L 31 AS 818/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 2075/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 818/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Solange der Hilfebedürftige in einem Haus von angemessener Größe wohnt, greift der Vermögensschutz nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, selbst wenn es sich um eine Luxusimmobilie handelt.
2. Dieser großzügig ausgestaltete Schutzzweck entfällt mit dem Verkauf der Immobilie. Der daraus erzielte Gewinn ist nur nach den allgemeinen Vermögensfreibeträgen geschützt.
3. Eine "Nahtlosigkeitsregelung" bis zum Erwerb einer neuen Immobilie findet im geltenden Recht keine Stütze.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017.

Die 1962 geborene Klägerin lebte seit dem Jahre 2005 (Bauabnahme im August 2005) in einem Eigenheim in der S, Sch, Ortsteil G. Das freistehende Haus verfügte über eine Wohnfläche von 110 m2 und stand auf einem 913 m2 großen Grundstück. Zunächst bewohnte sie das Haus mit ihrem Lebensgefährten, der sich im Jahre 2014 von ihr trennte und ihrer Tochter, die am 15. September 2016 auszog.

Seit 2005 stand die Klägerin im (zumindest ergänzenden) Leistungsbezug beim Beklagten. Dieser erkannte das selbstgenutzte Eigenheim als angemessen an, unternahm also im Bezugszeitraum von 2005 bis Ende Juni 2017 keine Bemühungen, das Haus, bzw. das in ihm verkörperte Vermögen, zu verwerten.

Nachdem der Lebensgefährte und die Tochter ausgezogen waren, entschloss sich die Klägerin zum Verkauf der Immobilie, von deren Erlös sie ein anderes, den Angemessenheitskriterien des Beklagten wieder entsprechendes Eigenheim erwerben wollte.

Im notariellen Kaufvertrag über die Veräußerung der Immobilie in der S , Sch, ist ausgeführt, dass der Kaufpreis 364.400 Euro betrage. Aus dem Kaufpreis sei zunächst die noch offene Grundschuld zu bedienen, dann der Ankaufspreis für den hälftigen Miteigentumsanteil an den damaligen Miteigentümer. Letztlich wurden der Klägerin am 4. Juli 2017 220.341,94 Euro als Verkaufserlös auf ihr Konto überwiesen. Laut der vorgelegten Kontoauszüge befand sich am 27. Oktober 2017 noch ein Betrag von 158.663,80 Euro auf dem Konto.

Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 20. Juli 2017 erwarb die Klägerin von der Gemeinde Lein Baugrundstück in einer Größe von 715 m2 zu einem Kaufpreis von 32.175 Euro. Weiter erwarb sie von der Firma T einen "Bungalow 78" zu einem Gesamtkaufpreis von 150.315 Euro Die Wohnfläche des Hauses beträgt ca. 73 m2.

Es gelang der Klägerin nicht, den Verkauf des früheren Hauses in der S , Sch und den Bau des neuen Hauses in L so zu organisieren, dass sie von dem einem Objekt direkt in das andere hätte umziehen können.

Daher mietete sie zum 1. Juni 2017 eine 58 m2 große Wohnung (Bruttowarmmiete 428 Euro) in L, H an. Am 26. April 2018 zog sie in ihr Eigenheim, A, in K L.

Mit Bescheid vom 21. März 2017 hatte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. März 2017 bis 31. Oktober 2017 vorläufig monatliche Leistungen zwischen 583,51 und 683,51 Euro monatlich gewährt. Als Grund für die vorläufige Bewilligung wurde angegeben, dass die Unterkunftskosten noch nicht feststünden. Diese Bewilligung wurde mit Bescheid vom 28. April 2017 wegen geänderter Gasabschläge ebenfalls vorläufig abgeändert. Mit weiterem vorläufigen Bescheid vom 31. Mai 2017 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum ab dem 1. Juni bis 31. Oktober 2017 in Höhe von monatlich 837 Euro unter Anerkennung der Kosten der Unterkunft (KdU) für die Wohnung im Hin Höhe von 428 Euro.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2017 informierte der Beklagte die Klägerin über die Leistungseinstellung ab September 2017. Er gehe davon aus, dass wegen des Erlöses aus dem Verkauf des Hauses in der S, Sch, das Ende der Hilfebedürftigkeit eingetreten sei. Er habe innerhalb von 2 Monaten zu entscheiden, ob weitere Leistungen zustünden oder die Bewilligung zurückgenommen werde.

