L 12 AS 1345/20 B ER u. L 12 AS 1345/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 2156/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1345/20 B ER u. L 12 AS 1345/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.09.2020 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines digitalen Endgeräts nebst Zubehör für die Teilnahme am Schulunterricht.

Der Antragsteller (*00.00.2008) steht - in Bedarfsgemeinschaft mit u.a. seiner Mutter - bei dem antragsgegnerischen Jobcenter im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er besucht die I-Schule der antragsgegnerischen Stadt N. Am Präsenzunterricht in der Schule nimmt der Antragsteller derzeit nicht teil, weil er nach einem von ihm vorgelegten ärztlichen Attest aufgrund einer Asthmaerkrankung der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht nachkommen könne.

Am 24.04.2020 beantragte er die Übernahme der Kosten für einen internetfähigen PC nebst Zubehör. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin ab (Bescheid vom 28.04.2020). Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II liege nicht vor. Zunächst handele es sich nicht um einen unaufschiebbaren Bedarf, denn das Schuljahr habe auch für den Antragsteller bereits im August 2019 begonnen. Weiter bestehe auch keine atypische Bedarfslage. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sich darauf berufe, ein PC im Haushalt werde auch abseits der Corona-Pandemie generell vorausgesetzt, um den Anforderungen in der heutigen Schulzeit gerecht zu werden, müsse von einer durchschnittlichen Lebenssituation ausgegangen werden. Diese sei auch planbar. Der Bedarf sei dem Antragsteller bereits seit geraumer Zeit bekannt gewesen und nunmehr lediglich aufgrund der Corona-Pandemie dringend geworden. Der Antragsteller hätte daher entsprechende Rücklagen bilden müssen. Schließlich handle es sich auch nicht um einen laufenden, sondern einen einmaligen Bedarf, weil es nur um die einmaligen Beschaffungs- und Anschlusskosten gehe. Zusätzlich wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II zu beantragen. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.08.2020). Zur Begründung ihres Widerspruchsbescheides führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller müsse seinen Bedarf vorrangig beim Schulträger geltend machen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie über die Förderung von digitalen Sofortausstattungen (Zusatzvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019-2024 - Sofortausstattungsprogramm) an Schulen und in Regionen in Nordrhein-Westfalen (Runderlass des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.07.2020 - 411) könnten die Schulträger ab sofort die ihnen jeweils zugeteilten Bundesmittel beantragen und mobile Leihgeräte für bedürftige Schüler und Schülerinnen beschaffen.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Am 07.09.2020 hat er zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Er hat behauptet, in seiner Familie sei kein Computer vorhanden, an dem er seine Schulaufgaben erledigen könne. Ein solcher sei aber notwendig, weil er aus gesundheitlichen Gründen eben nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könne. Insoweit liege ein pandemiebedingter Mehrbedarf vor. Dieser weiche auch erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab, denn bei der Regelbedarfsermittlung 2017 seien für Datenverarbeitungsgeräte und Software in den für ihn maßgeblichen Regelbedarfssätzen lediglich 2,28 Euro monatlich berücksichtigt worden. Weiter sei der Bedarf auch nicht anderweitig gedeckt. Zum einen könne er nicht darauf verwiesen werden, entsprechende Einsparungen aus dem Regelbedarf zu tätigen. Weiter werde der Bedarf auch nicht durch die Leistungen für den Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 S. 1 SGB II) gedeckt; diese umfassten höherwertige elektronische Geräte gerade nicht.

Er hat beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, ihm Kosten zur Anschaffung eines internetfähigen Computers nebst Zubehör zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2020, bezogen.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (Beschluss vom 16.09.2020). Ein Anordnungsanspruch sei derzeit nicht ersichtlich. Zwar stellten die Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an einem pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld grundsätzlich einen nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennenden Mehrbedarf dar. Vorliegend habe der Antragsteller aber unter Berücksichtigung des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Bildung vom 21.07.2020 die Möglichkeit, über seinen Schulträger ein mobiles Endgerät für den Schulunterricht zu erhalten. Diese Richtlinie sehe ausdrücklich vor, dass dem Schüler über den Schulträger kostenlos ein Gerät zur Verfügung zu stellen sei.

