L 1 KR 358/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 527/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 358/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 30/20 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
NZB eingelegt
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.765,14 EUR festgesetzt.

Gründe:

Im Streit steht ein Beitragserhebungsbescheid der Beklagten und indirekt der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Beigeladene") im Rahmen seiner Tätigkeit als Pflegekraft für eine Einrichtung der Klägerin in der Zeit vom 13. bis 21. August 2013, 7. bis 15. September 2013 und vom 7. bis 15. Oktober 2013.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und erbringt Leistungen der Grund- und Behandlungspflege unter anderem in einer Sozialstation in M. Sie beschäftigt neben angestellten Pflegekräften zur Deckung von Personalengpässen auch Honorarkräfte, die tage- oder wochenweise zum Einsatz kommen. Der Beigeladene ist examinierter Altenpfleger und bot seine Pflegedienste auch als Pflegeservice U S UG an. Er verfügte über eine Berufshaftpflichtversicherung, eigene Dienstkleidung und nutzte eigene Gerätschaften, wie Schreibgeräte, Handschuhe, ein Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät.

Grundlage seiner Tätigkeit bei der Klägerin in M war eine Dienstleistungsvereinbarung. Schriftlich festgehalten ist darin eine Vergütung von 27,00 EUR pro Stunde, zuzüglich eines Zuschlages für Wochenenddienste von 4,00 EUR pro Stunde und für Nachtdienste von 4,00 EUR pro Stunde (vgl. Angebot des Beigeladenen –ohne Hinweis auf eine UG- vom 2. August 2013 und die Bestätigung der Klägerin, Kopie GA Bl. 67f).

Nachdem der Beigeladene bei der Beigeladenen zu 4) die Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige beantragt hatte, empfahl diese die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) an. Sie regte dann mit Schreiben vom 4. März 2014 bei der Beklagten an, eine Statusentscheidung nach § 28h Abs. 2 SGB IV zum Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu treffen.

Die Beklagte hörte die Klägerin und den Beigeladenen an und setzte mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 gegenüber der Klägerin im Wege der Schätzung nach § 28h Abs. 2 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen in Höhe von 2.685,07 EUR fest. Der Bescheid erging auch für die Beigeladene zu 2) (Pflegekasse).

Die Klägerin und der Beigeladene erhoben Widerspruch. Die Klägerin reichte Nachweise zu den Tätigkeitszeiten und zu dem Verdienst nach.

Mit Bescheid vom 21. September 2015 half die Beklagte dem Widerspruch daraufhin teilweise ab und setzte Beiträge in Höhe von (nur noch) insgesamt 1.765,14 EUR fest. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 im Übrigen zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 24. März 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Der Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2016 Klage beim Sozialgericht Lübeck (Aktenzeichen S 1 KR 173/16) erhoben. Dieses Verfahren ruht.

Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, nach der zwischen ihr und dem Beigeladenen abgeschlossenen Vereinbarung habe dieser weisungsfrei tätig sein können. Er habe auch für andere Auftraggeber tätig sein dürfen, hätte Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen können und sei nicht verpflichtet gewesen, die Aufträge in eigener Person zu erfüllen. Er habe die Patienten nach eigenen Parametern selbst ausgewählt. Dass er nur kurzzeitig eingesetzt worden sei, um Personalengpässe aufzufangen, belege, dass er nicht in die klägerische Organisation eingebunden gewesen sei. Ferner habe er seine eigene Unternehmergesellschaft gegründet.

