S 13 SF 1259/20 AB (S 12 SB 3599/19)

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SF 1259/20 AB (S 12 SB 3599/19)
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Selbstausschließung eines Richters von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ohne zuvor erfolgte Anhörung der Beteiligten zu den vom Richter angenommenen Befangenheitsgründen verstößt gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.

2. Die Überlassung der Entscheidung über die Selbstablehnung an einen (zuständigen) Richterkollegen widerspricht nicht dem in Art. 97 Abs. 1 GG verankerten Bild des freien und unabhängigen Richters


3. Eine Entscheidung, wonach ein Richter sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG infolge einer Selbstablehnung selbst von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausschließt, ist nichtig.
Bemerkung
Verweis zu S 12 SB 3599/19
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Richter am Sozialgericht XX im Verfahren S 12 SB 3599/19 wird für begründet erklärt.

Gründe:

I.

Im Verfahren S 12 SB 3599/19 streiten die Beteiligten über die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) im Sinne des Neuntes Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Im vorliegenden Verfahren ist über das dort vom Beklagten gegen den Kammervorsitzenden der 12. Kammer gestellte Ablehnungsgesuch zu entscheiden.

Im Verfahren S 12 SB 3599/19 lehnte das Landratsamt Karlsruhe den Antrag des Klägers auf höhere Neufestsetzung des GdB mit Bescheid vom 26.11.2018 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2019 zurück. Eine ambulante Untersuchung zur sozialmedizinischen Begutachtung des Klägers zwecks Feststellung von Art und Ausmaß seiner Gesundheitsstörungen erfolgte im Verwaltungsverfahren nicht. Der Kläger – anwaltlich vertreten - erhob am 04.11.2019 Klage zum Sozialgericht und beantragt dort, bei ihm einen GdB von mindestens 80 festzustellen. Am 28.11.2019 gingen die Verwaltungsakten bei Gericht ein. Nach erfolgter Klagebegründung am 18.12.2019, erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.02.2020.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 16.04.2020 (jeweils gegen Empfangsbekenntnis) wies der Kammervorsitzende die Beteiligten darauf hin, dass er beabsichtige, die Sache zur erneuten Entscheidung über den Neufeststellungsantrag vom 17.08.2018 für die Zeit ab dessen Eingang beim Beklagten am 21.08.2018 an das Landratsamt Karlsruhe nach § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen und hierüber durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG entscheiden zu wollen. Er nahm hierbei Bezug auf seine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 im Verfahren S 12 SB 3113/19 (veröffentlicht in juris). In diesem Verfahren hatte sich der Richter am Sozialgericht XX mit der nach der vom Beklagten im Verfahren S 12 SB 981/19 (Zurückverweisung an das Landratsamt zur erneuten Entscheidung über den Neufeststellunganatrag; veröffentlicht in juris) erhobenen Berufung ergangenen Zurückverweisungsentscheidung des 6. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg an das Sozialgericht vom 23.01.2020 (L 6 SB 3637/19, ebenfalls veröffentlicht in juris) auseinandergesetzt. Die Beteiligten wurden gebeten, etwaige Einwendungen gegen die beabsichtigte Verfahrensweise binnen 2 Wochen ab Zugang dieser Anhörung zu äußern. Weiterhin wies der Kammervorsitzende in selbiger Verfügung darauf hin, dass aus gegebenem Anlass keine Erinnerung an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erfolgen werde. Dessen elektronische Übermittlung dauere jeweils nur Sekunden. Nach Ablauf von zwei Wochen sei davon auszugehen, dass eine (verspätete) Rücksendung durch den Beklagten in rechtsmissbräuchlicher Weise zur Verzögerung der Entscheidungsreife erfolge, damit die Sechs-Monatsfrist aus § 131 Abs. 5 SGG überschritten bzw. das rechtzeitige Absetzen des angekündigten Gerichtsbescheides vereitelt würde.

