahrten handele es sich um Leistungen, die gemäß § 54 Abs. 2 SGB XII in seinem – des Beklagten – pflichtgemäßen Ermessen stünden. Monatskarten und gelegentliche Fahrten seien Teil des Regelbedarfs. Um eine Besserstellung von Leistungsberechtigten in Einrichtungen gegenüber Leistungsberechtigten außerhalb von Einrichtungen zu vermeiden, werde ein Eigenanteil von 15,00 EUR pro Heimfahrt bzw. monatlich vorgesehen. Es bestünden auf Seiten der Klägerin keine weiteren atypischen Belastungen, die eine Reduzierung dieses Betrages sachgerecht erscheinen ließen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 5. Oktober 2017 unter Änderung des Bescheides vom 21. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 verurteilt, der Klägerin weitere 180,00 EUR für die Familienheimfahrten aus dem Jahr 2012 zu zahlen. Zugleich hat es die Berufung zugelassen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Familienheimfahrten seien als Teil eines therapeutischen Konzeptes nach § 54 Abs. 2 SGB XII notwendig und daher deren Kosten zu erstatten. Einen Eigenanteil aus dem Barbetrag in Höhe von 15,00 EUR zu fordern, sei rechtswidrig, da im Falle der Anerkennung der Notwendigkeit die Kosten für die Familienheimfahrten zu übernehmen seien und kein Ermessensspielraum mehr auf der Kostenebene bestehe. Die Stellungnahme des Fachdienstes Gesundheit vom 17. Januar 2014 belege zudem die Notwendigkeit von regelmäßigen Besuchskontakten. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei ein identifizierbarer Anteil für Beförderungsdienstleistungen nicht im Barbetrag nach § 27b SGB XII enthalten. Bei der Festlegung des Barbetrags in einer pauschalierten Höhe werde der tatsächliche Umfang der Bedarfsdeckung durch die stationäre Einrichtung nicht berücksichtigt. Die Höhe von mindestens 27 v. H. der maßgebenden Regelbedarfsstufe beruhe auf einer Berechnung des Deutschen Vereins (Empfehlungen für die Gewährung von Taschengeld nach dem BSHG, Kleine Schriften des Deutschen Vereins, 1973) und habe einen Warenkorbcharakter besessen. Der Barbetragsanteil in Höhe von mindestens 27 v. H. des seinerzeit aktuellen Regelbedarfs entspreche der Fortschreibung der Regelbedarfsstufe. Der in der stationären Einrichtung tatsächlich erbrachte Lebensunterhalt (§ 27b Abs. 1 Satz 1 SGB XII) und der weitere notwendige Lebensunterhalt (§ 27b Abs. 2 Satz 1 SGB XII) deckten erst gemeinsam den Lebensunterhalt. Der weitere notwendige Lebensunterhalt gemäß § 27b Abs. 2 SGB XII umfasse insbesondere Kleidung und den Barbetrag in der Mindesthöhe von 27 v. H. der Regelbedarfsstufe 1 der Anlage zu § 28 SGB XII. Insofern sei unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten des Einzelfalls ebenso wie bei der abweichenden Bedarfsdeckung nach § 27a Abs. 4 Nr. 2 SGB XII zu prüfen, ob der gesetzliche Mindestbarbetrag ausreiche, um zusammen mit dem in der Einrichtung geleisteten Lebensunterhalt den notwendigen Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen vollständig sicherzustellen. Aufgrund der Mindestregelung in § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII komme eine Absenkung unter den Barbetrag – vergleichbar zu § 27a Abs. 4 Nr. 1 SGB XII – nicht in Betracht. Es handele sich um den Betrag, der für Ausgaben, die nicht von der Einrichtung zu decken seien bzw. gedeckt würden, zur freien Verfügung des Berechtigten stehe. Der Barbetrag sei strukturell den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel zuzuordnen.

