L 32 AS 945/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 8850/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 945/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2018 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 und unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2017 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 ohne Berücksichtigung eines sonstigen monatlichen Einkommens in Höhe von 2.048,63 Euro aus der Kindergeldnachzahlung zu gewähren. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 ohne Berücksichtigung einer Kindergeldnachzahlung als monatliche Einnahme in Höhe von 2.048,63 Euro.

Die im November 1980 geborene Klägerin zu 1, ihr im November 1974 geborener Ehemann G Y und deren gemeinsamen Kinder, die im April 2000 geborene Klägerin zu 2 und der im Februar 2005 geborene Kläger zu 3 lebten im streitigen Zeitraum in der Wohnung M Allee in B. Die Miete betrug für die ca. 57,38 m2 große Wohnung 473,60 Euro monatlich (361,49 Euro Nettokaltmiete, 72,58 Euro Betriebskostenvorauszahlung, 39,53 Euro Heizkostenvorauszahlung).

Der Ehemann war seit August 2011 und die Klägerin zu 1 war seit April 2014 selbständig im Bereich des Handwerks bzw. der Dienstleistung tätig.

Auf seinen im Juli 2014 gestellten Antrag auf Kindergeld bewilligte die Familienkasse Bayern Nord dem Ehemann Kindergeld für die Kläger zu 2 und 3 in Höhe von insgesamt 368 Euro monatlich (Bescheid vom 24. November 2014). Sie zahlte für die Zeit von August 2011 Dezember 2013 und von April 2014 bis November 2014 Kindergeld in Höhe von insgesamt 12.291,77 Euro nach, das am 28. November 2014 auf dem Konto des Ehemannes einging.

Auf den Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 ab: Es liege keine Hilfebedürftigkeit vor. Die Kindergeldnachzahlung sei als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und gleichmäßig mit 2.048,63 Euro auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen.

Auf den dagegen eingelegten Widerspruch bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2015 dem Ehemann und den Klägern zu 1 bis 3 für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 30. Juni 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von insgesamt 440,60 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 31. März 2015 lehnte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 mit der bisherigen Begründung ab.

Mit dem auch dagegen eingelegten Widerspruch wurde unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R vorgetragen, die Kindergeldnachzahlung sei nicht als einmalige Einnahme anzurechnen; vielmehr handele es sich um eine laufende Einnahme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2015 verwarf der Beklagte den Widerspruch des Ehemannes als unzulässig. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück: Das anzurechnende Einkommen übersteige den Bedarf. Die Kindergeldnachzahlung sei als einmalige Einnahme auf sechs Monate aufzuteilen, so dass für die Zeit ab Dezember 2014 ein Betrag in Höhe von 2.048,63 Euro monatlich zu berücksichtigen sei. Nach dem Urteil des BSG vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R ende die rechtliche Wirkung des "Zuflussprinzips" nicht mit dem Monat des Zuflusses, sondern erstrecke sich über den so genannten "Verteilzeitraum". Der Verteilzeitraum beginne grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der einmaligen Einnahme und erfasse den gesamten Bewilligungszeitraum. Auch die erneute Antragstellung begrenze den Verteilzeitraum für die einmalige Einnahme nicht, da sie grundsätzlich Einkommen bleibe.

Dagegen haben die Kläger am 27. April 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Sie haben für die Zeit von Januar 2015 bis Mai 2015 zunächst vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt.

Nachdem die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann im März 2017 abschließende Angaben zu ihrem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für die Zeit von Januar bis Mai 2015 gemacht hatten, erteilte der Beklagte den Bescheid vom 12. Mai 2017, mit dem er den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 ablehnte: Es sei die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruches nach Feststellung des tatsächlich erzielten Einkommens erfolgt. Der Ehemann habe kein Einkommen erzielt. Die Klägerin zu 1 habe einen Gewinn in Höhe von 190 Euro monatlich erzielt. Ausgehend von einem Gesamtbedarf von 1.762,56 Euro und angerechnetem sonstigem Einkommen (368 Euro Kindergeld und 2.048,63 Euro sonstiges Einkommen) ermittelte sich kein Anspruch auf Leistungen.

Die Kläger, die nunmehr Leistungen nicht mehr nur vorläufig begehrt haben, haben darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BSG die einmalige Nachzahlung einer laufenden Sozialleistung ihren Charakter nicht verloren habe. Sie sei keine einmalige Einnahme, sondern sei eine laufende Einnahme geblieben mit der Konsequenz, dass die Anrechnung nur im Monat des Zuflusses erfolgen dürfe. Ab dem Folgemonat gelte die Einnahme als Vermögen. Die Qualifizierung als laufende Einnahme ändere sich nicht dadurch, dass die Zahlung einer typischerweise regelmäßig erfolgenden Leistung als Einmalzahlung erfolge.