Am 04.05.2020 hat der Beklagte den Vorsitzenden der 12. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Verfahrensführung im vorliegenden und den vorausgegangenen Parallelverfahren (Az.: S 12 SB 981/19, S 12 SB 1588/19, S 12 SB 1642/199, S 12 Sb 2153/19, S 12 SB 3054/19 und S 12 SB 3113/19, jeweils zu finden in juris) gebe aus Sicht des Beklagten begründeten Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Kammervorsitzenden der 12. Kammer zu zweifeln. Der Vorsitzende beschneide durch einseitige und unsachgemäße Verfahrensweise fortlaufend in nicht mehr nachvollziehbarer Weise prozessuale Rechte des Beklagten. Er verwerfe in sämtlichen genannten Verfahren die Anträge des Beklagten auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unzulässig und entscheide rechtsfehlerhaft durch Gerichtsbescheid, obgleich die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nicht vorlägen, dies insbesondere nachdem das LSB Baden-Württemberg auf die Berufung des Beklagten die vorhergehenden Gerichtsbescheide in den Verfahren S 12 SB 1256/19, S 12 SB 1324/19, S 12 SB 981/19 mit Urteilen vom 23.01.2020 aufgehoben und an das Sozialgericht zurückverwiesen habe. Es sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass eine Sache besondere Schwierigkeiten aufweise, wenn das Sozialgericht von einer Rechtsprechung des Landessozialgerichts abweiche. Dass der Vorsitzende der 12. Kammer mit seiner Auslegung von § 131 Abs. 5 SGG von der Rechtsprechung des LSG abweiche sei ihm ausweislich der Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 (S 12 SB 3113/19) auch bekannt. Die angekündigten Entscheidungen durch Gerichtsbescheid als Einzelrichter seien deshalb nicht mehr nachvollziehbar. Dem Beklagten werde die gesetzlich vorgeschriebene Kammerbesetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG) und damit der gesetzliche Richter (Art 101 GG) vorenthalten. Auch weitere Verfahrensanträge des Beklagten lehne der Kammervorsitzende generell als unzulässig ab und unterstelle ihm, dem Beklagten, insoweit pauschal Rechtsmissbrauch und Verschleppungsabsicht. Er erhalte – entgegen der sonst üblichen sozialgerichtlichen Praxis – keine Akteneinsicht in die Verwaltungsakten des Landratsamtes. Diese würden mit der richterlichen Aufforderung zur Stellungnahme – wie auch im Verfahren S 12 SB 3599/19 – bewusst nicht übersandt, Akteneinsichtsgesuche des Beklagten übergangen (S 12 SB 1324/19) oder im anschließenden Gerichtsbescheid als rechtsmissbräuchlich verworfen (S 12 SB 3113/19). Durch dieses Vorgehen nehme der Vorsitzende ihm die Möglichkeit zur sachgerechten Äußerung, insbesondere könne er sich kein eigenes Bild von den durch den Vorsitzenden gerügten Ermittlungsdefiziten machen. Ebenfalls verwerfe der Vorsitzende der 12. Kammer seine Anträge auf Ruhen des Verfahrens wegen zahlreicher bereits berufungsinstanzlich anhängiger Verfahren als rechtsmissbräuchlich. Dem Hinweis auf durch weitere Berufungsverfahren eintretende zeitliche Verzögerungen und weitere anfallende Kosten begegne der Kammervorsitzende in seinen Entscheidungen mit Ausführungen zur Vollstreckbarkeit der Gerichtsbescheide. Indem er hierbei auf die Art und Weise der Vollstreckung hinweise habe er über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus einseitige Rechtsbelehrungen zur Durchsetzung der von ihm tenorierten Ansprüche erteilt (S 12 SB 1588/19, juris Rn. 98 f.). Die stetig wiederholten Verfahrensfehler begründeten zumindest in ihrer Vielzahl die Besorgnis der Befangenheit. Dieser Eindruck verstärke sich durch den Zeitpunkt und den Inhalt der Gerichtsbescheidsanhörung vom 16.04.2020. Die Sozialgerichte seien mit Schreiben vom 17.03.2020 darüber informiert worden, dass in Umsetzung der Beschlüsse des Ministerrats vom 13.03.2020 auch im Landesversorgungsamt die Anwesenheit der Mitarbeiter in den Dienstgebäuden im Zeitraum vom 17.03.2020 bis 19.04.2020 auf das unabdingbar notwendige Maß beschränkt worden sei. Man habe die Sozialgerichte mit Schreiben vom 19.03.2020 hierüber informiert und darum gebeten, bis 19.04.2020 von weiteren richterlichen Fristsetzungen abzusehen, da nicht sichergestellt werden könne, dass richterliche Fristen eingehalten werden können. Auch seien die Sozialgerichte darüber informiert worden, dass die Prüfärzte des Landesversorgungamtes zum Landesgesundheitsamtes abgezogen und der versorgungsärztliche Dienst eingestellt worden sei. Trotz dieser Kenntnis habe der Vorsitzende der 12. Kammer seine Gerichtsbescheidsanhörung noch währen des sog. "Lock-Downs" am 16.04.2020 angekündigt und dabei lediglich eine Äußerungsfrist von 2 Wochen gesetzt. Auch der einseitig ergangene Hinweis bzgl. der verspäteten Rücksendung des Empfangsbekenntnisses bringe das Misstrauen des Kammervorsitzenden gegenüber dem Beklagten unverhohlen zum Ausdruck und lasse Zweifel an der Neutralität und Unvoreingenommenheit des Richters aufkommen. In der aktuell angespannten Situation sei die Äußerungsfrist unangemessen kurz; dem Beklagten sei die Möglichkeit genommen, sich hinsichtlich der Ermittlungsergebnisse nochmals versorgungsärztlich beraten zu lassen und eine erläuternde Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vorzulegen. Schließlich begründeten auch die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 (S 12 SB 3113/19), auf welche der Kammervorsitzende in seiner Gerichtsbescheidsanhörung Bezug nehme, bei vernünftiger Würdigung erhebliche Zweifel daran, ob der zuständige Kammervorsitzende noch über die nötige sachliche Einstellung und Neutralität verfügt, um Verfahren der vorliegenden Art unparteiisch und mit der gebotenen professionellen Distanz zu bearbeiten. Der Vorsitzende der 12. Kammer werfe hierin sogar den Richtern des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg wegen deren Entscheidung vom 23.01.2020 Willkür vor, und versteigere sich zuletzt sogar zu der These, dass möglicherweise eine strukturell bedingte, nicht unerhebliche Ungewissheit bestehe, ob die dienstrechtlich dem Bundesland Baden-Württemberg unterstellten Berufsrichter der Landessozialgerichtsbarkeit des Bundeslandes in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts in jedem Einzelfall freie und unabhängige Urteile über Verwaltungsentscheidungen der Versorgungsverwaltung des Bundeslandes Baden-Württemberg fällen (können) und nicht mitunter aufgrund Überlastung, begründeter Furcht vor dienstrechtlichen Nachteilen oder der begründeten Hoffnung auf dienstrechtliche Vorteile subjektiv willkürlich befinden (müssen). Mit diesen Ausführungen stelle der Richter letztlich eine indirekte Einflussnahme des Beklagten auf Gerichtsentscheidungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Schwerbehindertensachen in den Raum. Angesichts dieser drastischen Äußerungen und der darin liegenden Zuspitzung bestehe aus Sicht des Beklagten bei vernünftiger Betrachtung Grund zur Besorgnis, dass der Vorsitzende der 12. Kammer nicht mehr die nötige Unvoreingenommenheit besitzt, um auf Argumente des Beklagten hin seine eigene Auffassung kritisch zu hinterfragen und ggf. zu revidieren.

Nach Eingang des Befangenheitsgesuchs hat die Vorsitzende der hiesigen Kammer den Vorsitzenden der 12. Kammer mit richterlicher Verfügung vom 04.05.2020 zur dienstlichen Stellungnahme hierzu aufgefordert. Eine solche förmliche Stellungnahme hat der Vorsitzende XX nicht abgegeben.

Mit Beschluss vom 26.05.2020 (veröffentlicht in juris) hat sich der Vorsitzende der 12. Kammer im Verfahren S 12 SB 3599/19 als Gerichtsperson selbst abgelehnt und sich von der weiteren Mitwirkung hieran selbst ausgeschlossen. Gleichzeitig hat er das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen ihn, den Kammervorsitzenden, als offensichtlich unzulässig verworfen. Im Wege manipulativen "Nudgings" des Präsidenten des Sozialgerichts Karlsruhe gegenüber allen Berufsrichtern des Sozialgerichts Karlsruhe habe man ihn nachdrücklich von der konkreten, nachvollziehbaren Gefahr dienstlicher Benachteiligung durch das Justizministerium des Beklagten wegen seiner im Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 im Verfahren S 12 SB 3113/19 vertretenen Rechtsauffassung in Kenntnis gesetzt. Dies begründe hinreichend seine subjektive Furcht wegen seiner richterlichen Urteilsbildung und Entscheidungsbegründung dienstlich benachteiligt zu werden. Folglich bestehe auch die Besorgnis seiner Voreingenommenheit und nicht mehr hinreichend objektiven Einstellung, weshalb eine Selbstablehnung insgesamt begründet und er vom weiteren Verfahren auszuschließen sei. Für das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 04.05.2020 bestehe nach der Selbstausschließung des Kammervorsitzenden im Verfahren S 12 SB 3599/19 offensichtlich kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, weshalb dieses als offensichtlich unzulässig zu verwerfen sei.