Mit dem Barbetrag sei nicht eine Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel zu bestreiten. Mit den Leistungen nach dem Sechsten Kapitel sei die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bzw. am Arbeitsleben im Sinne eines Nachteilsausgleichs zu gewähren. Die regelmäßigen Fahrten zu den Familienangehörigen nach § 54 Abs. 2 SGB XII seien Leistungen der Eingliederungshilfe, da sie dem Sechsten Kapitel zuzuordnen seien. Pauschalierend gehe der Gesetzgeber für diese Fahrten davon aus, dass sie im Rahmen einer familienorientierten Hilfe zu erbringen sein könnten, wie dies auch in § 16 SGB XII normiert sei. Nach § 16 SGB XII sollten die besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten berücksichtigt werden. Die Sozialhilfe solle nach § 16 Satz 2 SGB XII die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen. Es liege auf der Hand und bedürfe aufgrund der gesetzgeberischen Wertung keiner vertieften Prüfung, dass im Regelfall Familienheim- bzw. Besuchsfahrten förderlich seien, soweit nicht die Familienverhältnisse oder die Behinderung entgegenstünden. Für solche Fahrten sei im Regelfall kein Anteil aus dem Barbetrag einzusetzen, da dieser für Bedarfe nach dem Dritten Kapitel vorgesehen sei. Neben den vom Prozessbevollmächtigten zutreffend vorgetragenen Schwierigkeiten, prozessuale Anteile im Barbetrag zu identifizieren, spreche die formale Zuordnung gegen eine Anrechnung von Anteilen. Weiterhin spreche dagegen, dass die Klägerin auch bei anderen Aktivitäten, wie beispielsweise Ausflügen, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr unternommen würden, Beträge auch für Beförderungsdienstleistungen aufzuwenden habe. Eine monatlich feste Bindung von ca. 15 % des Barbetrags für Familienheimfahrten reduziere das verfügbare Budget erheblich. Es stehe im freien Ermessen der Klägerin, wofür sie den Barbetrag verwende, ob sie sich etwas kaufe oder ggf. Geld anspare. Dass es ihr möglich gewesen sei, entsprechende Rücklagen zu bilden, sei für die Höhe der zu erstattenden Kosten für die Familienheimfahrten insoweit nicht zu berücksichtigen. Erst in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin nicht in der Lage sei, den Barbetrag bestimmungsgemäß zu verwenden, werde er gemäß § 27b Abs. 2 Satz 3 SGB XII gemindert. Dieses sei hier nicht der Fall, da die Klägerin mit ihrem Vermögen die Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. § 1 Barbetragsverordnung nicht erreicht habe.

Die Berufung werde nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Verhältnis des Barbetrages gemäß § 27b Abs. 2 SGB XII zu § 54 Abs. 2 SGB XII berühre die grundsätzliche Frage, ob existenzsichernde Mittel nach dem Dritten Kapitel für Leistungen der Eingliederungshilfe eingesetzt werden müssten.

Gegen das ihm am 5. März 2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. März 2018 Berufung eingelegt, mit der er seine erstinstanzlich bereits vertretene Auffassung weiterhin aufrechterhält. Er weist zudem darauf hin, dass die mit jeweils 0,20 EUR je gefahrenem Kilometer erstatteten Kosten durch die Eltern der Klägerin vereinnahmt würden. Weitere 0,10 EUR pro gefahrenem Kilometer hätten die Eltern der Klägerin bei der Familienkasse als eigene Unterhaltsleistung geltend gemacht, da sie der Klägerin 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer berechneten. Auf diese Art und Weise sei die Überleitung des Kindergeldes von den Eltern der Klägerin auf ihn – den Beklagten – verhindert worden.