Der Beklagte hat gemeint, seine Ansicht werde mit der zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Änderung des § 11 Abs. 3 SGB II bestätigt. Diese Vorschrift stelle nach Satz 2 klar, dass zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen gehörten, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht würden.

Mit Urteil vom 27. April 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Kindergeldnachzahlung sei als einmalige Einnahme zu qualifizieren. Ob eine laufende Einnahme oder eine einmalige Einnahme vorliege, hänge davon ab, ob diese Einnahme ihrer Art nach üblicherweise wiederkehrend gezahlt werde. Laufende Einnahmen seien solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhten und regelmäßig erbracht würden, bei einmaligen Einnahmen erschöpfe sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Das BSG habe dazu ausgeführt, dass es für die Qualifizierung einer Einnahme als im Zuflussmonat zu berücksichtigende laufende Einnahme ausreiche, wenn diese nach dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig (monatlich) zu erbringen gewesen wäre. Bei Kindergeld handele es sich um eine laufende Einnahme, denn seine monatliche Auszahlung sei gesetzlich bestimmt (§ 66 Abs. 2 Einkommensteuergesetz – EStG). Soweit der Betrag am Ende des Anrechnungsmonats nicht verbraucht sein sollte, sei er im Folgemonat als Vermögen zu berücksichtigen. Die Argumentation der Kläger entspreche damit der Rechtsprechung des BSG. Der durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1824) zum 1. August 2016 neu eingefügte § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II (n. F.) sehe jetzt vor, dass zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zu fließende Einnahmen gehörten, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht würden. Der Gesetzesbegründung zufolge handele es sich dabei um eine "Klarstellung" der schon bisher bestehenden Rechtslage und nicht um eine – von der Rechtsprechung des BSG abweichende – ausdrückliche normative Zuordnung bestimmter Einnahmen. Für die Auffassung der Kläger streite auch nicht die Historie der Vorschrift. Dass der Gesetzgeber die Vorschrift im Sinne der Kläger habe verstanden wissen wollen, lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Ziel der gerichtlichen Auslegung einer Norm sei stets die Ermittlung und Verwirklichung des Normzwecks. Soweit hingegen in eine Norm Regelungsziele "eingelegt" würden, die nicht vom Gesetzgeber gesetzt worden seien, werde die Grenze der Auslegung überschritten. Die Überschreitung der Grenzen der Auslegung sei jedoch grundsätzlich unzulässig, da die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung es ausschließe, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchten, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden seien. Eine Interpretation einer Norm, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstelle, keinen Widerhall im Gesetz finde und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt werde, greife hingegen unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10, Rdnr. 53 ff., juris). Die mit Wirkung vom 1. August 2016 erfolgte Neufassung des § 11 SGB II sei ohne Übergangsbestimmung in Kraft getreten (vgl. § 77 SGB II), das heißt, sie sei auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16. Mai 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Mai 2018 eingelegte Berufung der Kläger.

Sie meinen, bei der Kindergeldnachzahlung handele es sich nicht um eine einmalige, sondern um eine laufende Einnahme. Da das Kindergeld grundsätzlich monatlich erbracht werde und die einmalige Erbringung als Nachzahlung an dieser Qualifizierung nichts ändere, könne die Nachzahlung auch nicht als eine in größeren als monatlichen Abständen zufließende Einnahme angesehen werden. Die Rechtslage vor der Gesetzesänderung sei nach der Rechtsprechung des BSG geklärt. Eine andere Qualifizierung der Nachzahlung könne nicht überzeugen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die öffentliche Hand zunächst pflichtwidrig Leistungen einbehalte, dann nachträglich auszahle und durch Abzug von den SGB II-Leistungen gleich wieder einziehe, so dass nach wie vor eine Unterdeckung bei den Hilfebedürftigen bestehe. Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des streitigen Leistungsbezugs sei die einmalige Nachzahlung einer laufenden Sozialleistung somit keine einmalige Einnahme. Sie bleibe nach ständiger Rechtsprechung zu der damaligen Rechtslage eine laufende Einnahme mit der Konsequenz, dass die Anrechnung nur in dem Monat des Zuflusses erfolgen dürfe, nicht aber in den Folgemonaten. Ab dem Folgemonat gelte die Einnahme als Vermögen. Für die Anwendung der jetzigen gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II auf Nachzahlungen, die vor der Gesetzesänderung am 1. August 2016 erfolgt seien, gebe es keinen Anlass. Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 und unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2017 den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 ohne Berücksichtigung eines sonstigen monatlichen Einkommens in Höhe von 2.048,63 Euro aus der Kindergeldnachzahlung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten (Behelfsakten Band I und II), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 in der Fassung des Bescheides vom 12. Mai 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 ohne Berücksichtigung eines Einkommens in Höhe von 2.048,63 Euro monatlich aus der Kindergeldnachzahlung.