Mit Bescheid vom 24. August 2017 lehnte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 ab und führte aus, die überzahlte Leistung in Höhe von 1.674 Euro sei zu erstatten (§ 41 a Abs. 6 SGB II). Aufgrund der eingereichten Unterlagen zum Erlös aus dem Hausverkauf und den bereits getätigten Ausgaben für den neuen Hausbau habe sich für den maßgeblichen Bewilligungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 ergeben, dass ein Anspruch nicht bestehe. Die Klägerin verfüge über ein verwertbares Vermögen von 205.301,69 Euro, welches den Vermögensfreibetrag von 8.850 Euro erheblich übersteige. Durch den Verkauf des Hauses im Mai 2017 habe eine Vermögensumwandlung stattgefunden. Die Klägerin habe aus dem Verkauf einen Erlös von 220.341,94 Euro erzielt. Die durchgeführte Vermögensprüfung habe einen aktuellen Kontostand in Höhe von 176.701,79 Euro ergeben, der nicht als geschütztes Vermögen anzusehen sei. Die Leistungen für die Monate Juli und August in Höhe von jeweils 837 Euro seien mit einem Gesamtbetrag von 1.674 Euro zu erstatten.

Dem Widerspruch vom 4. September 2017 blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2017 der Erfolg versagt.