Bei der Gewährung von Beihilfen für Familienheimfahrten handele es sich gemäß § 54 Abs. 2 SGB XII um eine Ermessensleistung. Das Ermessen umfasse sowohl die Häufigkeit der Familienheimfahrten als auch die Höhe der Beihilfe. Die Verfahrensweise, auch Menschen in Einrichtungen bei der Gewährung von einmaligen Beihilfen zu Besuchsfahrten anteilig an den Kosten zu beteiligen, sei bereits im Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 22. Oktober 2012 (Aktenzeichen: S 22 SO 154/10) bestätigt worden. Bei der Bemessung der Höhe habe er – der Beklagte – sich an den Anteilen orientiert, wie sie im Regelbedarf enthalten seien, und gehe in der Regel von einem angemessenen Eigenanteil von 15,00 EUR pro Monat aus. Unabhängig von dieser Orientierungshilfe werde in jedem Einzelfall abgewogen, ob Umstände des Falles eine Reduzierung des Eigenanteils oder den völligen Verzicht verlangten. Wie sich aus dem Ausgangs- und Widerspruchsbescheid ergebe, seien hier die Umstände des Einzelfalls richtig berücksichtigt worden. Es seien keine Umstände erkennbar, die eine Festsetzung des Eigenanteils auf 15,00 EUR/Monat ermessensfehlerhaft erscheinen ließen. Erst recht liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor, die eine Direktentscheidung des Gerichts der ersten Instanz rechtfertigen würde. Die Klägerin habe keine weiteren atypischen Belastungen. Sie verwende ihren Barbetrag für Dinge, die klassischerweise daraus bezahlt würden. Auch unter Aufbringung des Eigenanteils sei es ihr weiterhin möglich, ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens frei zu gestalten. Sie verfüge über ausreichend finanzielle Mittel, die es ihr erlaubten, zu haushalten und auch Beträge anzusparen. So sei es der Klägerin gelungen, ihr Restguthaben aus dem Barbetrag stetig zu erhöhen. Natürlich stehe es ihr frei, wofür sie ihren Barbetrag verwende. Sie könne davon auch Schuhe und Bekleidung kaufen. Allerdings könnte sie nicht von seiner Seite – der des Beklagten – im Bedarfsfall darauf verwiesen werden; denn Bekleidung und Schuhe müssten nicht aus dem Barbetrag finanziert werden. Hier gebe es die Möglichkeit, auch einmalige Beihilfen in Anspruch zu nehmen. Solche seien der Klägerin in der Vergangenheit auch regelmäßig gewährt worden.

Schließlich sei die Annahme des Sozialgerichts unzutreffend, dass die Klägerin auch bei anderen Aktivitäten wie beispielsweise Ausflügen, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr unternommen würden, Beiträge für Beförderungsdienstleistungen aufzuwenden habe. Die Klägerin sei gar nicht in der Lage, allein am öffentlichen Personennahverkehr teilzunehmen. Auch bei anderen Aktivitäten bzw. Ausflügen habe sie in den vergangenen Jahren keinerlei Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr aufgewendet. Sämtliche Ausflüge seien mit Bussen der Einrichtung durchgeführt worden. Etwas Anderes habe auch die Klägerin selbst nicht behauptet bzw. belegt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. Oktober 2017 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und teilt den Standpunkt, dass kein Ermessensspielraum mehr auf der Kostenebene bestehe, weil der Beklagte die Familienheimfahrten als notwendig anerkannt habe. Das Gericht habe zutreffend ausgeführt, dass der pauschalierte Barbetrag nach § 27b SGB XII ein Mindestbetrag sei, der für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel vorgesehen und nicht für Leistungen aus dem Sechsten Kapitel einzusetzen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 21. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 verurteilt, der Klägerin weitere 180,00 EUR für die Familienheimfahrten aus dem Jahre 2012 zu zahlen, bzgl. derer (letztlich) insgesamt ein Eigenanteil in eben dieser Höhe zulasten der Klägerin vom Beklagten bei der Gewährung der Beihilfe in Abzug gebracht worden ist. Hinsichtlich des vom Beklagten vorgenommenen Abzugs sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat auf der Grundlage von § 54 Abs. 2 SGB XII i.d.F. vom 30. Juli 2009 einen Anspruch auf Gewährung von Fahrtkostenbeihilfen ohne Abzug von 15,00 EUR pro Monat.

Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass es rechtswidrig ist, einen Eigenanteil der Klägerin, der faktisch aus deren Barbetrag zu erbringen wäre, in Höhe von 15,00 EUR pro Monat zu fordern, da im Falle der Anerkennung der Notwendigkeit der Familienheimfahrten, wie sie hier erfolgt ist, die Kosten dafür zu übernehmen sind und auf der Kostenebene unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalls kein Ermessensspielraum mehr besteht. Das Sozialgericht hat zutreffend als maßgeblichen Ansatzpunkt der Überlegungen den Barbetrag nach § 27b SGB XII mit herangezogen und ist davon ausgegangen, dass mit dem Barbetrag nicht eine Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel (wie eben Familienheimfahrten i.S.v. § 54 Abs. 2 SGB XII) zu bestreiten und somit für Familienheimfahrten kein Anteil aus dem Barbetrag einzusetzen sei, da dieser für Bedarfe nach dem Dritten Kapitel vorgesehen sei. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Abweichend von den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Annahme des Sozialgerichts, die Klägerin müsse auch bei anderen Aktivitäten, wie beispielsweise Ausflügen, die mit dem öffentlichen Personalnahverkehr unternommen würden, Beiträge für Beförderungsdienstleistungen aufwenden, so dass eine monatlich feste Bindung von ca. 15 % des Barbetrags für Familienheimfahrten das verfügbare Budget erheblich reduziere, nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten nicht zutrifft, da Ausflüge stets mit den eigenen Bussen der Einrichtung durchgeführt werden bzw. im streitbefangenen Zeitraum durchgeführt worden sind. Dessen ungeachtet stellt sich die rechtliche Einordnung des § 54 Abs. 2 SGB XII als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Beihilfeanspruch der Klägerin aber gleichwohl als zutreffend dar.

Im Hinblick auf Leistungen der Eingliederungshilfe, wie sie i.E. in § 54 SGB XII aufgeführt werden, bestimmt dessen Absatz 2 Folgendes:

Erhalten behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen in einer stationären Einrichtung Leistungen der Eingliederungshilfe, können ihnen oder ihren Angehörigen zum gegenseitigen Besuch Beihilfen geleistet wer- den, soweit es im Einzelfall erforderlich ist.

Aus der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck der Regelungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 ff. SGB XII ergibt sich, dass Beihilfen zum Zwecke des Besuches von Familienangehörigen gemäß § 54 Abs. 2 SGB XII bezogen auf die Person des nach § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungsberechtigten selbst als integraler Bestandteil der den behinderten Menschen in einer stationären Einrichtung gewährten Eingliederungshilfe einzustufen sind. Beihilfen zu deren Gunsten sind nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zuzuordnen. Insofern wird kein uneingeschränkter Ermessensspielraum zugunsten des Beklagten eröffnet. Zwar ist diesem einzuräumen, dass der Wortlaut des § 54 Abs. 2 SGB XII durchaus für die von ihm – dem Beklagten – vertretene Auffassung sprechen könnte, die auch bereits in einem Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 22. Oktober 2012 (S 22 SO 154/10) bestätigt worden ist. Dort ging es um eine inhaltlich gleichlautende Problematik betreffend eine Beihilfe zu Fahrtkosten für Familienheimfahren im Jahre 2009 auf der Grundlage von § 54 Abs. 2 SGB XII. In jener Entscheidung hat des Sozialgericht die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ersichtlich die Vorgaben der Norm beachtet, erkannt, dass es sich um eine Ermessensleistung handele und in einem dem Zweck des Ermessens entsprechenden Weise dem Kläger (jenes Verfahrens) eine Beihilfe zur Besuchsheimfahrt unter Berücksichtigung eines Eigenanteils gewährt. Abschließend hieß es in jenem Urteil: "Vor dem Hintergrund des dem Beklagten durch die Vorschrift des § 54 Abs. 2 auch dahingehend eingeräumten Ermessens, eine Beihilfe zu den Fahrtkosten auch komplett abzulehnen, ist die Gewährung eines Zuschusses bei gleichzeitiger Forderung eines Eigenanteils in Höhe von 11,00 EUR aufgrund der vom Beklagten gegebenen Begründung nicht ermessensfehlerhaft". Für die vom Beklagten vorgenommene gesamtwirtschaftliche Betrachtung im Rahmen einer Ermessensabwägung spricht auch die vom Sozialgericht Detmold im Urteil vom 2. Februar 2016 (S 2 SO 226/14 – juris) als Zusatzüberlegung zur dortigen Kernfrage der Höhe der Regelbedarfsstufe während einer Abwesenheit aus einer Maßnahme der stationären Eingliederungshilfe vorgenommene Erwägung. Sie lautet, die Besuchsbeihilfe nach § 54 Abs. 2 SGB XII "kann nur zum Ausgleich von konkreten Aufwendungen für den Besuch geleistet werden, etwa wenn die Kosten einer Reise zu Angehörigen aufgebracht werden müssen und nicht etwa hinreichend aus dem Barbetrag bestritten werden können" (juris, Rn. 22). Eine weitere Begründung oder gar systematische Ableitungen zum Verhältnis des Barbetrages in Verbindung mit der Besuchsbeihilfe nach § 54 Abs. 2 SGB XII finden sich in jener Entscheidung aber nicht.