Rechtsgrundlage des Bescheides vom 12. Mai 2017 hinsichtlich der endgültigen Entscheidung ist allerdings nicht § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II.

Danach gilt: Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen nicht vor, denn mit dem Bescheid vom 15. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 wurde eine vorläufige Entscheidung über die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015 nicht getroffen.

Der Beklagte hat zwar mit dem Bescheid vom 12. Mai 2017 nach (erneuter) Überprüfung der Sach- und Rechtslage über den erhobenen Anspruch der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis 31. Mai 2015 endgültig entschieden. Damit haben sich die Bescheide vom 15. Dezember 2014 in der Fassung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 jedoch nicht erledigt, denn diesen Bescheiden ist nicht zu entnehmen, dass sie lediglich eine vorläufige Regelung für den genannten Zeitraum getroffen haben. Der Bescheid vom 12. Mai 2017 ist dementsprechend nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Diese Vorschrift bestimmt: Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt (nur) dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine solche Abänderung ist mit dem Bescheid vom 12. Mai 2017 in Bezug auf die vorangegangenen Bescheide erfolgt.

Der Beklagte hat mit diesen Bescheiden rechtswidrig die Gewährung von Leistungen abgelehnt.

Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören u. a. 1. die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sowie 4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den § 7 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 SGB II genannten Personen (also insbesondere der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten), wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nrn. 1 und 4 SGB II).

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Die im November 1980 geborene Klägerin zu 1, die sich damit in den Grenzen der maßgebenden Lebensjahre befand, war erwerbsfähig. Dies zeigt die von ihr ausgeübte selbständige Tätigkeit. Sie hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Kläger zu 2 bis 3 gehörten zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1, da sie ihrem Haushalt als unverheiratete Kinder, die als im April 2000 und im Februar 2005 geboren, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, angehörten. Die Klägerin zu 1 war auch hilfebedürftig, denn sie konnte ebenso wie die Kläger zu 2 bis 3 die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen, um ihren Bedarf zu decken.

Der Bedarf der Kläger betrug im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Mai 2015, wie im Bescheid vom 12. Mai 2017 zutreffend zugrunde gelegt, insgesamt 1.762,56 Euro monatlich. Mit dem anzurechnenden Einkommen konnte dieser Bedarf nicht gedeckt werden.

Die Kindergeldnachzahlung ist als laufende Einnahme nicht als Einkommen in diesem Zeitraum zu berücksichtigen. Mit dem verbleibenden Einkommen aus Kindergeld von 368 Euro monatlich und Einkommen der Klägerin zu 1 von höchstens 190,00 monatlich konnte der Bedarf der Kläger und des Ehemannes nicht gedeckt werden.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Der vom Sozialgericht auf den vorliegenden Sachverhalt angewandte § 11 Abs. 2 und 3 SGB II n. F. sieht zur Abgrenzung laufender Einnahmen gegenüber einmaligen Einnahmen vor:

Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Zu den laufenden Einnahmen zählen auch Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden. Für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, gilt § 11 Abs. 3 SGB II entsprechend (§ 11 Abs. 2 SGB II).

Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Zu den einmaligen Einnahmen gehören auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 SGB II).

Letztgenannte Vorschrift ist zwar hinsichtlich der Sätze 1, 3 und 4 mit § 11 Abs. 3 SGB II in der bis zum 1. August 2016 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl I 2011, 453) - a. F. - identisch. Allerdings wurde sie um den jetzigen Satz 2 bezüglich der als Nachzahlung zufließenden Einnahmen ergänzt. Dies bedeutet eine Abkehr (vgl. dazu Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, Stand 29.12.2017, § 11 Rdnr. 65.6) von der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 32/14 R (Rdnr. 17, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 72). Nach dieser Rechtsprechung reichte für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme aus, wenn sie zwar nicht "laufend" sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Wenn also Zahlungen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen waren, änderte sich ihr Charakter als laufende Einnahme nicht dadurch, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - dem Berechtigten zeitweise ganz oder teilweise vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt wurden.