Die hiergegen am 19. Oktober 2017 zum Sozialgericht Potsdam erhobene Klage hat dieses mit Urteil vom 20. Februar 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, da grundsätzlich bei Aufhebung eines Ablehnungsbescheides die vorläufige Bewilligung wieder zum Tragen komme. Allerdings sei der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017 rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte habe vielmehr zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den streitgegenständlichen Zeitraum von Juli 2017 bis einschließlich Oktober 2017 abgelehnt und in der Folge für die Monate Juli und August 2017 die bereits geleisteten Zahlungen zurückgefordert. Hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II sei, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Hier habe die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ihren Lebensunterhalt ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern können. Am 4. Juli 2017 sei ihr der Verkaufserlös aus dem Grundstücksveräußerungsgeschäft in Höhe von 220.341,94 Euro zugeflossen und am 27. Oktober 2017 habe ihr Konto bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse noch einen Kontostand von 158.663,80 Euro aufgewiesen, was weit über den geltenden Vermögensfreigrenzen läge. Das Vermögen sei auch nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 oder 5 SGB II von der Berücksichtigungsfähigkeit ausgenommen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II sei ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Hier stamme das vorhandene Vermögen zwar aus einem selbstgenutzten Hausgrundstück. Die Klägerin habe dieses aber veräußert, woraus ihr am 4. Juli 2017 der Verkaufserlös von 220.341,94 Euro zugeflossen sei. Damit sei der Schutzzweck, der nicht in der Immobilie als Vermögensgegenstand, sondern allein im Schutz der Wohnung im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als räumlicher Lebensmittelpunkt liege (vgl. Lange in: Eicher/Luick, SGB II, 4. Auflage 2017, Rdnr. 86 zu § 12), weggefallen. Das Grundbedürfnis Wohnen sei erfüllt, die Klägerin lebe derzeit in einer Mietwohnung. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch kein so genannter "nahtloser Übergang" des – wie dargestellt – Grundbedürfnisses "Wohnen" vor. Denn sie sei nicht von ihrem Haus in der Sin S, Ortsteil in die noch zu errichtende Immobilie in K L gezogen. Vielmehr habe sie dazu am 24. Mai 2017 lediglich einen entsprechenden Bauwerkvertrag abgeschlossen, der sie zwar schuldrechtlich gebunden habe, aber erst der zukünftigen Befriedigung des Grundbedürfnisses "Wohnen" zu dienen bestimmt war. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen, wonach der Schutzzweck der Norm eben nicht in einer "Immobilie als Vermögensgegenstand" bestehe, sei hier mit dem Zufluss des Kaufpreises und der Anmietung der Wohnung, welche die Klägerin aktuell und noch auf unbestimmte Zeit zu nutzen beabsichtige, der von § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II gewährte Vermögensschutz unterbrochen worden. Das vorhandene Vermögen sei damit mit Ausnahme der für sie nach § 12 Abs. 2 SGB II geltenden Vermögensfreigrenzen vollständig zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen. Nichts anderes ergebe sich für die Klägerin aus § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II. Danach sei Geld nicht als Vermögen zu berücksichtigen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt sei, soweit dieses zu Wohnzwecken Behinderter oder pflegebedürftiger Menschen diene oder dienen solle und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Die Regelung privilegiere damit die Gruppe Behinderter oder pflegebedürftiger Menschen sowie der für sie Einsatzpflichtigen gegenüber anderen Leistungsberechtigten, in dem anders als nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht nur das bereits vorhandene Wohneigentum vom Zwang zum Vermögenseinsatz ausgenommen werde, sondern auch Geld- und Sachwerte, die der erst zukünftigen Befriedigung des Grundbedürfnisses "Wohnen" einer der genannten Personen zu dienen bestimmt sei (Lange in: Eicher/Luick, SGB II, 4. Auflage 2017, Rdnr. 93 zu § 12). Die Voraussetzungen der Norm seien für die Klägerin nicht gegeben. Sie sei weder behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 2 SGB IX noch pflegebedürftig im Sinne des § 61 Satz 1 SGB XII. Ein Pflegegrad sei für die Klägerin unstreitig nicht festgestellt worden. Soweit sie im Verfahren medizinische Unterlagen eingereicht habe, wonach sie im Zeitraum vom 23. August 2017 bis zum 19. September 2017 in der Reha-Klinik "Hoher Fläming" in Bad Belzig eine Rehabilitationsmaßnahme absolviert und unter Fußschmerzen, einem Senk-Spreiz-Knickfuß beidseits, einem Morton-Neurom im linken Vorfuß sowie Adipositas Grad II und Hypertonie leide, bleibe dies unerheblich. Ihre Erkrankungen erreichten nicht die Erheblichkeitsschwelle, welche das Gesetz ausdrücklich vorsehe. Sie sei in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitsfähig. Bereits bei der Aufnahme in die Einrichtung sei sie formal arbeitsfähig gewesen, sie sei auch arbeitsfähig in die weitere ambulante Betreuung entlassen worden. Nichts anderes ergebe sich aus der Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 16. Januar 2018 zum Aktenzeichen L 32 AS 2655/17 B ER. Auch dieses Gericht habe ausgeführt, dass sich aus allen Unterlagen ergebe, dass die Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt sei. Mit Blick auf die vorhergehenden Ausführungen zu einer Privilegierung von Behinderten oder pflegebedürftigen Personen komme auch eine entsprechende oder analoge Anwendung der Nr. 5 nicht in Betracht. Besondere Härtegründe im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien nicht ersichtlich. Das sei regelmäßig nur dann der Fall, wenn außergewöhnliche, bei anderen Hilfsbedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände vorlägen, die nicht bereits durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst würden. Die Härte müsse über die mit der Verwertung von Vermögen generell verbundenen Härte deutlich hinausgehen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst entschlossen das von ihr bewohnte Grundstück mit dem Haus veräußert und sich damit des für sie bestehenden gesetzlichen Schutzes begeben habe. Soweit dies aus persönlichen Gründen, hier der Trennung von ihrem Lebensgefährten und der damit erforderlichen Teilung der Vermögensgegenstände beruhe, liege darin keine besondere Härte, sondern dies entspreche der Realisierung eines allgemeinen Risikos beim Zusammenleben von Menschen, deren Folgen im konkreten Fall nicht durch die Sozialgemeinschaft zu tragen seien. Das Erstattungsbegehren beruhe auf § 41 a Abs. 6 Satz 3 SGB II.

