L 4 AS 66/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 1853/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 66/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens einen Mehrbedarf für seine Fahrkosten zu ÄrztInnen und TherapeutInnen für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 29. Februar 2016 geltend.

Der 1956 geborene Kläger wohnt in H. im Stadtteil F ... Laut G. wohnt er ca. 700 m von einem E. entfernt, 1,2 km von L., 1,4 km von K. und 2 km vom Einkaufszentrum F ... Die nächste Bushaltestelle ist ca. 500 m entfernt, die nächste U-Bahn-Haltestelle ca. 700 m.

Der Kläger bezog seit langem laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 22. Juli 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe der Regel¬leis¬tung und seiner tatsächlichen Unterkunftskosten.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 27. November 2014 die Gewährung eines Mehr-bedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II in Höhe von 38,27 Euro monatlich. Er begründete dies damit, dass in der Regelleistung für Fahrtkosten lediglich ein Betrag von 24,63 Euro enthalten sei; zusätzlich erhalte er als Leistungsbezieher auf Monatskarten des H. Verkehrsverbundes (H1) einen Rabatt von 19,00 Euro. Die häufigen Fahrten zu seiner Hausärztin Dr. L. nach H.-P. so-wie zu seiner Rheumatologin in der Innenstadt machten aber den Kauf einer 4-Zonen-Karte des H1 erforderlich, welche im Abonnement 81,90 Euro pro Monat koste. Abzüglich des Ra-batts und des Fahrkostenanteils aus der Regelleistung fehlten ihm 38,27 Euro. Der Beklagte überprüfte aufgrund dieses Antrags die Bewilligungsentscheidung vom 22. Juli 2014 und lehnte den Antrag sodann mit Bescheid vom 12. Januar 2015 ab. Zur Begründung führte er aus, dem Kläger stehe für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 28. Februar 2015 kein Mehrbedarf zu. Bei Nutzung einer sog. CC-Karte als Monatskarte im Abo und gleichzeitiger Inanspruchnahme des Rabattes für Leistungsbezieher sei kein überdurchschnittlicher Bedarf für Fahrgeld ersichtlich. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und trug vor, die CC-Karte gelte wochentags erst ab 9 Uhr und nicht zwischen 16 und 18 Uhr. Er müsse als Rheumatiker aber ständig zur Blutkontrolle, zu der er nüchtern und deshalb morgens vor 9 Uhr erscheinen müsse. Auch würde ihn der Verweis auf eine CC-Karte hinsichtlich der Termine bei seiner Hausärztin zu sehr einschränken, da die Praxis zwischen 12 Uhr und 15 Uhr geschlossen sei. Im Übrigen koste auch eine 4-Zonen CC-Karte schon 24,63 Euro bzw. seit dem 1. Januar 2015 25,14 Euro. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2015 zurück. Ein etwaiger Bedarf des Klägers sei nicht unabweisbar. Dieser habe nicht alle ihm zumutbaren Mittel ausgeschöpft, sich die Fahrtkosten durch Dritte erstatten zu lassen. Er habe nämlich keinen Antrag bei seiner Krankenkasse gestellt. Lasse sich bereits die Unabweisbarkeit nicht feststellen, so könne dahingestellt bleiben, ob es dem Kläger nicht zumutbar gewesen wäre, entsprechende Ärzte an seinem Wohnort aufzusuchen bzw. Arzttermine zu den Zeiten zu vereinbaren, zu denen er eine CC-Karte nutzen könne.

