L 8 AS 1422/19 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AS 2606/19 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 1422/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch während des Verfahrens zur Überprüfung nach §§ 40 SGB II, 44 SGB X eines bestandskräftigen Versagungsbescheids wegen fehlender Mitwirkung kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, mit der das Jobcenter zur vorläufigen Leistung verpflichtet wird, sofern der Überprüfungsantrag offenkundige Erfolgsaussichten hat.
Eine Versagung von Leistungen gegenüber einem Antragsteller nach §§ 66 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I wegen fehlender Mitwirkung scheidet aus, wenn das Jobcenter den Antragsteller allein zur Vorlage von Unterlagen betreffend eine in mutmaßlicher Bedarfsgemeinschaft lebende Person auffordert.
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 3. Dezember 2019 wird der Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 18. November 2019 bis zum 30. April 2020 vorläufig und unter dem Vor-behalt der Rückzahlung monatliche Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von 486,- EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B ... bewilligt. Derzeit sind keine Raten zu zahlen und Leistungen aus dem Vermögen nicht zu erbringen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) zuletzt in Höhe von 516,- EUR.

Der 1995 geborene Antragsteller russischer Staatsangehörigkeit besitzt eine unbefristete Niederlassungserlaubnis; die Erwerbstätigkeit ist ihm gestattet. Er hat Einkünfte in Form von Kindergeld und jedenfalls bis November 2019 aus dem Verkauf von Smartphone-Zubehör, den er als selbständige Tätigkeit betreibt und für den er ab dem 1. März 2019 ein Gewerbe angemeldet hat. Seit dem 1. März 2018 ist der Antragsteller unter der Adresse A-Straße in A ... gemeldet. Dort bewohnt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Studentin S ..., eine 3-Raumwohnung.

Die 1996 geborene S ... hatte diese Wohnung seit dem 15. September 2016 zunächst zusammen mit zwei Mitbewohnern angemietet und als Wohngemeinschaft bewohnt. Mit dem Vermieter der Wohnung wurde am 1. Juni 2018 eine Änderung des Mietvertrages vereinbart, nach der die beiden anderen Mitbewohner aus dem Mietvertrag entlassen und als neue Mieter Frau S ... und der Antragsteller zum 1. Juni 2018 in den Mietvertrag auf-genommen wurden. Für die Wohnung sind als Kaltmiete monatlich 380,- EUR sowie als Heiz- und Betriebskosten monatlich 152,- EUR, demnach insgesamt 532,- EUR monatlich zu entrichten.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 in Gestalt eines Änderungsbescheids vom 1. Juni 2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II für die Monate Mai und Juni 2019 in Höhe von monatlich 204,02 EUR, für Juli 2019 in Höhe von 194,- EUR und für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2019 in Höhe von 388,02 EUR monatlich.

Laut einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 4. Juli 2019 hat der Antragsteller bei einer persönlichen Vorsprache angegeben, dass Frau S ... seine Lebensgefährtin sei. Das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sei durch den Antragsteller aber abgestritten worden. Nach einem weiteren Aktenvermerk des Antragsgegners über eine persönliche Vorsprache des Antragstellers am 9. Juli 2019 hat der Antragsteller an-gegeben, im März 2019 Waren im Wert von 50.000,- EUR für nur 30,- EUR zuzüglich 450,- EUR Transportkosten gekauft zu haben. Der Antragsteller kalkuliere nach eigenen Angaben mit zwei bis drei Euro Gewinn je verkauftes Produkt.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 forderte der Antragsgegner beim Antragsteller unter Verweis auf eine vorläufige Zahlungseinstellung vom 9. Juli 2019 weitere Unterlagen und Angaben insbesondere zu Einkommen und Vermögen von Frau S ... an. Den dagegen am 22. Juli 2019 eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2019 als unzulässig zurück.

In einem Schreiben vom 29. Juli 2019 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, dass er am 19. März 2019 ca. 300 Stück flüssiges Nano Displayschutz, ca. 60 Stück Virtual Reality Brillen, 35 Handystative, ca. 1000 Schutzhüllen für verschiedene Smartphones und ca. 8000 Stück Schutzgläser aus Hartglas eingekauft habe. Bisher habe er alle Nano-Displayschutzflüssigkeiten und alle Virtual Reality Brillen verkauft. In der nächsten Zeit würden die Handystative, die Handyhüllen und die Schutzgläser aus Hartglas verkauft werden. Es sei sehr schwierig, auf wenigstens 50,- EUR Gewinn zu kommen. Er habe die selbständige Tätigkeit aufgenommen, um seine Schulden bei der L ... Bank in Höhe von ca. 7.000,- EUR schneller abzuzahlen. Monatlich müsse er ca. 230,- EUR an die L ... Bank zahlen. Einige der Barauszahlungen, die aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich seien, habe er direkt an Frau S ... zur Tilgung seiner Schulden für Essen und Miete weitergegeben.

