L 4 AY 22/20 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 30 AY 18/20 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 22/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3a Abs. 1 Nr. 3 b) AsylbLG auf Grundleistungen in Höhe des notwendigen persönlichen Bedarfs besteht unabhängig von der Frage, ob der notwendige Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG im Wesentlichen von dritter Seite gedeckt wird.
2. Bei einer stationären Unterbringung (hier: stationärer Aufenthalt in einem Krankenhaus) ist der Anordnungsgrund eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung existenzsichernder Leistungen dann gegeben, wenn zwar das physische Existenzminimum gedeckt ist, ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung der Teilhabebereich bzw. soziokulturelle Bereich des Existenzminimums jedoch laufend im Wesentlichen ungedeckt bliebe (Anschluss an LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Dezember 2013 – L 20 AY 106/13 B ER –).
3. Zur Ermittlung der Beschwer im Rahmen der Statthaftigkeit der Beschwerde nach §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, § 144 Abs. 1 SGG.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. August 2020 aufhoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 27. Juli 2020 bis zum 30. November 2020 Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG i.H.v. 149,71 EUR monatlich (ggf. anteilig) zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 80 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für den Beschwerderechtszug ratenfrei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., B-Stadt, bewilligt.

Gründe:

I.

Der 1974 geborene Antragsteller ist kasachischer Staatsangehöriger.

Er beantragte jedenfalls am 10. Mai 2016 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Der Antragsteller war nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und eine Duldung vom 27. August 2015 wurde nicht verlängert. Die Frist einer Grenzübertrittsbescheinigung lief am 28. April 2016 ab. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Mai 2016 ab.

Seit dem 28. Juni 2016 wird der Antragsteller nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Psychosomatik) des Klinikums Frankfurt-Höchst – Kliniken Frankfurt-Main-Taunus GmbH – stationär behandelt, ausweislich einer Bescheinigung vom 21. Juli 2016 wegen mehrerer Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Im Rahmen eines seinerzeit durchgeführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtete der Senat mit Beschluss vom 23. August 2016 – L 4 AY 4/16 B ER – die Antragsgegnerin, dem Antragsteller für die Zeit vom 18. Mai 2016 bis 27. Juni 2016 vorläufig Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung führte der Senat u.a. aus, seit der Aufnahme in die stationäre Einrichtung am 28. Juni 2016 liege ein Anordnungsgrund nicht mehr vor, weil das Existenzminimum nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers seither durch die stationäre Behandlung gesichert sei. In der Hauptsache ist am Sozialgericht Frankfurt eine Klage gegen die Ablehnung mit Bescheid vom 11. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 unter dem Aktenzeichen S 30 AY 18/17 anhängig.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2020 an die Antragsgegnerin verwies die Bevollmächtigte des Antragstellers auf den Schriftsatz vom selben Tage im o.g. Hauptsacheverfahren und betonte die chronische Unterfinanzierung des Antragstellers. Im Klinikum würde nur das physische Existenzminimum gedeckt. Zur Vermeidung eines Eilverfahrens ersuche sie den Antragsteller, Leistungen ab dem 1. August 2020 in Höhe von 200,32 EUR bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens zu erbringen.

Am 27. Juli 2020 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, gerichtet auf Gewährung von monatlich 189,05 EUR ab 27. Juli 2020 für einen angemessenen Zeitraum. Das Angebot des Klinikums beschränke sich auf das dringendst Nötige. Der Antragsteller erhalte Essen, Seife und Toilettenpapier. Im Klinikum gebe es einen Fernsehraum. Nicht erbracht würden Leistungen aus den EVS-Abteilungen 3 (Bekleidung und Schuhe), 7 (Verkehr), 8 (Nachrichtenübermittlung), 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur), 10 (Bildung), 12 (andere Waren und Dienstleistungen). Der Antragsteller bezieht sich auf BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 – Rn. 119.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, es würden keine das Existenzminimum betreffende Leistungen beantragt, weshalb es an der Eilbedürftigkeit fehle.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20. August 2020 zurückgewiesen. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er sich in einer aktuellen, seine Existenz bedrohenden Notlage befinde. Er werde noch immer wegen der bei ihm bestehenden psychiatrischen Erkrankungen in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Psychosomatik) des Klinikums Frankfurt-Höchst behandelt und entsprechend versorgt. Es sei entsprechend den Ausführungen im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts davon auszugehen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt werde. Der Beschluss ist der Bevollmächtigten des Antragstellers am 21. August 2020 zugestellt worden.

Zu seiner am 31. August 2020 erhobenen Beschwerde vertieft der Antragsteller sein Vorbringen zum nicht vom Klinikum gedeckten Bedarf und trägt vor, die Beschwerde sei statthaft, da die zugrunde liegende Hauptsache zukunftsoffen sei. Auch der Eilantrag sei nicht zeitlich befristet gestellt worden. Zu seinem konkreten Bedarf hat der Antragsteller eine Versicherung an Eides statt vom 9. September 2020 vorgelegt (Bl. 49 f. d.A.).

Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. August 2020 zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig ab 27. Juli 2020 in Höhe von 189,05 EUR monatlich zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 1. September 2020 einen richterlichen Hinweis zur fraglichen Statthaftigkeit und zur Notwendigkeit der Glaubhaftmachung konkreter Bedarfe erteilt.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist insbesondere nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG statthaft. Hiernach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, u.a. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Bei der Wertberechnung ist nicht auf den Streitgegenstand einer tatsächlich anhängigen Hauptsache abzustellen. Auszugehen ist von dem Wert des Streitgegenstandes, über den das Sozialgericht tatsächlich entschieden hat. Weicht der Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von dem Antrag im Hauptsacheverfahren ab, ist im Rahmen von § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG auf das Begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und auf den dortigen Beschwerdewert abzustellen, nicht auf den des Hauptsacheverfahrens (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2012 – L 20 AS 647/12 B ER –, juris Rn. 20; Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG – Stand: 15. Juni 2020 –, § 172 Rn. 139 f.). Sind laufende Leistungen streitgegenständlich, so ist danach zu differenzieren, ob es sich – z.B. bei einer nach Auffassung des Antragstellers zu geringen Leistungsbewilligung – um einen abgeschlossenen Zeitraum handelt, bei der das Ende des Bewilligungszeitraums eine Zäsur bildet, oder aber, ob zukunftsoffen Leistungen begehrt werden. Bei einem zukunftsoffenen Antrag (oder wie hier: "für einen angemessenen Zeitraum") ist die Beschwer nicht etwa auf die Versagung von Leistungen beschränkt, die bis zum Datum der erstinstanzlichen Entscheidung beansprucht werden. Beschwert ist der Antragsteller auch dadurch, dass ihm darüber hinaus Leistungen "für einen angemessenen Zeitraum" versagt werden. Geht man davon aus, dass dies nach der Rechtsprechung des Senats im Falle einer Stattgabe mindestens der Zeitraum bis zum Ende des Folgemonats der Entscheidung ist, so ergibt sich bei Zugrundelegung einer zu erwartenden Verfahrenslaufzeit ex ante im Beschwerdeverfahren bereits eine Beschwer ab 27. Juli 2020 i.H.v. 4,1 Monaten x 189,05 EUR = 775,11 EUR. Der Senat kann daher offen lassen, wie konkret die Beschwer bei zukunftsoffenen Streitgegenständen zu bestimmen ist und ob der pauschalierenden Betrachtungsweise des 8. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen zu folgen ist, wonach grundsätzlich bei laufenden existenzsichernden Leistungen nach dem AsylbLG von einem 12-Monats-Zeitraum auszugehen sei (zuletzt LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juli 2020 – L 8 AY 52/20 B ER –, juris Rn. 15 m.w.N.).

Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit, dass der Antragsteller einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch in der Hauptsache hat (Anordnungsanspruch) und es ihm nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Diese Anforderungen sind im Lichte der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu konkretisieren (zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, juris, Rn. 10 m.w.N.). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt. Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten, müssen die Gerichte bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird.

Gemessen an diesem Maßstab besteht dem Grunde nach ein Anordnungsanspruch nach §§ 3 ff. AsylbLG.

Der Antragsteller zählt nach wie vor zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis. Danach sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller, der nach Ablauf der vorbestehenden Duldung am 26. November 2015 und der Versagung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. weiteren Duldung vollziehbar ausreisepflichtig nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist. An diesem im Verfahren L 4 AY 4/16 B ER ermittelten Sachstand hat sich ausweislich des Beteiligtenvorbringens und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin nichts geändert.

Nach der Systematik der §§ 3 ff. AsylbLG führt die Aufnahme in eine stationäre Einrichtung nicht dazu, dass der Anspruch auf Leistungen für den notwendigen Bedarf und den notwendigen persönlichen Bedarf im Sinne eines Leistungsausschlusses entfiele. Eine § 7 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vergleichbare Regelung fehlt im AsylbLG, vielmehr wird der Bedarf in einer stationären Einrichtung nach § 3a Abs. 1 Nr. 3 b) und § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG abweichend bemessen (dazu unten).