Höchstrichterlich ist eine eindeutige Klärung bislang nicht erfolgt. Auch in der Kommentarliteratur sind dezidierte Ausführungen nicht zu finden. Wie Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB XII, § 54, Rn. 68 betont, hat das Bundessozialgericht in einem obiter dictum ausgeführt, die Anwendung des § 54 Abs. 2 SGB XII auf Beihilfen für die Zeit der Heimabwesenheit ("Abwesenheitspauschalen") lägen näher als die Lösung über § 27b SGB XII. Weiter hat Wehrhahn betont, wenn die Leistung insgesamt im Ermessen des Trägers stehe, so könne dieser sich erst Recht auf Teilleistungen beschränken. In dem dort in Bezug genommenen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2008 (B 8 SO 33/07 R – juris) stand die Zahlung von Abwesenheitspauschalen (ab Januar 2005) für die Tage im Streit, in denen die stationär auf Kosten des Beklagten untergebrachte Klägerin sich nicht in der Einrichtung, sondern im Elternhaus aufgehalten hatte, nicht jedoch die Kosten für Familienheimfahrten. Demgemäß folgerichtig hat das BSG (s. dortige Rn. 21) ausgeführt:

"Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob § 54 Abs. 2 SGB XII für Beihilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschlägig ist, oder ob nicht für Zeiten der Heimabwesenheit § 35 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 SGB XII (weiterer notwendiger Lebensunterhalt) zur Anwendung gelangen muss; näher könnte die Anwendung des § 54 Abs 2 SGB XII liegen. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob die in § 54 Abs 2 SGB XII vorausgesetzte Erforderlichkeit im Einzelfall – wie dies offenbar der Beklagte annimmt – allein tatsächlich, nicht (auch überwiegend normativ) an den weitgehend pauschalierten Bedarfen der §§ 28 ff SGB XII orientiert (Tagespauschalen) zu ermitteln ist, bzw ob es sich bei Annahme der Erforderlichkeit trotz der sich aus § 9 Abs 1 SGB XII abzuleitenden Notwendigkeit, Bedarfe vollständig abzudecken (so genannter Bedarfsdeckungsgrundsatz) noch um eine Ermessensnorm handeln kann, soweit es um Leistungen an den Hilfebedürftigen selbst geht. Entscheidend ist lediglich, dass das SGB XII jedenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Hilfebedürftige, die im Rahmen der Eingliederungshilfe im Heim untergebracht sind, für Abwesenheitstage ermöglicht."

Adolph in Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG 61. UPD, § 54 Abs. 2, Rn. 40 führt an, die Entscheidung nach dieser Norm stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers. Das Ermessen könne auf Null reduziert sein, wenn die Besuchsreise notwendiger Bestandteil der Eingliederungsmaßnahme sei. Er bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des – damals noch für Streitigkeiten nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zuständigen – Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 1970 – V C 112.69 –; desgleichen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 54 Abs. 2 Rn. 61. Letzterer legt dar, es komme bei der Beihilfegewährung nicht entscheidend auf die ansonsten geltenden Vermögens- und Einkommensgrenzen an, jedoch könne auf die finanzielle Situation des Besuchers Rücksicht genommen werden. Die Gewährung setze voraus, dass die Beihilfe im Einzelfall erforderlich sei. Die Entscheidung habe der Träger der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die Beihilfen bräuchten nicht den Gesamtreiseaufwand abzudecken.

Das in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1970 behandelte den Streit darüber, in welchem Umfang der Beklagte die durch die Heimfahrten der Klägerin, die eine Gehörlosenschule in Internatsform besuchte, entstehenden Kosten zu tragen hatte. In den Orientierungssätzen heißt es bei juris:

"1. Bei der Gewährung von Eingliederungshilfe zu einer auswärtigen Unterbringung sind Beihilfen für die Kosten der Reise zu den Angehörigen zu gewähren, wenn der Kontakt zu den Angehörigen notwendiger Teil der Eingliederung ist; hierbei gilt die Einkommensgrenze des BSHG § 81 Abs. 1 Nr. 1.