Am 21. Mai 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er einen Mehrbedarf für die ungedeckten Kosten einer 4-Zonen-Monatskarte im Abo des H1 geltend gemacht hat, und zwar in Höhe von monatlich 38,27 Euro im Jahr 2014 und in Höhe von monatlich 38,86 Euro seit Januar 2015. Zur Begründung hat er ausgeführt, seine Hausärztin Dr. L. habe bis Mitte 2014 ihre Praxis ganz in der Nähe seines Wohnortes gehabt. Zum 1. Juli 2014 sei sie nach H.-P. umgezogen. Sie sei bereits seit 2005 seine Hausärztin. Er sei sehr zufrieden mit ihr und finde nur schwer Vertrauen zu Ärzten, weshalb er sich entschlossen habe, weiter zu ihr zu gehen. Ebenso habe er bis Ende 2013 einen Rheumatologen in der H. in B. gehabt. Nach Schließung dieser Praxis seien alle Patienten, auch er, vom M. Rheumatologie in der M. in der H. Innenstadt übernommen worden. Sein Blut müsse alle vier Wochen kontrolliert werden, die Blutabnahmen fänden zwischen 7:30 Uhr und 9 Uhr statt, hierfür könne er eine CC-Karte nicht nutzen. Zudem leide er an diversen weiteren Krankheiten, die zahlreiche Besuche bei ÄrztInnen und TherapeutInnen erforderlich machten. Freie Termine richteten sich nicht nach der Gültigkeit seiner Fahrkarte, er müsse froh sein, überhaupt irgendwo Termine zu erhalten. Ferner könnte er mit einer allgemeinen Karte an den Wochenenden in ganz H. fahren und z.B. seine Schwester in N. besuchen – ein Kontakt, der für ihn aufgrund seiner vielen Krankheiten, besonders seiner Depression, sehr wichtig sei. Er habe außerdem bereits ein Schreiben seiner Krankenkasse, der AOK, vorgelegt, aus dem sich ergebe, wann Fahrkosten übernommen würden und wann nicht.

Der Kläger hat Kopien seiner Abo-Wertmarken für 3-Zonen CC-Karten für die Zeiträume vom 1. November 2013 bis zum 31. Oktober 2014, vom 1. November 2014 bis zum 31. Oktober 2015 und vom 1. November 2015 bis zum 31. Oktober 2016 vorgelegt. Er hat hierzu vorgetragen, infolge der Nichtbewilligung des Mehrbedarfs habe er sich nur diese Fahrkarten kaufen können. Er habe öfters dennoch eine Einzelkarte kaufen müssen, wenn Arzttermine zu Zeiten außerhalb der Gültigkeit der CC-Karte stattgefunden hätten. Der Kläger hat ferner eine Liste seiner ÄrztInnen mit Anschriften eingereicht und dazu ausgeführt, einen Mehrbedarf benötige er nur, um seine Hausärztin Dr. L. sowie die Rheumatologiepraxis in der Innenstadt zu erreichen. Alle anderen Ärzte könne er mit der 3-Zonen CC-Karte erreichen. Andererseits hat der Kläger aber auch vorgetragen, er brauche eine Monatskarte nicht nur für Arztbesuche, sondern auch für Einkäufe und sein sonstiges Leben. Aufgrund seines Rheumas habe er schmerzhafte Bewegungseinschränkungen in allen Gelenken.

Der Kläger hat mit der Klage ein Faltblatt "Ihr Weg zum Arzt oder in das Krankenhaus – Krankenbeförderung" der AOK vorgelegt. In diesem ist dargelegt, dass Kosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung nur in besonderen Ausnahmefällen durch die Krankenkasse übernommen werden. Ein besonderer Ausnahmefall liege vor bei einer Dialysebehandlung, einer onkologischen Chemo- oder Strahlentherapie und wenn der Versicherte wegen seiner Grunderkrankung eine vorgegebene Therapie erhalte, die wenigstens zwei Behandlungen wöchentlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erfordere und der Krankheitsverlauf ihn so sehr beeinträchtige, dass seine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Darüber hinaus könnten Fahrkosten zu allen ambulanten Behandlungen übernommen werden, wenn der Versicherte einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG, Bl oder H besitze, Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 2 oder 3 erhalte, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung eine vergleichbare Mobilitätseinschränkung festgestellt habe oder ein Transport mit einem Krankentransportwagen erforderlich sei.

