S 5 KR 460/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 460/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2016 verurteilt, dem Kläger die Kosten für den am 24.12.2015 durchgeführten Transport mit dem Rettungstransportwagen in Höhe von 415,18 Euro zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für einen Transport mit dem Rettungswagen.

Der Kläger ist am 00.00.1976 geboren und bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Er leidet an Diabetes mellitus Typ I. Am 24.12.2015 brach er zu Hause zusammen. Er hatte Kreislaufprobleme. Ihm wurde schlecht und er hatte Schmerzen im linken Arm und schwitzte sehr stark. Die Vermieterin des Klägers fand ihn gegen 19:00 Uhr und alarmierte den Rettungsdienst über die Nr. 112. Die Rettungssanitäter untersuchten den Kläger vor Ort und verbrachten ihn notfallmäßig ins Johannes-Wesling-Klinikum in Minden.

Dort wurde der Kläger – ohne dass er hiervon Kenntnis hatte – an den ambulanten Notdienst, der sich ebenfalls in den Räumlichkeiten der Klinik befindet, weitergeleitet. Warum keine unmittelbare Versorgung in der Zentralen Notaufnahme erfolgte, ist unklar. Fest steht allein, dass der Kläger, der in der Lage war, eigenständig zu laufen, bei Ankunft im Johannes-Wesling-Klinikum zur Notfallambulanz geschickt wurde. Die Behandlung wurde dort von Dr. I (Praxis Dr. L, C) durchgeführt und über diesen abgerechnet. Dr. I stellte nach der Untersuchung erneut eine Verordnung für Krankenhausbehandlung aus, woraufhin der Kläger sich wiederum in die Notaufnahme begab. Dort fanden bis 0:30 Uhr weitere Untersuchungen statt. Eine stationäre Behandlung schloss sich nicht an.

Mit Gebührenbescheid der Stadt N vom 14.01.2016 wurde dem Kläger die Fahrt mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus in Rechnung gestellt. Hierfür entstanden Kosten i.H.v. 425,18 EUR. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass in der Regel die Stadt N die Abrechnung von Krankentransport- und Rettungsdiensteinsätzen unmittelbar mit der Krankenkasse des Patienten vornimmt. Dieses Verfahren werde von den Krankenkassen jedoch nur dann akzeptiert, wenn den Abrechnungsunterlagen die Verordnung einer Krankenbeförderung beigefügt ist. Für die Abrechnung des Einsatzes habe das Rettungsdienstpersonal im Fall des Klägers vermerkt, dass er bei seiner Einlieferung von der Notaufnahme direkt an den kassenärztlichen Notdienst verwiesen worden sei. Die Verordnung einer Krankenbeförderung sei deshalb nicht vom Arzt in der Notaufnahme unterschrieben worden. Vor diesem Hintergrund sei die Abrechnung des Einsatzes mit dem Kläger als Selbstzahler erfolgt.

Der Kläger wandte sich am 18.02.2016 an die Beklagte und bat um Prüfung der Übernahme der Fahrkosten.

Mit Bescheid vom 22.02.2016 wies die Beklagte darauf hin, dass die Kosten nicht übernommen werden können, da keine ärztliche Verordnung für den Transport vorgelegen habe.

Mit seinem Widerspruch machte der der Kläger geltend, dass er zusammengebrochen und deshalb der Notarzt gerufen worden sei. Notfallmäßig sei er ins Klinikum verbracht worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2016 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine vorherige Genehmigung der Fahrt zur ambulanten Behandlung habe nicht stattgefunden. Weder der Notarzt noch der behandelnde Arzt im Johannes-Wesling-Klinikum Minden habe durch die Ausstellung einer entsprechenden Verordnung die medizinische Notwendigkeit des in Anspruch genommenen Transports bestätigt.

Hiergegen richtet sich die am 15.06.2016 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Erstattung der Kosten für den Einsatz des Rettungstransportwagens verlangt. Offenbar sei er aufgrund eines Organisationsverschuldens im Klinikum von der Notaufnahme heraus an den vertragsärztlichen Notdienst im Klinikum verwiesen worden. Hiervon habe er keine Kenntnis gehabt. Er befand sich räumlich in der Notaufnahme und wurde dort auch notfallmäßig versorgt. Welche Art von Papieren vor Ort ausgefüllt worden seien, wisse er nicht. Jedenfalls stehe fest, dass er einer ärztlichen Behandlung bedurft habe. Schließlich sei er auch von Herrn I erneut in die Notaufnahme des Krankenhauses überstellt und erst von dort wieder entlassen worden.