Der Beigeladene hat vorgetragen, er habe seine Pflegetätigkeit in einem Gebäude der Klägerin ausgeübt, in der sich u. a. eine Station mit drei Wachkomapatienten befunden habe. Er habe bei der Klägerin auf sein Bestreben hin ausschließlich Nachtwachen durchgeführt und dabei grundpflegerische Tätigkeiten übernommen sowie die medizinische Versorgung, welche ärztlich verordnet gewesen sei. Die Höhe der Vergütung habe er selbst bestimmt. Spezielle Anweisungen über das Ob und Wie der Pflege habe es nicht gegeben. Zumeist habe er sich aufgrund seiner Ausbildung schwerstpflegebedürftige Patienten ausgesucht. Die übrigen Pflegefälle habe er dann der anderen in der Nachtschicht tätigen Person zugeteilt. Er habe quasi unabhängig von der Pflegedienstleistung gearbeitet. Die Übergaben seien von Schicht zu Schicht erfolgt. In der Nacht sei er im Wesentlichen alleine auf der Station gewesen. Nur zwei- oder dreimal habe er einen Helfer gehabt, dem er gesagt habe, was zu tun sei. Für den Notfall habe er Zugriff auf die Ärzteliste oder die Telefonnummer des Qualitätsmanagers gehabt.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2018 den Beigeladenen angehört. Es hat sodann mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, zwar wollten die Klägerin und der Beigeladene eine selbständige Tätigkeit vereinbaren. Jedoch überwögen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umsetzung der Vereinbarung die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände. Der Beigeladene sei weisungsgebunden im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess tätig gewesen. Soweit dieser angegeben habe, dass er als examinierte Fachkraft grundsätzlich selbst entscheide, wann und wie er die Patienten betreue, sei dies nicht Ausfluss einer vermeintlichen Selbständigkeit, sondern alleine seiner Qualifikation als Fachkraft geschuldet und unterscheide ihn nicht von festangestellten Fachkräften. Seine Tätigkeit sei durch Übergabe von Berichten und Dokumenten nach Dienstende an die Schichtleitung letztlich auch kontrolliert worden. Er sei in besonders hohem Maß in die Arbeitsorganisation der Pflegestation der Klägerin integriert gewesen. Seine Aufgabe habe darin bestanden, aktivierende Grund- und Behandlungspflege durchzuführen und die Bewohner zu betreuen. In der Ausübung dieser Tätigkeiten habe sich der Betriebszweck der Klägerin konkretisiert. Damit sei der Beigeladene in deren Betriebsorganisation integriert gewesen. Seine Arbeitskraft sei funktionsgerecht dienend in einer ihm fremden Arbeitsorganisation eingesetzt worden. Er habe im Abrechnungsverhältnis zur Klägerin ausschließlich Patienten behandelt und gepflegt, deren Behandlung und Pflege ihm von der Klägerin angetragen worden sei. Der erste Kontakt der Patienten sei ausschließlich über die Pflegedienstleitung der Klägerin erfolgt. Nach außen sei lediglich diese in Erscheinung getreten. Der Beigeladene habe die Tätigkeit auch in den Räumen der Klägerin durchgeführt. Diese habe die wesentlichen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Der Beigeladene habe für die Tätigkeit für die Klägerin auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt. Die gegen seine Eingliederung sprechenden Umstände, so das Tragen eigener Dienstkleidung und eines eigenen Namensschildes, der Umstand, nicht an Dienstbesprechungen und Pflichtfortbildungen der Klägerin teilnehmen zu müssen und auch nicht an nicht betriebsbezogenen Tätigkeiten, träten dahinter zurück. Auch der Umstand einer höheren Entlohnung als vergleichbare Festangestellte führe nicht zum gegenteiligen Ergebnis. Diese Entlohnung rechtfertige sich zum einen aus der Kurzfristigkeit der Einsätze und der hohen Qualifikation. Zum anderen sei der Bruttolohn auch nicht so deutlich höher, dass dahinter die gewichtigen Argumente für eine abhängige Beschäftigung zurücktreten müssten. Aus der abhängigen Beschäftigung folge die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Insoweit hat das SG ergänzend gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGG) auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen. Anhaltspunkte für einen Ausschluss der Versicherungspflicht, etwa für Versicherungsfreiheit oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht, hätten sich im Gerichtsverfahren nicht ergeben.

Gegen diese am 17. Oktober 2018 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 17. September 2018.