Am 11. Oktober 2019 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Weiterbewilli-gung von Leistungen zur Grundsicherung und gab zu seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum von November 2019 bis April 2020 an, dass er mit monatlichen Betriebseinnahmen von 373,68 EUR und monatlichen Betriebsausgaben in Höhe von 288,13 EUR (113,07 EUR für den Wareneinkauf, 32,52 EUR Telefonkosten [1/2 der Kos-ten für Mobilfunk und Festnetz], 35,57 EUR für E ...-Gebühren, 26,34 EUR für P ...-Gebühren und 80,63 EUR für Versandkosten) rechne.

Am 1. November 2019 forderte der Antragsgegner den Antragsteller wiederum schriftlich auf (Bl. 11 der Verwaltungsakte), weitere Auskünfte und Angaben vorzulegen und drohte die Versagung der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung an.

Dabei handelte es sich im Einzelnen um folgende Unterlagen:

- Anlage WEP von S ..., - Kopie Personalausweis von S ... oder persönliche Vorsprache mit Identitätsab-gleich, - Anlage EK von S ..., - Nachweise der Einkommensverhältnisse von S ... (BAföG-Bescheid/-Ablehnung; Nachweis Unterhaltszahlungen, Arbeitsvertrag, Entgeltabrechnungen, ), - Anlage VM mit allen Nachweisen der Vermögensbestände von S ... (Kontoauszüge von Beginn des Wohnverhältnisses bis dato, Policen, Beitragsbescheide, etc.), - Anlage SV von S ..., - aktuelle Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse von S ...

Nachdem der Antragsteller keine Unterlagen einreichte, versagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 25. November 2019 die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ab dem 1. November 2019 vollständig.

Bereits einige Tage zuvor richtete sich der Antragsteller am 18. November 2019 durch seinen Prozessbevollmächtigten an das Sozialgericht Leipzig (SG) und stellte einen Antrag Gewährung vorläufiger Leistungen der Grundsicherung durch den Antragsgegner in Höhe von 388,02 EUR. Zur Begründung des Antrages verwies er darauf, dass seine Mit-bewohnerin zwar seine Geliebte sei, er mit ihr jedoch nicht in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft lebe. Frau S ... sei Studentin und würde – soweit ihm das bekannt sei – von Unterhaltszahlungen ihrer Eltern und Großeltern leben. Im Jahr 2017 habe Frau S ... den Antragsteller gefragt, ob er mit ihr eine Wohngemeinschaft bilden wolle. Zwischenzeitlich habe man sich nicht mehr so gut verstanden, so dass der Antragsteller zeitweise bei Freunden gelebt habe. Seit März 2018 wohne der Antragsteller wieder stän-dig in der Wohnung bei Frau S ... Seit Ende Februar 2019 bildeten der Antragsteller und Frau S ... ein Liebespaar. Man wirtschafte jedoch nicht aus einem Topf und komme nicht füreinander auf. Man zahle hälftig auf ein Konto ein, von dem Miete, Strom und Internet bezahlt würden. Manche Lebensmittel, Reinigungsmittel und Kosten für gemeinsame Freizeitaktivitäten würden ebenfalls geteilt. Alles Übrige, insbesondere Kleidung, Telefon, Versicherungen und der größte Teil der Ernährung würde jeder für sich bezahlen. Der Antragsteller führe eine Excel-Datei, um den Überblick über die gemeinsamen Ausgaben zu behalten. Der Antragsteller und Frau S ... hätten keinen Zugriff auf das jeweilige Konto des anderen. Der Antragsteller besuche die Fachoberschule, um das Abitur nachzuholen. Seine BAföG-Anträge seien bisher abgelehnt worden. Frau S ... sei nicht bereit, die vom Antragsgegner geforderten Unterlagen vorzulegen. Sie habe darauf verwiesen, dass der Antragsteller verpflichtet sei, seinen Anteil an der Miete usw. pünktlich zu bezahlen. Sie werde dem Antragsteller keinen Kredit gewähren. Zudem verwies er darauf, dass seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit voraussichtlich unter 100,- EUR monatlich liegen würden.

Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 3. Dezember 2019 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückzahlung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 18. November 2019 bis zum 17. Dezember 2019 in Höhe von 388,02 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass es zur Feststellung eines ge-meinsamen Haushalts und des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft noch weiterer Er-mittlungen und insbesondere der Mitwirkung des Antragstellers und seiner Mitbewohnerin bedürfe. Da im vorliegenden Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich sei, sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese Abwägung falle für die Zeit vom 18. November 2019 bis zum 17. Dezember 2019 zu-gunsten des Antragstellers aus. Mangels anderer Anhaltspunkte sei weiterhin von dem bisher zugrunde gelegten Einkommen auszugehen. Ab dem 18. Dezember 2019 sei der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur bei Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zulässig sei. Dieses sei gegeben, wenn der Antragsteller sein Begehren nicht auf einfachere, schnellere und billi-gere Art durchsetzen könne. Hieran fehle es ab dem 18. Dezember 2019. Der Antragstel-ler sei verpflichtet, die vom Jobcenter geforderte Mitwirkung zu erbringen und dies sei ihm auch bis zum 18. Dezember 2019 zumutbar.

Gegen den am 4. Dezember 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19. Dezember 2019 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers.

Auf Nachfrage des Gerichts im Beschwerdeverfahren teilte der Antragsteller mit, dass er keinen Widerspruch gegen den jedenfalls vor Weihnachten 2019 beim ihm zugegangenen Bescheid erhoben habe. Mit einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz vom 28. Januar 2019 beantragte der Antragsteller die Überprüfung des Bescheids vom 25. November 2019 nach § 44 SGB X.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers erklärte darin, dass der Antragssteller den Bescheid vom 25. November 2019 nicht an ihn weitergereicht habe, da er davon ausge-gangen sei, dass aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens auch der Prozessbe-vollmächtigte den Bescheid erhalten würde und er deshalb nichts unternehmen müsse. Den Schriftsatz hat das Gericht mit Verfügung vom 30. Januar 2019 an den Antragsgeg-ner weitergeleitet.

Der Antragsteller trägt im Beschwerdeverfahren weiter vor, dass er nicht verpflichtet sei, Unterlagen von Frau S ... vorzulegen, da er nicht im Besitz der vom Antragsgegner gefor-derten Unterlagen sei und sich diese auch nicht beschaffen könne. Darüber hinaus bilde-ten der Antragsteller und Frau S ... keine Bedarfsgemeinschaft. Außerdem erziele er aus seiner selbständigen Tätigkeit keine Einnahmen mehr, so dass ihm angesichts seines Bedarfs von 690,- EUR unter Beachtung des Kindergeldes und der Versicherungspau-schale eine monatliche Leistung in Höhe von 516,- EUR zustehe.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 3. Dezember 2019 – S 21 AS 2606/19 ER – im Wege der einstweiligen An-ordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückzahlung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 18. November 2019 bis (mindestens) 29. Februar 2020 in Höhe von monatlich 516,- EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass der Antragsteller und Frau S ... Partner im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II seien und daher zur Prüfung des Anspruchs des Antragstellers auch die Angaben und Unterlagen von Frau S ... erforderlich seien. Daher sei im Rahmen des durch § 66 Absatz 1 SGB I eingeräumten Ermessens die Leistung zu versagen gewesen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners verwie-sen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde ist statthaft, §§ 172, 173 SGG.

Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanord-nung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig Leistungen zur Grundsicherung zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine sol-che Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Das für die Statthaftigkeit des Antrages erforderliche streitige Rechtsverhältnis liegt vor, obwohl der mit einer richtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Versagungsbescheid vom 25. November 2019 mittlerweile bestandskräftig geworden ist.

Der Antragsteller hat gegen den jedenfalls vor Weihnachten 2019 zugegangenen Bescheid unstreitig keinen Widerspruch eingelegt, jedoch hat er über seinen Prozessbevoll-mächtigten in einem dem Antragsgegner durch das Gericht zugeleiteten Schriftsatz vom 28. Januar 2020 die Überprüfung dieses Bescheids nach § 44 SGB X beantragt. Damit ist das Überprüfungsverfahren nach §§ 40 SGB II, 44 SGB X eingeleitet worden. Daher liegt trotz der inzwischen eingetretenen Bestandskraft des Bescheids vom 25. November 2019 wieder ein streitiges Rechtsverhältnis vor.

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein sogenannter Anordnungsanspruch und ein sogenannter Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung, d. h. vor Ent-scheidung der Antragsgegnerin über einen Antrag oder einen Widerspruch bzw. vor Ent-scheidung des Gerichts über eine gegebenenfalls vom Antragsteller erhobene Klage, müssen gewichtige Gründe vorliegen; dies ist der sogenannte Anordnungsgrund. Dieser liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR 42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entschei-dungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurch-setzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechts-stellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern (so ausdrücklich: Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Weiterhin muss ein sogenannter Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugäng-lichen materiell-rechtlichen Anspruch (vgl. Berlit, info also 2005, 3, 7) des Antragstellers handeln.

Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wieder gutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Für die Glaubhaftmachung genügt es dabei, dass das Gericht das Vorliegen der behaupteten Tatsache für überwiegend wahrscheinlich hält (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller/Schmidt, 12. Auflage, 2017, § 128 Rn. 3d).

An im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X gestellte An-träge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruches zu stel-len. Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren zurückgenommen werden, so ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwal-tungsverfahren bzw. in einem anschießenden gerichtlichen Hauptsachverfahren abzuwar-ten (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.04.2011 – L 5 AS 342/10 B ER – juris Rn. 19; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.05.2013 – L 19 AS 638/13 B ER – juris Rn. 12). Zur Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist es in diesem Fall erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswir-kungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden (Thüringer LSG, Beschluss vom 14.09.2011 – L 10 AL 434/10 ER – juris Rn. 33). Darüber hinaus kann eine einstweilige Anordnung in derartigen Fällen nur ergehen, wenn die Rechtswidrigkeit des bestandskräf-tigen Bescheids offensichtlich ist und deshalb mit einem für den Antragsteller positiven Ausgang des Überprüfungsverfahrens zu rechnen ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.09.2015 – L 16 AS 510/15 B ER – juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.11.2013 – L 9 KR 254/13 B ER – juris Rn. 4; Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.11.2019 – L 20 KR 479/19 B ER – juris Rn 32). Der Überprüfungsantrag des Antrag-stellers muss somit offenkundige Erfolgsaussichten haben.

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der bis zur Versagung der Leistungen im Leistungsbezug stehende Antragssteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm durch die Versagung der Leistungen zur Grundsicherung massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse drohen. Er ist verschuldet und verfügt nicht über genügend Einkommen, um seine Existenz eigenständig zu sichern. Er hat zudem glaubhaft gemacht, dass er keine Möglichkeit hat, sich anderweitig Geld zu beschaffen. Angesichts dessen stehen ihm nicht die zur Sicherung seiner Existenz mindestens notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung.

Darüber hinaus liegt zu Gunsten des Antragstellers nach vorläufiger Einschätzung des Senats auch ein Anordnungsanspruch vor. Denn zum einen dürfte der Bescheid vom 25. November 2019 rechtswidrig und daher im Überprüfungsverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zurückzunehmen sein. Zum anderen besteht für den Antragsteller ein Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe von 486,- EUR.

Das Überprüfungsverfahren nach §§ 40, SGB II, 44 SGB X wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides vom 25. November 2019 festzustellen ist und der Bescheid vom 25. November 2019 zurückgenommen werden wird. Denn dieser Bescheid ist nach summarischer Prüfung des Senats offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner nicht verpflichtet war, Unterlagen seiner Lebensgefährtin vorzulegen.