2. Beihilfen für Besuchsreisen können nach dem Ermessen des Sozialhilfeträgers ohne Rücksicht auf Vermögen und Einkommen im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährt werden, wenn die Besuchsreise zur Erreichung des Zieles der Eingliederungshilfe zumindest nützlich ist."

Der Inhalt des Orientierungssatzes 2. erklärt sich daraus, dass die seinerzeit relevante Regelung (anders als der hier zugrunde zu legende § 54 Abs. 2 SGB XII) nicht als Tatbestandsmerkmal die Erforderlichkeit aufwies, sondern es ausreichen ließ, wenn es "gerechtfertigt" war, eine Beihilfe zu gewähren.

Maßgebliche Regelung war (lt. BVerwG) § 40 Abs. 3 BSHG vom 18. September 1969. Dieser besagte:

Soweit es im Einzelfall gerechtfertigt ist, können Beihilfen an den Behinderten oder seine Angehörigen zum Besuch während der Durchführung der Maßnahmen der Eingliederungshilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung gewährt werden.

In der Begründung seiner Entscheidung (Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht) hat das Bundesverwaltungsgericht u. a. ausgeführt, § 40 Abs. 3 BSHG nenne neben dem Behinderten dessen Angehörige als mögliche Empfänger der Reisebeihilfe. Die Beihilfen erfassten demnach nicht nur sachlich einen weiten Kreis, sondern auch persönlich (s. juris Rn. 13). Die weitgespannte Möglichkeit der Gewährung von Reisebeihilfen finde die notwendige Begrenzung durch die Tatsache, dass das Gesetz die Gewährung der Hilfe in das Ermessen des Sozialhilfeträgers stelle. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Überdies mache es das Wesen einer Beihilfe aus, dass sie nicht notwendig zur vollen Erstattung von Aufwendungen führen müsse. Der Sozialhilfeträger könne deshalb allen Umständen – auch den wirtschaftlichen – ausreichend Rechnung tragen (Rn. 14). Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

"Diese aus den dargelegten sachlichen und persönlichen Gründen gebotene Freistellung des Trägers der Sozialhilfe muß jedoch da einer Bindung weichen, wo die Reise notwendiger Bestandteil der Eingliederungsmaßnahme ist, wo etwa die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) zugleich die Unterbringung in einem Internat und regelmäßige Besuche zu Hause erfordert. Ob in diesen Fällen die Heimreise als Bestandteil der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung angesehen wird oder aber als davon zu sondernde Beihilfe nach 40 Abs. 3 BSHG mag auf sich beruhen. In diesen Fällen wäre es jedenfalls in sich widersprüchlich, die Unterbringung im Internat zu unterstützen, nicht aber die die Schulausbildung begleitenden häuslichen Kontakte. Unter diesen Umständen muß hier die Heimreise in eben der Weise gefördert werden wie die Schulausbildung selbst. Freilich läßt sich eine Verpflichtung der Förderung, auch wenn sie sich aus § 40 Abs. 3 BSHG ergibt, nicht ohne gleichzeitigen Rückgriff auf die Einkommensgrenzen des Bundessozialhilfegesetzes denken; denn ebenso wie der Freistellung von der Einkommensgrenze die Freistellung in der Höhe der Hilfe durch die Verweisung auf eine Beihilfe entspricht, muß der Bindung des Trägers der Sozialhilfe bei der Hilfe für die Reise die Begrenzung der Hilfe durch die Einkommensgrenze entsprechen (Rn. 15).