Mit richterlicher Verfügung vom 28.05.2020 hat die hiesige Kammervorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Beschluss des Vorsitzenden der 12. Kammer vom 26.05.2020 im Verfahren S 12 SB 3599/19 das Ablehnungsgesuch des Beklagten – entgegen der Auffassung des Vorsitzende der 12. Kammer – nicht erledigt haben dürfte, weil der Vorsitzende der 12. Kammer zu einer Selbstausschließung in Folge einer Selbstablehnung nicht berechtigt gewesen sein dürfte. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.06.2020 mitgeteilt, aus seiner Sicht habe der Kammervorsitzende der 12. Kammer dem begründeten Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit nicht durch seine Selbstausschließung das Rechtsschutzbedürfnis entziehen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte im Verfahren S 12 SB 3599/19, den Beschluss über die Selbstausschließung des Vorsitzenden der 12. Kammer vom 26.05.2020 im Verfahren S 12 SB 3599/19 sowie die Entscheidungen des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.10.2019 im Verfahren S 12 SB 981/19, vom 14.04.2020 im Verfahren S 12 SB 3113/19 sowie die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 6 SB 3637/19 (sämtlich veröffentlich in juris) Bezug genommen. Auf eine weitere und konkretere Darstellung des Sachverhalts soll insbesondere im Hinblick auf die Ausführlichkeit desselben im Beschluss vom 26.05.2020 verzichtet werden; insbesondere ist den Beteiligten der bisherige Verlauf des Verfahrens- und Streitstandes hinlänglich bekannt.

II.

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 30.04.2020 ist zulässig und begründet.

1. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig.

Gemäß § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Zuständig für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO ein anderer Richter des Sozialgerichts. Nach Abschnitt A, Teil II Nr. 10 i.V.m. Abschnitt B, Teil II Nr. 2) des Geschäftsverteilungsplans des Sozialgerichts Karlsruhe ist für die Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts die Vorsitzende der 13. Kammer zuständig.

a) Das Ablehnungsgesuch des Beklagten hat sich nicht durch den Beschluss des Kammervorsitzenden der 12. Kammer vom 26.05.2020 erledigt, in welchem dieser den Antrag des Beklagten in Folge seiner Selbstausschließung als offensichtlich unzulässig verwirft. Der Beschluss vom 26.05.2020 im Verfahren S 12 SB 3599/19 ist nichtig. Der Vorsitzende der 12. Kammer hat mit seinem Beschluss grundgesetzlich abgesicherte Verfahrensrechte verletzt (dazu aa)) und war darüber hinaus nicht befugt, über seine Selbstablehnung in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (dazu bb)).

Die Unwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen kommt dabei grundsätzlich nur in extremen Ausnahmefällen (BGH, Urteil vom 04. April 2014 – V ZR 110/13 –, Rn. 7, juris) bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74, 76, 79; Urteil vom 23. November 2006 - IX ZR 141/04, NJW-RR 2007, 767 Rn. 10). Derartige Ausnahmefälle sind in der Rechtsprechung angenommen worden bei Entscheidungen über einen bei dem Gericht nicht anhängigen Streitgegenstand (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - II ZB 2/05, NJW-RR 2006, 565 f.; BGH, Urteil vom 26. Januar 1959 - II ZR 119/57, BGHZ 29, 223, 229 f.), bei einem Urteil mit in sich widersprüchlichem oder unbestimmtem Tenor (BGH, Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 80/51, BGHZ 5, 240, 246) und bei Entscheidungen, die gegen eine nicht existente Partei ergangen sind (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, NJW 2010, 3100 Rn. 11) oder auf eine dem Recht unbekannte Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164, 170; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 1763).

Der vorliegende Fall ist diesen von der Rechtsprechung entschiedenen Ausnahmefällen gleichzustellen, weshalb die Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit der Entscheidung der 12. Kammer vom 26.05.2020 festzustellen ist.

Gem. § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 48 ZPO hat das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Es ist demnach, in Ergänzung von §§ 41, 42 ZPO auch Aufgabe und Amtspflicht des Richters für die unparteilich, neutral besetzte Richterbank zu sorgen.

Die Anzeige eines derartigen Verhältnisses leitet wie eine Fremdablehnung das Ablehnungsverfahren ein. Der anzeigende Richter hat sich vom Zeitpunkt der Anzeige an bis zur Entscheidung vorläufig jeder Sachbearbeitung zu enthalten (§ 47). Die schriftliche Anzeige ist zu den Prozessakten (Sachakten) zu nehmen und mit ihnen dem nach § 45 für die Entscheidung zuständigen Richter zuzuleiten. Dieser teilt als Ausfluss des rechtlichen Gehörs ihren Inhalt beiden Parteien mit und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Beschlüsse, die gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, sind unwirksam (BVerfGE 89, 28 = NJW 1993, 2229, Beschluss vom MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl. 2016, ZPO § 48 Rn. 6).

aa) Im vorliegenden Fall hat der Vorsitzende der 12. Kammer durch den Beschluss über seine Selbstausschließung gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, indem er die Anzeige der Gründe seiner Selbstablehnung vor seiner in eigener Zuständigkeit getroffenen Entscheidung hierüber nicht den Beteiligten übermittelt hat. Ihnen wurde damit die Gelegenheit genommen, Stellung hierzu zu beziehen, eventuelle Einwände zu erheben oder auch die Ablehnungsgründe für zutreffend zu erachten. Vielmehr ist der Beschluss vom 26.05.2020 in völliger Unkenntnis der Beteiligten über die eigenen Zweifel des Vorsitzenden, im vorliegenden Verfahren neutral und objektiv entscheiden zu können, ergangen. Bis zum Beschluss vom 26.05.2020 wussten die Beteiligten nicht einmal, dass der Kammervorsitzende der 12. Kammer selbst Gründe annimmt, die es rechtfertigen könnten, ihn vom Verfahren auszuschließen. Die grundgesetzliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs konkretisiert das Rechtsstaatsprinzip mit weitreichenden Folgen für das gerichtliche Verfahren. Der einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Die Parteien müssen sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird, vor Erlass der Entscheidung äußern dürfen (vgl. grundlegend BVerfGE 1, 418 (429) = NJW 1953, 177; st. Rspr.; zuletzt BVerfGE 86, 133 (144 f.) m. w. Nachw. = DtZ 1992, 327 = NJW 1992, 2877). Damit dient das Grundrecht auf rechtliches Gehör gerade dazu, den Beteiligten die Möglichkeit zu verschaffen, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Auch das BVerfG (NJW 1993, 2229 ) sieht hierin ein Mindestmaß an Verfahrensbeteiligung, das keinesfalls verkürzt werden darf und wodurch bei Nichtbeachtung die Grenze eines Verfassungsverstoßes überschritten ist.

