L 7 BK 1/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 42 BK 8/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 BK 1/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 KR 1/21 R
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Kinderzuschlag nach § 6a BKGG ab Februar 2018.

Die am 00.00.1992 geborene Klägerin ist mit dem am 00.00.1975 geborenen N N1 verheiratet und lebt mit diesem in einem Haushalt. Die Klägerin ist die Mutter der ebenfalls in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder E N1 (geb. 00.00.2012), N2 G (geb. 00.00.2013) und N3 N1 (geb. 00.00.2019). Vater der Kinder E und N3 ist N N1, N2 hat einen anderen Vater. Die Kinder verfügen nicht über Einkommen oder Vermögen. Die Klägerin erhält für die Kinder Kindergeld und sie bezieht Wohngeld als Mietzuschuss für die von der Familie bewohnte Mietwohnung.

Die Klägerin ist seit Juni 2016 voll erwerbsgemindert iSd § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI und bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Ehemann ist seit Juli 2016 ebenfalls voll erwerbsgemindert iSd § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI und bezieht ebenfalls eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zuletzt wurde die Rentenbewilligung für die Klägerin bis zum 30.06.2022 (Bescheid der DRV Knappschaft-Bahn-See vom 19.06.2019) und für den Ehemann bis zum 31.03.2023 (Bescheid der DRV vom 11.12.2019) verlängert. Bei der Beantragung des Kinderzuschlags im August 2017 gab die Klägerin den Rentenbezug unter Beifügung von Auszügen aus den jeweiligen Rentenbescheiden an.

Mit Bescheid vom 02.10.2017 und Änderungsbescheid vom 28.12.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin (ungeachtet des Rentenbezugs) für die Kinder E und N2 Kinderzuschlag von August 2017 bis Januar 2018.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 12.01.2018 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2018 die Bewilligung von Kinderzuschlag ab Februar 2018 ab. Ein Anspruch bestehe gem. § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG nur, wenn dadurch Hilfebedürftigkeit iSd SGB II vermieden werden könne. Da beide Elternteile nicht erwerbsfähig seien und keines der beiden Kinder das 15. Lebensjahr vollendet habe, sei kein Familienmitglied leistungsberechtigt iSd SGB II, weshalb auch kein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe.

Hiergegen legte die Klägerin am 13.02.2018 Widerspruch ein. Mit dem Kinderzuschlag werde Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII vermieden. Der Kinderzuschlag sei ihr bewilligt worden, obwohl ihre Erwerbsunfähigkeit und die ihres Ehemannes schon feststand. Deshalb bestehe auch weiterhin ein entsprechender Anspruch.

Mit Bescheid vom 02.03.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nicht, da gem. § 7 SGB II wegen der vollen Erwerbsminderung der Eltern und des Alters der Kinder weder die Eltern noch die Kinder einen Zugang zu einem Leistungsanspruch nach dem SGB II hätten.

Am 20.03.2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hält den Ausschluss von Personen von einem Anspruch auf Kinderzuschlag allein wegen einer vollen Erwerbsminderung und des Alters der Kinder für verfassungswidrig. Für eine solche Differenzierung bestehe kein rechtfertigender Grund. Es sei bei dieser Rechtsauffassung allein von Zufällen abhängig, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe oder nicht. Aus dem Urteil des BSG vom 15.12.2010 - B 14 KG 1/09 R folge nichts Abweichendes, denn dieses Urteil betreffe die spezifische Situation von nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Ausländern. Hiermit sei die Familie der Klägerin nicht vergleichbar.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2018 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 02.03.2018 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag für ihre beiden Kinder nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab Februar 2018 zu bewilligen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat Auskünfte der DRV und der DRV Knappschaft-Bahn-See eingeholt. Beide Rentenversicherungsträger haben bestätigt, dass die jeweiligen Renten bewilligt werden, weil die Klägerin und ihr Ehemann außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG sei nicht erfüllt. Durch den Kinderzuschlag könne Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden werden, da kein Mitglied der Haushaltsgemeinschaft leistungsberechtigt nach dem SGB II sei. Den Ausschluss von Kinderzuschlag für Personen, die keinen Zugang zu SGB II-Leistungen haben, habe das BSG mit dem Urteil vom 15.12.2010 - B 14 KG 1/09 R bestätigt. Diese für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG ergangene Entscheidung sei auf die Kläger zu übertragen. In beiden Fällen werde der Sinn und Zweck des Kinderzuschlags, mit dem vermieden werden solle, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld angewiesen sind, nicht erreicht.