Hieraus folgt, daß im Falle der Klägerin die Heimreisen ohne Rücksicht auf Vermögen und Einkommen der Klägerin und ihrer Eltern im Wege einer nach Ermessen des Sozialhilfeträgers zu bestimmenden Beihilfe gefördert werden können, wenn sie durch die Eingliederungsmaßnahme gerechtfertigt sind. Sind sie darüber hinaus notwendiger Bestandteil der Eingliederungsmaßnahme, so ist die Heimreise in demselben Umfange zu fördern wie der Schulbesuch selbst, allerdings ebenso wie dieser nur in dem durch die Einkommens- und Vermögensgrenzen gezogenen Bereich. Wegen der Einkommensgrenze ist hierbei auf § 81 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zurückzugreifen. Ist die Heimreise integraler Bestandteil der Hilfe in einem Heim, so muß für die Hilfe insgesamt auf die genannte Vorschrift zurückgegriffen werden, ähnlich wie im Falle der Kosten, die durch den ärztlich angeordneten Transport eines Behinderten in das Krankenhaus entstehen (BVerwGE 25, 28), (Rn. 16).

Mit Rücksicht darauf ist das Urteil des Bundessozialgerichts aufzuheben. Nach den getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird die Einkommensgrenze des § 81 Abs. 1 Nr. 1 BSHG nicht überschritten. Die Heimreisen der Klägerin sind deshalb zu fördern, soweit sie notwendig sind; sie können gefördert werden, soweit sie zwar nicht notwendig, aber gerechtfertigt sind. Es bedarf hiernach vorab der Feststellung, ob die Heimreisen geboten sind. Ist das der Fall, so ist der Träger der Sozialhilfe gehalten, die Kosten der Heimreise zu erstatten, soweit nicht unangemessene Wünsche hinsichtlich des Beförderungsmittels angemeldet werden (§ 3 Abs. 2 BSHG). " (Rn. 17).

Überträgt man die o.g. Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den nicht lediglich gerechtfertigten, sondern notwendigen, also gebotenen Heimreisen auf die hier vorzunehmende Prüfung nach § 54 Abs. 2 SGB XII (korrespondierend zum Tatbestandsmerkmal "soweit erforderlich"), zeigt sich, dass der Träger der Sozialhilfe gehalten ist, die Kosten der von ihm selbst für erforderlich angesehenen Heimreisen als Beihilfe zu übernehmen, wenn sie – wie hier – notwendiger Bestandteil der Eingliederungshilfemaßnahme des Leistungsempfängers (hier der Klägerin) sind.

Die systematische Einbindung von Besuchsbeihilfen für Leistungsempfänger, denen Leistungen nach den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gewährt werden, in die Regelung des § 54 SGB XII, und zwar in dessen Abs. 2, belegt die durch den Gesetzgeber vorgenommene ganzheitliche Betrachtung einer Eingliederungshilfemaßnahme. Nur eine solche wird auch dem Sinn und Zweck des umfänglichen Leistungskatalogs im Hinblick auf die Aufgabe der Eingliederungshilfe gerecht, wie sie in den vorgenannten Normen festgeschrieben sind. Insofern muss die Möglichkeit der – finanziellen – Umsetzung einer solchen beihilfefähigen Besuchsfahrt für den behinderten Menschen eben aus dem "Deckungskreis" der Leistungsgewährung nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII gesichert sein, ohne dass er einen Rückgriff auf ihm gewährte Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vornehmen müsste. Angesichts dessen kann hier dahinstehen, ob die Frage der Anzahl der Heimfahrten wie auch die Art des Transportmittels und die damit verbundenen Kosten bereits unter das Tatbestandsmerkmal "soweit erforderlich" zu subsumieren sind, oder ob diese Punkte im Rahmen einer Ermessensausübung durch den Leistungsträger zu prüfen sind; denn bezogen auf den Fall der Klägerin würde das nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sowohl hinsichtlich der Anzahl der streitgegenständlichen Familienheimfahrten wie auch der Art des gewählten Transportmittels (privater PKW) hat der Beklagte keinerlei Einwendungen geltend gemacht. Somit hat er sie selbst in dieser Form als erforderlich eingestuft. Wollte man die daraus resultierenden Kosten als vom Tatbestandsmerkmal "erforderlich" mit umfasst ansehen, bliebe kein Raum mehr für eine diesbezügliche Ermessensausübung. Sofern man die vorgenannten Punkte als nicht unter das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit zu subsumieren ansähe, wäre ein Ermessensspielraum, der noch bezüglich der Art des Beförderungsmittels und daraus resultierender Kosten seitens des Leistungsträgers auszuführen wäre, hier auf Null reduziert. Die beantragte Kostenerstattung für die Nutzung eines privaten PKWs – die der Beklagte in Anlehnung an die Regelungen im Bundesreisekostengesetz mit 0,20 EUR pro Kilometer vornimmt – wäre nicht als finanziell überzogenes Begehren einzustufen, bezüglich dessen sich im Rahmen einer Ermessensausübung ein anderes Ergebnis als das der Bewilligung in eben dieser Höhe ergeben könnte.