Beim Verwaltungsgericht Minden hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid der Stadt N vom 04.02.2016 Klage erhoben. Das Verfahren wurde im Hinblick auf das beim Sozialgericht anhängige Verfahren ausgesetzt. Die Gebühren hat der Kläger zwischenzeitlich beglichen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2016 zu verurteilen, die Kosten für den Transport im Rettungstransportwagen am 24.12.2015 in Höhe von 425,18 Euro abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung zu erstatten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Die Praxis Dr. L habe für die Behandlung des Klägers die entsprechende Notfallpauschale mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe abgerechnet. Der Kläger sei daher mit dem Rettungswagen zur ambulanten Behandlung transportiert worden. Von dort sei keine Notwendigkeit des Transports bestätigt worden. Es wurden lediglich Glukosemessungen durchgeführt und eine Krankenhauseinweisung ausgefüllt. Ggf. müsse das Krankenhaus die Verordnung nachholen. Die Beklage regt insoweit an, die Mühlenkreiskliniken AöR als Trägerin des Johannes-Wesling-Klinikums beizuladen.

Das Gericht hat die Unterlagen des Johannes-Wesling-Klinikums über die Behandlung des Klägers am 24.12.2015 angefordert und mit den Beteiligten eine Erörterungstermin durchgeführt.

Das Gericht hat sodann eine weitere Anfrage an die Mühlenkreiskliniken und an Dr. I (Praxis Dr. L) gerichtet. Auf Inhalt und Ergebnisse der Stellungnahmen vom 18.01.2019 und 13.02.2019 wird verwiesen. Schließlich hat das Gericht den Einsatzbericht des Rettungsdienstes der Stadt N vom 24.12.2015 angefordert, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit trotz Abwesenheit eines Vertreters des Beklagten entscheiden. Mit der Ladung vom 07.10.2019 wurde auf diese Möglichkeit hingewiesen (§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 22.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2016 beschwert im Sinne des § 54 Abs 2 S. 1 SGG, denn der Bescheid ist rechtswidrig.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung für die am 24.12.2015 durchgeführte Fahrt abzüglich der von ihm zu leistenden Zuzahlung i.H.v. 10 Euro.

Das vom Sachleistungsprinzip geprägte System der gesetzlichen Krankenversicherung erlaubt eine Kostenerstattung anstelle der Sach- oder Dienstleistung nur, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Soweit die Leistung notwendig war, hat die Krankenkasse die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten. Dabei reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr, vergl. BSGE 79, 125, 126).

Die Beklagte hat die Übernahme der Fahrkosten zu Unrecht verweigert. Aufgrund des Gebührenbescheides der Stadt N war der Kläger einer Zahlungsverpflichtung ausgesetzt.

Grundsätzlich haben Versicherte Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten nach Maßgabe des § 60 SGB V. Danach übernimmt die Krankenkasse die Kosten der Rettungsfahrt zum Krankenhaus abzüglich der Zuzahlung durch den Versicherten (§ 60 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit § 61 S. 1 SGB V).

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 60 SGB V klargestellt, dass Fahrkosten nur beansprucht werden können, wenn sie im Zusammenhang mit einer Hauptleistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008, B 1 KR 38/07 R. juris.de). Unter Berücksichtigung der hierzu erlassenen Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V steht fest, dass Fahrkosten stets dann übernahmefähig sind, wenn sie der Inanspruchnahme stationär zu erbringenden Leistungen anfallen. Geht es hingegen um Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung, hängt der Anspruch auf Fahrkostenerstattung von weiteren in der Richtlinie festgelegten Voraussetzungen ab.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V liegen vor. Am 24.12.2015 wurde für den Kläger eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus durchgeführt. Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass für den Kläger ein Notruf beim Rettungsdienst abgesetzt wurde, der Rettungsdienst am Wohnort des Klägers einen Einsatz verrichtet und den Kläger im Anschluss daran zum Johannes-Wesseling-Krankenhaus gefahren hat, mit dem Ziel ihn dort in der zentralen Notaufnahme behandeln zu lassen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Einsatzprotokoll des Rettungsdienstes. Ergebnis der Untersuchung durch den Rettungssanitäter vor Ort war, den Kläger in das nächste Krankenhaus, dort in die Notaufnahme, zu transportieren, wobei vermerkt wurde, dass ein Notarzt nicht benötigt wurde.