Nach der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache 18/8041, S. 33) wird mit der Ergänzung klargestellt, dass Nachzahlungen von Arbeitsentgelt oder Sozialleistungen wie einmalige Einnahmen auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen sind. Wegen des Zuflussprinzips können diese Nachzahlungen nicht in den Monaten angerechnet werden, für die sie bestimmt sind. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2012 (B 4 AS 154/11 R) festgestellt, dass eine Nachzahlung von Arbeitsentgelt für zurückliegende Zeiträume, Einkommen - und nicht Vermögen - darstellt. Die einmalige Erbringung einer an sich laufenden Leistung ändere allerdings nichts an deren grundsätzlicher Qualifizierung. Eine konsequente Auslegung dieser Auffassung hätte zur Folge, dass Nachzahlungen jeglicher Art und unbeschadet ihrer Höhe nur im Monat des Zuflusses auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden könnten. Es besteht jedoch keine Veranlassung, höhere Nachzahlungen anders als sonstige einmalige Zahlungen zu behandeln, weil auch diese nicht für den Zuflussmonat erbracht werden. Führt eine Nachzahlung zum Wegfall des Leistungsanspruchs in dem Monat des Zuflusses, ist auch diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen.

§ 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II n. F. ist auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht anzuwenden.

Diese Vorschrift erstreckt ihren zeitlichen Geltungsbereich nicht auf Zeiten vor dem 1. August 2016. Weder sieht das Gesetz dies vor, noch lässt sich dies der Gesetzesbegründung entnehmen. Es handelt sich auch nicht um eine rückwirkende Klarstellung. Ansonsten wäre zum einen die Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens dieser Vorschrift angezeigt gewesen. Schließlich könnte eine solche Klarstellung dem Rechtsstaatsprinzip für rückwirkende Rechtsetzung widersprechen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08, Rdnrn. 53, 55, zitiert nach juris, abgedruckt in BVerfGE 135, 1), so dass schon deswegen der Gesetzgeber gehalten wäre, eine solche tatsächliche oder vermeintliche Klarstellung durch eine rückwirkende Rechtsetzung auch eindeutig kenntlich zu machen.

Die Anwendung des zum 1. August 2016 in kraft getretenen § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II n. F. erst auf danach eingetretene Sachverhalte entspricht auch den Grundsätzen einerseits des Geltungszeitraumprinzips und andererseits des materiellen intertemporalen Recht.

Dem Recht des SGB II liegt das sog. Geltungszeitraumprinzip zugrunde, wie dies z. B. in § 66 Abs. 1 SGB II zum Ausdruck kommt.

Nach § 66 Abs. 1 SGB II gilt: Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag 1. der Anspruch entstanden ist, 2. die Leistung zuerkannt worden ist oder 3. die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.

Zwar ist eine frühere, durch eine Änderung des Gesetzes abgelöste alte Fassung des Gesetzes kein aktuell geltendes Recht mehr. Aufgrund der gesetzlichen Konzeption der Übergangsvorschriften im SGB II, die Ausdruck des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes auch bei Rechtsänderungen sind, ist jedoch im SGB II vom sog. Geltungszeitraumprinzip auszugehen, nach dem das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es an einer speziellen Regelung mangelt. Denn das SGB II dient der Deckung einer aktuellen Bedarfslage im jeweiligen Zeitpunkt, wie zahlreiche Regelungen belegen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R, Rdnr. 15, m. w. N. unter Hinweis auf § 66 SGB, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 78).

Nach dem sog. Geltungszeitraumprinzip erfasst neues Recht zwar immer schon dann den Sachverhalt, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen. Neues Recht ist also auch auf solche Leistungen anwendbar, die bereits vor der Rechtsänderung erbracht worden sind, vorausgesetzt, die Rechtsfolgen treten erst nach der Änderung der Rechtsvorschrift ein (BSG Urteil vom 12. Mai 2011 - B 11 AL 24/10 R, Rdnr. 22, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Bereits vor der Rechtsänderung eingetretene Rechtswirkungen (Rechtsfolgen) werden deshalb grundsätzlich mit Inkrafttreten des neuen Rechts nicht mehr erfasst. Denn eine derartige - generell rückwirkende - Erstreckung auf solche Rechtswirkungen bezweckt das Gesetz nicht (BSG Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 72/01 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4100 § 119 Nr. 1).