Die Klägerin hat am 18. April 2018 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt und ihr Vorbringen erster Instanz wiederholt und vertieft. Sie sei der Auffassung, dass die vom Beklagten geforderte Nahtlosigkeit der Vermögensumwandlung vorliege. Es könne bei einem Verkauf einer Immobilie und der Neuerrichtung einer anderen Immobilie nicht erwartet werden, dass ein Umzug nahtlos erfolgen könne. Dies sei lebensfremd und habe deshalb bei der Beurteilung der Nahtlosigkeit außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen berufe sie sich auf Art. 3 des Grundgesetzes. Danach seien alle Menschen gleich und es dürfe nicht sein, dass ein Bürger einen Vermögenswandel nach dem SGB II durchführen könne und ein anderer nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Februar 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017 aufzuheben und ihr Leistungen in Höhe von 837 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 2017 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf den Inhalt seiner Bescheide und das seiner Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts Potsdam.

Der Senat hat die Akten zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin beigezogen (S 24 AS 1817/17 ER/L 32 AS 2655/17 B ER).

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verwiesen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht Potsdam hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2017 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, da sie über ein ausreichendes Vermögen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum verfügt hat.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klage nicht als reine Anfechtungsklage zulässig, da entgegen seiner Annahme die Kassation des endgültigen Bescheides vom 24. August 2017 nicht zum Wiederaufleben der vorläufigen Bewilligung im Bescheid vom 31. Mai 2017 führen würde. Denn die vorläufige Bewilligung einer Leistung erledigt sich durch die endgültige Bescheidung nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Mit Erlass des endgültigen Bescheides vom 24. August 2017 war die vorläufige Bewilligung damit erledigt und konnte auch nach Kassation des endgültigen Ablehnungsbescheides nicht wiederaufleben (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Juli 2019, B 14 AS 44/18 R Rdnr. 9 m.w.N., zitiert nach juris). Die Klage ist aber als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, die das Sozialgericht ebenfalls zu Recht in Erwägung gezogen hat, zulässig.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Ablehnungsbescheides vom 24. August 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2017 ist § 9 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 3 SGB II in der ab 1. April 2011 gültigen Fassung, der im Übrigen im Hinblick auf § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II seit dem Jahre 2005 unveränderten Fassung.

Im hier streitigen Zeitraum hatte die Klägerin Beträge zwischen rund 220.000 und 158.000 Euro auf ihrem Konto zur Verfügung. Damit ist es offensichtlich, dass sie im Hinblick auf die hier streitigen monatlichen Beträge von viermal 837 Euro im Grundsatz nicht hilfebedürftig nach §§ 7, 9 SGB II war.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat es sich bei dem aus dem Hausverkauf überwiesenen Betrag von 220.341,44 Euro auch nicht um geschütztes Vermögen gehandelt, welches der Beklagte nicht hätte berücksichtigen dürfen. Geschützt als Vermögen sind für Leistungsbezieher nach dem SGB II lediglich die nach Abs. 2 berücksichtigungsfähigen Beträge, die der Beklagte hier zutreffend mit 8.850 Euro berücksichtigt hat.