Darüber hinaus überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der Bestandskraft des Bescheids vom 25. November 2019 vorliegend nicht dem Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Regelungsanordnung, weil der Antragsteller sich nicht erst seit Eintritt der Bestandskraft gegen das mit dem Versagungsbescheid vom 25. November 2019 ver-folgte Ziel des Antragsgegners wendet. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 SGB X regelt den Beginn und die Dauer der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts sowie seine Unwirksamkeit bei Nichtigkeit. § 39 Abs. 2 SGB X enthält damit zugleich die Aussage, dass die Wirksam-keit eines Verwaltungsakts grundsätzlich nicht abhängig ist von seiner Rechtmäßigkeit (vgl. Ross in: von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, § 39 Rn. 2). Sinn und Zweck der Be-standskraft von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) ist somit die Herstellung von Rechtssicher-heit für die Beteiligten (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 77 Rn. 4). Da der Antragsteller sich bereits vor Erlass des Versa-gungsbescheids vom 25. November 2019 mit seinem über seinen Prozessbevollmächtig-ten beim SG eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Leistungsversagung gewehrt hat und dies mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des SG manifestiert hat, kann der Antragsgegner sich nicht mit dem Argument der Rechtssicherheit auf die Bestandskraft des Versagungsbescheids berufen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner spätestens seit der Zustellung des Antrags auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung vom 18. November 2019 am 19. November 2019 und somit bereits zum Zeitpunkt des Erlasses und der Versendung des Versagungsbescheids vom 25. November 2019 wusste, dass der Antragsteller inzwischen anwaltlich vertreten ist. Dennoch gab der Antragsgegner den Versagungsbescheid nur an den Antragsteller persönlich bekannt, ohne dessen Prozessbevollmächtigten auch nur darüber zu informieren. Dies führt nach § 37 Abs. 1 SGB X zwar dennoch zu einer wirksamen Bekanntgabe des Bescheids, da auch im Falle der Bestellung eines Bevoll-mächtigten nach § 13 SGB X sich die Behörde für die Bekanntgabe eines Verwaltungsak-tes nicht zwingend an den Bevollmächtigen wenden muss, da § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X nur eine weitere Möglichkeit der Bekanntgabe enthält, die jedoch nicht zwingend ist (vgl. En-gelmann in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 37 Rn. 10a). Allerdings kann sich der Antragsgegner unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einer solchen Konstellation zur Abwendung einer gerichtlichen Rege-lungsanordnung während eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach §§ 40 SGB II, 44 SGB X nicht auf die Bestandskraft des mit einem Überprüfungsantrag angegriffenen Ver-waltungsaktes berufen. Somit kommt bei Abwägung der beiderseitigen Interessen vorlie-gend insbesondere wegen der existenzsichernden Funktion der Leistungen nach dem SGB II trotz eingetretener Bestandskraft des Bescheids vom 25. November 2019 der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Überprüfungsverfahren nach §§ 40 SGB II, 44 SGB X in Betracht.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegan-gen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Un-recht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück-zunehmen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, weil der Antragsgegner das Recht un-richtig angewandt hat. Der Antragsgegner konnte sich zur Versagung der Leistungen nicht auf eine fehlende Mitwirkung des Antragstellers gemäß §§ 66 Abs. 1, 60 Abs. 1 S. 1 SGB I berufen.

Nach §§ 66 Abs. 1 S. 1 SGB I können die Leistungen bis zur Nachholung ganz oder teil-weise versagt werden, wenn derjenige, der Sozialleistungen beantragt, seinen Mitwir-kungspflichten nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.

Nach 60 Abs. 1 S. 1 Nummer 1 bis 3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, un-verzüglich mitzuteilen sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständi-gen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Vorliegend hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 1. November 2019 ausschließlich die Übermittlung von Angaben beziehungsweise Unterlagen gefordert, die nicht auf den Antragsteller selbst, sondern auf den Nachweis des Vermögens beziehungsweise des Einkommens dessen Lebensgefährtin bezogen waren. Daraufhin hat der Antragsteller dem Antragsgegner mitgeteilt, nicht über diese Unterlagen zu verfügen und sich diese auch nicht ohne das Einverständnis seiner Lebensgefährtin verschaffen zu können. Diese sei nicht bereit, ihm diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Es ging damit in der Sache nicht um eine nötige Beibringung von Unterlagen des Antrag-stellers, sondern um solche seiner Lebensgefährtin. Eine formelle Versagung gegenüber dem Antragsteller nach §§ 66 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB I scheidet in dieser Konstellation aus. Denn es gibt keine Rechtsgrundlage, die eine Obliegenheit des Arbeitssuchenden begründet, Angaben zu Dritten zu machen oder Dokumente Dritter vorzulegen (vgl. Stachnow-Meyerhoff/G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., 2017 § 60 Rn. 67 und 85). Die Nichtvorlage von Unterlagen der Lebensgefährtin kann der Antrags-gegner daher nicht dem Antragsteller anlasten. Denn der Antragsgegner selbst hat ge-genüber der Lebensgefährtin des Antragsstellers einen eigenen Auskunftsanspruch aus § 60 Abs. 4 SGB II, den er zunächst durchzusetzen hat.

Nach § 60 Abs. 4 SGB II haben die Partnerin oder der Partner eines Antragstellers der Agentur für Arbeit – soweit es zur Durchführung der Aufgabe nach dem SGB II erforder-lich ist – auf Verlangen Auskunft über Einkommen und Vermögen zu erteilen, sofern diese zu berücksichtigen sind. Wer Partner des Antragstellers bzw. Leistungsempfängers ist, beurteilt sich nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II. Danach ist Partner des erwerbsfähigen Hilfe-bedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, die Person, die mit dem er-werbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner. Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt vor, wenn eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in dem Sinne besteht, dass die Verbindung ein gegenseitiges Einstehen erwarten lässt. Die Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft vor-liegt, prüft der Leistungsträger vor der Geltendmachung des Auskunftsersuchens von Amts wegen. Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird in vier Fällen vermutet, dass eine Verantwor-tungs- und Einstehensgemeinschaft besteht. Der Wille wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen, oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Vorliegend spricht bereits anhand des eigenen Vortrags des Antragstellers (Bl. 71 der Verwaltungsakte – Hauptakte) einiges dafür, dass eine solche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt. Denn der Antragsteller lebt bereits länger als ein Jahr ständig mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Es werden gemeinsame Freizeitaktivitäten bestritten und es werden gemeinsam Lebens- und Reinigungsmittel gekauft und pauschal hälftig (nicht nach tatsächlichem Nutzungs- oder Verbrauchsver-hältnis) geteilt. Dennoch ist bei objektiver Betrachtung der vorliegenden Umstände nicht gänzlich ausgeschlossen, dass trotz der gesetzlichen Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nicht von einer Verantwortungs- und Bedarfsgemeinschaft auszugehen ist. Dies und die Frage, ob Einkommen und Vermögen eines möglichen Mitglieds einer Bedarfsgemein-schaft die Leistungsansprüche des Antragstellers entfallen lassen können, wird jedoch zunächst im weiteren Verwaltungsverfahren zu prüfen sein.