Bei der Frage der sich hieraus ergebenden Nichtigkeit der Selbstausschließung muss berücksichtigt werden, dass neben den immer zu prüfenden rechtlichen Voraussetzungen unstreitig auch insbesondere die Person des Richters, der eben zu einer freien und unabhängigen Überzeugungsbildung verpflichtet ist, Einfluss auf den Verfahrensausgang nimmt. Es ist demnach kaum eine Situation vorstellbar, bei welcher der Anspruch auf rechtliches Gehör weitreichendere Folgen für die Beteiligten haben kann als wenn den Beteiligten im Falle einer Selbstablehnung des Richters und einer darauf basierenden Selbstausschließung die Möglichkeit verwehrt wird, sich dahingehend zu äußern, ob der sich ablehnende Richter weiter das Verfahren führen soll oder nicht.

Die Möglichkeit der Stellungnahme zur Selbstablehnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beklagte ohnehin zuvor ein Ablehnungsgesuch gegen eben diesen Vorsitzenden der 12. Kammer gestellt hatte. Die Gründe des Ablehnungsgesuchs des Beklagten sind nämlich mit den Gründen des hier sich selbstausschließenden Richters gerade nicht identisch. Stützt sich das Gericht bei seiner Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch oder eine Selbstablehnung allein auf eine Darstellung des betroffenen Richters, die die Verfahrensbeteiligten nicht kennen, so verletzt es Art. 103 Abs. 1 GG, weil es seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde legt, zu denen rechtliches Gehör nicht gewährt wurde (vgl. BVerfGE 24, 56 (61 f.) = NJW 1968, 1621). Hierbei muss es im Hinblick auf die Verfahrensrechte der Beteiligten zwangsläufig unerheblich bleiben, ob es sich um ein Drittablehnungsgesuch oder eine Selbstablehnung handelt. Auch unbeachtlich und nach Auffassung des hiesigen Gerichts gerade noch schwerer wiegt ein solcher Mangel, wenn der sich selbst ablehnende Richter den Beteiligten ihren Anspruch auf rechtliches Gehör durch seine eigene Entscheidung selbst entzieht und dies nicht "lediglich" durch eine ohne eben diesen Richter besetzte Richterbank erfolgt. Für den Fall, dass ein Berufsrichter Gründe als gegeben ansieht, die es möglicherweise rechtfertigen, ihn vom Verfahren auszuschließen, ist von ihm schon allein zur Vermeidung des bösen Scheins zu erwarten, dass er unter Einhaltung der Verfahrensgrundrechte der Beteiligten die Entscheidung über seine Ausschließung nicht selbst trifft, sondern diese Entscheidung dem nach Geschäftsverteilungsplan zuständigen Gericht bzw. Richter überlässt.

Mag es im vorliegenden Einzelfall im Ergebnis für den Beklagten möglicherweise auch keinen Unterschied machen, aus welchen Gründen der abgelehnte Richter das Verfahren nunmehr nicht weiterführen kann, so dürfen hier insbesondere auch nicht die Verfahrensrechte des ebenso betroffenen Klägers außer Acht gelassen werden. Auch dieser hat ein grundgesetzlich abgesichertes Recht auf rechtliches Gehör und Anspruch darauf, dass die über sein Anliegen urteilende Richterbank korrekt besetzt ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

bb) Neben der Verletzung des rechtlichen Gehörs war der Kammervorsitzende der 12. Kammer auch nicht berechtigt, die Entscheidung über seine Selbstablehnung in eigener Zuständigkeit zu treffen.

Dem sich selbst ablehnenden Richter ist es zunächst grundsätzlich verwehrt, ohne gerichtliche Entscheidung aus dem Prozess auszuscheiden, wenn er von sich aus Ablehnungsgründe annimmt (MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl. 2016 Rn. 1, ZPO § 48 Rn. 1). Gleichzeitig ist in der juristischen Literatur anerkannt, dass eine Entscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 im Falle einer Selbstanzeige nicht möglich ist (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 48 ZPO, Rn. 8). Unter seinen Ausführungen im Beschluss vom 26.05.2020 im Hinblick auf restriktive Handhabung der ausnahmsweisen Selbstausschließung vom weiteren Verfahren (bei juris, Rn. 90) verkennt der Kammervorsitzende XX hierbei, dass sich die durch § 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO gegebene Möglichkeit der Ausnahme vom Ausschluss der Mitwirkung des abgelehnten Richters von der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch lediglich auf Drittablehnungsgesuche bezieht. So ist es auch der von ihm zitierten juristischen Literatur (Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 60 SGG (Stand: 22.05.2020), Rn. 137) zu entnehmen. Hiervon zu unterscheiden ist aber der vorliegend gegebene Fall der von einem Richter ausgehenden aktiven Selbstablehnung aufgrund den Beteiligten nicht bekannten Gründen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 48 ZPO, der weder dem des § 45 Abs. 2 Satz 2 ZPO entspricht noch auf diesen verweist. § 48 ZPO spricht lediglich von einer (Selbst-)Anzeige, keinesfalls aber von einer in eigener Sache vorzunehmenden Selbstausschließung.

Auch Sinn und Zweck des § 48 ZPO kann eine solche Auslegung nicht entnommen werden. Hier vermag die Ansicht des Vorsitzenden der 12. Kammer, die Befassung eines anderen Richterkollegen mit den vom sich ablehnenden Richter ausgehenden und vorgetragenen Gründen seiner Befangenheitsbesorgnis sei bloße Förmelei und prozessökonomisch kaum vertretbar, nicht zu überzeugen. Vorzugswürdig und geradezu unabdingbar ist hier die Annahme, es habe seinen guten Sinn, dass der Richter nicht in eigener Sache entscheidet (Flint in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 60 SGG (Stand: 22.05.2020), Rn. 137). Dies vor allem dann, wenn man berücksichtigt, dass die Verfahrensrechte der Beteiligten in jedem Falle einzuhalten sind. Dies zeigt der vorliegende Fall exemplarisch.