Die Voraussetzungen eines Vermögensschutzes nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II liegen entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht vor. Danach ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zu dieser Privilegierung hat das Bundessozialgericht bereits mit Urteil vom 16. Mai 2007 (B 11 b AS 37/06 R) ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des 7 b Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. November 2006 – B 7 b AS 2/05 R) bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs der angemessenen Größe im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II im Grundsatz bundeseinheitlich auf die Vorgaben des außer Kraft getretenen Zweiten WoBauG vom 19. August 1994 (BGBl I 2137) abzustellen sei, wobei eine Differenzierung nach der Bewohnerzahl – nicht nur beschränkt auf die Bedarfsgemeinschaft – angebracht sei. Diese auf den Fall einer selbstbewohnten Eigentumswohnung bezogene Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließe, sei einerseits im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, der ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe "oder eine entsprechende Eigentumswohnung" anspreche, andererseits aber auch aus Praktikabilitätsgründen auf den vorliegenden Fall eines selbstgenutzten Einfamilienhauses zu übertragen. Im Grundsatz – also vorbehaltlich etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalls – handele es sich deshalb bei einem von vier Personen bewohnten Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von mehr als 130 m2 (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. WoBauG – Familienheime mit nur einer Wohnung – 130 m2) nicht mehr um ein Hausgrundstück von "angemessener Größe" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Auch der erkennende Senat sei daher der Auffassung, dass die Angemessenheit der Haus/Wohnungsgröße weiterhin bundeseinheitlich nach dem zum 1. 1. 2002 außer Kraft getretenen 2. WoBauG zu beurteilen, aber nach der Anzahl der im Haus lebenden Personen zu differenzieren sei. Dementsprechend hält das BSG bei einer Eigentumswohnung für vier Personen eine Wohnfläche von 120 m2 für angemessen, die um 20 m2 für jede weitere Person zu erhöhen und bei weniger als vier Personen um jeweils 20 m2 zu reduzieren ist. Bei einer Belegung mit nur einer Person soll die Grenze allerdings typisierend auf 80 m2 festzusetzen sein (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11 b AS 67/06 R).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist festzustellen, dass das Eigenheim in der Sin Sch beim Verkauf im Jahre 2017 schon nicht mehr "angemessen" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II war und schon deshalb nicht mehr dem Vermögensschutz unterlag, der allerdings keinen Vermögensschutz im eigentlichen Sinne darstellt, sondern das Vermögen allein zum Zwecke des Wohnens schützt (so bereits Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, 1. Auflage, 2005, § 12 Rdnr. 69).

Mit einer Wohnfläche von 110 m2 und einer Grundstücksgröße von 913 m2 überstieg das Hausgrundstück die nach der Rechtsprechung definierten Angemessenheitsgrenzen für eine Person. Denn für die Grundstücksgröße wird regelmäßig im ländlichen Bereich eine Größe bis zu 800 m2 (500 qm im städtischen Bereich) noch als angemessen angesehen (Geiger in LPK-SGB II, 6. Auflage, § 12 Rdnr. 63). Damit dürfte sowohl die Größe des Grundstücks als auch der Umfang der Wohnfläche von 110 m2 für eine Person die Angemessenheitskriterien sprengen.

Der Senat kann dies allerdings dahingestellt sein lassen. Denn selbst wenn das Haus in der S, Sch noch als angemessen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II angesehen würde, so entfällt jeder Schutz mit dem Verkauf des Hauses. Der Senat kann nur noch einmal erneut darauf hinweisen, dass Sinn dieser Regelung nicht der Schutz von Immobilien als Vermögenswert ist, sondern die Wohnung als Lebensraum für das Grundbedürfnis Wohnen geschützt wird (vgl. Geiger in LPK-SGB II, 6. Auflage, § 12, Rdnr. 64 m.w.N.; Mecke a.a.O.).

Damit erscheint das Regelungsprogramm nach § 12 Abs. 3 SGB II eindeutig. Solange der Leistungsbezieher in dem als Vermögen geschützten Haus von angemessener Größe wohnt, kommt eine Verwertung selbst dann nicht in Betracht, wenn es sich um eine Luxusimmobilie handelt. In der Regel liegt der Leistungsgewährung nach dem SGB II zwar zugrunde, dass das Existenzminimum zu sichern sei, wozu grundsätzlich nur ein Wohnraum in einfacher Lage und in einfacher Ausstattung gehört. Daran hat sich jeder Mieter, der Leistungen des Beklagten erhält, zu halten. Insoweit stellt es aber eine ganz erhebliche Besserstellung der Eigentümer dar, dass der Gesetzgeber bei der Beurteilung der Angemessenheit eines im Eigentum des Leistungsbeziehers stehenden Hauses oder einer im Eigentum stehenden Wohnung völlig andere Kriterien anlegt, als bei der Bewertung von Mietraum als angemessen. Bei letzterem besteht kein Zweifel, dass dieser grundsätzlich einfacher Art sein muss, insoweit ist die Klägerin durch die gesetzliche Regelung im Vergleich zu Mietern schon wesentlich bessergestellt, da selbst eine hochwertige (Luxus-)Immobilie von bestimmter Größe grundsätzlich geschützt wird.