Gegen diese am 08.02.2019 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 06.03.2019 Berufung eingelegt. Sie hält den Ausschluss von Personen, die "dem Rechtskreis des SGB XII unterliegen", von der Möglichkeit, Kinderzuschlag zu erhalten, für eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und damit für verfassungswidrig. Ein Vergleich von SGB XII-Berechtigten mit Asylbewerbern verbiete sich, da bei Asylbewerbern Anreize zur Einreise vermieden werden sollten, was auf Anspruchsberechtigte nach dem SGB XII nicht zutreffe. Ob Personen in der Situation der Klägerin Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII beanspruchen könnten, hänge von Zufällen ab. Würden die Klägerin oder ihr Ehemann beispielsweise eine "Arbeitsmarktrente" beziehen, wäre ihnen der Zugang zu SGB II-Leistungen und damit zum Kinderzuschlag nicht verschlossen. Gleiches gelte, wenn eines der Kinder das 15. Lebensjahr vollendet hätte. Ein von solchen Zufällen abhängiger Leistungsausschluss sei nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls durch die Änderungen des § 6a BKGG durch das StaFamG sei der Kinderzuschlag auch für Personen geöffnet worden, die leistungsberechtigt nach dem SGB XII sind. Dies folge auch aus § 6a Abs. 1a Nr. 3 BKGG in der ab 01.01.2020 geltenden Fassung. Indem diese Norm den erweiterten Zugang zum Kinderzuschlag auch für Personen ausschließe, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten oder beantragt haben, habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass auch Leistungsberechtigte nach dem SGB XII einen Anspruch auf Kinderzuschlag haben können.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2018 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab Februar 2018 zu bewilligen.

Die Beklagte beantrag t schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Aus der Neufassung des § 6a BKGG folge nichts anderes.

Auf Anforderung durch den Senat hat die Klägerin die aktuellen Rentenbescheide für sich und ihren Ehemann vorgelegt. Sie hat einen Umzug der Familie ab Mai 2020, die Geburt der Tochter N3 und den Bezug von Elterngeld iHv 300 EUR monatlich ab Oktober 2019 mitgeteilt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewech-selten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat gem. § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kinderzuschlag ab Februar 2018.

Streitgegenstand des Verfahrens ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag ab Februar 2018 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat (Dezember 2020) unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheides. Wird - wie hier - ein Ablehnungsbescheid mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) angefochten, ist - von hier nicht einschlägigen Konstellationen abgesehen - Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein Leistungsanspruch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz (ständige Rechtsprechung, vergl. BSG Urteile vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R, vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R und vom 17.02.2005 - B 13 RJ 31/04 R). Der Schriftsatz der Klägerin vom 07.10.2020, mit dem die sachkundig vertretene Klägerin ohne weitere Erklärungen die Geburt des dritten Kindes und den Bezug von Kindergeld für dieses Kind mitgeteilt hat, ist nicht dahin auszulegen, dass im Berufungsverfahren der Kinderzuschlag auch für N3 begehrt wird, so dass streitgegenständlich nur ein Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag für die beiden älteren Kinder ist.

Der Anspruch auf Kinderzuschlag setzt gem. § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG in der bis zum 31.12.2019 geltenden, für den Anspruch bis zu diesem Zeitpunkt maßgebenden (zum Geltungszeitraumprinzip vergl. nur BSG Urteil vom 08.02.2017 - B 14 AS 3/16 R) Fassung voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Bestimmung erfordert eine fiktive Prüfung eines SGB II-Leistungsanspruchs unter Außerachtlassung des Kinderzuschlags (BSG Urteil vom 26.07.2016 - B 4 KG 2/14 R). Personen, die dem Grunde nach keinen Zugang zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben, können auch keinen Kinderzuschlag beanspruchen. Denn der Kinderzuschlag bezweckt - zusammen mit dem Kindergeld und dem auf die Kinder bezogenen Wohngeldanteil - den typischen Bedarf von Kindern abzudecken und so zu verhindern, dass Eltern, die ihren eigenen Bedarf zu decken in der Lage sind, allein wegen der Kinder auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen sind.

Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind nur Personen, die entweder erwerbsfähige Leistungsberechtigte iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind oder die - ohne selbst erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu sein - mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Voraussetzung auch für den Anspruch auf Kinderzuschlag ist während der Geltung von § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG daher unstreitig, dass entweder der Anspruchsteller selbst oder ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ohne den Kinderzuschlag dem Grunde nach einen Leistungsanspruch nach dem SGB II haben würden, also in irgendeiner Konstellation ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter vorhanden ist.

Weder die Klägerin noch ihr Ehemann noch die Kinder haben einen Zugang zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin und ihr Ehemann sind keine erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, denn sie sind nicht erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Dies trifft auf die Klägerin und ihren Ehemann nicht zu, da sie die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfüllen, mithin wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Kläger machen nicht geltend, dass diese Feststellungen der Rentenversicherungsträger unrichtig seien. Da die Eltern keine erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind, haben die Kinder, die im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und daher selbst keine erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind und keine Bedarfsgemeinschaft begründen können (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), keinen abgeleiteten Leistungsanspruch gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II.

Die Klägerin, ihr Ehemann und ihre Kinder sind hinsichtlich eines Anspruchs auf Kinderzuschlag nicht gleichzusetzen mit Altersrentnern vor Erreichung der jeweiligen Regelaltersgrenze, die mit einer nicht erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person zusammenleben. Diese Personengruppe kann einen Anspruch auf Kinderzuschlag haben (so zutreffend DA KiZ Stand 01.01.2020 - D. 2 Abs. 2). Diese Altersrentner können zwar aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht selber Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen, da sie jedoch als erwerbsfähig anzusehen sind, können sie eine Bedarfsgemeinschaft begründen (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) und einen Sozialgeldanspruch für ihre nicht erwerbsfähigen Angehörigen gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auslösen. Im Gegensatz dazu sind die Klägerin und ihr Ehemann - vergleichbar mit einem Altersrentner nach Überschreitung der Altersgrenze nach § 7a SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) - wegen fehlender Erwerbsfähigkeit von vornherein keine erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, weshalb sie auch keinen Sozialgeldanspruch für ihre Kinder auslösen können.

Die Klägerin hat auch ab Januar 2020 keinen Anspruch auf Kinderzuschlag. Dieser folgt nicht aus der Umformulierung der Bezugsnorm zum SGB II durch das Gesetz zur zielge-nauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe - Starke-FamilienGesetz (StaFamG) vom 28.04.2019 (BGBl I, 530) ab dem 01.01.2020. Seit diesem Zeitpunkt setzt die Bewilligung des Kinderzuschlags nicht mehr voraus, dass "durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit iSd § 9 SGB II vermieden wird". Stattdessen ist gem. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG nur noch Voraussetzung, dass "bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II besteht ". Diese Änderung der Bezugsnorm zum SGB II diente indes (ebenso wie die Abschaffung der Höchsteinkommensgrenze in § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG in der bis zum 31.12.2019 gF durch das StaFamG) allein dazu, den mit der vorherigen Fassung verbundenen negativen Erwerbsanreiz zu beseitigen, der darin bestand, dass eine geringfügige Erhöhung des Erwerbseinkommens den Gesamtanspruch auf Kinderzuschlag zerstören konnte (BT-Drs. 19/7504 S. 43). Zweck der Regelung war nicht, den begünstigten Personenkreis über die bisherige Rechtslage hinaus zu erweitern. Im Gesetzeswortlaut hat dies zwar keinen Niederschlag gefunden. Aber auch der Gesetzgeber des StaFamG betont ausdrücklich, durch den Kinderzuschlag solle weiterhin gewährleistet werden, dass Eltern nicht nur wegen der Kinder auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen sind (BT-Drs. 19/7504 S. 1, 32). Stehen derartige Leistungen bereits dem Grunde nach - unabhängig vom Einkommen - nicht zu, ist der Zugang zum Kinderzuschlag daher nach wie vor verschlossen.

Auch die Einfügung von § 6a Abs. 1a BKGG ab 01.01.2020 durch das StaFamG führt - anders als die Klägerin meint - nicht zu einer abweichenden Bewertung. Die Vorschrift ermöglicht (befristet bis zum 31.12.2022 - § 20 Abs. 2 BKGG) abweichend von § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG einen Anspruch auf Kinderzuschlag trotz fortbestehender Hilfebedürftigkeit, wenn die Bedarfsunterdeckung nicht mehr als 100 EUR beträgt, die Bedarfsunterdeckung auf der Anerkennung von Freibeträgen beruht und kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII beantragt hat oder erhält. Die Regelung des § 6a Abs. 1a BKGG eröffnet eine erweiterte Zugangsmöglichkeit zum Kinderzuschlag für Personen mit Erwerbseinkommen. Diese erhalten ein Wahlrecht, ob sie unter Einsatz ihrer Freibeträge den Lebensunterhalt mit dem Einkommen, dem Kindergeld, dem Wohngeld und dem Kinderzuschlag sichern wollen, oder ob sie auf existenzsichernde Grundsicherungsleistungen zugreifen wollen. Mit der Änderung hat der Gesetzgeber das bis zum 31.12.2019 bestehende Wahlrecht für Personen mit bestimmten Mehrbedarfen ersetzen wollen (BT-Drs. 19/7504 S. 44 f). Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises ist auch hiermit nicht beabsichtigt gewesen. Dem steht auch der Wortlaut der Vorschrift entgegen: § 6a Abs. 1a BKGG greift nur, wenn es sich um eine Bedarfsgemeinschaft iSd SGB II handelt. Dieser Begriff ist dem SGB XII fremd (Leopold in JurisPK SGB II § 7 Rn. 274). Der Umstand, dass in § 6a Abs. 1a BKGG auch Leistungen nach dem SGB XII genannt werden, nimmt daher Bezug auf gemischte Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Parallelbezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und dem SGB XII erfolgt (hierzu BSG Urteil vom 09.06.2011 - B 8 SO 20/09 R; Leopold in JurisPK SGB II § 7 Rn. 274 mwN). Der Gesetzgeber stellt mit der Einbeziehung von Leistungen nach dem SGB XII in § 6a Abs. 1a BKGG sicher, dass bei Ausübung des Wahlrechts auch gemischte Bedarfsgemeinschaften unabhängig von Grundsicherungsleistungen bleiben und ihren Lebensunterhalt aufgrund des Kinderzuschlags anderweitig sichern können. Eine Personengemeinschaft, in der ausschließlich Leistungsansprüche nach dem SGB XII bestehen, ist keine Bedarfsgemeinschaft iSd § 6a Abs. 1a BKGG.

Der Ausschluss von Personen, die auch in einer Personengemeinschaft keinen Zugang zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben, vom Kinderzuschlag ist nicht verfassungswidrig. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor. Nach dieser Norm ist der Gesetzgeber gehalten, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen diese aber vorenthalten bleibt. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Bei der Prüfung, ob eine Anspruchsnorm den begünstigten Personenkreis vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist nicht maßgeblich, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07; zusammenfassend Urteil des Senats vom 17.09.2009 - L 7 AS 78/08). In diesem Zusammenhang kommt dem weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung Bedeutung zu, wonach dessen Entscheidungen anzuerkennen sind, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BSG Urteil vom 18.06.2020 - B 3 KR 6/19 R).

Die Abgrenzung der anspruchsberechtigten Personen erfolgt nicht - wie die Klägerin meint - "zufällig" und damit ohne sachlich rechtfertigenden Grund und evtl. ggfs. willkürlich, sondern orientiert sich an dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit von mindestens einem Haushaltsmitglied.

Die Orientierung des Anspruchs auf Kinderzuschlag an der Erwerbsfähigkeit ist konsequent, da der Kinderzuschlag - wie ausgeführt - an die Stelle eines ansonsten gegeben Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld gem. § 19 Abs. 1 SGB II) treten soll, der ebenfalls die Erwerbsfähigkeit mindestens einer haushaltsangehörigen Person voraussetzt (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II). Mit dem Kinderzuschlag wollte der Gesetzgeber zudem einen Arbeitsanreiz durch gezielte Förderung einkommensschwacher Familien schaffen (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 1 ff.). Dies wird namentlich deutlich durch die Regelungen des § 6a Abs. 4 BKGG in der bis zum 30.06.2019 gF bzw. § 6a Abs. 6 BKGG in der ab 01.07.2019 gF, der die Anrechnung von Erwerbseinkommen gegenüber anderen Einkommensarten privilegiert. Da Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur Personen erhalten können, die nicht erwerbsfähig sind (§ 21 Satz 1 SGB XII), liefe dieser Förderungszweck des Kinderzuschlags ins Leere, wenn ihn auch allein nach dem SGB XII leistungsberechtigte Personen beanspruchen könnten.

Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, in Ausschöpfung seines weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums die Zuordnung zu einem Leistungssystem und Leistungsansprüche davon abhängig zu machen, ob eine Person erwerbsfähig ist oder nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen, da sich die Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises seit der Neuformulierung von § 6a Abs. 1 BKGG durch das StaFamG ab 01.01.2020 nicht mehr zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergibt und höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage noch nicht existiert.

Rechtskraft
Aus
Saved