L 6 AS 614/19 NZB

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 58/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 614/19 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Aufwendungen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe von 280,00 Euro, die die Klägerin für die Teilnahme an einer Schulklassenfahrt entrichtet hat, in Streit.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen mit dem Antrag, die Berufung gegen das die Klage teilweise abweisende Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Oktober 2019 zuzulassen, ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Oktober 2019 bedarf gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, weil sie eine Geldleistung betrifft, die 750 Euro nicht übersteigt. Eine Zulassung ist hier seitens des Sozialgerichts nicht erfolgt.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Keine der Voraussetzungen der vorstehenden Vorschrift ist erfüllt.

Die Klägerin macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Dieses Vorbringen wird zum einen darauf gestützt, es sei höchstrichterlich zu klären, ob in einem Fall, in dem die Überschreitung einer Zahlungsfrist, hier mit der Folge der Nichtmitnahme der Klägerin zur Bildungsfahrt, ein Fall der Selbsthilfe nach § 30 Satz 2 SGB II vorliege (I.). Zum anderen sei der Begriff der schulrechtlichen Bestimmungen nicht geklärt (II.).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt (Breitenwirkung) und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt. Breitenwirkung besitzt die Frage, wenn sie über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung in unbestimmt vielen Fällen oder wenigstens einer Mehrzahl weiterer Fälle hat, d.h. wenn sie im Interesse der Allgemeinheit das Recht fortentwickelt oder vereinheitlicht. Die Zulassung scheidet dann aus, wenn die Klage zwar eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, der Rechtsstreit aber bereits aus anderen Gründen zu entscheiden ist und es daher auf die aufgeworfene Rechtsfrage nicht ankommt. In diesem Fall ist die Frage nicht entscheidungserheblich bzw. nicht klärungsfähig und daher - jedenfalls aus diesem Grund - nicht zuzulassen. Auch die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn insoweit ermangelt es der erforderlichen Breitenwirkung. Die grundsätzliche Bedeutung dient der Herstellung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung.

Eine schon geklärte Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Geklärt ist eine Rechtsfrage nicht erst, wenn dazu gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt. Es genügt vielmehr, wenn sich für die Antwort aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder wenn sie so gut wie unbestritten ist. Die Antwort steht praktisch außer Zweifel, wenn sie beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz hervorgeht oder bereits höchstrichterlich entschieden ist. Daraus ergibt sich, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung ist. Ist die Rechtsfrage zwischenzeitlich geklärt oder das Recht ausgelaufen, so hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Steht die Antwort zwar im vorbenannten Sinn außer Zweifel, wird dem aber in nicht geringfügigem Umfang und mit nicht von vornherein abwegiger Begründung widersprochen, so soll ausnahmsweise doch noch Klärungsbedarf bestehen können.

Eine Rechtsfrage ist regelmäßig nur eine solche des materiellen oder des Verfahrensrechts, die mit Mitteln juristischer Methodik beantwortet werden kann. Kann dagegen über eine Frage Beweis erhoben werden, so handelt es sich typischerweise um eine Tatfrage im Einzelfall, die eine grundsätzliche Bedeutung nicht herzustellen vermag. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung ist die Entscheidung des Sozialgerichts oder des Landessozialgerichts über die Zulassung der Berufung. Wenn es bei der vermeintlichen Rechtsfrage um ausgelaufenes oder auslaufendes Recht geht, ist Klärungsbedarf in der Regel zu verneinen, wenn es nicht noch eine erhebliche Anzahl von Fällen gibt, für die die Rechtsfrage von Bedeutung ist, oder die Vorschrift insoweit nachwirkt, als sie die Grundlage für eine Nachfolgevorschrift darstellt oder die frühere Rechtsprechung für die neue Rechtslage erheblich geblieben ist. Das Problem, ob es sich um ein schlüssiges Konzept handelt, stellt keine Rechtsfrage dar, sondern ist eine tatrichterliche Beweiswürdigung; die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zu stellen sind, hat das BSG dagegen bereits ausführlich geklärt (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 144 SGG, Stand: 01.10.2019, Rn. 31 ff. m.w.N.).