Allerdings entfällt dieser –großzügige- Schutz mit dem Wegfall des Schutzzwecks Wohnen, also mit dem Verkauf. Nach dem Verkauf ist die Klägerin ohne Weiteres nicht mehr hilfebedürftig gewesen, da sie im streitigen Zeitraum von Juni bis Oktober 2013 über bereite Mittel zwischen rund 220.000 und 158.000 Euro verfügt hat. Diese sind grundsätzlich für den Lebensunterhalt einzusetzen. Anders ausgedrückt ist die Klägerin beim Verbrauch ihres Verkaufserlöses wegen der entfallenden Hilfebedürftigkeit und damit entfallenden Ansprüchen nach dem SGB II an keinerlei Beschränkungen des Grundsicherungsrechtes gebunden. Erst mit dem Stellen eines neuen Antrags auf Grundsicherungsleistungen ist die Hilfebedürftigkeit erneut zu prüfen und damit auch die Angemessenheit des neu erworbenen Hauses, die der Beklagte hier für die Zeit ab dem Einzug im April 2018 nicht in Frage stellt.

Soweit die Klägerin sich auf eine in den Verwaltungsvorschriften des Beklagten erwähnte Nahtlosigkeit der Vermögensumwandlung berufen will, bleibt dies erfolglos. Bereits der 32. Senat hatte im Beschluss vom 16. Januar 2018 (L 32 AS 2655/17 B ER) darauf hingewiesen, dass sich dem Gesetz eine solche Nahtlosigkeitsregelung nicht entnehmen lässt. Dem folgt auch der erkennende Senat. Die angesprochene Nahtlosigkeit kann daher nur dann praktische Bedeutung erlangen, wenn es dem Leistungsbezieher tatsächlich gelingt, direkt von der einen Immobilie in die andere umzuziehen, so dass bereite Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts durch den Verkauf der ersten Immobilie wegen der zugleich erfolgenden Investition in die zweite Immobilie nicht zur Verfügung stehen. Eine rechtliche Nahtlosigkeitregelung in dem Sinne, dass zu überprüfen sei, ob eventuell kurzzeitige Freiräume beim Umzug von der einen in die andere Immobilie unschädlich sein könnten, besteht dagegen nicht. Wie jeder andere vermögende und daher nicht hilfebedürftige Mensch, hat auch die Klägerin nach dem Verkauf ihrer Immobilie ihre Erlöse grundsätzlich für den Lebensunterhalt einzusetzen.

