S 12 SO 9/20 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 9/20 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 92/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der am 30. März 2020 bei Gericht eingegangene Antrag des 1962 geborenen Antragstellers, der bei einer monatlichen Rentenhöhe von 348,69 EUR seitens der DRV Bund seit April 2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung erhält, einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 ausweist sowie von seiner Pflegekasse - streitbefangen – Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung auf der Grundlage des Pflegegrades 1 bezieht und darüber hinaus neben seiner Rente beim Antragsgegner im Bezug von aufstockenden Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung), zuletzt im bis Juni 2020 laufenden Bewilligungsabschnitt bewilligt mit Änderungsbescheid vom 20. März 2020 i.H.v. mtl. 599,33 EUR, steht, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz sinngemäß bis zur Entscheidung in der Hauptsache, die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm aufgrund der aus Anlass der aktuellen Covid-19-Pandemie zu erwartenden Verteuerungen und Lieferengpässen bei Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Arzneimitteln für die Bevorratung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln eine Beihilfe, hilfsweise ein in kleinen Raten ab März 2021 zu tilgendes Darlehen, dergestalt zu gewähren, dass die Regelleistung nach dem SGB XII bis auf weiteres um monatlich 100,00 EUR erhöht und ihm zum selben Zweck zusätzlich eine Einmalzahlung in Höhe weiterer 1.000,00 EUR gezahlt wird, ist zulässig, aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Antragsgegners vom 30. März 2020 und den weiteren Ausführungen des Antragsgegners im vorliegenden Antragsverfahren mangels eines Anordnungsanspruchs jedoch nicht begründet.

Die entsprechenden Ausführungen des Antragsgegners macht sich die Kammer nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu Eigen und nimmt vollinhaltlich hierauf Bezug.

Insoweit wird der geltend gemachte Anspruch u.a. weder von der Mehrbedarfsregelung des § 30 SGB XII noch in Abweichung von der herkömmlichen Regelsatzfestsetzung von der Regelung des § 27a Abs. 4 SGB XII oder einer anderen Rechtsgrundlage erfasst, wobei hier dann auch nicht die Möglichkeit der Gewährung eines ergänzenden Darlehens nach § 37 SGB XII eingeräumt ist.

Bis 1. Januar 2002 leitete sich die Berechtigung der Sozialgerichte zum Erlass Einstweiliger Anordnungen in anderen als den ausdrücklich im SGG normierten Fällen unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ab (vgl. BVerfGE 46, S. 166). Einstweilige Anordnungen durften dabei aber grundsätzlich die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen. Nur ausnahmsweise konnte es im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn anders ein Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar gewesen wäre.

Voraussetzung für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war insoweit, dass dem Betroffenen schwere und unzumutbare, auf anderem Wege nicht abwendbare Nachteile drohten, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich nicht mehr oder nur noch teilweise in der Lage gewesen wäre. Dies galt zumindest bei so genannten "Vornahmesachen", d.h. bei Verfahren, bei denen sich der Bürger gegen die Unterlassung oder Ablehnung einer beantragten Amtshandlung wandte. Gleiches galt jedoch auch für die so genannten "Anfechtungssachen", bei denen der Bürger geltend machte, durch die öffentliche Gewalt mittels einer belastenden Maßnahme in seinen Rechten verletzt zu sein. Danach konnte vorläufiger Rechtsschutz in "Anfechtungssachen" entsprechend dem Grundgedanken des § 80 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach der Rechtsprechung der Kammer grundsätzlich dann gewährt werden, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestanden, d.h., wenn der Erfolg des Rechtsstreites in der Hauptsache, d.h. in einem sich anschließenden Klageverfahren, zumindest ebenso wahrscheinlich war wie der Misserfolg und wenn die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes für den Antragsteller eine unbillige, nicht überwiegend durch öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge gehabt hätte (vgl. hierzu Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 9. März 2000, L 1 KR 226/00 ER, das insoweit neben den Erfolgsaussichten in der Hauptsache das Vorliegen erheblicher Nachteile forderte, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar machten). Darüber hinaus war in "Vornahmesachen" entsprechend § 123 VwGO auf die Gefahr abzustellen, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Des Weiteren waren einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erschien (vgl. weiter grundsätzlich Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Juli 1987, L 8 Kr 362/87 A mit zahlreichen weiteren Nachweisen und Beschluss vom 11. November 1992, L 6 Ar 461/92 A in info-also 1993, S. 59 ff.; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 1990, L 3 S 42/90 in info-also 1991, S. 74 ff.; Meyer-Ladewig, SGG, § 97 Rdnr. 20 ff.; Timme, Der einstweilige Rechtsschutz in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte, NZS, 1992, 91 ff.).