Der Antragsteller unterfällt auch nach summarischer Prüfung keinem weiteren Leistungsausschluss oder einer Leistungsabsenkung hinsichtlich des im Schwerpunkt geltend gemachten soziokulturellen Existenzminimums, also des notwendigen persönlichen Bedarfs i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AsylbLG deutet nichts hin. Hinsichtlich § 1a Abs. 1 AsylbLG wird auf den Senatsbeschluss vom 23. August 2016 – L 4 AY 4/16 B ER – verwiesen. Soweit sich die Antragsgegnerin nicht im hiesigen Verfahren, aber im Hauptsacheverfahren S 30 AY 18/17 sinngemäß auf den Absenkungstatbestand des § 1a Abs. 3 AsylbLG beruft (Schriftsatz vom 24. April 2018) fehlt es am Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens sowohl an einer konkreten Monokausalität möglicher zu vertretender Hindernisse zur Aufenthaltsbeendigung, da der Antragsteller gegenwärtig stationär behandlungsbedürftig ist, als auch an einem entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt.

Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung vom 9. September 2020, wonach sich der Antragsteller seit vier Jahren im Klinikum in Frankfurt-Höchst aufhält, hegt der Senat keine Zweifel an der Zuständigkeit der Antragsgegnerin.

Am o.g. Maßstab der Glaubhaftmachung hat der Antragsteller auch einen Anspruch der Höhe nach, allerdings nicht vollständig in der geltend gemachten Höhe.

Rechtsgrundlage für die Leistungshöhe sind die Regelungen über Bedarfe in einer stationären Einrichtung nach § 3a Abs. 1 Nr. 3 b) und § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG. Wird der notwendige persönliche Bedarf nach § 3 Absatz 1 Satz 2 vollständig durch Geldleistungen gedeckt, so beträgt dieser monatlich für erwachsene Leistungsberechtigte je 120 EUR, wenn sie in einer stationären Einrichtung untergebracht sind (§ 3a Abs. 1 Nr. 3 b) AsylbLG). Wird der notwendige Bedarf nach § 3 Absatz 1 Satz 1 mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie vollständig durch Geldleistungen gedeckt, so beträgt dieser monatlich für erwachsene Leistungsberechtigte je 155 EUR, wenn sie in einer stationären Einrichtung untergebracht sind (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG).

Die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Bedarfssätze liegen vor.

Der Antragsteller befindet sich in einer stationären Einrichtung. Auszugehen ist insoweit vom Einrichtungsbegriff des § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) (so auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 3a AsylbLG – Stand 29. September 2020 –, § 3a AsylbLG Rn. 49), da es sich bei §§ 3, 3a AsylbLG um Spezialregelungen zu den zur Bedarfsdeckung vorgesehenen Vorschriften des SGB XII handelt. Eine Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – B 8 SO 12/16 R –, juris Rn. 28 m.w.N.). Ein der stationären Krankenbehandlung dienendes Krankenhaus ist daher eine stationäre Einrichtung sowohl i.S.d. § 13 Abs. 2 SGB XII als auch i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 3 b) und § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG.

Der Antragsteller fällt auch unter den Personenkreis, der seine Leistungen im genannten Umfang als Geldleistungen gedeckt erhalten muss. Systematisch dient diese Voraussetzung der Abgrenzung zur hier nicht einschlägigen Leistungsgewährung durch Sachleistungen in Aufnahmeeinrichtungen (vgl. § 3 Abs. 2 AsylbLG).

Der Antragsteller hat einen notwendigen Bedarf in Höhe von 29,71 EUR, nämlich für Bekleidung und Schuhe nach dem Leistungssatz 3, glaubhaft gemacht.

Zunächst geht der Senat hinsichtlich der allgemeinen Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslosigkeit vom Sachstand seines Beschlusses vom 23. August 2016 – L 4 AY 4/16 B ER – aus und stellt nach Auswertung der Verwaltungsvorgänge für den Folgezeitraum bis heute fest, dass keine Anhaltspunkte für eine Verbesserung der Einkommens- und Vermögenslage ersichtlich sind, was angesichts der Lebenssituation des Antragstellers in den letzten vier Jahren auch eher fernläge.

Nach der Versicherung an Eides statt vom 9. September 2020, an deren Richtigkeit und Glaubhaftigkeit der Senat keine Zweifel hegt, habe der Antragsteller sich seit vier Jahren keine neue Kleidung habe kaufen können. Nach den nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers sei seine Kleidung überstrapaziert, da im Klinikum immer ein Trockener benutzt werden müsse. Er habe keine Winterjacke und auch keine Winterschuhe. Es mangele ihm auch sehr an Unterwäsche. Ebenso nachvollziehbar wie offensichtlich ist es, dass ein Patient über vier Jahre hinweg sich seinen Bedarf nicht aus dem Fundus des Krankenhauses decken kann, zumal ein Sozialleistungsträger im Bereich der Existenzsicherung seine Einstandspflicht nicht durch den Verweis auf die freie Wohlfahrtspflege, Tafeln o.Ä. umgehen kann (vgl. auch teilweise in anderem Zusammenhang: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. November 2007 – L 20 B 74/07 AY –, juris; Rixen, SGb 2008, 501).