Da sich Besuchsbeihilfen für die in § 54 Abs. 2 SGB XII ebenfalls genannten Angehörigen (anders als bei dem behinderten Menschen selbst) nicht als integraler Bestandteil einer Eingliederungshilfemaßnahme darstellen, spricht alles dafür, dass im Rahmen der Prüfung einer Beihilfegewährung ihnen gegenüber in jedem Fall ein Ermessensspielraum des Leistungsträgers eröffnet ist, der uneingeschränkt deren gesamte wirtschaftliche Situation mit zu umfassen hätte. Auch wenn der Gesetzgeber insofern zwei unterschiedliche Adressatenkreise in einer Regelung (§ 54 Abs. 2 SGB XII) zusammengefasst hat, ohne eine klare Abgrenzung zu den Prüfungsvorgaben zu machen, braucht diesem Aspekt hier nicht weiter nachgegangen zu werden; denn Beihilfen für Besuchsfahrten an Angehörige der Klägerin sind nicht Streitgegenstand.

In seiner Rechtsauffassung, dass Familienheimfahrten als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfemaßnahme für den Hilfeempfänger selbst einzuordnen sind mit der Folge der Kostentragungspflicht daraus resultierender angemessener finanzieller Beträge auf Seiten des Leistungsträgers ohne eine Eigenbeteiligung des behinderten Menschen, sieht sich der Senat auch durch die Überlegungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 9. Dezember 2008 (B 8/9b SO 10/07 R – juris) bestätigt, wonach das gemeinsam eingenommene Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen im Sozialhilferecht integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe und insoweit nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen sei. In jener Entscheidung hat das Bundessozialgericht hervorgehoben, nach dem "Grundsatz der einheitlichen Werkstatt" (juris, Rn. 21) sei bei ganzheitlicher Betrachtung das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen notwendiger Bestandteil der vom Beklagten zu leistenden Eingliederungshilfe. Es werde nicht nur anlässlich der Unterbringung aufgrund eines örtlichen oder zeitlichen Bezugs zur Einrichtung gewährt, vielmehr bestehe ein funktionaler Zusammenhang mit der in der Einrichtung gewährten Eingliederungshilfe. Es sei integraler Bestandteil der eigentlichen Aufgabenerfüllung (juris, Rn. 18). Das Mittagessen werde mithin entsprechend den Bedürfnissen behinderter Menschen normativ der Eingliederungshilfe unterstellt, obwohl es natürlich auch dem Lebensunterhalt (der Ernährung) zu dienen bestimmt sei (Rn. 23). Jene Überlegungen treffen nach Auffassung des Senats entsprechend auf die Problematik der Beihilfegewährung nach § 54 Abs. 2 SGB XII zu. Zwar hat das Bundessozialgericht in der vorgenannten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass der Behinderte es dann allerdings hinnehmen müsse, dass der die Grundsicherungsleistungen gewährende örtliche Sozialhilfeträger den monatlichen Regelsatz um den in § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgeschriebenen normativen Bedarf für die Kosten des Mittagessens nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII absenke (juris, Rn. 23). Das entsprechende Pendant hierzu wäre eine Minderung des Barbetrages nach § 27b Abs. 2 Satz 4 SGB XII, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt wären. Auch dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden; denn einen solchen Weg hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht gewählt.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es liegt im allgemeinen Interesse an der Rechtsfortbildung, klären zu lassen, wie das Verhältnis von § 54 Abs. 2 SGB XII im Rahmen von Eingliederungshilfemaßnahmen zum Barbetrag gemäß § 27b Abs. 2 SGB XII rechtlich einzuordnen ist, d.h., ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen existenzsichernde Mittel nach dem Dritten Kapitel für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel eingesetzt werden müssen.
Rechtskraft
Aus
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