L 32 AS 2354/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 156 AS 17196/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 2354/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 112/20 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rechtsmittel beim BSG eingelegt
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu zwei Dritteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. April 2013 bis 30. Juni 2013 und für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 30. April 2014 in Höhe von noch jeweils 30 v. H. der Regelleistung.

Bereits mit Bescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 monatlich um 30 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs (112,20 Euro monatlich) festgestellt, da der Kläger in seiner Selbstanzeige vom 18. Juli 2012 mitgeteilt habe, weder im Mai 2012 noch im Juni 2012 Eigenbemühungen um Arbeit entsprechend seiner Verpflichtung in der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 2. Mai 2012 unternommen zu haben. Dagegen ist beim Sozialgericht Berlin die unter dem Aktenzeichen S 189 AS 4858/18 WA registrierte Klage (früher S 189 AS 33311/12) anhängig. Die gegen die Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 2. Mai 2012, geltend für die Zeit vom 2. Mai 2012 bis 2. November 2012, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2012 bei Sozialgericht Berlin erhobene Klage (S 34 AS 22401/12) hatte der Kläger hingegen im Mai 2015 zurückgenommen. Er begründete dies damit, dass es ihm um die Sanktionen gehe.

Dem im Februar 1957 geborenen Kläger, der seit 2005 als Berater und Dozent selbständig tätig ist und der seit 1. Januar 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht, waren auf dessen Weiterbewilligungsantrag mit Bescheid vom 2. Januar 2013 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 in Höhe von 754,96 Euro monatlich (382,00 Euro für den Regelbedarf, 372,96 Euro für Unterkunft und Heizung) bewilligt worden.

Unter dem 18. Januar 2013 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt für die Zeit vom 18. Januar 2013 bis 17. Juli 2013, soweit zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart werde, verfügt. Als Ziel war die Verringerung der Hilfebedürftigkeit festgelegt. Als Leistungen des Beklagten waren u. a. neben der Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen die Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen und von angemessenen und nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen sowie zur Unterstützung seiner hauptberuflichen Selbständigkeit die Teilnahme an einer Maßnahme zur Beratung und Kenntnisvermittlung, sofern der hauptberufliche Charakter der selbständigen Tätigkeit als Dozent festgestellt worden ist, vorgesehen. Als Verpflichtung des Klägers waren die Übersendung einer detaillierten Auflistung seiner Aktivitäten im Rahmen der selbständigen Tätigkeit als Dozent und Referent im Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 bis spätestens 15. Februar 2013 mit dem Ziel auszuwerten, in welchem Umfang eine Anerkennung als berufliche Tätigkeit möglich ist, und die Übersendung einer Auflistung der Einnahmen, die er im Zusammenhang mit der Ausübung der Selbständigkeit bei Gegenüberstellung der Ausgaben in diesem Zeitraum erwirtschaftet hatte mit dem Ziel der Betrachtung, inwieweit die Fortführung dieser Tätigkeit geeignet ist, die bestehende Hilfebedürftigkeit zu beenden, festgelegt. Dazu war außerdem bestimmt, dass der Kläger berufliche Alternativen in Betracht zieht, die ihm aufgrund der beruflichen Vorerfahrung sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zumutbar sind, sofern bei Anerkennung der Tätigkeit als hauptberufliche Selbständigkeit im Zeitraum der Geltung des Eingliederungsverwaltungsaktes keine deutliche Reduzierung der Hilfebedürftigkeit gelingt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2013 hatte der Beklagte den dagegen eingelegten nicht begründeten Widerspruch zurückgewiesen: Es sei eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen gewesen, weil die letzte Eingliederungsvereinbarung im Mai 2012 abgeschlossen worden sei. Da die Eingliederungsvereinbarung nicht in beiderseitigem Einvernehmen zustande gekommen sei, sei die Eingliederungsvereinbarung zutreffend per Verwaltungsakt erlassen worden. Gründe, die für eine Unmöglichkeit der Vereinbarungen sprächen, insbesondere der Einreichung der Unterlagen zu seiner Selbständigkeit, seien nicht vorgetragen worden. Das Ziel der Feststellung, inwieweit die Fortführung der Tätigkeit zum Abbau der bestehenden Hilfebedürftigkeit geeignet sei, sei notwendig und die Einreichung der Unterlagen nicht unzumutbar.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2013 mitgeteilt hatte, dass es kaum Sinn mache, die Auflistung zuzusenden, weil es für ihn nicht um Erwerb, sondern um sinnvolle dem Gemeinwohl dienende Arbeit gehe, er gleichwohl seine Entscheidung dazu noch mitteilen werde, wurde er mit Schreiben vom 4. März 2013 zum möglichen Eintritt einer Sanktion angehört. Der Kläger erwiderte darauf, sich nach reichlicher Überlegung entschlossen zu haben, die geforderte Auflistung seiner Aktivitäten des zweiten Halbjahres 2012 doch nicht beizubringen. Es werde gebeten, "bei der Entscheidung über eine Sanktion", bei der es sich nicht um eine "Bestrafung", sondern um eine "Erziehungsmaßnahme" laut Dienstanweisung des Beklagten handele, sich "ausschließlich an der Rechtslage zu orientieren".

Mit Bescheid vom 22. März 2013 verfügte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dass sein Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. April 2013 bis 30. Juni 2013 monatlich um 60 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs (229,20 Euro monatlich) gesenkt wird. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Kläger weder eine Auflistung seiner Aktivitäten noch eine Auflistung seiner Einnahmen nebst Ausgaben im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Dozent und Referent gemäß der per Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung vom 18. Januar 2013 eingereicht habe. Die vorgebrachten Gründe könnten bei der Abwägung nicht als wichtig anerkannt werden. Da er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei (vorangegangene Pflichtverletzung am 18. Juli 2012), werde eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger meinte, er werde wegen seiner Haltung zur Verfassungswidrigkeit von Hartz IV sanktioniert und sei deswegen politischer Verfolgung ausgesetzt, und darauf hinwies, dass er ab 1. April 2013 am Hungern sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2013 zurück: Der Kläger habe mit Schreiben vom 10. März 2013 erklärt, dass er seinen Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Januar 2013 nicht nachgekommen sei und auch zukünftig nicht nachkommen werde. Ein wichtiger Grund dafür sei nicht erkennbar. Das vorangegangene Sanktionsereignis datiere den 18. Juli 2012, weswegen in der Zeit von Oktober 2012 bis Dezember 2012 die Regelleistung aufgrund einer gleichartigen Sanktion um 30 v. H. gekürzt worden sei. Es handele sich somit um eine wiederholte Pflichtverletzung, da der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraumes nicht länger als ein Jahr zurückliege.

Dagegen hat der Kläger am 15. Juli 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Mit Bescheid vom 28. Juni 2013 hatte der Beklagte dem Kläger auf dessen Weiterbewilligungsantrag Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von 754,96 Euro monatlich (382,00 Euro für den Regelbedarf, 372,96 Euro für Unterkunft und Heizung) bewilligt. Mit Bescheid vom 6. Februar 2014 waren dem Kläger auf dessen Weiterbewilligungsantrag vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 vorläufig in Höhe von 763,96 Euro monatlich (391,00 Euro für den Regelbedarf, 372,96 Euro für Unterkunft und Heizung) unter Minderung aufgrund von Sanktionen für Januar bis April auf jeweils 0,00 Euro bewilligt worden. Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit von 200,00 Euro monatlich wurde nicht angerechnet.

Unter dem 18. Juli 2013 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt für die Zeit vom 18. Juli 2013 bis 17. Januar 2014, soweit zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart werde, verfügt. Als Ziel war die Integration in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung festgelegt. Als Leistungen des Beklagten waren u. a. neben der Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen die Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen (5 Euro pro Bewerbung bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 260,00 Euro) und von angemessenen und nachgewiesenen Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen vorgesehen. Als Verpflichtung des Klägers waren im Turnus von einem Monat jeweils mindestens 10 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und die Vorlage einer Auflistung seiner Bewerbungsbemühungen kalendermonatsweise bis spätestens zum zehnten Tag des Folgemonats, erstmals bis 10. September 2013 für den Kalendermonat Juli (anteilig) und für den Kalendermonat August festgelegt. Ihm wurde trotz Wechsels der Integrationsstrategie weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, die in der Eingliederungsvereinbarung vom 18. Januar 2013 geforderten Unterlagen zur Bewertung seiner Tätigkeit als Dozent und Referent einzureichen, um die damals avisierte Eingliederungsstrategie fortzusetzen.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2013 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2013 bis 31. Oktober 2013 den vollständigen Wegfall seines Arbeitslosengeldes II festgestellt, weil er das Zustandekommen des am 26. Juni 2013 angebotenen Beschäftigungsverhältnisses als Kundenbetreuer im Inboudbereich von vorherein verhindert habe. Nach Einladung zu einem Vorstellungsgespräch habe er mit einer Reihe von Befürwortern seiner Initiative für ein "bedingungsloses Grundeinkommen" am Tag des Vorstellungsgesprächs vor dem Firmengelände demonstriert und dem Arbeitgeber die "Mittäterschaft" an der Durchsetzung von Sanktionen vorgeworfen. In dem dann doch noch stattgefundenen Gespräch sei der zuständigen Personalberaterin u. a. ein Ablehnungsschreiben übergeben worden. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2013 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2013 bis 31. Januar 2014 den vollständigen Wegfall seines Arbeitslosengeldes II festgestellt, weil er keine Bewerbungen um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für Juli und August 2013 nachgewiesen habe.

Mit Schreiben vom 15. November 2013 hörte der Beklagte den Kläger wegen des nicht erfolgten Nachweises solcher Bewerbungsbemühungen für den Monat September 2013 an. Der Kläger erwiderte, dass er sich an den Verwaltungsakt vom 18. Juli 2013 nicht mehr gebunden fühle, nachdem er diesen öffentlich - und unter Polizeischutz – vor dem Haus des Beklagten verbrannt habe. Indem er der Verfassungswidrigkeit des Systems den nötigen Widerstand entgegensetze, liege ein wichtiger Grund für seine Verweigerungen vor.

Mit Bescheid vom 6. Januar 2014 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 30. April 2014 den vollständigen Wegfall seines Arbeitslosengeldes II fest. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Kläger seiner Verpflichtung, monatlich 10 Bewerbungen um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachzuweisen und diese Nachweise in Form einer Auflistung kalendermonatlich bis spätestens zum 10. Tag des Folgemonats einzureichen, für den Kalendermonat September 2013 nicht nachgekommen sei. Da er sich nicht bereiterklärt habe, zukünftig seinen Pflichten nachzukommen, sei eine Begrenzung des Wegfalls seines Arbeitslosengeldes II auf eine Minderung um 60 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs nicht gerechtfertigt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2014 zurück: Ein wichtiger Grund für die Verletzung der Pflicht, die geforderten Nachweise in Form einer Auflistung einzureichen, sei nicht ersichtlich. Es handele sich um die vierte wiederholte Pflichtverletzung. Die vorangegangenen Sanktionsereignisse datierten den 18. Juli 2012, den 15. Februar 2013, den 22. Juli 2013 und den 22. Oktober 2013. In der Zeit von Oktober bis Dezember 2012 sei die Regelleistung aufgrund gleichartiger Sanktionen um 30 v. H., in der Zeit von April bis Juni 2013 um 60 v. H., in der Zeit von August bis Oktober 2013 um 100 v. H. sowie in der Zeit von November 2013 bis Januar 2014 weiterhin um 100 Prozent gekürzt worden.

Dagegen hat der Kläger am 28. April 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 156 AS 10333/14 registriert worden ist.

Mit Beschluss vom 6. August 2015 hat das Sozialgericht dieses Verfahren zu dem bereits anhängigen Verfahren verbunden.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, § 31a i. V. m. § 31 und § 31b SGB II seien mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, nicht vereinbar. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums lasse kein Abweichen vom Existenzminimum zu. Sanktionen seien ungeeignet, dem Prinzip des Forderns Druck zu verleihen. Er habe es unterlassen, Bemühungen um "Aufnahme einer Arbeit" nachzuweisen. Im Sinne von Hartz IV sei die Sanktion vermutlich berechtigt, aber verfassungswidrig. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, sich für die Wiederherstellung der Grundrechte einzusetzen. Es sei ihm von unabhängigen Verfassungsrechtlern das von ihm beigefügte verfassungsrechtliche Gutachten geschrieben worden.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits in mehreren Schreiben ausführlich mitgeteilt habe, dass er bewusst gegen die Festlegungen der Eingliederungsvereinbarung verstoße, um einer Überprüfung der Sanktionsregelung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schnellstmöglich näherzukommen. Der Beklagte sei als ausführendes Organ an die geltenden Gesetze gebunden. Da der Kläger die Rechtmäßigkeit der Sanktion im Sinne des SGB II selbst als berechtigt ansehe, bedürfe es diesbezüglich keiner rechtlichen Ausführungen mehr.

Mit Urteil vom 6. August 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Bescheid vom 22. März 2013 sei rechtmäßig. Der Tatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II sei erfüllt, denn der Kläger sei seinen Pflichten aus der durch Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung vom 18. Januar 2013 nicht nachgekommen. Der Inhalt der dem Kläger durch diese Eingliederungsvereinbarung auferlegten Pflicht begegne keinen rechtlichen Bedenken. Seine Verpflichtung, eine detaillierte Auflistung seiner Aktivitäten im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Dozent und Referent im Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 31. Dezember 2012 sowie eine Auflistung der Einnahmen durch diese Tätigkeit zu übersenden, erfülle die Anforderungen, die an eine in der Eingliederungsvereinbarung enthaltene Verpflichtung des Hilfebedürftigen gestellt würden. Die Verletzung dieser Pflicht habe der Kläger trotz vorheriger schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen begangen. Er sei mit der Eingliederungsvereinbarung konkret, vollständig, richtig, verständlich und zeitnah über die drohenden Rechtsfolgen einer Verletzung der vereinbarten Bemühungen belehrt worden. Der Kläger habe durch die Nichterfüllung seiner Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 18. Januar 2013 auch eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II begangen, denn es sei zuvor bereits eine Minderung festgestellt worden und der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums liege nicht länger als ein Jahr zurück. Mit Sanktionsbescheid vom 12. September 2012 sei durch den Beklagten eine Minderung des Anspruchs des Klägers um 30 v. H. festgestellt worden. Dieser Bescheid sei rechtmäßig, denn der Kläger habe eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II begangen, indem er die in der Eingliederungsvereinbarung vom 2. Mai 2012 festgelegten Pflichten nicht erfüllt habe. Dabei begegneten auch die festgelegten Pflichten des Klägers von acht Bewerbungen monatlich inhaltlich keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger habe auch keinen wichtigen Grund für diese Pflichtverletzung dargelegt und nachgewiesen. Mit der Eingliederungsvereinbarung vom 2. Mai 2012 sei er ebenfalls über die drohenden Rechtsfolgen einer Verletzung der vereinbarten Bemühungen, insbesondere auch darüber, dass es sich um einen wiederholten Pflichtverstoß handeln würde, bei der eine Sanktion in Höhe von 60 v. H. erfolgen werde, belehrt worden. Der weitere Sanktionsbescheid vom 6. Januar 2014 erweise sich ebenfalls als rechtmäßig. Der Kläger habe erneut den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erfüllt, denn er sei seinen Pflichten aus der durch Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung vom 18. Juli 2013 nicht nachgekommen. Der Inhalt der dem Kläger durch die Eingliederungsvereinbarung vom 18. Juli 2013 auferlegten Pflicht begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die Verpflichtung des Klägers, monatlich zehn Bewerbungsbemühungen zu unternehmen und darüber in vereinbarter Form Nachweis zu erbringen, erfülle diese Anforderungen. Er sei mit der Eingliederungsvereinbarung konkret, vollständig, richtig, verständlich und zeitnah über die drohenden Rechtsfolgen einer Verletzung der vereinbarten Bemühungen belehrt worden. Er habe auch keinen wichtigen Grund für seine Pflichtverletzung dargelegt und nachgewiesen. Er habe eine weitere wiederholte Pflichtverletzung begangen. Der mit Bescheid vom 22. März 2013 festgestellten 60prozentigen Sanktion seien binnen eines Jahres mehrere 100-prozentige Sanktionen, darunter auch die Sanktion vom 6. Januar 2014 gefolgt. Die Regelung des § 31a Abs. 1 SGB II verstoße insbesondere nicht gegen das aus Art. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleitete Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 21. August 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. September 2015 eingelegte Berufung des Klägers.

Der Beklagte hat mit der am 18. Dezember 2019 eingegangenen Erklärung vom 11. Dezember 2019 die Bescheide vom 22. März 2013 und vom 6. Januar 2014 insoweit aufgehoben, als dass eine Minderung von mehr als 30 v. H. der Regelleistung verfügt wird. Unter dem 2. Januar 2020 hat er verfügt, dass eine Nachzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 114,60 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 30. Juni 2013 und in Höhe von 646,66 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis 30. April 2014 erfolgt.

Der Kläger trägt vor: Sowohl die Sanktionsregeln als auch der dem SGB II unterlegte Arbeitsbegriff seien verfassungswidrig. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, unabhängig von seinem persönlichen Wohlergehen sich für die Wiederherstellung der Grundrechte sich einzusetzen. Er meint, aus Rdnr. 222 des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 folge, dass die Bescheide vollständig aufzuheben seien. Die vom Beklagten ausgesprochene Neuverfügung einer Sanktion widerspreche Rdnr. 218 dieses Urteils. Die ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen lägen weit länger als sechs Monate zurück. Für den Fall, dass diese Gründe das Gericht nicht überzeugten, verweise er darauf, dass eine Besonderheit der ihn betreffenden Sanktion in dem Thema liege, dass es ihm in der Verursachung der Sanktion um nichts Persönliches, sondern um eine Frage allgemeiner gesellschaftlicher Bedeutung gegangen sei. Da mit der nachträglichen Aufhebung des Sanktionsbescheides nicht die Sanktion aufgehoben werden könne, beantrage er für den Fall, dass der Beklagte den Sanktionsbescheid vollständig aufhebt, Fortsetzungsfeststellungsklage. Sollte festgestellt werden, dass die (vorangegangenen) Sanktionen in Höhe von 30 vom Hundert und 60 vom Hundert rechtswidrig und aufzuheben seien, würde damit die Rechtsgrundlage für alle folgenden Totalsanktionen wegfallen, denn es handele sich bei § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II um eine andere Rechtsgrundlage als § 31a Abs. 1 Sätze 2 bzw. 3 SGB II. Auch eine Umdeutung der Minderung in eine (erneute) 30 vom Hundert-Sanktion komme dann nicht in Betracht. Jedenfalls seien die Sanktionsbescheide aufzuheben, weil der Kläger einen wichtigen Grund für sein Verhalten nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II habe, denn er habe seine gesamte Arbeitskraft darauf gerichtet, dass die Verfassungswidrigkeit der Sanktionstatbestände festgestellt werde. Er habe versucht, möglichst viele Sanktionen zu erhalten. Ihm sei dieses Anliegen todernst gewesen. So habe er mehrfach während der gegen ihn verhängten Totalsanktionen gehungert, um zu verdeutlichen, wie schädigend und gefährlich diese seien. Anders als der Beklagte meine, sei die Randnummer 222 des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 auch nicht so zu verstehen, dass die Bescheide in eine 30 vom Hundert-Sanktion umgedeutet werden könnten. Die Passage, es seien, "soweit sie (die Bescheide) über eine Minderung in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen, aufzuheben", sei so zu verstehen, dass die Bescheide zwingend komplett aufzuheben seien. Das BVerfG habe insoweit nur noch einmal klargestellt, dass eine Sanktion nach dieser rechtlichen Grundlage eine Höhe von über 30 Prozent erreiche. Dies ergebe sich auch aus dem gesamten Kontext der Entscheidung. Zudem müssten Betroffene nun die Möglichkeit haben, die Minderung existenzsichernder Leistungen durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und zwar auch nach dem Erlass eines Sanktionsbescheides. Diese Möglichkeiten seien bei Minderungszeiträumen in der Vergangenheit aber gerade nicht gegeben. Rein vorsorglich werde für den Fall eines kompletten Anerkenntnisses dargelegt, dass der Kläger ein Feststellungsinteresse in Form des Rehabilitationsinteresses habe. Die Bild-Zeitung habe ihn wegen seiner Tätigkeit, sich für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Sanktionsparagrafen einzusetzen, mit einer Schmutzkampagne überzogen und ihn mit verurteilten Straftätern gleichgestellt (Hinweis auf Bild-Artikel vom 5. Dezember 2012). Zudem begehre er auch Schadenersatz. Im Übrigen verweise er auf sein Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG. Er habe ab dem 1. Juli 2015 mit seinem "Sanktionshungern" begonnen. Seine lückenlose Hungerstrecke habe vom 1. Juli 2015 bis zum 31. November 2015 gedauert. Während dieser Zeit habe er auch keine Lebensmittelgutscheine in Anspruch genommen, da er diese ebenfalls für menschenrechts- und verfassungswidrig halte. In der Halbzeit seines Hungerns habe er, vermutlich verursacht durch einen Abbau des Herzmuskels, einige sehr schmerzhafte Angina-Pectoris-Anfälle erlitten, die allerdings erfolgreich im Krankenhaus behandelt worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2015 sowie den Bescheid vom 22. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2013 und den Bescheid vom 6. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist daraufhin, dass der Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Januar 2013 und der Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Juli 2013 bestandskräftig sein dürften, da insoweit keine Verfahren der ersten und zweiten Instanz offen seien. Er meint, die Aufrechterhaltung in Form einer 30-prozentigen Sanktionierung dürfte mit der Entscheidung des BVerfG im Einklang stehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten des Beklagten (Behelfsakten Band III bis V; ), der weiteren Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin (früher ) sowie der Auszüge aus weiteren Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin () verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage, soweit darüber nach der teilweisen Aufhebung der angefochtenen Bescheide noch zu entscheiden ist, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 22. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2013 und der Bescheid vom 6. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2014 sind rechtmäßig. Der Kläger verletzte seine Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Januar 2013 und aus der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Juli 2013. Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat er nicht dargelegt.

Regelungsgegenstand eines sog. Sanktionsbescheides wie des Bescheides vom 22. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2013 und des Bescheides vom 6. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2014 ist nicht die Höhe des Leistungsanspruchs für Zeiten, für die Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden waren (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R, Rdnrn. 14, 15, zitiert nach juris). Es handelt sich vielmehr beim Sanktionsbescheid um einen eigenständigen Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung. Angesichts der damit auch unterschiedlichen Verfügungssätze werden nachfolgende Umsetzungsbescheide nicht nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens. Allerdings steht, wenn nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung und nicht (zugleich) ein nachfolgender Umsetzungsbescheid angefochten wird, der nachträglichen Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid die Zeitgrenze des § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X sowie § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Feststellung der Obliegenheitsverletzung und die Änderung der Leistungsbewilligung sind materiell so aufeinander bezogen, dass die rechtzeitige Anfechtung des Minderungsbescheides ein Aufhebungsbegehren im Hinblick auf den Umsetzungsverwaltungsakt einschließt, um einer effektiven Rechtsschutzgewährung im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen (BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R, Rdnr. 20).

Rechtsgrundlagen sind § 31a Abs. 1 SGB II, § 31 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II und § 31b Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl I 2011, 850) - a. F. -.

§ 31a Abs. 1 SGB II a. F. bestimmt: Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II um 60 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs begrenzen.

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis 1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 SGB II festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 31 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II a. F.).

Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig (§ 31b Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 SGB II a. F.).

1.a. Beim Kläger handelte es sich um einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der sich weigerte, in Eingliederungsvereinbarungen ersetzenden Verwaltungsakten festgelegte Pflichten zu erfüllen.

Der Kläger war erwerbsfähig. Anhaltspunkte dafür, dass er in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt war, liegen nicht vor; auch vom Kläger wird solches nicht geltend gemacht. Der Kläger war leistungsberechtigt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II (also mindestens das 65. Lebensjahr) noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Der Kläger, der sich in den Grenzen der maßgebenden Lebensjahre befand und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, war insbesondere hilfebedürftig. Er verfügte über kein (verwertbares) Vermögen. Im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 erzielte er kein Einkommen. Im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 standen ihm als Einkommen lediglich 200,00 Euro monatlich aus ehrenamtlicher Tätigkeit zur Verfügung. Nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 4. September 2020 handelt es sich bei diesem Betrag um eine Aufwandsentschädigung für seine für einen Verein direkt erbrachte Tätigkeit.

Der Kläger weigerte sich, in dem am 18. Januar 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt festgelegte Pflichten zu erfüllen. Dieser Verwaltungsakt ist nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, denn er ist bestandskräftig und daher bindend. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dazu (noch) Rechtsbehelfsverfahren anhängig sind.

Nach § 77 SGG gilt: Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Die Rechtmäßigkeit eines vorangegangenen Verwaltungsaktes ist als Vorfrage für einen nachfolgenden Verwaltungsakt inzident (nur) zu überprüfen, wenn sich der vorangegangene Verwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt hat (BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R, Rdnr. 30, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 119, 17 = SozR 4-4200 § 31a Nr. 1; BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 20/14 R, Rdnr. 26, zitiert nach juris). Da ein Verwaltungsakt nach § 39 Abs. 2 SGB X (nur) wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, entfällt mit seiner Erledigung zugleich jegliche Bindung an seine inhaltliche Regelung. So wie im Falle seiner Aufhebung die Bestandskraft beseitigt wird, tritt im Falle seiner Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft diese erst gar nicht ein. Dies ist rechtfertigender Grund für eine inzidente Überprüfung, soweit es auf seine Rechtmäßigkeit in einem nachfolgenden Verfahren ankommt. Tritt eine solche vorherige Erledigung durch Zeitablauf hingegen nicht ein, führt dies bei Unanfechtbarkeit zur Bestandskraft mit der Folge einer hindernden inhaltlichen Überprüfbarkeit dieses Verwaltungsaktes auf Rechtmäßigkeit (vgl. dazu auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Juni 2018 – L 31 AS 671/18 B ER, Rdnrn. 21 und 22, zitiert nach juris).

Ausgehend davon hat sich der am 18. Januar 2013 verfügte Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt nicht durch Zeitablauf erledigt. Die Gültigkeitsdauer dieses Bescheides endete zwar zum Ablauf des 17. Juli 2013. Zu diesem Zeitpunkt erledigte er sich jedoch nicht, da er weiterhin eine Beschwer entfaltete.

Zwar wird eine ursprünglich zulässige Anfechtungsklage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt in der Regel durch Zeitablauf unzulässig, wenn der Zeitraum, für den dieser Eingliederungsverwaltungsakt Geltung beansprucht, verstrichen ist. Ein Kläger kann dann nicht mehr geltend machen, durch eine darin getroffene Regelung beschwert zu sein. Damit hat sich dieser Eingliederungsverwaltungsakt insgesamt erledigt und entfaltet keine Rechtswirkung mehr (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 45/15 R, Rdnr. 15, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 55 Nr. 16). Dies gilt jedoch nicht, wenn dieser Eingliederungsverwaltungsakt Grundlage eines weiteren den Kläger belastenden Verwaltungsaktes ist. Infolge des Zeitablaufes sind zwar die im Eingliederungsverwaltungsakt geregelten beiderseitigen Verpflichtungen nicht (weiter) zu erfüllen, so dass sich der Eingliederungsverwaltungsakt insoweit erledigt hat. Eine Erledigung ist jedoch nicht eingetreten, soweit wegen einer behaupteten Verletzung von Pflichten eines Klägers gestützt auf diesen Eingliederungsverwaltungsakt diesem gegenüber ein belastender Verwaltungsakt erlassen wurde, der (noch) wirksam ist, denn in einem solchen Fall entfaltet der Eingliederungsverwaltungsakt weiterhin rechtsnachteilige Wirkungen zu Lasten des Klägers, so dass deswegen eine Beschwer verbleibt. Die mit der Anfechtungsklage angestrebte Aufhebung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes ist erforderlich, um mögliche Sanktionen abzuwehren (so auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R, Rdnrn 13, 10, 5; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2017 – L 25 AS 1631/16, Rdnr. 63, zitiert nach juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2017 – L 2 AS 488/17, Rdnr. 20; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 639/10, Rdnr. 28, zitiert nach juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – L 3 AS 2192/12, Rdnr. 22, zitiert nach juris, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Februar 2008 – L 3 AS 4/08, Rdnr. 29, zitiert nach juris).

Die Voraussetzung der weiteren Beschwer des Klägers liegt vor, denn der (Sanktions)Bescheid vom 22. März 2013 beruht auf dem am 18. Januar 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt. Mithin erledigte sich der am 18. Januar 2013 verfügte Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt nicht durch Zeitablauf, so dass er nach § 77 SGG bestandkräftig werden konnte. Angesichts seiner Bestandskraft ist der Senat somit darauf beschränkt zu prüfen, ob der Kläger die ihm mit diesem Verwaltungsakt auferlegten Pflichten verletzte oder nicht.

Eine solche Pflichtverletzung liegt vor. Nach dem am 18. Januar 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt war der Kläger zur Übersendung einer detaillierten Auflistung seiner Aktivitäten im Rahmen der selbständigen Tätigkeit als Dozent und Referent im Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 bis spätestens 15. Februar 2013 und die Übersendung einer Auslistung der Einnahmen, die er im Zusammenhang mit der Ausübung der Selbständigkeit bei Gegenüberstellung der Ausgaben in diesem Zeitraum erwirtschaftet hatte, verpflichtet. Dieses vom Kläger abverlangte Verhalten war nach Art, Umfang und Zeit so hinreichend konkretisiert, dass für ihn ersichtlich war, was von ihm erwartet wurde. Der Kläger weigerte sich, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Das Merkmal "weigert" bedeutet die vorsätzliche ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, die in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem sie ersetzenden Verwaltungsakt festgelegten Pflichten zu erfüllen. Sie kann auch in einem konkludenten Verhalten liegen (Knickrehm/Hahn in Eicher, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, 3. Auflage, § 31 Rdnr. 17; Berlit in Münder, Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 6. Auflage, § 31 Rdnr. 29). Die Weigerung bedeutet im Rahmen des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. die vorsätzliche Nichtübersendung der geforderten Auflistungen.

Nachdem der Kläger zunächst mit Schreiben vom 15. Februar 2013 angekündigt hatte, seine Entscheidung, ob er die Auflistungen übersende werde, noch mitteilen zu wollen, lehnte er schließlich ab, die geforderte Auflistung seiner Aktivitäten des zweiten Halbjahres 2012 beizubringen. Er weigerte sich damit, seiner Verpflichtung nachzukommen.

Der Beklagte belehrte auch zutreffend über die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die in der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt festgelegten Pflichten. So führte er unter anderem aus: Bei einem wiederholten Pflichtverstoß wird das Arbeitslosengeld II um einen Betrag i.H.v. 60 % des maßgebenden Regelbedarfs gemindert, bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Ihr Arbeitslosengeld II wurde bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes gemindert (vergleiche Bescheid vom 12. September 2012). Ein wiederholter Pflichtverstoß (Verstoß gegen eine der unter Nr. 2 mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen) wird daher eine Minderung des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II um einen Betrag i.H.v. 60 % des für sie maßgebenden Regelbedarfs zur Folge haben. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass weitere wiederholte Pflichtverstöße den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II zur Folge haben. Ungeachtet dessen wusste der Kläger um die eintretenden Sanktionen aufgrund des ersten Sanktionsbescheides vom 12. September 2012, wie zudem seine Bitte auf das Schreiben des Beklagten vom 4. März 2013, sich "bei der Entscheidung über eine Sanktion ausschließlich an der Rechtslage zu orientieren", zeigt.

Der Kläger weigerte sich gleichfalls, in dem am 18. Juli 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt festgelegte Pflichten zu erfüllen. Auch dieser Verwaltungsakt ist nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, denn er ist bestandskräftig und daher bindend. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dazu (noch) Rechtsbehelfsverfahren anhängig sind. Dieser Verwaltungsakt hat sich ebenfalls nicht durch Zeitablauf erledigt. Die Gültigkeitsdauer des am 18. Juli 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt endete zwar zum Ablauf des 17. Januar 2014. Zu diesem Zeitpunkt erledigte er sich jedoch nicht, da er weiterhin eine Beschwer entfaltete, denn der (Sanktions)Bescheid vom 6. Januar 2014 beruht auf diesem Verwaltungsakt.

Der Kläger weigerte sich, in dem am 18. Juli 2013 verfügten Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt festgelegte Pflichten zu erfüllen. Nach diesem Verwaltungsakt war der Kläger zu jeweils mindestens 10 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Turnus von einem Monat und zur Vorlage einer Auflistung seiner Bewerbungsbemühungen kalendermonatsweise bis spätestens zum zehnten Tag des Folgemonats, erstmals bis 10. September 2013 für den Kalendermonat Juli (anteilig) und für den Kalendermonat August verpflichtet. Dieses vom Kläger abverlangte Verhalten war nach Art, Umfang und Zeit so hinreichend konkretisiert, dass für ihn ersichtlich war, was von ihm erwartet wurde.

Der Kläger weigerte sich, einen Nachweis seiner Bewerbungsbemühungen für September 2013 vorzulegen, denn, wie er dazu mitteilte, fühlte er sich an den Verwaltungsakt vom 18. Juli 2013 nicht mehr gebunden, nachdem er diesen öffentlich - und unter Polizeischutz – vor dem Haus des Beklagten verbrannt hatte.

Der Beklagte belehrte auch zutreffend über die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die in der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt festgelegten Pflichten. Er führte über die oben genannte Rechtsfolgenbelehrung hinaus unter anderem aus: Ihr Arbeitslosengeld II wurde zuletzt wegen eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag i.H.v. 60 % des maßgebenden Regelbedarfs gemindert (vergleiche Bescheid vom 22. März 2013). Jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß (Verstoß gegen die mit Ihnen Nr. 2 vereinbarten Eingliederungsbemühungen) wird daher den vollständigen Wegfall des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II zur Folge haben. In diesem Fall werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.

1.b. Einen wichtigen Grund einerseits für die Nichtübersendung der Auflistungen seiner Aktivitäten im Rahmen der selbständigen Tätigkeit als Dozent und Referent nebst seiner Einnahmen im Zusammenhang mit der Ausübung der Selbständigkeit und andererseits für die Nichtübersendung eines Nachweises seiner Bewerbungsbemühungen hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Das BVerfG hat im Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 ausgeführt: Der Gesetzgeber hat (lediglich) Sorge dafür zu tragen, dass trotz Wegfalls des Arbeitslosengeldes II die Chance realisierbar bleibt, existenzsichernde Leistungen zu erhalten, wenn zumutbare Mitwirkungspflichten erfüllt werden oder, falls das nicht möglich ist, die ernsthafte und nachhaltige Bereitschaft zur Mitwirkung tatsächlich vorliegt. Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Einkommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des § 10 SGB II zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen (Rdnrn. 208, 209). Das Grundgesetz verwehrt dem Gesetzgeber (nämlich) nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können. Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Eine daran anknüpfende Schonung der begrenzten finanziellen Ressourcen des Staates sichert diesem künftige Gestaltungsmacht gerade auch zur Verwirklichung des sozialen Staatsziels. Das Grundgesetz steht auch einer Entscheidung des Gesetzgebers nicht entgegen, von denjenigen, die staatliche Leistungen der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, zu verlangen, an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen (Rdnrn. 123, 124, 126). Demgegenüber kann ein legitimes Ziel solcher Mitwirkungspflichten nicht darin gesehen werden, die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu fördern. Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewusst ist. Das schließt Mitwirkungspflichten aus, die auf eine staatliche Bevormundung oder Versuche der "Besserung" gerichtet sind. Wird die Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch eine Minderung existenzsichernder Leistungen sanktioniert, fehlen der bedürftigen Person allerdings Mittel, die sie benötigt, um die Bedarfe zu decken, die ihr eine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz kann eine Leistungsminderung dennoch vereinbar sein. Sie kann die Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG wahren, wenn sie nicht darauf ausgerichtet ist, repressiv Fehlverhalten zu ahnden, sondern darauf, dass Mitwirkungspflichten erfüllt werden, die gerade dazu dienen, die existenzielle Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Dann dient die Leistungsminderung wie auch die Pflicht, die mit ihr durchgesetzt werden soll, dazu, den existenznotwendigen Bedarf auf längere Sicht nicht mehr durch staatliche Leistung, sondern durch die Eigenleistung der Betroffenen zu decken. Der Gesetzgeber kann insofern staatliche Leistungen zur Sicherung der Existenz auch mit der Forderung von und Befähigung zu eigener Existenzsicherung verbinden. Es gelten jedoch strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere muss es den Betroffenen tatsächlich möglich sein, die Minderung staatlicher Leistungen durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernde Leistung wiederzuerlangen (Rdnrn. 127, 131, 132, 133).

Wichtige Gründe können daher besondere Umstände wie familiäre oder gesundheitliche Probleme oder eine Diskriminierung am aufgegebenen Arbeitsplatz sein, die bei objektiver Betrachtung der geforderten Mitwirkung entgegenstanden und auch einer künftigen Mitwirkung entgegenstehen können. Der wichtige Grund muss objektiv vorliegen (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16, Rdnrn. 143, 173).

Einen solchen individuellen berechtigten Grund für sein Verhalten hat der Kläger nicht dargetan.

Eine vermeintliche oder tatsächliche "Verfassungswidrigkeit des Systems" stellt einen solchen individuellen Grund nicht dar. Indem er, so der Kläger, der Verfassungswidrigkeit des Systems den nötigen Widerstand entgegensetze, kann ebenfalls kein individueller Grund gesehen werden. Seine, wie von ihm vorgetragen, Absicht, statt wie gewöhnlich, Sanktionen zu vermeiden, sich bemüht zu haben, rechtsichere und unauflösliche Sanktionen zu erhalten, stellt ebenfalls keinen solchen individuellen Grund dar.

Der Kläger mag gute Gründe gegen die Sanktionsregelungen haben. Er verkennt jedoch den vom GG vorgegebenen Weg, um die Beseitigung dieser Regelungen zu erreichen. Die Grundrechte dienen dazu, den jeweiligen Betroffenen vor ihn belastenden rechtswidrigen staatlichen Eingriffen zu schützen. Zur Verwirklichung dessen ist diesem Betroffenen der Rechtsweg eröffnet. Zur Abschaffung eines Gesetzes, das der Kläger aus welchen Gründen auch immer für verfehlt erachtet, steht der Rechtsweg hingegen nicht zur Verfügung. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung obliegt es dem demokratisch gewählten Gesetzgeber zu entscheiden, welche Gesetze er mit welchem Inhalt schafft oder abschafft. Dementsprechend kann sich der Kläger in einem Rechtsbehelfsverfahren nur auf individuelle Gründe für sein konkretes Verhalten, an das das Gesetz bestimmte Rechtsfolgen knüpft, stützen. Der Kläger mag sich für befugt halten, als Sachwalter der Rechte anderer Betroffener zu agieren. Mit seiner Ansicht, die im Gesetz vorgesehenen Sanktionen seien ungeeignet, dem Prinzip des Forderns Druck zu verleihen, kann er daher nicht gehört werden. Dies gilt auch, soweit er es sich unabhängig von seinem persönlichen Wohlergehen zur Aufgabe gemacht habe, sich für die Wiederherstellung der Grundrechte einzusetzen, soweit er damit die Grundrechte anderer Betroffener anspricht. Die von ihm gesehene Besonderheit der ihn betreffenden Sanktionen, dass es nämlich um "nichts Persönliches, sondern um eine Frage allgemeiner gesellschaftlicher Bedeutung" gegangen sei, muss daher ebenfalls unberücksichtigt bleiben.

Entgegen seiner Ansicht wird er auch nicht wegen seiner Haltung zur Verfassungswidrigkeit von Hartz IV sanktioniert und ist auch nicht deswegen politischer Verfolgung ausgesetzt. Die angefochtenen Bescheide geben dafür keinen Hinweis. Die o. g. Rechtsgrundlagen sehen eine Sanktionierung wegen einer bestimmten Haltung zu Hartz IV nicht vor.

Der Kläger kann sich schließlich nicht auf Art 20 Abs. 4 GG berufen.

Diese Vorschrift bestimmt: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die von ihm dazu angeführte Begründung, es sei unmöglich, als Hartz-IV-Betroffener die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Sanktionen regelkonform zum BVerfG zu bringen, trifft nicht zu. Das Jobcenter ist als Behörde an das Gesetz gebunden; ihm steht es nicht zu, die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu prüfen. Dafür steht der Rechtsweg offen. Die Anwaltsgebühren im Sozialrecht sind so gestaltet, dass sie es ermöglichen, einen Rechtsanwalt zur Vertretung zu finden. Betroffene können ebenfalls Prozesskostenhilfe erhalten, denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind verfassungskonform ausgestaltet. Die Richter sind nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht und nicht, wie der Kläger meint, an Regierung und Politik gebunden. Die in Deutschland geltenden Regelungen über Auswahl, Anstellung und Beförderung der Richter ändern daran nichts; insbesondere wird dadurch die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative nicht berührt. Gegen eine fehlende aufschiebende Wirkung bei Widerspruch und Klage steht dem Betroffenen die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung. Der Vortrag des Klägers, in den 15 Jahren Hartz-IV sei von tausenden von Hartz-IV-Betroffenen verfassten Verfassungsbeschwerden nicht eine einzige vom BVerfG angenommen worden, was letztendlich belege, dass der Weg der Verfassungsbeschwerde nicht gangbar sei, kann auch zum Ausdruck bringen, dass die Sanktionsregelungen nicht offenkundig verfassungswidrig gewesen sind und es deswegen einer eingehenden verfassungsrechtlichen Würdigung bedurfte, um eine teilweise Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen sichtbar werden zu lassen.

Das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG ist ein subsidiäres Ausnahmerecht, das als ultima ratio von vornherein nur dann in Betracht kommt, wenn alle von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe so wenig Aussicht auf wirksame Abhilfe bieten, dass die Ausübung des Widerstandes das letzte Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Rechts ist. Eine Verletzung von Art. 20 Abs. 4 GG kann danach nicht in einem Verfahren gerügt werden, in dem gegen die behauptete Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung gerade gerichtliche Abhilfe gesucht wird. Daran ändert die Erwähnung des Art. 20 Abs. 4 GG in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG nichts. Der subsidiäre Charakter dieses Rechts bleibt von der Ausformung als - auch prozessual - grundrechtsgleiches Recht unberührt (BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08, Rdnr. 186, zitiert nach juris, abgedruckt in BVerfGE 123, 267).

2.a. Die Pflichtverletzungen des Klägers stellen eine erste wiederholte bzw. eine weitere wiederholte Pflichtverletzung dar. Es kann daher dahinstehen, ob die verbliebene Sanktion in Höhe von 30 vom Hundert aufzuheben wäre, wenn die vorangegangenen Sanktionen in Höhe von 30 vom Hundert oder von 60 vom Hundert rechtswidrig und aufzuheben wären, weil, so der Kläger, damit die Rechtsgrundlage für alle folgenden Totalsanktionen wegfielen.

Der Sanktionsbescheid, der den ersten bzw. den nachfolgenden Minderungszeitraum festlegt, muss wirksam sein. Bestandskraft ist nicht erforderlich. Sofern allerdings der Leistungsträger oder ein Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtbehelfs gegen diesen Bescheid angeordnet haben - da Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben - darf der Bescheid nicht vollzogen werden. Das bedeutet, da aus dem Verwaltungsakt keine Folgerungen gezogen werden dürfen, dass in einem solchen Fall nicht von einer festgestellten Minderung ausgegangen werden kann (Weber in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 31a, Stand: 01.03.2020, Rdnrn. 46 und 47).

Ist gegen den Sanktionsbescheid, der den ersten bzw. den nachfolgenden Minderungszeitraum festlegt, Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben worden, ist mangels Bestandskraft eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit als Voraussetzung des oder der nachfolgenden Sanktionsbescheide möglich und geboten (Weber in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, a. a. O., § 31a, Rdnr. 49), während ansonsten die Rechtmäßigkeit eines bindend gewordenen früheren Bescheides grundsätzlich nicht zu überprüfen ist (Weber in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, a. a. O., § 31a, Rdnr. 49 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2002 – B 7 AL 44/01 R, Rdnrn. 24 und 25, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 3-4100 § 119 Nr. 23: zu Sperrzeit-Bescheiden bei Arbeitslosenhilfe).

Mit Bescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012, der eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 monatlich um 30 v. H. des maßgebenden Regelbedarfs (112,20 Euro monatlich) feststellte, wurde die erste Pflichtverletzung festgestellt. Diese Bescheide sind nicht bestandskräftig, da dagegen die beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 189 AS 4858/18 WA registrierte Klage (früher S 189 AS 33311/12) anhängig ist.

Der Bescheid vom 12. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012 ist allerdings rechtmäßig, denn der Kläger unternahm, wie von ihm mitgeteilt, weder im Mai 2012 noch im Juni 2012 Eigenbemühungen um Arbeit entsprechend seiner Verpflichtung in der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 2. Mai 2012. Einen wichtigen Grund hat der Kläger nicht benannt. Er bezieht sich ausschließlich auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen.

Die erste wiederholte Pflichtverletzung wurde mit dem im hiesigen Verfahren angefochtenen Bescheid vom 22. März 2013 festgestellt, so dass es sich bei der mit dem ebenfalls im hiesigen Verfahren angefochtenen Bescheid vom 6. Januar 2014 um die Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung handelt.

Der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraumes liegt auch nicht länger als ein Jahr zurück. Der erste vorangegangene Minderungszeitraum begann am 1. Oktober 2012, so dass der Bescheid vom 22. März 2013 mit dem Minderungszeitraum ab 01. April 2013 die Jahresfrist wahrt. Bei Beginn des zweiten vorangegangenen Minderungszeitraumes ab 1. April 2013 wahrt der Bescheid vom 6. Januar 2014 mit dem Minderungszeitraum ab 1. Februar 2014 ebenfalls die Jahresfrist.

Der Kläger hat sich schließlich auch nicht nachträglich (bis zum Ende des Minderungszeitraums am 30. April 2014) bereiterklärt, seinen Pflichten aus dem Ersatz der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 18. Juli 2013, deren Verletzung zum Erlass des Bescheides vom 6. Januar 2014 führte, nachzukommen.

2.b. § 31a Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II a. F. sehen zwar eine Minderung des Arbeitslosengeldes um 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs bzw. einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes vor. Diese Rechtsfolgen sind allerdings nach dem Urteil des BVerfG vom 5. November 2019 mit dem GG unvereinbar.

Das BVerfG hat unter Ziffer 1 tenoriert:

§ 31a Absatz 1 Sätze 1, 2 und 3 SGB II (in der näher bezeichneten Fassung) ist für Fälle des § 31 Absatz 1 SGB II in der genannten Fassung mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit die Höhe der Leistungsminderung bei einer erneuten Verletzung einer Pflicht nach § 31 Absatz 1 SGB II die Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt, soweit eine Sanktion nach § 31a Absatz 1 Sätze 1 bis 3 SGB II zwingend zu verhängen ist, auch wenn außergewöhnliche Härten vorliegen, und soweit § 31b Absatz 1 Satz 3 SGB II für alle Leistungsminderungen ungeachtet der Erfüllung einer Mitwirkungspflicht oder der Bereitschaft dazu eine starre Dauer von drei Monaten vorgibt.

Das BVerfG hat dazu ausgeführt: § 31a Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II sind nach derzeitigem Erkenntnisstand verfassungswidrig, soweit die Minderung wegen einer ersten wiederholten und einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres die Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs übersteigt. Die Regelung ist insoweit für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären. § 31a Abs. 1 Sätze 1, 2 und 3 SGB II sind verfassungswidrig und mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit danach der Regelbedarf bei einer Pflichtverletzung auch im Fall außergewöhnlicher Härten zwingend zu mindern ist oder das Arbeitslosengeld II auch dann vollständig entfallen muss. § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II ist verfassungswidrig und mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit er für alle hier überprüften Leistungsminderungen eine starre Dauer von drei Monaten vorgibt (Rdnrn. 215 – 217).

Das BVerfG hat allerdings ebenfalls festgestellt: Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II normierte Höhe einer Leistungsminderung von 30 % des maßgebenden Regelbedarfs im Fall der Verletzung einer Pflicht nach § 31 Abs. 1 SGB II ist nach derzeitiger Erkenntnislage für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Rdnr. 214).

Die Verfassungswidrigkeit der genannten Regelungen hat, wie der Tenor des Urteils des BVerfG ergibt, nicht die Nichtigkeit dieser Regelungen zur Folge. Dies hat das BVerfG damit begründet, dass die bloße Unvereinbarkeitserklärung einer verfassungswidrigen Norm regelmäßig geboten sei, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten habe, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Dies sei hier der Fall (Rdnrn. 212 und 213 unter Darstellung dieser Möglichkeiten). Daraus hat das BVerfG die Konsequenz gezogen, dass die Vorschriften bis zum Inkrafttreten der Neuregelung durch den Gesetzgeber nach Maßgabe dieses Urteils angewendet werden können (Rdnrn. 210 und 218). Es hat dazu unter Ziffer 2 tenoriert: Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung durch den Gesetzgeber sind § 31a Abs. 1 Sätze 1, 2 und 3 und § 31b Abs. 1 Satz 3 in den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II in der Fassung folgender Übergangsregelungen weiter anwendbar: a) § 31a Absatz 1 Satz 1 SGB II ist in den Fällen des § 31 Absatz 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Leistungsminderung wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Absatz 1 SGB II nicht erfolgen muss, wenn dies im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Insbesondere kann von einer Minderung abgesehen werden, wenn nach Einschätzung der Behörde die Zwecke des Gesetzes nur erreicht werden können, indem eine Sanktion unterbleibt. b) § 31a Absatz 1 Sätze 2 und 3 SGB II sind in den Fällen des § 31 Absatz 1 SGB II mit der Maßgabe anwendbar, dass wegen wiederholter Pflichtverletzungen eine Minderung der Regelbedarfsleistungen nicht über 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen darf. Von einer Leistungsminderung kann abgesehen werden, wenn dies im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde. Insbesondere kann von einer Minderung abgesehen werden, wenn nach Einschätzung der Behörde die Zwecke des Gesetzes nur erreicht werden können, indem eine Sanktion unterbleibt. c) § 31b Absatz 1 Satz 3 SGB II ist in den Fällen des § 31 Absatz 1 SGB II mit folgender Maßgabe anzuwenden: Wird die Mitwirkungspflicht erfüllt oder erklären sich Leistungsberechtigte nachträglich ernsthaft und nachhaltig bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann die zuständige Behörde unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ab diesem Zeitpunkt die Leistung wieder in vollem Umfang erbringen. Die Minderung darf ab diesem Zeitpunkt nicht länger als einen Monat andauern.

Während das Gesetz mit diesen Maßgaben auf künftige und noch beim Leistungsträger anhängige Verwaltungsverfahren anzuwenden ist (vgl. dazu auch Rdnr. 218), hat das BVerfG aus seiner Entscheidung folgende Konsequenzen für bestandskräftige und nicht bestandskräftige Verwaltungsakte gezogen (Rdnrn. 220-222): a) Für bestandskräftige Verwaltungsakte bleibt es bei der Regelung des § 40 Abs. 3 SGB II als Sonderregelung zu § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. b) Nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II, die vor der Urteilsverkündung festgestellt worden sind, bleiben wirksam. c) Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II sind, soweit sie über eine Minderung i.H.v. 30 % des maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen, aufzuheben.

Letztgenannte Maßgabe bedeutet im Umkehrschluss - und entgegen der Ansicht des Klägers nach einer kompletten Aufhebung dieser nur teilweisen verfassungswidrigen Bescheide -, dass am 5. November 2019 nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen in Höhe von 30 vom Hundert bestehen bleiben. Sie teilen damit dasselbe Schicksal wie nicht bestandskräftige Verwaltungsakte nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II, also wie Bescheide, mit denen von vornherein nur eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 vom Hundert des maßgebenden Regelbedarfs verfügt wurde.

Der Beklagte ist der Entscheidung des BVerfG zwischenzeitlich nachgekommen, indem er die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben hat, soweit darin eine Minderung von mehr als 30 vom Hundert der Regelleistung verfügt wurde. Dies stellt keine, wie der Kläger meint, "Neuverfügung" einer Sanktion dar, denn die verfügte Sanktion wird lediglich in ihrem Umfang auf 30 vom Hundert der Regelleistung begrenzt.

3. Die jeweiligen Auszahlungsansprüche sind weiterhin dem Gesetz entsprechend festgesetzt.

Der Bescheid vom 22. März 2013 wurde im März 2013 wirksam, so dass sich der Minderungszeitraum vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2013 erstreckt. Dieser Bescheid erging rechtzeitig, denn die Pflichtverletzung erfolgte mit Ablauf des 15. Februar 2013.

Der Bescheid vom 6. Januar 2014 wurde im Januar 2014 wirksam, so dass sich der Minderungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 30. April 2014 erstreckt. Dieser Bescheid erging ebenfalls rechtzeitig, denn die Pflichtverletzung erfolgte mit Ablauf des 10. Oktober 2013. Nicht wesentlich ist, dass - wie bereits nach der bisherigen Rechtslage nach § 31a Abs. 1 Satz 6 SGB II a. F. - der Kläger die Maßgaben des BVerfG zu § 31b Absatz 1 Satz 3 SGB II, die ohnehin wie ausgeführt allein für noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren maßgebend sind, nicht mehr nachträglich erfüllen kann. So hat das BVerfG ausgeführt (Rdnr. 186): Der starr andauernde Leistungsentzug überschreitet aber die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, wenn die Mitwirkung, zu deren Durchsetzung diese Sanktion dient, vor Ablauf von drei Monaten nachgeholt wird. Daher ist eine Leistungsminderung in der Gesamtbetrachtung nur zumutbar, wenn sie grundsätzlich endet, sobald die Mitwirkung erfolgt. Mit Ziffer 2 Bst. c des Tenors knüpft das BVerfG gerade an den Zeitpunkt an, an dem die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde bzw. an dem der Leistungsberechtigte seine Bereitschaft erklärte, seinen Pflichten nachzukommen, denn lediglich ab diesem Zeitpunkt darf die Minderung nicht länger als einen Monat dauern. Für Leistungsberechtigte, für die der Zeitraum der Leistungsminderung bereits abgelaufen ist, hat Ziffer 2 Bst. c des Tenors daher keine Bedeutung (vgl. auch Weber in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, a. a. O., § 31b, Rdnr. 33).

Ungeachtet dessen bestand das Anliegen des Klägers darin, umfassende Sanktionen zu erhalten, sodass er ohnehin kein Interesse daran hatte, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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