Bereits zuvor hatte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 29. Januar 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Februar 2015 Leistungen für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 bewilligt und zwar erneut nur in Höhe der Regel¬leis¬tung und der tat¬säch¬lichen Unterkunftskosten, d.h. ohne die Anerkennung eines Mehr¬be¬dar¬fs. Mit Schrei¬ben vom 28. Mai 2015 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut die Übernahme der Fahrtkosten zu seinen ÄrztInnen. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 10. Juni 2015 ab. Zur Begründung führte er aus, er habe die Entscheidung über die Bewilligung für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 überprüft und keinen Mehrbedarf feststellen können. Bei Nutzung einer CC-Monatskarte und Inanspruchnahme des Rabatts für Sozialleistungsempfänger sei ein überdurchschnittlicher Bedarf für Fahrgeld nicht ersichtlich. Der Kläger erhob Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchs¬be¬scheid vom 20. Juli 2015 zurückwies. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger hätte zunächst einen Antrag auf Übernahme der Fahrkosten bei seiner Krankenkasse stellen müssen. Eine CC-Karte sei ausreichend. Zur Blutabnahme am frühen Morgen könne der Kläger einen Arzt am Wohnort aufsuchen. Andere Arzttermine könne er zu den Zeiten vereinbaren, in denen er eine CC-Karte nutzen könne. Hiergegen hat der Kläger am 28. Juli 2015 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 24 AS 2861/15 geführt wurde.

Am 16. Oktober 2017 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit aufgrund eines Leistungsfalls am 7. Oktober 2015 anerkannt. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2017 hat sie dieses Anerkenntnis umgesetzt und ihm ab dem 1. November 2015 eine entsprechende Rente gewährt. Der Beklagte hat daraufhin die Gewährung laufender Leistungen zum 1. Dezember 2017 eingestellt. Seit dem 1. Dezember 2017 erhält der Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beigeladenen.

Am 20. August 2018 hat der Kläger in beiden Klageverfahren beantragt, dass ihm der Mehrbedarf auch für den Zeitraum vom 1. März 2016 bis zum 30. November 2017 gewährt werde. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. August 2018 die am 28. Juli 2015 erhobene Klage (S 24 AS 2861/15) mit der am 21. Mai 2015 erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Aktenzeichens der am 21. Mai 2015 erhobenen Klage (S 24 AS 1853/15) verbunden. Mit Beschluss vom 11. September 2018 hat es vom vorliegenden Verfahren das Verfahren betreffend die Gewährung eines Mehrbedarfs für den Zeitraum vom 1. März 2016 bis zum 30. November 2017 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt; jenes Verfahren wurde seitdem unter dem Aktenzeichen S 24 AS 3163/18 (Berufungsverfahren: L 4 AS 63/19) geführt.

Das Sozialgericht hat ferner bei zahlreichen der vom Kläger angegebenen ÄrztInnen bzw. TherapeutInnen angefragt, wie oft der Kläger im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2017 dort jeweils zur Behandlung/Untersuchung war. Das M. Rheumatologie in der M. hat eine Übersicht über die Termine des Klägers übersandt. Dr. L. hat ebenfalls eine Übersicht über die bei ihr wahrgenommenen Termine geschickt. Sie hat zusätzlich mitgeteilt, dass regelmäßig alle 4 bis 6 Wochen Blutentnahmen zur Therapiekontrolle bei ihr oder beim Rheumatologen stattgefunden hätten/stattfinden würden. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, Dr. L. habe nur die vorher vereinbarten Termine angegeben. Die Fälle, in denen er wegen akuter Erkrankungen spontan in die Praxis gekommen sei, seien auf der Liste nicht erfasst. Er hat außerdem weitere Arztberichte als Beleg weiterer von ihm wahrgenommener Termine bei diversen Ärzten vorgelegt.

Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit am 25. Februar 2019 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, er habe die Kassenärztliche Vereinigung angeschrieben und um Mitteilung aller Arzttermine im strittigen Zeitraum gebeten. Die Antwort möge abgewartet werden. Das Sozialgericht ist seinem Antrag auf Vertagung nicht nachgekommen, sondern hat mit Urteil vom 25. Februar 2019 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Abänderung der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 29. Februar 2016. Dabei komme es nicht darauf an, dass sich seine Ansprüche aufgrund der Anerkennung seiner Erwerbsunfähigkeit seit dem 1. November 2015 nicht mehr nach dem SGB II, sondern nach dem SGB XII richteten. Denn die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf seien nach beiden Gesetzen nicht erfüllt. Unabweisbar seien für das Gericht nur die Fahrten zu seiner Hausärztin Dr. L. und zum M. Rheumatologie. Insofern sei nachvollziehbar, warum der Kläger diese weit von seinem Wohnort entfernten Praxen ansteuere. Die Fahrten zu den von diesen Praxen bestätigten Terminen gingen jedoch weder hinsichtlich ihrer Anzahl noch der durch sie verursachten Kosten über das hinaus, was bei Leistungsempfängern üblich sei. Im strittigen Zeitraum habe er die Praxen im Schnitt weniger als zweimal pro Monat aufgesucht. Der hierdurch entstehende Bedarf weiche nicht relevant von einem durchschnittlichen Bedarf ab und könne durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden.

Das Urteil ist dem Kläger am 1. März 2019 zugestellt worden. Am 12. März 2019 hat er Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, es hätten auch andere Termine als die bei Dr. L. und im M. Rheumatologie berücksichtigt werden müssen. So habe er z. B. Kernspin-Untersuchungen wegen seiner Klaustrophobie nur in offenen Röhren machen können, die es nur in bestimmten Praxen gebe. FachärztInnen für Physikalische und Rehabilitative Medizin bzw. für Kardiologie gebe es in der Nähe seines Wohnortes kaum. Das Sozialgericht hätte zudem den Termin vertagen und weiter ermitteln müssen. Zu Unrecht sei unberücksichtigt geblieben, dass er neben den Arztterminen auch weitere notwendige Fahrten habe. Z. B. habe er zum Jobcenter für schwerbehinderte Menschen fahren müssen, um seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dort vorzulegen. Er sei im Rechtsstreit mit der Rentenversicherung begutachtet worden, dies habe ergeben, dass er lediglich Wegstrecken von unter 500 m ohne erhebliche Schmerzen zu Fuß zurücklegen könne. Deshalb könne er auch Einkäufe nicht zu Fuß machen. Er hat weitere Unterlagen über Arzttermine vorgelegt.

Auf Nachfrage des Senats, ob er Nachweise über den Kauf von Fahrkarten vorlegen könne, die er im streitgegenständlichen Zeitraum zusätzlich zu seiner 3-Zonen CC-Karte habe kaufen müssen, um Termine wahrnehmen zu können, hat der Kläger mitgeteilt, dass er keine Belege hierüber habe. Im Verhandlungstermin am 1. Oktober 2020 hat der Kläger vorgetragen, er habe die Blutabnahmetermine, die nüchtern hätten stattfinden müssen, möglichst früh erledigen wollen, um dann wieder Nahrung zu sich nehmen zu können. Er halte es ferner nicht für zumutbar, im Anschluss an einen nachmittäglichen Arzttermin die Rückfahrt bis nach 18 Uhr – d.h. in den zeitlichen Geltungsbereich einer CC-Karte – hinauszuschieben. Unterlagen habe er beim Beklagten stets persönlich vorgelegt, um eine Quittung über die Vorlage zu erhalten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. September 2019 sowie die Bescheide vom 12. Januar 2015 und 10. Juni 2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2015 und 20. Juli 2015 aufzuheben und für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 6. Oktober 2015 den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 22. Juli 2014 und 29. Januar 2015, letztere in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. Februar 2015, höhere Leistungen nach dem SGB II in Form eines Mehrbedarfs in Höhe von monatlich 38,27 Euro bis zum 31. Dezember 2014 und monatlich 38,86 Euro ab dem 1. Januar 2015 zu gewähren sowie für den Zeitraum vom 7. Oktober 2015 bis zum 29. Februar 2016 die Beigeladene zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB XII für einen Mehrbedarf in Höhe von monatlich 38,86 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden sowie die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Mit Beschluss vom 2. Juli 2019 hat der Senat die Freie und Hansestadt Hamburg beigeladen, weil sie als leistungspflichtig in Betracht komme.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat mitgeteilt, dem Kläger werde seit dem 1. Februar 2018 ein Mehrbedarf gewährt, weil ihm ab diesem Zeitpunkt das Merkzeichen G im Schwerbehindertenausweis zuerkannt worden sei.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Leistungsakte des Beklagten sowie die Prozessakten der vom Kläger geführten Verfahren S 34 R 561/16 und S 54 SB 661/14 (L 3 SB 21/16) beigezogen. Die Auswertung der erst- und zweitinstanzlich vom Kläger vorgelegten Unterlagen bzw. gerichtlich eingeholten Auskünfte hat ergeben, dass der Kläger im Zeitraum September 2014 bis Februar 2016 bei folgenden ÄrztInnen/TherapeutInnen Termine wahrgenommen hat: Name Fachgebiet Ort/Adresse Tarifzone(n) H1 Dr. L. Hausärztin P. 205, 204, 304 M. Rheumatologie M. 205, 105, 000 C. Kardiologie H. 12 205, 204 Kernspinzentrum E. 205, 105, 000 Dr. K. Phys/Reha H. 205, 105, 000 Dr. E. Upright-Kernspin T. 205, 105, 000, 101 Dr. M. Neurologie H. Straße 146 205,105 A. Neurologie R. 205, 105 P. Dermatologe B. 205 Dr. H2 HNO B. 205 Dr. O. Chirurgie B. 205 Therapeutisches Zentrum W. F. 205 Dr. R. Augenheilkunde F. 205