Damit steht fest, dass das Vermögen aus dem Verkaufserlös vom 4. Juli 2017 grundsicherungsrechtlich mit Ausnahme des Freibetrages in Höhe von 8.850 Euro ungeschützt bleibt.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen (Art. 3 GG). Danach ist nur Gleiches gleich zu behandeln, Ungleiches darf ungleich behandelt werden. Entsprechend sind die Vergleichsgruppen für die Bewertung eines Sachverhalts als gleich oder ungleich zu bilden. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keine Gleichstellung mit Personen verlangen kann, die Vermögen besitzen, um ein Haus für Behinderte oder Pflegebedürftige zu bauen. Hier hat der Gesetzgeber ganz eindeutig eine bestimmte Personengruppe im Hinblick auf den Vermögensschutz privilegiert, die ihm besonders schutzwürdig erschien. Dies ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin ist nicht schutzwürdig in diesem Sinne. Bereits der 32. Senat hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (siehe oben) ausgeführt, dass die vorgelegten medizinischen Unterlagen keinesfalls eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit mit der Erheblichkeitsschwelle des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II belegen. Hierauf hat auch das Sozialgericht hingewiesen. Diese Auffassung teilt auch der erkennende Senat. So belegt der MRT-Befund des linken Fußes der Dr. P vom 11. August 2017 keineswegs Befunde, die an eine schwerer wiegende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit auch nur denken ließen. Der Befund vom 24. April 2018 der Röntgenpraxis im H Viertel, P, belegt nur eine mäßiggradige Coxarthrose beidseits, eine Insertionstendinopathie der Glutealmuskulatur am Trochanter major rechts sowie eine geringgradige ISG-Arthrose beidseits und Residuen einer chronischen Sakroiliitis beidseits. Im Übrigen war der Befund altersgerecht. Der erkennende Senat kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Klägerin die vom Sozialgericht genannte Rehabilitationsmaßnahme arbeitsfähig angetreten und abgeschlossen hat. Es liegt damit auf der Hand, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht vorliegen.

Entsprechendes gilt für die Nr. 6 der Vorschrift. Eine Härte ist, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht zu erkennen.

Soweit die Klägerin sich allgemein vor dem Hintergrund des Art. 3 GG benachteiligt fühlt, ist dies dem Senat kaum nachvollziehbar. Auf die ganz erhebliche Privilegierung ihrer Vermögenssituation gegenüber Mietern ist bereits hingewiesen worden. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob diese Bevorzugung von Eigentümern durch sachliche Gründe vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes überhaupt zu rechtfertigen ist. Insoweit könnten allenfalls Mieter gegen die sie benachteiligende Regelung verfassungsrechtliche Bedenken geltend machen, nicht aber die Klägerin, die schon die überaus großzügigen Kriterien für geschützte Eigenheime nicht erfüllt.

Weiter offen lassen muss der Senat, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG vereinbar oder auch nur politisch wünschenswert und privilegierungsbedürftig ist, wenn Leistungsbezieher ihre Immobilie in herausgehobener Lage und Preisklasse verkaufen können, ohne den Erlös für ihren Lebensunterhalt einsetzen zu müssen, sondern vom Erlös eine weitere Immobilie erwerben können, um weiter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Kosten der Solidargemeinschaft zu beziehen. Denn es ist nicht zu verkennen, dass die Klägerin (ein großzügig gerundeter Bedarf von 1000,- Euro im Monat unterstellt, im vorliegenden Fall tatsächlich nur 837 Euro für Regelsatz und Miete) von dem erzielten Kaufpreis von rund 220.000,- Euro über nahezu 20 Jahre ihren Bedarf hätte decken können, ohne Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Eine Privilegierung des aus dem Verkauf einer eigenen Immobilie erzielten Vermögens dürfte im Hinblick auf die Leistungsgrundsätze des SGB II und des grundsätzlich bestehenden Verwertungsgebots für Vermögen und Einkünfte kaum zu rechtfertigen sein.

Auch die Frage, ob in diesem Fall im Verbrauch des Verkaufserlöses ein sozialwidriges Verhalten i.S. von § 34 SGB II liegen könnte, welches Ersatzansprüche des Beklagten rechtfertigen könnte, ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Darauf, dass die Klägerin sich nicht mit dem Personenkreis des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II gleichsetzen kann, ist eben hingewiesen worden. Warum sie vor dem Hintergrund des Art. 3 Grundgesetz ebenso schutzbedürftig sein soll wie Behinderte oder Pflegebedürftige, ist nicht im Ansatz ersichtlich.

Soweit derjenige Leistungsbezieher besser stehen würde, dem es gelänge, direkt von einer Immobilie in die andere umzuziehen, läge kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Es obliegt allein dem Gestaltungswillen und der Gestaltungsfähigkeit der Klägerin, den Umzug ohne zeitliche Verzögerungen zu realisieren. Es besteht kein Grund, die Sozialgemeinschaft hierfür in irgendeiner Weise haftbar zu machen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved