S 47 AS 213/19

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
47
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 47 AS 213/19
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Personal-Computers nebst Zubehör zu (auch) schulischen Zwecken sind kein unabweisbarer laufender Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.

Ein Gymnasialschüler der Klassenstufe 5 und 6 kann im Regelfall auf die Mitbenutzung eines im Haushalt vorhandenen Computers verwiesen werden.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung zum Thüringer Landessozialgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Personal-Computers nebst Drucker, Zubehör und Serviceleistungen.

Der im Juli 2006 geborene Kläger wohnt gemeinsam mit seiner Mutter, getrennt vom Vater, in einer Wohnung im in P. Die Mutter des Klägers bezieht fortlaufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). U. a. wurden ihr Leistungen für die Zeit von September 2018 bis Februar 2020 in monatlich wechselnder Höhe gewährt (Leistungs- und Änderungsbescheide vom 24. August 2018, 12. Oktober 2018, 24. November 2018, 18. Dezember 2018, 15. März 2018; vorläufiger Bewilligungsbescheid und Änderungsbescheide vom 23. Mai 2019, 1. Juni 2019, 23. November 2019).

Der Kläger selbst erhält keine laufenden Leistungen vom Beklagten. Er deckt seinen individuellen Bedarf durch eigenes Einkommen aus Kindesunterhalt, Wohngeld und Kindergeld. Der Beklagte bewilligte ihm jedoch Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form von Leistungen zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf zum 1. August 2018 in Höhe von 70 Euro und zum 1. Februar 2019 in Höhe von 30 Euro (Bescheid vom 24. April 2018), zum 1. August 2019 unter Anrechnung eigenen Einkommens in Höhe von 80,40 Euro (Bescheide vom 23. Mai 2019, 1. Juni 2019) und zum 1. Februar 2020 unter Anrechnung eigenen Einkommens in Höhe von 31,40 Euro (Bescheide vom 23. Oktober 2019, 23. November 2019).

Im Sommer 2018 wechselte der Kläger von der Grundschule zum Staatlichen Gymnasi-um " " in P. und besucht dort die 5. Klasse bzw. im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die 6. Klasse.

Mit Schreiben vom 6. September 2018 beantragte die Mutter des Klägers für diesen die Übernahme der Kosten für einen internetfähigen Personal-Computer nebst Zubehör (PC, Bildschirm, Tastatur, Drucker) als Mehrbedarf auf Zuschussbasis. Zur Begründung wurde ausgeführt, der PC werde benötigt, um die schulischen Aufgaben der 5. Klasse bewältigen zu können, u. a. für die Fertigung von Tabellen für die Dezimaleinheiten, die Erledigung von Hausaufgaben und das Nachüben der vermittelten Fähigkeiten im Fach Medienkunde.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2019). Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte der Beklagte aus, die beantragte Sonderleistung sei durch den gewährten Regelbedarf abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar. In Thüringen herrsche Lernmittelfreiheit. Kinder und Jugendliche sozial schwacher Familien könnten sich zur Unterstützung an entsprechende Fördervereine wenden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 4. Februar 2019 erhobene Klage.

Der Kläger trägt unter Verweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts Gotha vom 17. August 2018 - Az. S 26 AS 3971/17 vor, er habe Anspruch auf die Gewährung eines einmaligen Mehrbedarfs für die Anschaffung eines Personal-Computers nebst Zubehör in Höhe von 600 Euro. Der Bedarf sei unabweisbar. Er befinde sich in der 5. Klasse einer weiterführenden Schule, also dem Beginn der Mittelstufe. Es sei bekannt, dass Kindern in diesem bzw. schulfähigen Alter ohne einen internetfähigen PC/Laptop die Befolgung organisatorischer Vorgaben der Schule zu großen Teilen gar nicht mehr möglich sei. Dies finge bei der Essenbestellung an, gehe weiter über oftmals täglich aktualisierte Vertretungspläne der Schule und über Referate bzw. Seminararbeiten, deren Abfassung am Computer als selbstverständlich vorausgesetzt und wegen des Einsatzes von Schaubildern, Tabellen etc. gar nicht mehr anders möglich sei. Es müsse daher unbedingt ein Computer aus privaten Mitteln angeschafft werden. Der Verweis auf Fördervereine sei eine unsichere Angelegenheit, zumal auch deren Mittel begrenzt seien. Da er noch keine 16 Jahre alt sei, könne er sich auch nicht durch Ferienjobs Geld verdienen, um die Kosten für die Anschaffung eines PC anzusparen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2019 für die Anschaffung eines internetfähigen PC/Laptops nebst notwendigem Zu-behör und Serviceleistungen einen zweckgebundenen, einmaligen, nicht rückzahlbaren Mehrbedarf in Höhe von 600,00 Euro zu gewähren und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Ablehnungs- und Widerspruchsbescheid verwiesen.

Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes eine Auskunft von der Schulleiterin des Staatlichen Gymnasiums " " in P. angefordert. In der Stellungnahme vom 3. Juli 2019 wird u. a. ausgeführt: Die erteilten Hausaufgaben erforderten nicht zwingend die Nutzung eines Computers. Die Schülerinnen und Schüler würden jedoch angeregt, den Computer zur Bearbeitung der Aufgaben zu nutzen. Bedingt dadurch, dass die Nutzung digitaler Technik häufig zahlreiche Vorteile biete, sei die Lösung am Computer quasi zum Standard geworden. Insofern unterlägen die Schülerinnen und Schüler, die nicht über entsprechende Technik verfügten schon einem gewissen Sozialdruck. Als Beispiel für die Arbeit mit einem PC sei in der Klassenstufe 5 die Anfertigung eines Baumtagebuches zu nennen. Der zeitliche Umfang der Erforderlichkeit eines privaten Computers unterscheide sich epochal, er reiche von gar nicht bis zu mehrmals pro Woche. Zwingend sei die Nutzung eines eigenen Computers und Druckers nicht, jedoch wünschenswert. In der Schulbibliothek stünde eine kleine Zahl an Arbeitsplatzcomputern mit einem nicht frei zugänglichen Drucker zur Verfügung. Aufgrund von Personalknappheit könnten allerdings aktuell keine regelmäßigen Öffnungszeiten angeboten werden. Schülerinnen und Schüler könnten daher nur im Einzelfall nach vorheriger Absprache Computer in der Bibliothek oder einem der Computerkabinette nutzen. Ebenso verhalte es sich mit den Druckern, wobei aus Kostengründen nur Ausdrucke in geringem Umfang erlaubt werden könnten. In den Klassenstufen 5 bis 7 würden keine Unterrichtsmaterialien ausschließlich online oder über die Internetseite der Schule zur Verfügung gestellt. Vertretungspläne würden im Schulhaus und auf der Schulhomepage veröffentlicht, wobei Informationen über kurzfristige Änderungen nur über die Internetseite möglich seien. Die Essensbestellung könne an der Schule derzeit nicht online erledigt werden. Schüler, die über keinen privaten häuslichen Computer verfügten, könnten sich vertrauensvoll an ihre Lehrerinnen und Lehrer wenden. Diese würden versuchen eine Lösung zu finden.

Auf Nachfrage teilte der Kläger mit, im Haushalt sei ein älteres Laptop seiner Mutter vorhanden, welches jedoch mit dem Programm Windows 7 laufe und nicht mehr upgedatet werde. Eine Umstellung auf Windows 10 sei wegen der fehlenden Speicherkapazität nicht möglich. Zwischenzeitlich könne mit dem Computer unter Windows 7 aus sicherheitsrelevanten Aspekten auch nicht mehr gearbeitet werden. Bisher habe er (so gut es ging) den veralteten Laptop seiner Mutter benutzt, wobei es aufgrund der Aktualisierung von Programmen zu erheblichen Schwierigkeiten und Fehlerquoten gekommen sei, ganz zu schweigen von der Geschwindigkeit des Mediums. Die Mutter verfüge noch über einen Tintenstrahldrucker, der mindestens 10 Jahre alt sei, und besitze ein Handy. Es sei ihm nicht möglich anderweitig einen internetfähigen Computer oder Drucker zu nutzen, weder bei Freunden, noch bei Verwandten und schon gar nicht in der Schule. Eine zwischenzeitlich an den Förderverein der Schule gestellte Anfrage sei ergebnislos geblieben. Das Gymnasium setzte das Vorhandensein eines Computers voraus, so sei im Erdkundeunterricht ein Link zum Üben mitgeteilt worden, werde im Fach MNF (Mensch Natur Technik) regelmäßig verlangt, sich Informationen über das Internet über die betreffenden Themen zu verschaffen, würden auch in anderen Fächern regelmäßig Infos aus dem Internet benötigt.

Der Beklagte trägt ergänzend vor, aus dem weiteren Vortrag des Klägers und der Stellungnahme der Schule ergäben sich keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2020, den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zulässig.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.

Der Bescheid vom 10. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf zuschussweise Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Personal-Computers nebst Drucker, Zubehör und Service.