Der Argumentation der Beklagten, es habe kein Notfall vorgelegen, vermag die Kammer nicht zu folgen. Auch wenn sich die Vitalparameter bei Auffinden des Klägers relativ unauffällig darstellten, sah sich der Rettungsdienst nicht veranlasst, die Notwendigkeit weiterer Behandlung zu verneinen. Vielmehr wurde bei der Einstufung der Notfallkategorie angegeben, dass sich der Einsatz aus einer akuten Erkrankung des Klägers heraus ergeben habe, wohingegen gleichfalls die Möglichkeit bestanden hätte, dort zu vermerken, dass kein Notfall vorliegt. Im Übrigen sprechen auch die glaubhaften Angaben des Klägers für eine plötzlich aufgetretene Blutzuckerentgleisung. Dies kann mit stärkeren Schwindelerscheinungen und kurzen Bewusstlosigkeitszeiten einhergehen, die gegebenenfalls auch für Außenstehende so akut erscheinen, dass das Absetzen eines Notrufes gerechtfertigt erscheint. In medizinischer Hinsicht wird dieser Sachverhalt auch von Dr. I bestätigt, der selbst nach Verstreichen eines Zeitraums von ein paar Stunden noch von einer Diabetesentgleisung ausging und für den Kläger eine Krankenhausverordnung ausstellte.

Im Übrigen kann sich die Beklagte nach Auffassung der Kammer nicht darauf berufen, dass die Fahrt mit dem Rettungstransportwagen nicht notwendig mangels akuten Notfalls war. Rettungsfahrten im Sinne von § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V sind zunächst solche Transporte zum Krankenhaus, die mit einem für einen Notfalleinsatz besonders ausgestatteten Fahrzeug durchgeführt werden. Das Fahrzeug ist in der Regel mit einem Notarzt, jedenfalls aber mit einem Rettungsassistenten oder einem Rettungssanitäter besetzt. Insoweit bestreitet die Beklagte nicht, dass eine Rettungsfahrt in diesem Sinne stattgefunden hat. § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V knüpft zwar daran an, dass die Fahrt erforderlich sein muss. Wer diese Entscheidung vor Antritt der Fahrt zu treffen hat, sagt das Gesetz allerdings nicht. Die Einschätzung des Rettungsassistenten, ob der Versicherte in die Notaufnahme eines Krankenhauses transportiert wird, hängt davon ab, ob sich der Versicherte sei es aufgrund einer akuten Verletzung oder aufgrund einer Krankheit entweder bereits in Lebensgefahr befindet oder sich sein Gesundheitszustand alsbald lebensgefährlich zu verschlechtern droht. Wie der Einsatzbericht zeigt, wurde eine dahingehende Notlage angenommen, als dass aufgrund einer akuten Erkrankung – Diabetesleiden – eine möglicherweise lebensgefährliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers hätte eintreten können.

Der tatsächliche Lebenssachverhalt erfordert in derartigen Fällen regelmäßig, dass die Besetzung des Rettungswagens eine Vorabeinschätzung vornimmt, die von dem später behandelnden Arzt in der Notaufnahme durch Abzeichnung des Transportscheins faktisch zur Kenntnis genommen wird. Eine Prüfung, ob die Einschätzung des Rettungsassistenten zutreffend war, wird jedenfalls in den Grenzfällen, in denen es dann später nicht zur stationären Weiterbehandlung des Patienten kommt, naturgemäß nicht mehr vollumfänglich möglich sein. Dies gilt umso mehr, als dass häufig Notrufe von Versicherten selbst oder Angehörigen als Ersthelfer abgesetzt werden, die außerstande sind, die objektiven Kriterien eines medizinischen Notfalls zu erkennen und einen subjektiven Maßstab hinsichtlich der Beurteilung der Bedrohungssituation ansetzen.

Die Beklagte kann ferner nicht mit dem Argument gehört werden, eine Behandlung habe in der Notaufnahme des Johannes-Wesling-Klinikums nicht stattgefunden hat. Richtig ist vielmehr, dass der Kläger zunächst offenbar in die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses gebracht wurde, denn dort wurde ausweislich der Unterlagen des Krankenhauses um 20:20 Uhr ein erstes Protokoll gefertigt. Eine sehr hohe Dringlichkeit zur Behandlung des Klägers wurde dabei nicht festgestellt. Die Behandlung sollte innerhalb der nächsten 90 Minuten erfolgen. Dass die eingehendere ärztliche Untersuchung dann allerdings nicht durch die Ärztinnen und Ärzte in der zentralen Notaufnahme erfolgt ist, sondern durch den ambulanten Notdienst, dessen Räumlichkeiten sich in unmittelbarer Nähe zu der zentralen Notaufnahme befinden, kann nicht dazu führen, eine Rettungsfahrt mit dem Ziel einer ambulanten Behandlung anzunehmen, für die der Kläger bei Fehlen einer ärztlichen Verordnung allein die Kosten zu tragen hätte.

§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V stellt klar, dass die Krankenkasse für Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann die Kosten übernimmt, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist. Gleiches muss auch dann gelten, wenn anstelle einer offensichtlich geplanten Untersuchung in der Notaufnahme eines Krankenhauses die erste ärztliche Untersuchung von dem diensthabenden Arzt der Notfallpraxis vorgenommen wird. Wenn dieser zusätzlich eine Verordnung für Krankenhausbehandlung ausstellt, kann sich die Beklagte erst recht nicht darauf berufen, im Anschluss an den Krankentransport habe nur eine ambulante Behandlung stattgefunden. Aus welchen Gründen der Kläger von der zentralen Notaufnahme an den ambulanten Notdienst verwiesen wurde, lässt sich nach den Ermittlungen des Gerichts nicht mehr eindeutig feststellen. Dr. I hat für das Gericht jedenfalls gut nachvollziehbar dargelegt, dass der entgleiste Blutzucker einen Anlass für die Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung dargestellt hat. Ebenso wurde von Seiten des Krankenhauses bestätigt, dass die Rettungsfahrt "höchstwahrscheinlich" erforderlich war. Ferner ist auch nicht erklärbar, weshalb der Rettungssanitäter die Bestätigung für die Durchführung des Transports nicht in der zentralen Notaufnahme abgerufen hat, wenn zuvor entschieden wurde, den Kläger wegen der Akuterkrankung in ein Krankenhaus zu befördern.

Damit sind die Voraussetzungen für die Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V gegeben.

Das Fehlen der Verordnung schließt die Geltendmachung des Anspruchs nicht grundsätzlich aus. § 60 SGB V fordert nicht ausdrücklich das Bestehen einer ärztlichen Verordnung für die Durchführung einer Krankenfahrt. Allenfalls im Verhältnis der Krankenkasse zum nichtärztlichen Leistungserbringer kann das Fehlen einer Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die Krankenkasse dazu berechtigen, mit Bezug auf die fehlende medizinische Notwendigkeit der erbrachten Leistung die Begleichung der in Rechnung gestellten Vergütung zu verweigern. Im Verhältnis zum Versicherten kann sich die Krankenkasse nicht auf die fehlende Verordnung einer Leistung berufen (für den Hilfsmittelbereich: BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 KR 1/09 R –, SozR 4-2500 § 33 Nr 29). Zwar umfasst nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die ärztliche Versorgung auch die Verordnung von Krankentransporten, wobei die Einzelheiten hierzu durch die nach § 92 Abs. 1 Nr. 12 SGB V erlassenen Richtlinien des GBA geregelt sind. So äußert sich die Richtlinie auch zur Verordnungsfähigkeit von Fahrten mit dem Rettungswagen (§ 5 KrTrRL), wobei diese Bestimmung jedoch keine Aussage dazu trifft, ob der Versicherte eine Verordnung für die Erstattungsfähigkeit der Kosten vorlegen muss oder nicht. Nach der Richtlinie ist jedoch für die Durchführung einer Krankenfahrt mit dem privaten PKW keine Verordnung erforderlich (§ 2 Abs. 3 KrTrRL). Die Durchführung einer Rettungsfahrt, die in der Regel den Städten und Kommunen obliegt und der Daseinsvorsorge dient, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in die schematischen Regelungen für die Verordnungsfähigkeit von Krankentransporten eingeordnet werden. Die KrTrRL nehmen hierauf Bezug und weisen in § 2 Abs. 2 KrTrRL darauf hin, dass die Verordnung vor der Beförderung ausgestellt werden soll und in Ausnahmefällen, insbesondere in Notfällen, nachträglich verordnet werden kann. Auf diese Weise wird regelmäßig verfahren, wenn der Rettungswagen zum Einsatz kommt, nicht aber gleichzeitig auch ein Notarzt, der eine Verordnung ausstellen könnte, hinzugerufen wird. Wenn in derartigen Fällen der Rettungssanitäter, der den Einsatz mit dem Rettungswagen leitet, entscheidet, den Patienten (trotz Vorliegen einer Bagatellerkrankungen) ins Krankenhaus und dort in die zentrale Notaufnahme zu bringen, liegt dort die Pflicht, sich zur Abrechenbarkeit der Leistung gegenüber der Krankenkasse an einen Arzt zu wenden und die Notwendigkeit der Beförderung bescheinigen zu lassen.

Der Kläger musste hingegen nicht davon ausgehen, dass die Fahrt mit dem Rettungswagen auf eigene Kosten erfolgt und keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse darstellen könnte. Denn der Kläger ist nach der Vorgabe des § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V transportiert worden. Er wurde zur zentralen Notaufnahme gebracht und erhielt dort eine (ambulante) Behandlung, bevor ihn die Ärzte der zentrale Notaufnahme nach weiteren Untersuchungen entließen, da eine weitere stationäre Behandlungsbedürftigkeit aus medizinischer Sicht nicht bestand. Für die Kammer ist insoweit nicht ersichtlich, an welcher Stelle der Kläger für die Verordnung der Transportleistung hätte sorgen können. Eine Verpflichtung hierzu bestand nicht. Ebenso wenig kann er darauf verwiesen werden, in den Unter-lagen des Johannes-Wesling-Klinikums sei vermerkt worden, es habe ein "privater" Transport stattgefunden. Der tatsächliche Geschehensablauf stellte sich anders dar, so dass die Eintragung in dem Bericht der Klinik objektiv nicht richtig ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Einsatzberichtes des Rettungsdienstes.

Dem Kläger sind auch Kosten im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V entstanden, denn die Stadt N hat ihm gegenüber einen vollstreckungsfähigen Gebührenbescheid erlassen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser rechtmäßig ist, da auch ein bestandskräftiger rechtswidriger Verwaltungsakt einen Gebührenanspruch begründen kann. Grundsätzlich ist einem gesetzlich Versicherten in einer solchen Situation nicht zuzumuten, auf eigene Kosten gegen den Bescheid wegen der Transportkosten zu klagen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein Westfalen, Urteil vom 26.04.2012, L 16 KR 192/11, juris, Rn. 22). Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Kammer nicht erheblich, ob die Stadt N in rechtmäßiger Weise einen Gebührenbescheid gegenüber dem Kläger erlassen durfte. Zweifel hieran könnten jedenfalls deshalb bestehen, weil der Rettungsassistent sich nach Durchführung des Einsatzes die Verordnung für den Transport von einem der Ärzte in der zentralen Notaufnahme des Johannes Wissing Klinikums hätte bestätigen lassen können. Ohne Bestätigung der Verordnung war nach den vertraglichen Bestimmungen des Rettungsdienstes mit der Beklagten eine unmittelbare Abrechnung des Transports nicht möglich. Ob allein dieser Umstand den Erlass eines Gebührenbescheides rechtfertigt, kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, denn auch unter Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach dem SGB V war die Beklagte verpflichtet, die Kosten für den Transport im Verhältnis zum Kläger zu übernehmen.

Die gesetzliche Zuzahlung i.H.v. 10 Euro war von dem Erstattungsbetrag abzuziehen (§ 61 SGB V).

Vor diesem Hintergrund war die Klage erfolgreich.

Unter Berücksichtigung des Streitwerts unter 750,00 EUR ist die Berufung nicht zulässig. Ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG ist nicht gegeben. Eine grundsätzliche Bedeu-tung der Angelegenheit, die vorliegend von den Besonderheiten des Einzelfalles geprägt ist, ist nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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