Zu I: Zur Auslegung des § 30 Satz 2 SGB II hat das Sozialgericht unwidersprochen festgestellt, dass die Klägerin bzw. deren Eltern bereits seit dem 11. Juni 2016 wussten, dass die Klassenfahrt 280,00 Euro kosten würde. Das war knapp einen Monat vor Beginn der Klassenfahrt. Die Beschwerde trägt vor, Detailinformationen habe die Schule erst kurz vor dem letzten Fälligkeitstermin mitgeteilt.

Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob in einem Fall, in dem die Überschreitung einer Zahlungsfrist, hier mit der Folge der Nichtmitnahme der Klägerin zur Bildungsfahrt, ein Fall der Selbsthilfe nach § 30 Satz 2 SGB II vorliege, geht in keiner Weise auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Satz 2 SGB II (Unmöglichkeit, rechtzeitig einen Antrag zu stellen) ein und stellt schon deshalb keine im Rahmen des § 30 Satz 2 SGB II klärungsbedürftige Rechtsfrage dar. Der Antrag hat grundsätzliche Bedeutung im Sozialleistungsrecht. Das Sozialgericht ist zu der Auffassung gelangt, der Klägerin sei es möglich gewesen, rechtzeitig einen Antrag zu stellen. Die von der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerde vorgebrachte hypothetische Annahme, der Beklagte hätte auch bei Eingang des Antrags vor dem 30. Juni nicht gezahlt, spekuliert über alternative Geschehensabläufe, formuliert aber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung des § 30 Satz 2 SGB II.

Zu II: Die Klägerin trägt vor, der Begriff der schulrechtlichen Bestimmungen sei nicht geklärt. Sie sieht ein Spannungsverhältnis zwischen der auch verfassungsrechtlich bedeutsamen Intention des Bundesgesetzgebers und den fiskalischen Interessen des Landesgesetzgebers.

Die Klägerin formuliert damit schon keine konkrete Rechtsfrage, sondern stellt eine Behauptung auf, nämlich, dass der Begriff der schulrechtlichen Bestimmungen nicht geklärt sei. Diese Behauptung ist nach Auffassung des Senats nach der auch vom Sozialgericht zitierten Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts falsch.

Das Bundessozialgericht hat zur wortgleichen Vorgängerregelung in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II ("mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen") entschieden: "Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen. ( ) Auch wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird, bestimmt sich nach den schulrechtlichen Bestimmungen, ob die Veranstaltung wie eine mehrtägige Klassenfahrt im Leistungsrecht des SGB II zu behandeln ist. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, findet seine Stütze jedoch auch in der Gesetzesbegründung, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II.

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II sind die dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler und für mehr als einen Tag ( ) durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II regional "üblich" ist. Bieten die schulrechtlichen Bestimmungen keinerlei Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung bzw. die Höhe der Aufwendungen hierfür oder überschreitet ihre Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen, lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine Grundlage vorhanden ist.

Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in der Gesetzesbegründung. Danach sind die Worte "mehrtägige Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt" entstehen ( ) noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden. In der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II im SGB XII (§ 32 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII im Entwurf - zwischen dem 1.1.2005 und 31.12.2010 § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII) kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn dort anstelle des Begriffs der "Klassenfahrt" der der "Schulfahrt" verwendet wird (vgl. BT-Drucks. 15/1514 S 60).

Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II folgt zudem zwingend, dass der bundesrechtliche Rahmen nur durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden kann. Die Leistung ist regional determiniert. Die Berechnung der pauschalierten Regelleistung der §§ 19, 20 SGB II beinhaltet keine Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt (vgl. BT-Drucks. 15/1514 S 60 zu § 32 SGB XII-Entwurf). § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB II stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Aus diesem Grund sind Leistungen hierfür vom SGB II-Leistungsträger gesondert zu erbringen. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt sind jedoch anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu übernehmen. In der Begründung zu § 32 SGB XII-Entwurfsfassung wird dies damit gerechtfertigt, dass "Schulfahrten" ein wichtiger Bestandteil der Erziehung "durch die Schulen" seien (BT-Drucks. 15/1514 S 60). Damit wird der unterschiedlichen rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern Rechnung getragen, die insbesondere durch die verfassungsrechtlich ausschließliche Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung(BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvL 8/84, 1 BvL 16/84 - BVerfGE 75, 40) bedingt sind. Daraus ergibt sich, wie das BVerfG erkannt hat, eine weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Festlegung der Schulorganisation, aber auch der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände (BVerfG vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 - BVerfGE 53, 185, 195 f = Juris RdNr. 33). In der Folge hiervon sind die schulischen Bedarfe dem Grunde und der Höhe nach durch die regionalen Verhältnisse bestimmt. Dem trägt § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II durch die Bezugnahme auf die schulrechtlichen Vorschriften Rechnung.

Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer "Klassenfahrt" sollen nach der Gesetzesbegründung zum heutigen, insoweit mit dem hier anzuwendenden gleichlautenden Recht (§ 28 Abs. 2 SGB II, BGBl I 2011, 850), negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden (BT-Drucks 17/3404 S 104). Ihre Teilhabe soll auch insoweit gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern "üblich" sind." (BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 204/10 R –, Rn. 14 ff.).

Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, welche entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung des Begriffs "schulrechtliche Bestimmungen" hiernach offengeblieben ist. Organisiert eine Schule eine Fahrt, die nach den schulrechtlichen Bestimmungen (hier: Erlass des Hessischen Kultusministeriums zu Schulwanderungen und Schulfahrten vom 7. Dezember 2009 – I.2 – 170.000.107 – 69 - Gült. Verz. Nr. 7200 Abl 1/10 S. 24) nicht zulässig ist, so scheidet ein Anspruch auf Finanzierung der Teilnahme durch den Grundsicherungsträger nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II aus.

Nicht adressiert wird in der zitierten Rechtsprechung allerdings die Fallgestaltung, dass zwar die Klassenfahrt für die große Mehrheit des Klassenverbandes selbst schulrechtlich zulässig ist, weil die Schüler und Schülerinnen in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 damit an höchstens drei mehrtägigen Veranstaltungen teilnehmen (hierzu hat das Sozialgericht keine Feststellungen getroffen), für eine einzelne Schülerin wie die Klägerin, die die Schule gewechselt hat, aber die Maximalzahl der schulrechtlich zulässigen Klassenfahrten überschritten wird.

Der klägerische Vortrag, es sei höchstrichterlich zu klären, inwieweit Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art (z.B. nach Schulwechsel) eine Ausnahme rechtfertigten, adressiert diese Frage. Das Sozialgericht hat hierzu ausgeführt, die Schule habe darauf zu achten, dass in der Jahrgangsstufe 10 keine "notwendige" mehrtägige Veranstaltung angeboten werde, wenn eine Schülerin oder ein Schüler hieran nicht teilnehmen könne, weil er sein "Pensum" an mehrtägigen Veranstaltungen bereits erreicht habe. Dies würde allerdings bedeuten, dass einzelne Schülerinnen und Schüler, die die Schule oder auch nur die Klasse gewechselt haben oder eine Klassenstufe wiederholen, für die restlichen Schüler und Schülerinnen des Klassenverbandes eine für diese an sich zulässige Klassenfahrt sperren würden. Ob das Sinn und Zweck des Erlasses ist, ist zweifelhaft.

Die Frage, ob eine Schülerin, wenn die Klassenfahrt für die ganz überwiegende Mehrheit der Schüler und Schülerinnen des Klassenverbandes zulässig ist (hier mangels Feststellungen des Sozialgerichts offen), für die einzelne hilfebedürftige Schülerin die Teilnahme an der Klassenfahrt aber schulrechtlich unzulässig ist, sie nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II Anspruch auf Kostenübernahme hat, wenn sie von der Schule nicht von der "an sich zulässigen" Klassenfahrt ausgeschlossen wurde, ist eine ungeklärte Rechtsfrage, die wegen der Heterogenität von Klassenverbänden auch Breitenwirkung haben dürfte.

Allerdings ist vorliegend die Klage sowohl an der nicht rechtzeitigen Antragstellung als auch an dem Fehlen der materiellen Voraussetzungen gescheitert. Selbst wenn man daher bejaht, dass die Klägerin hinsichtlich der Auslegung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II eine ungeklärte Rechtsfrage formuliert hat, so ist diese doch nicht entscheidungserheblich. Denn das Sozialgericht hat eine rechtzeitige Antragstellung der Klägerin verneint und zur Auslegung des § 30 Satz 2 SGB II hat die Klägerin keine ungeklärte Rechtsfrage formuliert.

Ein Berufungszulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG Nr. 2 oder Nr. 3 SGG wird von der Klägerin nicht geltend gemacht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Sozialgericht in seinem Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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