Die letzte Spalte der Tabelle gibt an, welche Tarifzonen des H1 (Tarifzonenplan abrufbar unter https://www.hvv.de/resource/blob/22110/466988315ea5e6b1d478300dadc6b6b9/hvv tarif-plan usar schematisch.pdf bzw. https://www.hvv.de/resource/blob/10944/2d934064437 d4e248e100774af252f11/hvv tarifplan gesamt schematisch.pdf) eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Wohnung des Klägers aus umfasst.

Folgende konkrete Besuche bei den oben genannten ÄrztInnen/TherapeutInnen sind belegt: Datum Ggf. Uhrzeit Arzt/Ärztin bzw. TherapeutIn 03.09.2014 07:30 M. Reumatologie

07.10.2014 10:13 Dr. L. 13.10.2014 Dr. L. 17.10.2014 Dr. R. 22.10.2014 09:05 Dr. L.

07.11.2014 09:23 Dr. L. 12.11.2014 Dr. M. 12.11.2014 16:05 Dr. L. 13.11.2014 A. 17.11.2014 Dr. M. 17.11.2014 Dr. L. 25.11.2014 Dr. L. 28.11.2014 Dr. L.

10.12.2014 07:45 M. Rheumatologie 19.12.2014 10:12 Dr. L.

12.01.2015 09:37 Dr. L. 14.01.2015 Dr. O. 15.01.2015 Dr. E./Upright-Kernspin 16.01.2015 10:35 Dr. L. 19.01.2015 10:37 Dr. L. 19.01.2015 14:30 M. Rheumatologie

08.02.2015 Dr. L. 25.02.2015 15:07 Dr. L. 27.02.2015 Dr. H2

04.03.2015 10:30 M. Rheumatologie 05.03.2015 Dr. H2 16.03.2015 10:49 Dr. L.

13.04.2015 08:11 Dr. L. 17.04.2015 07:52 Dr. L.

19.05.2015 C. 19.05.2015 15:37 Dr. L. 17.05.2015 16:35 Dr. L.

11.06.2015 Dr. L. 17.06.2015 09:45 M. Rheumatologie

14.07.2015 12:26 Dr. L.

10.08.2015 08:08 Dr. L. 28.08.2015 09:15 Dr. L.

02.09.2015 Dr. L. 02.09.2015 09:15 M. Rheumatologie 16.09.2015 09:15 M. Rheumatologie 16.09.2015 Dr. L. 21.09.2015 Dr. L.

14.10.2015 Dr. L. 29.10.2015 Dr. v. P.

04.11.2015 13:15 M. Rheumatologie 10.11.2015 Dr. v. P.