Zur Berufungsbegründung trägt die Klägerin vor, an ihrem Standort in M betreibe sie einen ambulanten Pflegedienst. Die in den Wohnbereichen lebenden Patienten befänden sich in ihrer eigenen Häuslichkeit. Sie hätten am Standort der Klägerin jeweils ein Appartement gemietet. Die Würdigung des SG sei unzutreffend. Der Beigeladene sei keinen Weisungen unterlegen gewesen. Vielmehr habe die Klägerin ihren Dienstplan an dessen Vorgaben anpassen müssen. Es habe die klassische Situation eines Subunternehmers vorgelegen, wie diese aus dem Baugewerbe hinreichend bekannt sei. Der Beigeladene sei auch nicht in ihre Organisation eingebunden gewesen. Nach der Argumentation des SG dürfe es im Baugewerbe keine Subunternehmer und in der Industrie keine Zulieferbetriebe geben. Auch habe der Beigeladene sehr wohl ein unternehmerisches Risiko gehabt. Der Wille, auf selbständiger Basis tätig zu sein, sei in Artikel 12 Grundgesetz (GG) und in Artikel 2 Abs. 1 GG geschützt.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit als Pflegekraft bei der Klägerin in den in dem Widerspruchsbescheid genannten Zeiten nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht zu dieser Vorgehensweise zuletzt mit Verfügung vom 5. November 2019 hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 21. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte als Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin im Jahr 2013 festgesetzt. Damit fehlt auch die Grundlage für die Feststellung des Gegenteiles.

Der angegriffene Bescheid beruht auf § 28h SGB IV. Danach ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen. Diese überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsanspräche, die nicht rechtzeitig erfüllt sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen. Sie entscheidet über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeits-entgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht jeweils erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert.

§ 7 SGB IV greift dabei nicht in die Berufungsfreiheit des Art. 12 GG ein. Die Norm regelt keine Berufspflichten, sondern allgemein die Merkmale der Beschäftigung als Grundlage der Versicherungs- und Beitragspflicht. Selbst wenn nach den Umständen des Einzelfalls manche Dienstleistungen praktisch nur in Form einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden können, wird Art 12 GG dadurch nicht verletzt (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – Rdnr. 41 mit weiterem Nachweis). Die Normen zur Sozialversicherungspflicht haben nämlich keine Berufs-, sondern Beitragspflichten zum Gegenstand. Die gesetzliche Anordnung der Zwangsmitgliedschaft und damit verbundener Beitragspflichten ist zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 2 Abs. 1 GG. Dieser ist aber gerechtfertigt. Die Sozialversicherungspflicht dient einem legitimen Zweck und ist geeignet, angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie schützt neben den Betroffenen selbst auch die Allgemeinheit vor einer übermäßigen Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 Rdnr. 43 mit Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00). Der Gesetzgeber darf dabei einen generalisierenden Maßstab anlegen und davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher sozial schutzbedürftig sind.

Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 GG ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen). Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen).

Ausgangspunkt der Prüfung sind demnach die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit ist aber wie ausgeführt nicht die Vereinbarung zwischen den Beteiligten. Auch eine von den Beteiligten ausdrücklich gewollte Selbständigkeit muss vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welche gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rdnr. 17 und Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris Rdnr. 17). Auch in seinem Urteil vom 7. Juni 2019 (B 12 R 6/18) stellt der 12. Senat des BSG keine geänderten Maßstäbe auf. Selbst wenn bei widersprüchlichen vertraglichen Regelungen zugunsten der Vertragsparteien unterstellt werde, dass die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen einen Willen zur Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit ergebe, gehe die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (Rdnr. 23). Von diesen Grundsätzen ist auch das SG ausgegangen und ist zu der zutreffenden Gesamtwürdigung gelangt, dass von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist.

Für die Tätigkeit von Honorarpflegekräfte und in stationären Pflegeeinrichtungen gelten keine abweichenden Maßstäbe (vgl. Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 -B 12 R 8/18 R). Die Zulassung einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt durch Abschluss eines Versorgungsvertrages, der den Versorgungsauftrag konkret bestimmt (§§ 72, 73 SGB XI). Nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI muss bei stationären Pflegeheimen - wie nach § 71 Abs. 1 SGB XI bei ambulanten Pflegediensten - die Pflege unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft stehen. Dies bedeutet, dass eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft die Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung tragen und auch wirksam wahrnehmen können muss. Das ist der Fall, wenn die verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für jeden betreuten Pflegebedürftigen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 Rdnr. 21).

Dies gilt auch für Pflegetätigkeiten bei ambulanten Pflegediensten. Auch hier ist aufgrund der regulatorischen Vorgaben im Regelfall die Eingliederung aller eingesetzten Pflegekräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der Pflegedienstes gegeben (vgl. ebenso: LSG Hamburg, Urteil vom 24. September 2019 – L 3 R 14/18 – juris-Rdnr. 54 - 57). In der Sache weist die Tätigkeit des Beigeladenen keine grundsätzlich anderen Ausprägungen gegenüber einer Pflegetätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung auf. Die Klägerin selbst hat darauf hingewiesen, mit den Krankenkassen Vereinbarungen gemäß § 72 SGB XI abgeschlossen zu haben. Sie hat demnach grundsätzlich demselben Zulassungsregime unterlegen. Notwendig ist eine Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen auf der Grundlage eines in jedem Einzelfall gesondert zu erhebenden Bedarfs. Diese pflegerische Gesamtverantwortung muss von der Pflegefachkraft ständig wahrgenommen werden. Deshalb setzt SGB XI jedenfalls einen hohen Organisationsgrad zur Qualitätssicherung voraus (BSG a. a. O. Rdnr. 21).

Dass es nicht entscheidend auf die Begriffe "ambulant" oder "stationär" ankommt, sondern auf die Tätigkeit selbst, zeigt sich im vorliegend Fall bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin Wert darauf legt, dass die von ihr betreuten Wachkomapatienten ambulant in der eigenen Häuslichkeit betreut worden seien, der Beigeladene betont, stationäre Pflegetätigkeiten durchgeführt haben zu wollen.

Das SG hat insoweit jedenfalls zutreffend ausgeführt, dass von einer Eingliederung des Beigeladenen in die betriebliche Organisation der Klägerin auszugehen ist. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird auf die Begründung im angegriffenen Urteil nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Der Beigeladene war zusammenfassend funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation integriert. Dies zeigt sich insbesondere an den Übergabeprotokollen und an dem Umstand, dass in Notfällen neben dem Arzt auch die Pflegedienstleistung (das Qualitätsmanagement) zur Verfügung gestanden hätte, welche dann auch entschieden hätten. Auch nach außen hin gegenüber den Patienten und Kostenträgern trat alleine diese als Leistungserbringer auf. Der erste Kontakt der Patienten erfolgte ausschließlich über diese Pflegedienstleitung. Die gesamte Organisation, Koordinierung, Überwachung und Abrechnung der Pflegeleistungen erfolgte auch für den Beigeladenen durch die Pflegedienstleistung der Klägerin.

Für eine selbständige Tätigkeit sprechen als Indizien, dass der Beigeladene naturgemäß nicht an Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen musste oder teilnahm, grundsätzlich frei entscheiden konnte, ob er Pflegedienste übernehmen wolle und in gewissem Umfang auch eigene Arbeitsmittel auf eigene Kosten einsetzte Einem unternehmerischen Risiko war allenfalls im geringen Umfang ausgesetzt, soweit er eigene Arbeitsmittel eingesetzt hat, sich selbst fortgebildet hat und eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hatte. Diese geringer gewichtigen Indizien sind nicht geeignet die regelhaft gegebene Eingliederung des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin zu entkräften. Die pflegerische Tätigkeit unterscheidet sich insoweit erheblich von der Tätigkeit als Therapeuten, welche der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 4. September 2018 (B 12 KR 11/17 R) zu Grunde lag.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen des SG verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 63, 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung kann der Beschluss nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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