Grundsicherungsleistungen erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Leistungen erhalten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder des er-werbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Der Kläger selbst ist - so auch die vorliegenden Leistungsbescheide - grundsätzlich nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II im vorgenannten Sinne, denn er deckt seinen fortlaufenden Bedarf aus eigenem Einkommen im Sinne von § 11 SGB II aus Kindesunterhalt, Kindergeld und Wohngeld. Aus diesem Grund bildete der Kläger in der hier zugrundeliegenden Zeit ab September 2018 mit seiner Mutter zwar eine Haushalts- nicht aber eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).

§ 7 Abs. 2 Satz 3 SGB II sieht für diese Fallgestaltungen vor, dass zur Deckung der Bedarfe nach § 28 SGB II die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe erhalten, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind. Auf dieser Grundlage gewährte der Beklagte dem Kläger jeweils zum 1. August bzw. 1 Februar der Jahre 2018 bis 2020 Leistungen für Bildung und Teilhabe, teilweise anteilig, in Form von Zuschüssen zur Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf.

§ 28 SGB II kommt allerdings als Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht, denn die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines privaten Computers nebst Zubehör zu schulischen Zwecken ist nicht als Leistung zur Bildung und Teilhabe vorgesehen (vgl. auch SG Hannover, Beschluss vom 6. Februar 2018 - S 68 AS 344/18 ER).

Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers kommt daher nur §§ 7ff iVm §§ 19 ff SGB II (in der für den streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung vom 22. Dezember 2016) in Betracht. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II umfassen die Leistungen neben dem Regelbedarf (§ 20 SGB II) und den Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) auch Mehrbedarfe (§ 21 SGB II).

Dass der Kläger nicht fortlaufend Grundsicherungsleistungen vom Beklagten bezieht, schließt einen Anspruch auf o. g. Rechtsgrundlage nicht von vornherein aus. Der Leistungsanspruch nach dem SGB II ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, d. h. die Bedarfe eines Monats sind den Bedarfsdeckungsmöglichkeiten dieses Monats gegenüberzustellen. Somit kann eine durch einen einmaligen besonderen Bedarf entstehende Unterdeckung - wie hier im Monat des Bedarfs für die Anschaffung eines privaten Computers zur schulischen Nutzung - unter Umständen auch nur für diese Zeit, ggf. auch nur für einen Monat, einen Leistungsanspruch begründen (vgl. BSG, Urteil vom 08. Mai 2019 - B 14 AS 20/18 R zur Übernahme von einmaligen Kosten für Heizmaterial).

Die Gewährung eines zuschussweisen Mehrbedarfs für die Anschaffung eines häuslichen Computers zu schulischen Zwecken sehen die in § 21 SGB II vorgesehenen Mehr-bedarfstatbestände nicht ausdrücklich vor. Eine Kostenübernahme ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II möglich. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Die auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 - Az. 1 BvL 1, 3 u. a. zurückgehende Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II wurde zum 3. Juni 2010 als sogn. "Härtefallregelung" in das SGB II aufgenommen, um eine Rechtsgrundlage für unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfs zu schaffen, die als atypische Bedarfslagen nicht schon von den §§ 20 ff SGB II abgedeckt werden (vgl. Eicher/Luik, SGB II Kommentar, 4. Auflage 2017, § 21 Rn. 64).

Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II sind nach Überzeugung der Kammer in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht erfüllt.

§ 21 Abs. 6 SGB II setzt zunächst voraus, dass ein besonderer Bedarf vorliegt, d. h. ein in Sondersituationen auftretender Bedarf. Hierbei handelt es sich nicht nur um Bedarfe, die nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt werden, sondern aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst sind. Hintergrund der besonderen Bedarfe sind atypische Lebenssituationen. Daher ist ein besonderer Bedarf dann nicht vorhanden, wenn er nach Art und Umfang typischerweise bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II auftritt (vgl. hierzu Eicher/Luik, SGB II Kommentar, 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 67; Schlegel/Voelzke/Behrend, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. Stand 14. Oktober 2019, § 21 Rn. 79).

Für die Kammer ist es bereits fraglich, ob in der vorliegenden Fallkonstellation ein besonderer Bedarf in dem vorgenannten Sinn begründet ist. Der Kläger macht zwar geltend, die Notwendigkeit der Anschaffung des Computers für den häuslichen Gebrauch ergebe sich aus schulischen Anforderungen, die mit Eintritt in die weiterführende Schule an einem Gymnasium vorausgesetzt werden, d. h. bedinge einen besonderen "schulspezifischen Bedarf", vergleichbar mit einem Bedarf für Schulbücher bei fehlender Lernmittelfreiheit (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2019 - B 14 AS 13/18 R). Aufgrund der insgesamt fortschreitenden Digitalisierung in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens gehört zwischenzeitlich jedoch typischerweise zur Ausstattung eines jeden Haushalts auch ein internetfähiger Computer, Laptop, Tablett etc. Aufwendungen für derartige Geräte sind daher im Regelbedarf erfasst und grundsätzlich hieraus zu bestreiten. Dies gilt im Grundsatz auch für Kinder, denn diese erwerben Medienkompetenzen nicht nur in der Schule, im Freistaat Thüringen speziell im Fach Medienkunde sowie durch die Verwendung digitaler Medien in allen anderen Unterrichtsfächern, sondern wesentlich auch durch die Nutzung von Computern und digitalen Medien im privaten familiären Bereich. So ist auch im Fall des Klägers ein internetfähiger Computer im Haushalt vorhanden, den seine Mutter vor mehreren Jahren angeschafft hat und den der Kläger für schulische Zwecke (mit) benutzt.

Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich deutlich von den Fällen, in denen die Nutzung eines privat finanzierten Computers die Teilnahme am schulischen Unterricht als solche prägt bzw. wegen der Spezifik der Unterrichtsinhalte unabdingbar ist (vgl. SG Hannover, Beschluss vom 6. Februar 2018 - S 68 AS 344/18 ER zur Nutzung eines Tabletts im Schulunterricht, sogn. "Tablettklassen"; SG Mainz, Beschluss vom 7. Oktober 2019 - S 14 AS 582/19 ER zur Anschaffung eines PC bei Besuch einer Berufsfachschule für Informationsverarbeitung und Mediengestaltung). Im vorliegenden Einzelfall - d. h. bezogen auf die Klassenstufen 5 und 6 sowie die vom Kläger besuchte Schule - setzen die Art und der Umfang der schulischen Aufgaben und Angelegenheiten, die die Nutzung eines privaten häuslichen Computers erfordern - so wie sie von der Schulleiterin des Gymnasiums in ihrer Auskunft vom 3. Juli 2019 beschrieben werden - nicht das Vorhandensein eines eigenen Computers bei jeder Schülerin und jedem Schüler voraus, sondern nur die Möglichkeit des kontrollierten Zugriffs auf einen im privaten Umfeld der Schülerinnen und Schüler zur Mitbenutzung vorhandenen Computer. Die Schulleiterin hat in ihrer Stellungnahme u. a. ausgeführt, die Schülerinnen und Schüler würden ermutigt, zur Lösung der gestellten Aufgaben auch häusliche Computer zu verwenden, in den Klassenstufen 5 bis 7 würden aber keine Unterrichtsmaterialien ausschließlich online oder nur über die Internetseite der Schule zur Verfügung gestellt. Die Nutzungserfordernisse insgesamt bleiben damit im hier zu entscheidenden Fall sichtlich hinter denen der o. g. Beispiele einer sogn. "Tablettklasse" oder berufsspezifischen Ausbildung zurück. Tatsächlich benötigt der Kläger im Alter von 12/13 Jahren nicht zwingend einen eigenen Computer, sondern lediglich die Möglichkeit der Mitbenutzung eines Computers sowohl zu schulischen als auch zu außerschulischen Zwecken, um Medienkompetenzen erwerben zu können.

Selbst wenn ein - wie hier - "auch-schulspezifischer Bedarf" genügen würde, um einen besonderen Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II zu begründen, liegt - so die weitere Tatbestandsvoraussetzung der "Härtefallregelung" - kein laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf vor. Mit dem Verweis auf einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf wird der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II von dem Darlehen für unabweisbare Bedarfe nach § 24 Abs. 1 SGB II abgegrenzt. Während § 21 Abs. 6 SGB II einem "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf" Rechnung tragen soll, werden einmalig auftretende "Bedarfsspitzen" von der Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II erfasst, so dass beide Vorschrift in ihrer Gesamtschau sicher stellen, dass kein atypischer oder besonderer Bedarf ungedeckt bleibt (vgl. Schlegel/Voelzke/Behrend, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. Stand 14. Oktober 2019, § 21 Rn. 80ff).

Entgegen der Ansicht des Klägers und der von ihm in Bezug genommenen Entscheidung (SG Gotha, Urteil vom 17. August 2018 - S 26 AS 3971/17) handelt es sich bei den Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Personal-Computers nebst Drucker und Zubehör gerade nicht um einen laufenden Bedarf. Ein laufender Bedarf liegt vor, wenn er zumindest innerhalb eines Bewilligungszeitraums (§ 41 Abs. 3 SGB II: zwölf oder sechs Monate) nicht nur einmalig, sondern mehrfach auftritt. Ein regelmäßig wiederkehrender Bedarf kann auch vorliegen, wenn er prognostisch zumindest im nächsten Bewilligungszeitraum wieder entsteht (vgl. Eicher/Luik, SGB II 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 69). Die Anschaffungskosten für einen Computer sind jedoch nur einmalig im Zeitpunkt des Erwerbs aufzubringen. Danach ist eine Neuanschaffung jedenfalls nicht in den nächsten darauffolgenden Bewilligungsabschnitten zu erwarten. Der Charakter des einmaligen Bedarfs ändert sich auch nicht dadurch, dass die technischen Geräte nach ihrer Anschaffung längerfristig wiederholt für schulische Zwecke genutzt werden können. Für die Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II kommt es - in Abgrenzung zu § 24 Abs. 1 SGB II - nicht darauf an, ob der bedarfsbegründende Gegenstand einmalig oder längerfristig wiederholt genutzt werden kann, sondern ob der primär bestehende und geltend gemachte finanzielle Bedarf, der nicht aus der zur Verfügung stehenden Regelleistung gedeckt werden kann, einmalig oder wiederholt und laufend auftritt. Würde man der Ansicht des Klägers folgen und nur auf die Möglichkeit der wiederholten Nutzung des Computers abstellen, könnte nahezu jede einmalige Anschaffung einen laufenden Bedarf begründen, was jedoch der vom Gesetzgeber vorgegebenen Konzeption - Abgrenzung einmaliger Bedarfe (§ 24 Abs. 1 SGB II) von laufenden Bedarfen (§ 21 Abs. 6 SGB II) - nicht gerecht wird (so auch SG Karlsruhe, Urteil vom 29. Januar 2019 - S 15 AS 354/19).

Schließlich ist der vom Kläger geltend gemachte Bedarf im hier zu bewertenden Einzelfall auch nicht unabweisbar. Nicht unabweisbar ist ein Bedarf u. a. dann, wenn er auf andere Weise gedeckt werden kann, im Besonderen wenn zumutbare Handlungsalternativen bestehen (Eicher/Luik, SGB II 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 72). Zwar kann der Kläger nicht ausschließlich auf Nutzung der im Gymnasium vorhandenen Computer verwiesen werden, denn die Schülerinnen und Schüler haben zu diesen - so die Auskunft der Schulleiterin - weder regelmäßig im Rahmen entsprechender Öffnungszeiten der Bibliothek oder des Computerkabinetts noch uneingeschränkt Zugang. Auch dürften Fördervereine der Schulen im Regelfall nur die unmittelbare Ausstattung der jeweiligen Schule zum Ziel haben. Dem Kläger ist es jedoch zumutbar, wie bereits in der Vergangenheit, weiterhin auf den im Haushalt vorhandenen Computer und Drucker der Mutter zurückzugreifen. Dass die Geräte bereits älter und begrenzt leistungsfähig sind, steht dem nicht entgegen. Der Kläger selbst hat auch nicht vorgetragen, dass er in der Vergangenheit schulische Aufgaben mit diesen Geräten nicht habe erfüllen können. Diese werden jedenfalls den bereits dargestellten moderaten Anforderungen in den Klassenstufen 5 und 6 durchaus noch gerecht. Ergänzend kann der Abruf des aktualisierten Stundenplanes von der Homepage der Schule über das Smartphone der Mutter erfolgen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das SGB II für die vom Kläger begehrte zuschussweise Übernahme der Anschaffungskosten für einen häuslichen Computer nebst Drucker, Zubehör und Service zu ("auch") schulischen Zwecken keine Rechtsgrundlage vorsieht. Dies ist im Hinblick auf das Ziel gleicher Bildungs- und Teilhabechancen für alle Schü-lerinnen und Schüler sozialpolitisch ohne Zweifel nicht zufriedenstellend, folgt aber aus den geltenden gesetzlichen Vorschriften des SGB II. Der Kläger und seine Mutter haben die Möglichkeit auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 SGB II ein Darlehen zu beantragen, sofern die Neuanschaffung eines Computers für den Haushalt erforderlich wird. Über die Gewährung eines solchen hatte die Kammer mangels entsprechender Antragstellung nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Berufung zum Thüringer Landessozialgericht ergibt sich aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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