Seit 2. Januar 2002 ist der einstweilige Rechtsschutz ausdrücklich im SGG normiert, wobei die vorstehenden Grundsätze weiterhin Beachtung finden.

Insoweit regelt § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG zunächst, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, was nach Satz 2 auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung gilt. Nach Abs. 2 Nr. 1 entfällt die aufschiebende Wirkung jedoch bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Ebenso entfällt die aufschiebende Wirkung z.B. nach Nr. 3 für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache sodann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Nach Satz 1 Nr. 2 kann das Gericht darüber hinaus in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ganz oder teilweise anordnen sowie nach Nr. 3 in den Fällen des § 86 a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wobei nach Satz 3 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Auflagen versehen oder befristet werden kann und darüber hinaus nach Satz 4 das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben kann. Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind dabei nach Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86 b Abs. 4 SGG entscheidet das Gericht sodann durch Beschluss.

Hinsichtlich der Begründetheit des Antrages des Antragstellers als sogenannter Vornahmesache bzw. Regelungsanordnung ist auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen danach allein auf § 86 b Abs. 2 SGG abzustellen.

Bei der Entscheidung ist also in erster Linie auf die Aussichten im Hauptverfahren abzustellen. Ist eine Klage offensichtlich begründet, wird die Anordnung in der Regel erlassen, ist sie offensichtlich unbegründet, wird sie in der Regel abgelehnt.

Liegen schließlich beide Voraussetzungen nicht offensichtlich vor, ist darüber hinaus im Rahmen des Ermessens eine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei müssen in Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Gerichte bei der Auslegung der anzuwendenden Vorschriften der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung tragen und insbesondere die Folgen der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigen. Je schwerer die Belastungen hieraus wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung zurückgestellt werden. Insoweit reicht es in diesen Fällen aus, dass bei einer überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage Gründe dafürsprechen, dass ein Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistung besteht (Anordnungsanspruch).

Dies deshalb, weil mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) u.a. vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02 und vom 19. März 2004, 1 BvR 131/04, das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt insoweit auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 (74); 94, 166 (216)). Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss, wenn dazu Anlass besteht (vgl. Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 25. Juli 1996, NVwZ 1997, Seite 479).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen mit dem Hessischen Landessozialgericht (Beschluss vom 21. März 2007, L 7 AY 14/06 ER, mzwN) sodann aber auch nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Dies deshalb, weil Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System bilden.

Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei diese regelmäßig dann zugunsten des Bürgers ausfällt, wenn dessen grundgesetzlich aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot herzuleitender Anspruch auf Führung eines menschenwürdigen Lebens gefährdet wäre. Insoweit sind grundrechtliche Belange eines Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die z.B. darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt. Denn im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (vgl. u.a. Hessisches Landessozialgericht, Beschlüsse vom 27. Juli 2005, L 7 AS 18/05 ER und vom 19. Juni 2008, L 7 AS 32/08 B ER).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und dem weiteren Vorbringen des Antragsgegners nicht vor.

Im Ergebnis gilt hier auch aktuell nichts Anderes als nach der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung zur Bevorratung für einen möglichen Katastrophenfall. Dass diese Rechtsprechung zum SGB II ergangen ist, ändert hieran nichts. Für den Bereich des SGB XII gilt nichts Anderes.