Hiergegen hat der Antragsteller am 16.09.2020 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verfahren vor dem SG. Ergänzend führt er insbesondere aus, dass die Antragsgegnerin noch keinen konkreten Zeitpunkt nennen könne, zu dem die Möglichkeit bestehen würde, über den Schulträger ein mobiles Endgerät zu erhalten. Zudem sei schon ungewiss, ob er überhaupt zum begünstigten Personenkreis zählen werde.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.09.2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, ihm Kosten für die Anschaffung eines internetfähigen Endgeräts nebst Zubehör zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.09.2020 zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss. Sie weist ergänzend darauf hin, dass der Antragsteller trotz ihres Hinweises in dem Bescheid vom 28.04.2020 bis heute kein Darlehen beantragt habe.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren eine schriftliche Auskunft des Schulleiters der I-Schule eingeholt. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden müssen ohne Erfolg bleiben. Das SG hat sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch das Prozesskostenhilfegesuch zu Recht abgelehnt.

1. Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung kann vorliegend nicht ergehen.

a) Dabei bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung, ob der Beschwerdestreitwert vorliegend die nach §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgebliche Summe von mehr als 750 Euro erreicht, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (zum Offenlassen der Zulässigkeit bei Rechtsmittelentscheidungen vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 51 Rn. 13b).

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde (wie auch des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes selbst) ergeben sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller in ihrem Bescheid vom 28.04.2020 auf die Möglichkeit hingewiesen hat, ein Darlehen (§ 24 Abs. 1 SGB II) zu beantragen, der Antragsteller einen entsprechenden Antrag aber bis heute nicht gestellt hat. Insbesondere entfällt das Rechtsschutzbedürfnis hierdurch nicht, weil es sich nicht um einen einfacheren und schnelleren Weg zur Durchsetzung des Begehrens des Antragstellers handelt (vgl. BSG Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 75/10 R, juris Rn. 10). Insoweit ist insbesondere unbeachtlich, dass der Antragsteller, soweit er in der Hauptsache unterliegen sollte, ähnlich wie bei einem Darlehen (§ 42a SGB II) verpflichtet wäre, etwaige zuvor aufgrund einer einstweiligen Anordnung erbrachte Leistungen zurückzugewähren (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 49). Entscheidend ist vielmehr, dass Gegenstand des Bescheides vom 28.04.2020 schon ausweislich des darin enthaltenen Hinweises allein die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss sein dürfte. Mithin wäre der Antragsteller, sollte die Antragsgegnerin ihm auf Antrag ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II gewähren, zunächst unabhängig vom Ausgang der hier zugrundeliegenden Hauptsache zur Rückzahlung desselben verpflichtet.

b) Die Beschwerde ist aber jedenfalls unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R; Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B; jeweils juris).

Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht.

a) Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend in erster Linie § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II in Frage, wonach bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt wird, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dabei ist bereits zweifelhaft, inwieweit ein Anordnungsanspruch besteht (dazu aa). Dies kann letztlich aber dahinstehen, weil es in jedem Fall an einem Anordnungsgrund fehlt (dazu bb).

aa) Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob eine atypische Bedarfslage im Sinne des § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II tatsächlich vorliegt.

Keiner weiteren Ermittlung bedarf in diesem Zusammenhang, inwieweit der Antragsteller aktuell noch an einer Teilnahme am Präsenzunterricht gehindert ist. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf ein Attest seines behandelnden Facharztes für Innere Medizin, Allergologie und Lungenheilkunde Dr. T. Laut diesem Attest kann der Antragsteller der Maskenpflicht in der Schule aufgrund eines Asthma bronchiale nicht nachkommen. Indes sind auch unter der aktuell gültigen Rechtslage zwar weiterhin alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhalten, verpflichtet, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen (§ 1 Abs. 3 S. 1 Coronabetreuungsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (CoronaBetrVO)). Hiervon sind aber zum einen Schülerinnen und Schüler ausgenommen, solange sie sich im Klassenverband im Unterrichtsraum aufhalten (§ 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Buchst. b CoronaBetrVO), zum anderen kann die Schulleiterin oder der Schulleiter aus medizinischen Gründen von dieser Pflicht befreien (§ 1 Abs. 4 S. 1 CoronaBetrVO). An anderer Stelle beruft sich der Antragsteller allerdings auch darauf, dass er Mitschüler oder sonstige Verwandte wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr nicht besuchen dürfe. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Kurzattest des behandelnden Facharztes. Träfe diese Behauptung zu, könnte sie aber freilich auch einer Teilnahme am Präsenzunterricht entgegenstehen. Letztlich kann all dies aber dahinstehen.

Zweifel daran, dass derzeit eine atypische Bedarfslage im Sinne des § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II besteht, bestehen allerdings aufgrund der vom Senat eingeholten schriftlichen Auskunft des Schulleiters der vom Antragsteller besuchten Schule vom 29.09.2020. Aus dieser ergibt sich vielmehr, dass eine Beschulung des Antragstellers zumindest derzeit auch ohne die begehrten digitalen Endgeräte ausreichend sichergestellt ist. Im Einzelnen hat der Schulleiter hierzu ausgeführt, dass seit Beginn des neuen Schuljahres 2020/21 in allen Klassen und nahezu ohne zeitliche Einschränkungen wieder Präsenzunterricht erteilt werde. Es gebe an der Schule nur einen Schüler, der zur Risikogruppe zähle, und daher nicht an diesem Präsenzunterricht teilnehmen könne. Diesen Schüler - bei dem es sich um den Antragsteller handeln muss; hiervon gehen auch die Beteiligten ersichtlich aus - versorge seine Klassenlehrerin mit Arbeitsmaterial und Aufgaben und zwar in der Regel per Post oder indem sie ihm Arbeitsmaterial und Aufgaben persönlich überbringe. Der Kontakt zu diesem Schüler werde durch regelmäßige Kontakte aufrechterhalten und es würden Aufgaben besprochen. Schulbücher und Arbeitshefte hätten die Schüler zu Hause, darüber hinaus würden dem Leistungsstand angepasste individuelle Aufgabenpakete in Form von Fotokopien an die Schüler verschickt. Ein Online-Unterricht sei im Fall des genannten Schülers mangels technischer Ausstattung nicht möglich.

Die Einlassungen des Antragstellers, mit der er der Auskunft des Schulleiters entgegengetreten ist, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zunächst hat der Antragsteller die Auskunft des Schulleiters jedenfalls insoweit selbst bestätigt, als er "einen Teil der Schulaufgaben in Papierform" erhalte. Im Übrigen vermögen seine Ausführungen - jedenfalls bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung - die Auskunft des Schulleiters nicht grundlegend zu erschüttern. Soweit er darauf verweist, dass "manche" Aufgaben eine Recherche mithilfe von Internetsuchmaschinen erforderten, ist nicht ersichtlich, dass es sich nicht bloß um völlig vereinzelte Fälle handelt und weshalb gerade diese für seinen Lernerfolg maßgeblich sein sollen. Auch soweit er darauf hinweist, dass seine Schule zusätzlich die sog. "Anton-App" nutze, trägt er lediglich vor, dass es sich um eine kostenlose App handele, die sowohl für Lehrer als auch Schüler eingesetzt werden könne und die Schulfächer Deutsch, Mathe, Sachunterricht, Biologie, Deutsch als Zweitsprache und Musik geeignet sei. Weshalb er aber auf die Nutzung dieser App zwingend angewiesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere erwähnt der Schulleiter diese App in seiner Auskunft nicht. Vielmehr führt der Schulleiter ausdrücklich aus, dass ein Online-Unterricht bei dem einen nicht am Präsenzunterricht teilnehmenden Schüler derzeit mangels eines entsprechenden Endgerätes nicht stattfinde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller mit der Beschwerde eingereichten Bescheinigung der Schule, wonach zur Teilnahme am Schulunterricht ohne bzw. mit eingeschränktem Präsenzunterricht ein geeignetes internetfähiges Endgerät zwingend erforderlich sei, zudem ein für die Schülerinnen und Schüler verbindlicher Online-Unterricht stattfinde, Arbeitsmaterialien digital zur Verfügung gestellt würden und Leihgeräte anderweitig nicht zur Verfügung stünden. Diese Bescheinigung ist zum einen weder mit einem Datum versehen noch von der Schule unterzeichnet. Zum anderen wird in dieser Bescheinigung selbst einleitend "ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nur um einen konkreten Corona-bedingten Mehrbedarf während der aktuellen Phase des ‚Home-schooling‘ handeln [könne]."

Keiner Behandlung bedarf nach allem die Frage, inwieweit es sich bei dem geltend gemachten überhaupt um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II handelt (dafür LSG NRW Beschluss vom 22.05.2020, L 7 AS 719/20 B ER, juris Rn. 21; Landessozialgericht Schleswig-Holstein Beschluss vom 11.01.2019, L 6 AS 238/18 B ER (nicht veröffentlicht)).

bb) In jedem Fall fehlt es aber an einem Anordnungsgrund. Ein Anordnungsgrund ist dann glaubhaft gemacht, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, gegeben (OVG NRW Beschluss vom 28.08.2012, 12 B 925/12, juris Rn. 3; LSG NRW Beschluss vom 30.05.2011, L 19 AS 431/11 B ER, juris Rn. 13) und eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist (Senatsbeschluss vom 17.05.2005, L 12 B 11/05 AS ER). Dies ist der Fall, wenn dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist (Berlit, info also 1/2005, S. 3, 7).

Vorliegend ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Antragsteller zumindest derzeit nicht zumutbar sein sollte, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Zum einen ergibt sich aus der Auskunft des Schulleiters, dass die Ausstattung des Antragstellers mit dem begehrten digitalen Endgerät jedenfalls derzeit nicht zwingend erforderlich ist, um dessen erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht zu gewährleisten. Insoweit gelten die obigen Ausführungen auch hier. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Schulleiter in seiner schriftlichen Auskunft auch ausgeführt hat, dass zumindest überlegt werde, dem Antragsteller, sollte sich an der aktuellen Situation nichts ändern, nach Ende der Herbstferien wöchentlich zwei Stunden Hausunterricht zu erteilen. Darüber hinaus hat der Schulleiter in seiner schriftlichen Auskunft ausgeführt, dass die Schule derzeit zwar über keine eigenen Endgeräte verfüge, die sie Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stellen könne. Die Antragsgegnerin sei aber frühzeitig mit der Umsetzung des Sofortausstattungsprogrammes gestartet. Zwar werde nicht erwartet, dass vor Ende des Jahres Endgeräte an die Schule ausgeliefert würden. Dass hiermit aber auch zu einem späteren Zeitpunkt, etwa ab Beginn des zweiten Schulhalbjahres, nicht gerechnet werden könne, lässt sich der Auskunft des Schulleiters indes nicht entnehmen. Weiter hat der Schulleiter ausgeführt, dass, da sicher sei, dass die Zahl der zur Verfügung gestellten Geräte nicht ausreichen werde, alle bedürftigen Schülerinnen und Schüler zu versorgen, eine Priorisierung erforderlich sein werde. Schülerinnen und Schüler, die aufgrund von Vorerkrankungen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könnten, würden dabei aber "sicher vorrangig berücksichtigt werden." Offenkundig hat die Schule zur Umsetzung des Sofortausstattungsprogramms das Vorhandensein digitaler Endgeräte auch bei dem Antragsteller bereits abgefragt. Einen entsprechenden Vordruck der Schule hat der Antragsteller selbst zum Verfahren gereicht.

Dass im Fall einer erneuten Schulschließung ggf. eine andere Beurteilung angezeigt ist (vgl. dazu LSG NRW Beschluss vom 22.05.2020, L 7 AS 719/20 B ER, juris Rn. 20), ist vorliegend ohne Belang. Zwar weist auch der Schulleiter in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Situation bei einer erneuten Schließung der Schule oder einer Quarantäne ganzer Klassen anders aussähe; dann könnten die Lehrkräfte bei entsprechender technischer Ausstattung der Schülerinnen und Schüler online mit ihren Klassen in Kontakt treten. Eine erneute Schulschließung wie auch eine Quarantäne gerade der Klasse des Antragstellers kann in der aktuellen Pandemielage zwar nicht ausgeschlossen werden, steht aber auch nicht konkret zu erwarten.

b) Der Antragsteller kann den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend auch nicht nach § 73 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) beanspruchen. Danach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Selbst wenn man § 73 S. 1 SGB XII neben § 21 Abs. 6 SGB II grundsätzlich für anwendbar hielte (dafür wohl BSG Urteil vom 28.11.2018, B 14 AS 48/17 R, juris Rn. 24: Reisekosten für den Besuch naher Angehöriger; Urteil vom 29.05.2019, B 8 SO 8/17 R, juris Rn. 15: Passbeschaffungskosten bei Ausländern; vgl auch Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 21 Rn. 66 m.w.N.), wäre aus den oben ausgeführten Gründen vielmehr zweifelhaft, ob dessen tatbestandliche Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind. In jedem Fall fehlte es aber aus den oben ausgeführten Gründen auch hier an einem Anordnungsgrund. Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers konnte daher zumindest für die Zwecke des Eilverfahrens unterbleiben (vgl. Keller a.a.O., § 86b Rn. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 SGG.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem SG richtet, ist sie ebenfalls erfolglos. Zwar hat der Senat dem Antragsteller mit Beschluss vom heutigen Tage für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Dies zwingt vorliegend aber nicht dazu, den angegriffenen Beschluss teilweise zu ändern und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe auch schon für das Verfahren vor dem SG zu bewilligen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch ist vielmehr derjenige der Bewilligungsreife, d.h. wenn vollständige Angaben gemacht und entsprechende Belege eingereicht werden, die eine Prüfung des Gerichts grundsätzlich ohne weitere Nachfragen ermöglichen (dazu etwa Senatsbeschluss Beschluss vom 29.05.2012, L 12 BK 11/11 B, juris Rn. 7). Nach diesen Maßstäben ist das erstinstanzliche Prozesskostenhilfegesuch aber bis zur Entscheidung des SG über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bewilligungsreif geworden. Vielmehr hat der Antragsteller dem SG keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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