Dabei wird auch zu beachten sein, dass soweit in der Aufforderung zur Auskunftserteilung an den mutmaßlichen Partner zugleich die Vermutung einer nichtehelichen Lebensge-meinschaft liegt, in Literatur und Rechtsprechung Uneinigkeit darüber besteht, wie mit einem Bestreiten des Vorliegens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bzw. mit einer Weigerung des mutmaßlichen Partners, die geforderte Auskunft zu erteilen, umzugehen ist. Nach Ansicht des Senats muss der Leistungsträger, wenn er vom Vorliegen einer Partnerschaft und einer Bedarfsgemeinschaft ausgeht, sich an den Dritten direkt wenden und kann nicht als Mitwirkungshandlung von dem Hilfebedürftigen die Beibringung von Unterlagen des mutmaßlichen Partners verlangen (vgl. Stachnow-Meyerhoff/G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., 2017 § 60 Rn. 67 – m.w.N.). Auch im Zuge der Einholung von Auskünften bei der Partnerin des Antragstellers wird der Antragsgegner zu beachten haben, dass noch nicht abschließend geklärt ist, wie sich die fehlende Mitwir-kung des Partners auf einen Leistungsanspruch auswirkt (Blüggel in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, 2017, § 60 Rn. 59). Jedenfalls eine formelle Versagung gegenüber dem An-tragsteller nach §§ 66 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB I muss aber nach oben Gesagtem aus-scheiden, weil es keine Rechtsgrundlage gibt, die eine Obliegenheit des Arbeitssuchenden begründet, Angaben zu Dritten zu machen oder Dokumente Dritter vorzulegen. Eine Zurechnung des Verschuldens Dritter scheidet auch hier aus.

Eine andere und im vorliegenden Fall letztlich nicht zu entscheidende Frage ist, ob der Leistungsträger den Antrag bei fehlender Mitwirkung eines Partners aus materiellen Gründen ablehnen darf. Dies wird aber letztlich erst nach Ausschöpfung aller dem Leis-tungsträger zur Verfügung stehenden, gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Leistungsanspruches möglich sein (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 78/08 R – juris Rn. 17). Im Rahmen eines solchen Verfahrens wäre dann gegebenenfalls auch gerichtlich zu klären, ob der Antrags-gegner zu Recht vom Bestehen einer Partnerschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 3 SGB II ausgeht.

Die Versagung der Leistungen nach §§ 66 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB I gegenüber dem An-tragsteller, obwohl der Antragsgegner ausschließlich Unterlagen der Lebensgefährtin des Antragsgegners anforderte, lassen nach Ansicht des Senats den Versagungsbescheid vom 25. November 2019 derart rechtswidrig erscheinen, dass bei Vorliegen der Voraus-setzungen des § 19 Abs. 1 SGB II trotz der Bestandskraft des Versagungsbescheids eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung in Betracht kommt.

Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung durch den Senat einen Leistungsan-spruch nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1 SGB II.

Nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1, SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeits-losengeld II. Gemäß § 19 Abs. 3 S. 1 SGB II werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Die Defi-nition der Leistungsberechtigten folgt aus § 7 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Al-tersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeit-nehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, sowie Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten, und ihre Familienangehörigen. Ausgeschlossen sind weiterhin Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

Der 24-jährige Antragsteller ist russischer Staatsangehöriger und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Erwerbstätigkeit ist ihm gestattet. Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB Iiegen demnach nicht vor. Er ist somit grundsätzlich leistungsberechtigt.

Der Antragssteller hat – wie auch der Antragsgegner annimmt – einen monatlichen Bedarf in Höhe von insgesamt 690,- EUR (424,- EUR Regelbedarf, 190,- EUR Grundmiete, 11,90 EUR Heizkosten und 64,10 EUR Nebenkosten). Dass der Antragsteller selbst nicht über einzusetzendes Vermögen verfügt, ist zwischen den Beteiligten unstrittig und für das Ge-richt auch sonst nicht ersichtlich. Er verfügt jedoch über vorläufig zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von monatlich 204,- EUR (Kindergeld), das seinen vorläufigen Leis-tungsanspruch auf 486,- EUR begrenzt. Zu berücksichtigendes Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt er nach seinen glaubhaften Angaben nicht.

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädi-gungsgesetz (BEG) für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen. Die vom Kläger erzielten Einnahmen (Kindergeld und Einnahmen aus selbständiger Er-werbstätigkeit) unterfallen keiner der in § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II benannten Ausnahmen.

Bei den Einkünften aus seiner selbständigen Tätigkeit ist ergänzend zu § 11 SGB II der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung nach § 13 Abs. 1 SGB II erlassene § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung Verordnung [Alg II-VO]) vom 17. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2942), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes 29. April 2019 (BGBl. I S. 530), an-zuwenden. Danach ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Fortwirtschaft nach § 3 Abs. 1 S. 1 Alg II-VO zunächst von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen werden nach § 3 Abs. 1 S. 2 Alg II-VO bestimmt als alle aus der selbstständigen Arbeit beziehungsweise dem Ge-werbebetrieb erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II) tatsächlich zufließen. Nach der Ermittlung der Betriebseinnahmen sind zur Berechnung des nach dem SGB II anrechenbaren Einkommens von den Betriebseinnahmen in einem weiteren Schritt die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b Abs. 1 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Alg II-VO). Im gleichberechtigten Zusammenwirken der beiden Regelungen sind daher solche Ausgaben keine "Betriebs-ausgaben" im Sinne des § 3 Alg II-VO, die gleichzeitig Absetzbeträge nach § 11b Abs. 1 SGB II sind. Die Beträge, die sich aus § 11b Abs. 1 SGB II ergeben, werden erst in einem abschließenden Schritt von dem nach § 3 Abs. 4 Alg II-VO monatsweise verteilten Ein-kommen abgesetzt (BSG, Urteil vom 05. Juni 2014 – B 4 AS 31/13 R – juris Rn. 17). Da-bei gilt für Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bis zu 400 Euro gleichermaßen, dass an die Stelle der einzelnen Beträge nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bis 8 SGB II ein höhenmäßig begrenzter pauschaler Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen ist (§ 11b Abs. 2 S. 2 SGB II).

Für den streitgegenständlichen Zeitraum von November 2019 bis April 2020 hat der An-tragsteller in der Anlage zum Weiterbewilligungsantrag vom 11. Oktober 2019 vorläufige Betriebseinnahmen von monatlich 373,68 EUR bei monatlichen Betriebsausgaben in Höhe von monatlich 288,13 EUR angegeben (S. 5 ff. der Verwaltungsakte). Die angegebenen Ausgaben (113,07 EUR für den Wareneinkauf, 32,52 EUR Telefonkosten [1/2 der Kosten für Mobilfunk und Festnetz], 35,57 EUR für E ...-Gebühren, 26,34 EUR für P ...-Gebühren und 80,63 EUR für Versandkosten) erscheinen schlüssig. Insbesondere ist mit Blick auf die angegebenen Gebühren für E ... und P ... gerichtsbekannt, dass gewerbliche Verkäufer entsprechende Gebühren zu entrichten haben. Bei E ... beträgt die netto Verkaufsprovision für gewerbliche Verkäufer derzeit im Allgemeinen 9% zzgl. 0,05 EUR, maximal EUR 99,00 des Gesamtpreises (www.ebay.de). Bei P ... beträgt die Gebühr derzeit 2,49% des Gesamtumsatzes bei einem Umsatz von weniger als 2000,- EUR zuzüglich 0,35 EUR pro inländische Transaktion (www.p ...de). Auch der für die hälftigen Telefonkosten angegebene Betrag von monatlich 32,52 EUR für Mobilfunk und Festnetz kann – wie es der Antragsgegner bei der Berechnung der mit Bescheid vom 1. Juni 2019 bewilligten Leistungen getan hat – als Betriebsausgabe berücksichtigt werden. Der Senat geht daher bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit derzeit vorläufig von monatlichem Einkommen in Höhe von 85,55 EUR aus, von dem nach § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II 100,- EUR abzusetzen sind. Unter Beachtung dessen ist bei der Berechnung des vorläufigen Leistungsanspruchs des Antragsstellers vorläufig nur das monatliche Kin-dergeld in Höhe von 204,- EUR zu berücksichtigen, weil das Einkommen aus Erwerbstä-tigkeit in Höhe von 85,55 nach Absetzung des Betrages von 100,- EUR nach § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II vorläufig berücksichtigungsfrei bleibt. Eine zusätzliche Absetzung der Versi-cherungspauschale in Höhe von 30,- EUR muss vorliegend ausscheiden, weil diese bereits in dem nach § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II abgesetzten Betrag (hier in Höhe des vorläufig berücksichtigten Einkommens i.H.v. 85,55 EUR) enthalten ist. Dass der Antragsteller – wie zuletzt vorgetragen – mittlerweile über gar kein Einkommen aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit verfügt, hat er nicht glaubhaft gemacht. Angesichts seiner Äußerungen bei Vorsprachen beim Antragsgegner zum erfolgten Warenankauf und seiner Ausführun-gen im Weiterbewilligungsantrag vom 11. Oktober 2019 hält es der Senat nicht für über-wiegend wahrscheinlich, dass die Einnahmen gänzlich entfallen sind.

Der Leistungsanspruch des Antragsstellers ist nach summarischer Prüfung auch nicht deshalb ausgeschlossen oder gemindert, weil der Antragsteller mit seiner Lebensgefährtin möglicherweise eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Denn auch wenn der Antragsteller und seine Lebensgefährtin – wie vom Antragsgegner behauptet und der gesetzlichen Regelung des § 7 Absatz 3a Nr. 1 SGB II aufgrund des mehr als einjährigen Zusammenlebens zu vermuten ist – eine Bedarfsgemeinschaft bilden würden, steht das einer Verpflichtung des Antragsgegners zur einstweiligen Leistungsgewährung derzeit nicht entgegen. Denn es kann in der vorliegenden Konstellation nicht zu Lasten des um existenzsichernde Leis-tungen ersuchenden Antragstellers davon ausgegangen werden, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers über Vermögen oder Einkommen verfügt, welches bei der Frage des Bestehens eines Leistungsanspruchs oder der Berechnung dessen Höhe zu berück-sichtigen wäre. Die Lebensgefährtin ist Studentin und lebt nach dem Vortrag des Antrag-stellers von Unterhaltszahlungen ihrer Eltern und Großeltern. Somit drängt es sich nicht von vornherein auf, dass sie über nennenswertes Vermögen oder zu berücksichtigendes Einkommen verfügt. Mögliche leistungsmindernde oder gar leistungsausschließende Gründe sind damit derzeit weder vorgetragen noch ersichtlich, was hier zu Lasten des Antragsgegners zu würdigen ist, weil dieser trotz der ihm gesetzlich eingeräumten Mög-lichkeiten (§ 60 Abs. 4 SGB II) bisher keine Bemühungen gegenüber der Lebensgefährtin des Antragstellers unternommen hat, um über deren Vermögens- und Einkommensver-hältnisse informiert zu werden. Hierzu wird der Antragsgegner weitere Ermittlungen ge-genüber der Lebensgefährtin des Antragstellers durchführen müssen.

Die Vorläufigkeit der Verpflichtung folgt aus § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Zudem ist § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II zu beachten, da im Verwaltungsverfahren auch die endgültige Anspruchsberechtigung des Antragstellers im Hinblick die Frage des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft und einer gegebenenfalls daraus resultierenden fehlenden oder geringeren Hilfebedürftigkeit zu prüfen ist. Außerdem liegen keine abschließenden Er-kenntnisse zum Einkommen des Antragstellers aus seiner Erwerbstätigkeit vor, so dass jedenfalls sein Leistungsanspruch der Höhe nach noch nicht endgültig berechnet werden kann (§ 41a Abs. 1 S. Nr. 2 SGB II). Hinsichtlich des Regelungszeitraums orientiert sich der Senat an den bisher für den Antragsteller geltenden Bewilligungszeiträumen. Zudem hält der Senat einen Zeitraum bis zum 30. April 2019 angesichts der vom Antragsgegner durchzuführenden weiteren Ermittlungen für angemessen.

III.

Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Teil mit dem der Antragsteller unterliegt fällt im Verhältnis zum Obsiegen nicht ins Gewicht.

IV.

Nachdem somit die Erfolgsaussicht nach § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilpro-zessordnung (ZPO) besteht und der Antragsteller weder über einzusetzendes Einkommen noch über zu verwertendes Vermögen verfügt, war Prozesskostenhilfe ratenfrei und ohne Zahlungen aus dem Vermögen zu bewilligen. V.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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