So führt etwa das Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 16. März 2018, S 3 AS 5445/17, juris) u.a. aus, dass ein Notvorrat an Nahrungsmitteln, den sich ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende anlegen will, keinen vom Grundsicherungsträger zu finanzierenden unabweisbaren Mehrbedarf darstellt. Dabei fehle es an der Unabweisbarkeit schon deshalb, weil das Anlegen des Notvorrats aus den Regelleistungen durch Ansparung erfolgen könne.

Das Sozialgericht Konstanz (Urteil vom 31. Mai 2017, S 11 AS 808/17, juris) führt aus, dass z.B. die Kosten für die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlenen Bevorratung mit Wasser überschaubar seien und nicht weiter ins Gewicht fielen. Insoweit könne man in Plastikflaschen angebotenes Mineralwasser kaufen oder selbst (Leitungs-)Wasser in geeignete Flaschen füllen. Bei den festen Lebensmitteln bestehe die Möglichkeit, Konserven oder sonstige haltbare Lebensmittel zu kaufen, diese dann aber vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zu verbrauchen. Damit ersetzten die für die Notbevorratung angeschafften Lebensmittel solche, die ohnehin hätte gekauft werden müssen.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 22. März 2018, L 7 AS 3032/17, juris) führt aus, die Kosten für die Bevorratung mit Lebensmitteln, Getränken, Hygiene- und Haushaltsartikeln als Notfallpaket gemäß Empfehlung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe könnten nicht als Sonderbedarf gemäß § 24 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB II anerkannt werden. Zwar seien die von den dortigen Klägern geltend gemachten Aufwendungen für Lebensmittel, Getränke, Hygiene- und Haushaltsartikel dem Regelbedarf i.S. des § 20 Abs. 1 SGB II zuzuordnen, jedoch unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht unabweisbar. Insoweit beschränkten sich auch im Krisenfall Leistungsansprüche auf die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums, das sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben beschränke. Der vorliegend geltend gemachte Anspruch auf Leistungen für die Notfallbevorratung stelle zudem auch bereits keinen im Einzelfall bestehenden besonderen Bedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II dar. Schließlich bestehe der streitbefangene Bedarf nicht nur beim Kläger, bei seinen Kindern oder bei einer abgrenzbaren Gruppe von SGB II-Leistungsempfängern, sondern aufgrund der allgemeinen Empfehlung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bei allen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland. Zusätzlich handele es sich bei den streitbefangenen Kosten für die Anschaffung einer Notbevorratung auch um keine laufende, sondern um eine ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 6 SGB II fallende einmalige Leistung. Dabei erschöpfe sich die erstmalige Anschaffung von Lebensmittelvorräten sowie bestimmter Ausrüstungsgegenstände in einem einmaligen Akt. Dass einzelne Lebensmittel nach längeren Zeiträumen (z.T. allerdings erst nach mehreren Jahren) ausgetauscht werden müssten, begründe aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zur Erstanschaffung ebenfalls keinen laufenden Bedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II. Unabhängig davon dürften diese später erforderlich werdenden Ersatzbeschaffungen weitestgehend kostenneutral sein: Rechtzeitig vor Ablauf des Verfallsdatums ausgetauschte Lebensmittel könnten noch zum Eigenverbrauch verwendet werden, so dass die aus dem Notvorrat aussortierten Lebensmittel in Höhe der für die neuen Lebensmittel anfallenden Kosten jeweils den zum Austauschzeitpunkt bestehenden Bedarf "Ernährung" deckten.