Die Überlassung der eigentlichen Entscheidung über die Selbstablehnung an einen (zuständigen) Richterkollegen widerspricht dabei nicht dem in Art. 97 Abs. 1 GG verankerten Bild des freien und unabhängigen Richters. Ein solches Vorgehen hindert diesen nämlich nicht daran, seine Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG selbst zu beanspruchen. Dies ist ihm durch seine Anzeige der Befangenheitsbesorgnis möglich, zuzumuten und durch Art. 97 Abs. 1 GG indessen auch auferlegt. Ebenfalls ist durch eine solche gesetzlich vorgesehene Selbstanzeige der richterlichen Eigenverantwortlichkeit als tragende Säule der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Genüge getan. Der Annahme einer "klangheimlichen Kapitulation" (Beschluss vom 26.05.2020, bei juris Rn. 91) im Falle einer Überlassung der Entscheidung über die Selbstanzeige an einen Richterkollegen steht nämlich eben dieses Argument entgegen. Unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung sieht es nicht vor, dass sich ein Richter nach eigener Meinungsbildung über seine Befangenheitsbesorgnis einem Verfahren entziehen kann. Dies muss insbesondere im Hinblick darauf Geltung beanspruchen, dass in höchstem Maße fraglich ist, ob ein Richter, der selbst Gründe der Besorgnis der Befangenheit annimmt, überhaupt in der Lage ist, objektiv über eben diese Gründe und damit seine Selbstausschließung zu entscheiden. Hier ergibt sich ein eindeutiger Wertungswiderspruch, der nicht mit der richterlichen Eigenverantwortlichkeit wegdiskutiert werden kann.

Der Beschluss vom 26.05.2020 lässt deshalb die Verfahrensgrundrechte der Beteiligten gänzlich außer Acht und äußert sich auch nicht zu der Frage, inwieweit durch eine Selbstausschließung - ohne vorherige Anhörung - das grundgesetzlich abgesicherte Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt wird bzw. eine solche Grundrechtsverletzung zu rechtfertigen ist. Nach Auffassung der Kammervorsitzenden sind die Beteiligten im Falle einer – wie vorliegend geschehenen – Selbstausschließung und daraus resultierenden Verwerfung des Drittablehnungsgesuchs in diesem Grundrecht doppelt verletzt. Mag die erfolgte Selbstausschließung im Ergebnis auch dem durch das ursprüngliche Ablehnungsgesuch zum Ausdruck gebrachten Willen des Beklagten entsprechen, kann zumindest auch die Klägerseite ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens durch den eigentlich mit dem Verfahren betrauten Kammervorsitzenden haben. Ebenfalls kann der Beklagte ein Interesse daran haben, dass über die von ihm vorgetragenen Ablehnungsgründe eine Entscheidung ergeht, wenn das Ablehnungsgesuch des Beklagten im Verfahren S 12 SB 3599/19 einen Sachverhalt betrifft, der sich nicht lediglich auf dieses eine Verfahren bezieht, sondern möglicherweise auch Auswirkungen auf weitere in der 12. Kammer anhängige Verfahren des Schwerbehindertenrechts haben kann. Auch insoweit kann der Beklagte ein erhebliches Interesse daran haben, dass eine Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch in der Sache durch den zuständigen Richter ergeht und dieses nicht lediglich vom abgelehnten Richter als unzulässig verworfen wird. Gerade in einem solchen Fall wäre es zu erwarten, dass der sich ablehnende Richter nicht selbst dem Verfahren und damit in der Folge auch sämtlichen weiteren diesen Sachverhalt betreffenden Verfahren entzieht.

Es steht einem nach Geschäftsverteilungsplan dem Verfahren zugewiesenen Berufsrichter mithin gerade nicht frei, auch nach gehöriger Gewissensanspannung, einem Verfahrensbeteiligten sich selbst als Richter zu entziehen. Jedenfalls wiegt das Recht auf den gesetzlichen Richter höher als die vom Vorsitzenden XX angenommene richterliche Eigenverantwortlichkeit, welcher – wie oben dargelegt – auch durch die bloße Selbstanzeige, ausreichend und indes auch in höherem Maße Rechnung getragen wird.

cc) Unter Berücksichtigung der voranstehenden Ausführungen und in Zusammenschau der durch den Beschluss vom 26.05.2020 erfolgten eklatanten Grundrechtsverstöße ist vorliegend ein besonderer Ausnahmefall gegeben, bei welchem die gerichtliche Entscheidung als nichtig und damit wirkungslos anzusehen ist.

Der Nichtigkeit steht letztlich nicht entgegen, dass der Beschluss vom 26.05.2020 nach § 172 Abs. 2 SGG nicht anfechtbar ist und damit grundsätzlich formelle Rechtskraft entfaltet (vgl. hierzu BGH II ZB 2/05). Zwar gilt es, sich die "Urteilsnichtigkeit" für schwerst fehlerhafte Gerichtsentscheidungen als letztes prozessuales Mittel zur Abwendung gravierender Beeinträchtigungen von »Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Gerechtigkeit« offen zu halten (JR 2003, 125, 131), den Beteiligten war aber im hier vorliegenden Fall von Vorneherein die Möglichkeit genommen, die eintretende formelle Rechtskraft der rechtwidrigen Entscheidung wegen deren Unanfechtbarkeit durch das entsprechende Rechtsmittel zu beseitigen (vgl. hierzu (BGH, Beschluss vom 05. Dezember 2005 – II ZB 2/05 –, Rn. 12, juris). In einer solchen Konstellation wäre die Anerkennung der Gültigkeit der Entscheidung wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit sowie deren Offenkundigkeit für die Rechtsgemeinschaft geradezu unerträglich, weil die Entscheidung wesentlichen Prinzipien der rechtsstaatlichen Ordnung widerspricht, vgl. hierzu BGH NStZ 2009, 579, 580, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 1988 – 1 Ws 158/88 –, Rn. 11, juris m.w.N ... Im Ergebnis würde sie nämlich dazu führen, dass sich ein Richter aus einem ihm nach Geschäftsverteilungsplan zugewiesenen Verfahren nach eigenem Gutdünken und ohne Möglichkeit der Beteiligten, hierauf Einfluss zu nehmen, zurückziehen kann bzw. ein ihm nicht zugewiesenes Verfahren – wie hier die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch – an sich ziehen kann. Ein solches Vorgehen beeinträchtigt die Rechtssicherheit, welche einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung immanent ist. Auch der Weg einer Gegenvorstellung bzw. Anhörungsrüge, bei welcher grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, den Grundrechtsverstoß durch Selbstkorrektur zu beseitigen, erscheint im vorliegenden nicht der gebotene zu sein (vgl. hierzu BGH – XI ZR 35/94 = NJW 1995, 403), da nicht davon auszugehen ist, dass der Vorsitzende der 12. Kammer seinen Beschluss – wiederum in eigener und ausschließlicher Zuständigkeit (Abschnitt A, Teil II Nr. 9f) des Geschäftsverteilungsplans des Sozialgerichts Karlsruhe) – aufheben wird. Hier unterscheidet sich die Konstellation erheblich von dem durch den BGH unter XI ZR 35/94 entschiedenen Fall.

b) Da die Entscheidung des Kammervorsitzenden der 12. Kammer vom 26.05.2020 nichtig ist, muss dies ebenfalls Geltung für die von ihm getroffene Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Beklagten haben. Diesem, das Gesuch als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig verwerfende Beschluss ist durch die nichtige Selbstausschließung die rechtliche und praktische Grundlage entzogen, so dass hierüber noch immer von der eigentlich nach Abschnitt A, Teil II Nr. 10 i.V.m. Abschnitt B, Teil II Nr. 2) des Geschäftsverteilungsplans des Sozialgerichts Karlsruhe zuständigen Kammer zu befinden ist.

2. Das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist begründet.

Die hier geltend gemachte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Eine Besorgnis der Befangenheit ist nur anzunehmen, wenn objektiv hinreichende Gründe dafür vorhanden sind, dass der ablehnende Verfahrensbeteiligte subjektiv unter Berücksichtigung der Ansicht eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters haben darf. Dies bedeutet, es ist darauf abzustellen, ob ein solcher Grund vom Standpunkt eines Verfahrensbeteiligten aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise anzunehmen ist. Eine rein subjektiv unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält (vgl. nur BVerfG, Entscheidung vom 11.10.2011, Az.: 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10, zitiert nach juris Rn. 17 mit weiteren Nachweisen). Befangenheit des Richters ist mithin gleichbedeutend mit Parteilichkeit und Voreingenommenheit. Befangenheit meint eine unsachliche innere Einstellung des Richters, die sich störend auf seine Distanz, Neutralität und Unparteilichkeit gegenüber den Beteiligten des konkreten Verfahrens auswirken kann (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 42 ZPO, Rn. 8; Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, 1980, S 86). Besorgnis der Befangenheit des Richters ist anzunehmen, "wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen" (vgl. § 1036 II 1 ZPO). Die Generalklausel des § 42 Abs. 2 ZPO ist auch anhand der Rechtsprechung des EGMR zu Art 6 I EGMR näher zu konkretisieren (G. Vollkommer aaO [s vor § 41] S 44 f; 87 f). Der EGMR unterscheidet zwischen persönlicher Voreingenommenheit und (praktisch bedeutenderer) objektiver Befangenheit (EuGRZ 85, 409; 93, 122). In jedem Fall muss schon der äußere Anschein von Befangenheit, der "böse Schein" von Voreingenommenheit (BVerfGE 108, 122, 129; BVerfG NJW 2018, 1307 Tz 17; BGH NJW-RR 2014, 1469 Tz 5 = MDR 2014, 1465) vermieden werden: "Justice must not only be done, it must also be seen to be done" (EGMR EuGRZ 93, 122). Die Richterablehnung enthält deshalb im Ergebnis auch keine Herabsetzung des Richters (M. Schwab JZ 2019, 82; aA BayObLG NJW 2000, 3079).

Dabei sind gem. § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO zur Darlegung von Ablehnungsgründen Tatsachen hinreichend substantiiert und nachvollziehbar vorzutragen und sodann glaubhaft zu machen (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 29.06.2000, Az.: III B 102/99, zitiert nach juris Rn. 7).

Die Ablehnungsgründe sind vom Gericht in ihrer Gesamtheit zu würdigen. In Zweifelsfällen ist dem Ablehnungsgesuch stattzugeben; dies folgt aus Sinn und Zweck des §&8201;42 Abs. 2 ZPO (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 42 Rn. 12, beck-online).

Gemessen hieran liegen Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu begründen, zumindest aber berechtigte Zweifel hieran aufkommen zu lassen.

a) Voranzustellen ist, dass die vom Beklagten vorgebrachten Mängel der Verfahrensführung im konkreten Verfahren S 12 SB 3599/19 zunächst keine Gründe darstellen, die per se ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des hier abgelehnten Richters begründen. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, ihm würden in den durch Richter am Sozialgericht geführten Schwerbehindertenverfahren die Verwaltungsakten nicht zur Stellungnahme übersandt und ihm seien aufgrund der Corona Pandemie gegebenen Einschränkungen unangemessen kurze Fristen gesetzt worden, so sind hierin keine derart gravierenden Verfahrensmängel zu erblicken, die eine Befangenheitsbesorgnis bestätigen könnten. Insbesondere ist dem Beklagten hier entgegenzuhalten, dass die gerichtliche Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid am 16.04.2020 per elektronischer Akte versandt wurde. Soweit der Vorsitzende der 12. Kammer eine Frist zur Anhörung von lediglich 2 Wochen ab Zugang gesetzt hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 105 SGG (Stand: 02.06.2020), Rn. 65). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Schreibens des Beklagten vom 19.03.2020, wonach der Dienstbetreib beim Landesversorgungsamt bis zum 19.04.2020 auf das unabdingbar notwendige Maß beschränkt war. Die Gerichtsbescheidsanhörung ging lediglich 3 Tage vor Ende dieses angekündigten eingeschränkten Dienstbetriebes zu, so dass dem Beklagten noch immer Gelegenheit verblieb, hierauf sachgerecht zu reagieren. Insbesondere ist bei der Würdigung der angemessenen Frist nicht zu vernachlässigen, dass dem Beklagten der Sachverhalt und das Vorgehen des Vorsitzenden der 12. Kammer in eben diesen gleichgelagerten Verfahren – wie er auch selbst darlegt - bereits bekannt war, so dass er sich nicht mit einem völlig neuen Streitstoff auseinandersetzen musste. Ein vom Beklagten gefordertes generelles Absehen vom Setzen richterlicher Fristen während des sog. "Lock-Downs" konnte in Anbetracht der Vielzahl der vor dem Sozialgericht anhängigen Verfahren indessen auch nicht in ihrer Absolutheit gefordert werden. Die Kammervorsitzende verkennt hierbei nicht die besondere – auch bei den Sozialgerichten einmalige – Situation. Ein völliges Ruhen des Dienstbetriebes bei den Sozialgerichten (und hierauf läuft der Wunsch des Beklagten letztlich hinaus) war allerdings mit dem Gebot zur beschleunigten Verfahrensführung nicht zu vereinbaren. Soweit hier deshalb einige Tage vor Auslaufen des angegebenen Zeitraums in einem bereits bekannten Sachverhalt eine richterliche Frist gesetzt wurde, ist dies nicht zu beanstanden und führt insbesondere nicht dazu, Misstrauen gegen die Neutralität des abgelehnten Richters zu begründen. Umso mehr gilt dies im Hinblick auf die nach § 131 Abs. 5 SGG einzuhaltende Frist für eine mögliche Zurückverweisung von sechs Monaten. Die Corona-bedingten Einschränkungen verlängern diese Frist nämlich gerade nicht.

Ebenfalls begründet das grundsätzliche Festhalten an seiner unter dem Aktenzeichen S 12 SB 981/19 wegen eines möglicherweise gegebenen Ermittlungsdefizits der Versorgungsverwaltung erstmals ergangenen Rechtsprechung – entgegen der Auffassung des Beklagten - keinen Grund zur Besorgnis der Befangenheit des Richters am Sozialgericht XX. Soweit sich der Kammervorsitzende der 12. Kammer mit seiner Auslegung des § 131 Abs. 5 SGG inhaltlich in Widerspruch zu der Rechtsprechung der zweiten Instanz, insbesondere der des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.01.2020 (L 6 SB 3637/19) setzt, ist dies im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ohne sich vorliegend zu der Frage zu äußern, ob die Rechtsprechung des Vorsitzenden XX zu § 131 Abs. 5 SGG von der hiesigen Kammervorsitzenden als zutreffend erachtet wird (hierauf kommt es nämlich vorliegend nicht an), gebietet es das grundrechtlich geschützte Institut der richterlichen Unabhängigkeit, dass es auch einem Richter der ersten Instanz möglich sein muss, an seiner von ihm vertretenen Rechtsauffassung festzuhalten, soweit er dies zu begründen vermag.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies im Konkreten, dass Richter am Sozialgericht XX, um weiter nach seiner freien richterlichen Überzeugung handeln und entscheiden zu können, die nach seiner Auffassung objektive Willkür der landessozialgerichtlichen Entscheidung vom 23.01.2020 aufzeigen musste. Denn grundsätzlich ist eine besondere rechtliche Schwierigkeit im Sinne des § 105 SGG anzunehmen, wenn das Gericht von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts abweichen will (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 105, Rn. 6b). Selbstverständlich mag eine solche Entscheidung, die eine willkürliche Entscheidung der zweiten Instanz annimmt, an einigen Stellen für Unbehagen sorgen, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ein solches Vorgehen im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit nicht zu einem Misstrauen gegen die Objektivität und Neutralität eines Richters führen kann, so lange dessen Ausführungen sich auf rechtliche Belange beschränken und in einer Art und Weise erfolgen, die der Sache angemessen sind. Dass in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat kritische und unter Umständen extreme Rechtsauffassungen vertreten und begründet werden, muss und kann unser Rechtsstaat, der seinen Richtern als einer der drei staatstragenden Gewalten völlige Unabhängigkeit garantiert, aushalten.

In Anbetracht der voranstehenden Ausführungen kann zumindest auch nicht angenommen werden, dass eine mögliche "Vielzahl von Verfahrensfehlern" des Vorsitzenden der 12. Kammer in den einschlägigen Schwerbehindertenverfahren eine Besorgnis der Befangenheit begründet. Aus der Art der Verfahrensführung kann sich zwar die Befangenheit ergeben, wenn sie auf willkürliche Benachteiligung oder Bevorzugung einer Partei schließen lässt, zB durch die mangelnde Bereitschaft, mündliches oder schriftliches Parteivorbringen zur Kenntnis zu nehmen (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 42 Rn. 18, beck-online). Vorliegend ist dies jedoch – wie dargelegt - im Hinblick auf die zumindest vertretbaren rechtlichen Ausführungen des Vorsitzenden der 12. Kammer zur Anwendung und Auslegung des § 131 Abs. 5 SGG, mag der Beklagte diese auch nicht teilen, und die daraus resultierende Verfahrensführung zu verneinen.

b) Gleichermaßen sieht die Kammervorsitzende in den in der Selbstanzeige des Vorsitzenden der 12. Kammer vorgebrachten Gründen – und als solche ist der Beschluss vom 26.05.2020 nach der oben dargelegten Nichtigkeit zu bewerten – keinen Anlass eine Besorgnis der Befangenheit tatsächlich anzunehmen.

Mag es auch sein, dass Richter am Sozialgericht XX ob der E-Mails des Präsidenten des Sozialgerichts vom 23.04.2020 und 24.04.2020 tatsächlich eine subjektive Furcht vor dienstlicher Benachteiligung empfindet, die sich in den durch ihn beschriebenen und von der hiesigen Kammervorsitzenden als wahr unterstellten nächtlichen Durchschlafschwierigkeiten, Brustenge und Konzentrationsschwierigkeiten äußert, so lassen sich nach eingehender Überprüfung und freier richterlicher Überzeugungsbildung objektive Anhaltspunkte für dieses subjektive Empfinden nicht bestätigen. Eine aber nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist nicht Maßstab der Prüfung der Besorgnis der Befangenheit (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2013 – L 27 SF 8/13 B AB –, juris).

Wenn Richter am Sozialgericht XX in seinem Beschluss ausführt, der Präsident des Sozialgerichts Karlsruhe habe in seiner E-Mail vom 23.04.2020 nachdrücklich und letztlich unmissverständlich den Kammervorsitzenden vor der Zufügung einer dienstlichen Benachteiligung seitens des Justizministerium gewarnt und sogleich in derselben E-Mail sämtliche Berufsrichter des SG Karlsruhe "genudgt", ist dem entgegenzuhalten, dass die Kammervorsitzende, die sich ebenfalls im Verteiler der E-Mail des Präsidenten des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.04.2020 befand, eben diese E-Mail lediglich als Richtigstellung des durch den Vorsitzenden der 12. Kammer in dessen vorausgegangener E-Mail vom 22.04.2020 beschriebenen Sachverhalts, nämlich die Unkenntnis des Gerichtsbescheides vom 14.04.2020 während des Gesprächs am 21.04.2020 zwischen Richter am Sozialgericht XX und dem Präsidenten des Sozialgerichts angesehen hat. Eine diesbezügliche Klarstellung erscheint der Kammervorsitzenden in Anbetracht der durch Richter am Sozialgericht XX im Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 verwandten Wortwahl durchaus angemessen. Es muss sowohl dem Präsidenten eines Sozialgerichts als Dienstvorgesetztem wie auch jedem anderen freistehen und möglich sein, sich von missverständlichen Ausführungen eines anderen zu lösen und ggfs. zu rehabilitieren. Nichts weiter ist vorliegend bei objektiver Betrachtung geschehen.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren E-Mail des Präsidenten des Sozialgerichts vom 24.04.2020, welche wortgleich auch den übrigen ernannten Berufsrichtern des Sozialgerichts zugegangen ist und in welcher der Präsident auf den von ihm vor seinem Ruhestand anzufertigenden sog. "weiteren Beurteilungsbeitrag" (Ziff. 6.2, lit. c) VwVBRL-LRiStAG) verweist, kann eine Warnung an den Vorsitzenden XX vor dienstlichen Nachteilen infolge seiner Rechtsprechung zum systematischen Ermittlungsdefizit nicht ernstlich angenommen werden. Nach Auffassung der Kammervorsitzenden ergibt sich keinerlei Zusammenhang zur der E-Mail vom 23.04.2020. Die E-Mail vom 24.04.2020 adressierte der Präsident des Sozialgerichts wortgleich an die gesamte ernannte Richterschaft des SG Karlsruhe. Sie diente ausweislich ihres Wortlautes lediglich dazu sämtliche Kammervorsitzenden förmlich über den anstehenden Beurteilungsbeitrag zu informieren und die Möglichkeit zu geben, die vom Präsidenten in dem Beurteilungsbeitrag zugrunde zu legende Statistik zu überprüfen. Wie Richter am Sozialgericht XX zutreffend ausführt, war dies aufgrund des in dieser Zeit eingeschränkten Dienstbetriebes am SG Karlsruhe der schnellste und einfachste Weg hierzu. Der E-Mail einen darüberhinausgehenden Zweck, nämlich Warnung des Richters am Sozialgericht XX und "Nudging" der übrigen Richterschaft einzuräumen, erscheint im Hinblick auf deren klaren Wortlaut und Inhalt nicht diskussionswürdig.

Weiterhin verkennt Richter am Sozialgericht XX, dass die Richterschaft des Sozialgericht Karlsruhe durchaus sowohl in juristischer als auch in persönlicher Hinsicht befähigt ist, nach eigener Meinungsbildung und Überzeugung ihrer richterlichen (Eigen-)verantwortlichkeit nachzukommen und frei und unabhängig zu entscheiden. Eben deshalb steht es ihnen auch offen, sich der Rechtsprechung des Vorsitzenden der 12. Kammer nicht anzuschließen, mag dies geschehen, weil sie bereits dessen Auslegung des § 131 Abs. 5 SGG nicht teilen, eine von ihm gesehene Willkür der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 23.01.2020 nicht erblicken können oder aus anderen hier nicht bekannten und nicht weiter zu verfolgenden Gründen. Der Gesamtheit der baden-württembergischen Berufsrichtern hier kollektive und individuelle Selbstlüge aufgrund genereller Fehlbarkeit sowie justizielle Diskriminierung der schwerbehinderten Klägerschaft zu unterstellen hilft weder den in diesen Verfahren betroffenen Klägern noch der Klärung des vorliegenden Problemkreises insgesamt weiter.

c) Letztlich ergibt sich für die Kammervorsitzende jedoch die Besorgnis der Befangenheit des Richters am Sozialgericht XX aus einer Gesamtschau der auch zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisse und ergangenen Beschlüsse.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Ausführungen nichtrechtlicher Art im Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 – wie dies vom Beklagten vorgebracht wird – alleine geeignet sind, Anlass zu geben, an der notwendigen Neutralität des hier abgelehnten Richters zu zweifeln, wenn dieser von einer strukturell bedingten nicht unerheblichen Ungewissheit, ob die dienstrechtlich dem Beklagten unterstellten Berufsrichter der Landessozialgerichtsbarkeit des Bundeslandes Baden-Württemberg in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts in jedem Einzelfall freie und unabhängige Urteile über Verwaltungsentscheidungen der Versorgungsverwaltung des Beklagten fällen können und nicht mitunter subjektiv willkürlich befinden müssen, ausgeht (Gerichtsbescheid vom 14.04.2020, juris Rn. 118).

Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch kann es des Weiteren aber auch keine Rolle spielen, dass sich der abgelehnte Richter bereits selbst durch – wenn auch nichtigen Beschluss – wegen Besorgnis der Befangenheit vom Verfahren ausgeschlossen hat. Eine solche Annahme würde nämlich wiederum dazu führen, dass es ein Richter selbst in der Hand hätte, welche Verfahren er zu führen beabsichtigt und welche nicht. Das Recht auf den gesetzlichen Richter wäre auch in diesem Fall konterkariert.

Das Gericht kann allerdings bei seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die Gründe, die der Kammervorsitzende XX in seinem Beschluss vom 26.05.2020 für die Annahme seiner Befangenheitsbesorgnis darlegt, nicht gänzlich außer Acht lassen. Soweit der Vorsitzende XX nächtliche Durchschlafschwierigkeiten, Brustenge und Konzentrationsstörungen beschreibt, deutet dies bereits auf eine geistige Einvernahme des Richters in den zwischen den Beteiligten streitigen Problemkreis hin. Dies mag für sich allein gesehen keine Befangenheitsbesorgnis begründen, denn von der Tatsache, berufliche Problemstellungen mit in seinen Alltag zu nehmen, können sich weder Berufsrichter noch alle anderen Berufsgruppen freisprechen. Wenn dann aber im Weiteren – wie aufgezeigt – eklatante Grundrechtsverstöße begangen werden, um sich selbst dem Verfahren zu entziehen, so lässt sich zumindest die Besorgnis der Befangenheit – und eine solche ist bereits ausreichend – nicht mehr überzeugend widerlegen. Sowohl durch den Gerichtsbescheid vom 14.04.2020 als auch den Beschluss vom 26.05.2020 kann zumindest aus Sicht des Beklagten der Eindruck entstehen, der Vorsitzende der 12. Kammer sei in dem Thema und seinen Gedankengängen derart gefangen, dass ihm eine objektive Sichtweise und eventuell auch eine Umkehr seiner richterlichen Meinungsbildung, für welche nach Auffassung der Kammervorsitzenden ein Berufsrichter in jedem Stadium des Verfahrens zumindest zugänglich sein muss, nicht mehr möglich ist.

Die Ausführungen in beiden Entscheidungen erweisen sich möglicherweise nicht in ihrer rechtlichen Art (was vorliegend keiner Entscheidung zugeführt werden muss), aber jedenfalls in ihrer tatsächlichen Art und in Zusammenschau mit den oben aufgezeigten Verfahrensverstößen als unsachlich und der Verfahrensführung eines objektiven neutralen Richters nicht mehr angemessen. Die sozialgerichtliche Berufsrichterschaft unter die Knechtschaft der Dienstaufsicht der Justizverwaltung zu stellen (Beschluss vom 26.05.2020, bei juris Rn. 91) und dieser nach nunmehr über 65-Jähriger Geschichte noch immer Verstrebungen zur nationalsozialistischen Vergangenheit vorzuwerfen (Gerichtsbescheid vom 14.04.2020, juris Rn. 128 und 130; Beschluss vom 26.05.2020, bei juris Rn. 87) geht jedenfalls augenscheinlich an der Sache vorbei und ist zumindest geeignet, den Anschein einer unsachlichen inneren Einstellung des hier abgelehnten Richters zu erwecken.

Dieser Beschluss ergeht gemäß § 172 Abs. 2 SGG endgültig und ist daher nicht anfechtbar (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2017, Az.: L 9 R 1736/16, zitiert nach Juris Rn. 28).
Rechtskraft
Aus
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