Nach den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs- oder Überleitungsvorschriften zurückzugreifen ist, richtet sich die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier der Leistungsgewährung) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 5/11 R, Rdnr. 24 zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R, Rdnr. 9, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-5910 § 111 Nr. 1; BSG, Urteil vom 27. August 2008 – B 11 AL 11/07 R, Rdnr. 13, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4300 § 335 Nr. 1;BSG, Urteil vom 08. Oktober 1987 – 4b RV 47/86, Rdnr. 17, abgedruckt in BSGE 62, 191 = SozR 3100 § 1 Nr. 39; BSG, Urteil vom 29. Mai 1956 – 6 RKa 14/54, Rdnr. 22, zitiert nach juris abgedruckt in BSGE 3, 95).

Nach der Regelung des § 11 a.F. und der bisherigen Rechtsprechung des BSG stellt die Nachzahlung von Kindergeld eine laufende Einnahme dar.

So hat das BSG im Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R (Rdnr. 21, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 33 Nr. 1) ausgeführt: Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Eine - hier neben der nachträglichen - einmalige Erbringung einer an sich laufenden Einnahme ändert deren Qualifizierung grundsätzlich nicht (m. w. N.). Eine - hier neben der nachträglichen - einmalige Erbringung einer an sich laufenden Einnahme ändert deren Qualifizierung grundsätzlich nicht (m. w. N.).

Daran anknüpfend hat es zuletzt im Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R (Rdnr. 16 und 17, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-4200 § 11 Nr. 72) dargelegt: Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend vorgenommenen Abgrenzung sind laufende Einnahmen solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Diese Abgrenzung bedarf einer weitergehenden Präzisierung für Fälle wie dem vorliegenden, in denen die regelmäßige Erfüllung von Ansprüchen, die aus demselben Rechtsgrund herrühren, Störungen unterworfen ist. In diesen Fällen kommt dem Rechtsgrund der Zahlungen die maßgebende Bedeutung zu. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reicht es danach aus, wenn sie zwar nicht "laufend" sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise ermöglicht auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, denn Rechtsgrund und vereinbarter Turnus von Zahlungen sind in der Regel einfach feststellbar. Zudem hängt die Beurteilung einer Einnahme als laufende oder einmalige nicht vom Verhalten des Schuldners ab, welches, wenn bestehende Ansprüche nicht erfüllt werden, unter Umständen sogar vertragswidrig ist. Wenn also Zahlungen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen sind, ändert sich ihr Charakter als laufende Einnahme nicht dadurch, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - dem Berechtigten zeitweise ganz oder teilweise vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt werden (so bereits - allerdings im Falle einer Auszahlung mit anderen laufenden Bezügen - Urteil des Senats vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 Rdnr 21; m. w. N.).

Diese Rechtsprechung wiederholt durchgängig vorangegangene Entscheidungen des BSG (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 46/08 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, m. w. N.; BSG, Urteil vom 07. Mai 2009 – B 14 AS 4/08 R, Rdnr. 21, zitiert nach juris, m. w. N.). In den Entscheidungen hat das BSG auch klargestellt, dass keine Regelungslücke besteht, die in entsprechender Anwendung der für die Berücksichtigung von einmaligen Einnahmen bestehenden Vorschriften zu schließen ist. Es ist mithin bis zu dem zum 1. August 2016 in kraft getretenen § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II n. F. eine ständige Rechtsprechung vorhanden gewesen. Einer "Klarstellung", wie in der Gesetzesbegründung niedergelegt, hat es daher nicht bedurft. Eine solche, der ständigen Rechtsprechung des BSG widersprechende Klarstellung würde zudem gegen das Rechtsstaatsprinzip für rückwirkende Rechtsetzung verstoßen, denn es ist nicht ersichtlich, dass die vom BVerfG entwickelten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08, Rdnrn. 64, 65, zitiert nach juris) erfüllt sein könnten.

Die bisherige Rechtsprechung des BSG verletzt nicht den Grundsatz der Gewaltenteilung.

So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 25. Januar 2011 – 1 BvR 918/10 (zitiert nach juris, Rdnrn. 52 – 54, m. w. N., abgedruckt in BVerfGE 128,193) ausgeführt: Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist, schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Der Aufgabe und Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung" sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Da die Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, obliegt die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang gewandelte Verhältnisse neue rechtliche Antworten erfordern, wiederum den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht darf deren Würdigung daher grundsätzlich nicht durch seine eigene ersetzen. Seine Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die rechtsfortbildende Auslegung durch die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung und dessen Ziele respektiert und ob sie den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgt.

Die vom BSG vorgenommene Abgrenzung von laufenden Einnahmen gegenüber einmaligen Einnahmen bei Nachzahlungen orientiert sich an den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung, so dass die o. g. Rechtsprechung des BSG den Grundsatz der Gewaltenteilung nicht tangiert.

Die Berufung hat somit Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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