Alledem schließt sich die Kammer auch in der vorliegenden Fallgestaltung an. Letztlich ist und bleibt es insoweit allein Sache des Gesetzgebers, hier zusätzliche Leistungsinhalte zu schaffen, wobei die Kammer durch ihren Vorsitzenden dann in Nordhessen, sei es nun im Bereich der Stadt Kassel oder auf dem flachen Land, aber auch weder im Bereich von Supermärkten noch bei Discountern echte Lieferengpässe und dauerhaft leere Regale zu beobachten vermocht hat. Auch nicht im Werra-Meißner-Kreis. Und wenn einzelne bestimmte Waren ein oder zwei Tage vorübergehend nicht zu kaufen waren, dann war dies auf über die reine Vorratshaltung hinausgehende Hamsterkäufe zurückzuführen und die Regale waren am dritten Tag wieder aufgefüllt. Auch Teuerungen waren insoweit jedenfalls im hier relevanten Lebensmittelbereich bisher nicht zu verzeichnen.

Für die ohnehin über die Krankenkassen/Apotheken zu sichernde Arzneimittelversorgung gilt letztlich gleiches, wobei die notwendige Arzneimittelversorgung verschreibungspflichtiger Medikamente auch weiterhin jedenfalls wirkstoffbezogen gewährleistet ist.

Gleichzeitig schließ mit den entsprechenden Ausführungen des Antragsgegners Vorstehendes dann aber auch die Gewährung eines Darlehens aus.

Ebenso nichts Anderes gilt abschließend aufgrund des Vorbringens des Antragstellers, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, seine Wohnung zu verlassen, um z.B. einzukaufen, zur Bank zu gehen, um Geld zu holen, oder zum Arzt zu gehen, weil seine schwere Gehbehinderung und andere aktenkundige Gesundheitsbeeinträchtigungen ihm dies unmöglich machen würden. All dies steht nämlich bereits nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Corvid-19-Pandemie, dem derzeitigen Kontaktverbot und auch nicht der unbestreitbaren Tatsache, dass es sich beim Antragsteller um einen Risikopatienten handelt, sondern wird vom Antragsteller bereits seit längerem auch in anderem Zusammenhang zur Geltendmachung von weiteren Ansprüchen immer wieder geltend gemacht.

Unabhängig hiervon verweist der Antragsgegner dann aber auch bereits vorgerichtlich auf ein zwischenzeitlich im Werra-Meißner-Kreis, ausgehend vom Wohnort des Antragstellers, entstandenes freiwilliges und als solches auch anerkanntes Helfersystem, das - bundesweit gelobt – gerade Hilfebedürftigen wie dem Antragsteller all die vorgenannten Wege abnimmt bzw. entsprechend behilflich ist. Konkret verwiesen sei insoweit auf die gerade in A-Stadt ins Leben gerufene Aktion "D.", über die nicht nur regional, sondern auch überregional und letztlich bundesweit in nahezu sämtlichen anerkannten Medien berichtet worden ist. Dabei ist durch entsprechende Vernetzung sogar ein Tätigwerden im Werra-Meißner-Kreis über den Wohnort des Antragstellers hinaus möglich. Für Bad Sooden-Allendorf ließe sich darüber hinaus z.B. die "Wohngruppe Second Home" und das "Familienzentrum BSA" benennen. Für Witzenhausen und seine Stadtteile kann schließlich u.a. auf ein Hilfsangebot verwiesen werden, das von der Evangelischen Kirche im Bereich Witzenhausen, dem Kreisjugendring (KJR) Werra- Meißner und den DPSG-Pfadfindern aus Witzenhausen getragen wird. Das Team von Kirche, KJR und Pfadfindern bietet dabei unter anderem Übernahme von Einkäufen und Apothekengängen für Risikogruppen und Menschen, die unter Quarantäne stehen und die derzeit nicht das Haus verlassen können, an. Auch der Verein Lebensqualität aus Hessisch Lichtenau bietet seine Hilfe an. Entsprechende Angebote/Hinweise können der Witzenhäuser Allgemeinen oder der Werra-Rundschau seit 2 Wochen regelmäßig entnommen werden, auch dem Internet, aus dem der Antragsteller selbst zitiert.

Der Antrag war nach alledem abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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