Nicht klärungsbedürftig ist insoweit die schwierige Rechtsfrage, ob und wie die dem Bedarf nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG unterfallende Verpflegung während des Krankenhausaufenthalts sowie die Gesundheitspflege durch das Krankenhaus auf Leistungen nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 b) AsylbLG anzurechnen sind (zu den Lösungsmöglichkeiten und zum Streitstand ausf. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 3a AsylbLG – Stand 29. September 2020 –, § 3a AsylbLG Rn. 50 ff.). Denn solche Bedarfe werden nicht geltend gemacht.

Der Antragsteller hat auch einen notwendigen persönlichen Bedarf nach § 3a Abs. 1 Nr. 3 b) AsylbLG in einem Umfang glaubhaft gemacht, dass er die pauschalierte Leistung bei Aufenthalt in einer stationären Einrichtung i.H.v. 120 EUR im Monat beanspruchen kann. Insoweit war für den Senat hinreichend, dass der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass Bedarfe für Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen und für andere Waren und Dienstleistungen der Abteilung 12 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe in ganz überwiegendem Umfang nicht durch das Krankenhaus gedeckt werden. Der Gesetzgeber ist hier einem Pauschalierungsmodell gefolgt, so dass zur Prüfung des Anspruchs dahinstehen kann, ob der Antragsteller bezüglich jeder einzelnen Bedarfskategorie in einer Situation ist, in der eine entsprechende Bedarfslage auftritt. Dem Vorhandensein eines Fernsehraumes weist der Senat keinen Geldeswert zu, so dass sich auch hier die Anrechnungsfrage nicht stellt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht dem Antragsteller auch ein Anordnungsgrund zur Seite. Der Erlass einer Regelungsanordnung ist auf die Abwendung wesentlicher Nachteile beschränkt, ohne dass diese Nachteile weiter gesetzlich konkretisiert worden sind. Damit begrenzt der Gesetzgeber den einstweiligen Rechtsschutz nicht auf die Beeinträchtigung bestimmter formaler Rechtspositionen, sondern verlangt eine wertende Betrachtung im konkreten Einzelfall (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 – 1 BvR 1910/12 –, juris). Zwar besteht seit langem in der Rechtsprechung der mit Grundsicherungsfragen und dem Asylbewerberleistungsrecht befassten Senate der Landessozialgerichte Einigkeit dahingehend, dass allein die Betroffenheit existenzsichernder Leistungen noch nicht den Anordnungsgrund indiziert (vgl. die Übersicht bei Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG – Stand: 7. September 2020 –, § 86b Rn. 362 ff.). Bedeutsam ist insoweit auch, dass bestimmte notwendige persönliche Bedarfe ihrer Natur nach verschiebbar sind, viele aber auch zeitgebunden sind und insoweit eine nicht wieder gut zu machende Vereitelung des menschenwürdebasierten Anspruchs droht. Jedoch ist der Erlass der Regelungsanordnung geboten, wenn andernfalls vollendete Tatsachen in Bezug auf die Nichterfüllung eines gerade grundrechtlich fundierten Anspruchs geschaffen werden (allgemein Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. § 86b Rn. 27a). Ob eine solche Gefahr droht, ist auch bei einmaligen und wiederkehrenden Leistungen unterschiedlich zu beurteilen. Dabei weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der Bereich der sozialen Teilhabe vom Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst ist und die Gewährleistung nicht in einen "Kernbereich" der physischen und einen "Randbereich" der sozialen Existenz aufgespalten werden darf (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, Rn. 119). Daher ist bei einer stationären Unterbringung der Anordnungsgrund dann gegeben, wenn zwar das physische Existenzminimum gedeckt ist, ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung der Teilhabebereich bzw. soziokulturelle Bereich des Existenzminimums jedoch laufend im Wesentlichen ungedeckt bliebe (vgl. bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Dezember 2013 – L 20 AY 106/13 B ER –, juris Rn. 50). Angesichts eines Anordnungsanspruchs von 149,71 EUR monatlich kann auch nicht von einem Bagatellbetrag ausgegangen werden.

Diese Sichtweise bewegt sich nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom vom 23. August 2016 – L 4 AY 4/16 B ER –, da seinerzeit zu Beginn des stationären Aufenthalts "das Existenzminimum nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ( ) durch die stationäre Behandlung gesichert" war, also damals – anders als jetzt – noch keine wesentlichen Unterdeckungen im Bereich der sozialen Teilhabe bestanden.

Da keine besonderen Umstände ersichtlich sind, befristet der Senat die einstweilige Anordnung auf den Ablauf des Monats, der auf den der Entscheidung folgt. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Antragsgegnerin bei unveränderter Sachlage auch über den 30. November 2020 hinaus vorläufig monatlich 149,71 EUR an den Antragsteller leistet.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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