04.12.2015 Dr. L. 09.12.2015 11:15 M. Rheumatologie 17.12.2015 Kernspin E.

04.01.2016 Dr. L. 12.01.2016 Dr. K. 14.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 15.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 20.01.2016 M. Rheumatologie 21.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 22.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 26.01.2016 Dr. K. 26.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 28.01.2016 Therapeutisches Zentrum W. 28.01.2016 Dr. v. P. 29.01.2016 Dr. v. P.

01.02.2016 Dr. L. 02.02.2016 Dr. L. 02.02.2016 Therapeutisches Zentrum W. 05.02.2016 Therapeutisches Zentrum W. 09.02.2016 Therapeutisches Zentrum W. 12.02.2016 Therapeutisches Zentrum W. 16.02.2016 Therapeutisches Zentrum W. 19.02.2016 Therapeutisches Zentrum W.

Nicht eindeutig feststellbar ist, ob in dieser Auflistung auch die Termine der alle vier bis sechs Wochen erforderlichen Blutentnahme (vollständig) enthalten sind. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten und der beigezogenen Prozessakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide vom 12. Januar 2015 und 10. Juni 2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2015 bzw. 20. Juli 2015, mit denen der Beklagte im Rahmen eines Überprüfungsantrags die Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 22. Juli 2014 (Zeitraum 1.9.2014 bis 28.2.2015) und vom 29. Januar 2015 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 18. Februar 2015 (Zeitraum 1.3.2015 bis 29.2.2016) abgelehnt hatte. Zeitlich ist Streitgegenstand damit der Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 29. Februar 2016.

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden eine Abänderung seiner zuvor getroffenen Bewilligungsentscheidungen abgelehnt, denn der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen.

1. Ansprüche auf höhere Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten können sich dabei schon dem Grunde nach nur für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 6. Oktober 2015 ergeben. Für die Zeit ab dem 7. Oktober 2015 steht einem Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II entgegen, dass der Kläger nicht erwerbsfähig und damit nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II war, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 SGB II. Dies ergibt sich aus dem Anerkenntnis der DRV Bund vom 16. Oktober 2017 bzw. dem Bescheid vom 5. Dezember 2017, mit dem diese festgestellt hat, dass der Kläger ab dem 7. Oktober 2015 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung erfülle. Ansprüche auf Sozialgeld nach dem SGB II scheiden aus, weil der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II); außerdem gingen insoweit Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII vor.

Über die fehlende Erwerbsfähigkeit des Klägers im Zeitraum ab dem 7. Oktober 2015 hilft auch nicht der Umstand hinweg, dass diese erst nachträglich festgestellt wurde und der Beklagte tatsächlich im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum laufende Leistungen nach dem SGB II erbracht hat. Zwar können die Bewilligungen durch den Beklagten nicht aufgehoben werden, denn entsprechend dem Rechtsgedanken des § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II hat der Beklagte solange, wie die Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt war, rechtmäßig geleistet. § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II begründet eine Pflicht des Beklagten, bei Streit über die Erwerbs- (un)fähigkeit Leistungen nach dem SGB II zu erbringen. Dabei handelt es sich auch nicht um eine lediglich vorläufige Leistungspflicht, vielmehr werden die Leistungen im Außenverhältnis zu dem Berechtigten endgültig erbracht (vgl. Knapp, jurisPK-SGB II, § 44a Rn. 70). Dies muss auch in den Fällen gelten, in denen – wie hier – der SGB II-Träger mangels Zweifel an der Erwerbsfähigkeit kein Feststellungsverfahren nach § 44a SGB II einleitet und in der irrigen Annahme seiner eigenen Zuständigkeit Leistungen erbringt. Aus dem Umstand, dass die vom Beklagten an den Kläger erbrachten Leistungen diesem endgültig zustehen und nicht wegen der fehlenden Erwerbsfähigkeit von diesem zurückgefordert werden können, folgt allerdings nicht, dass der Beklagte auch nach erfolgter Feststellung der Erwerbsunfähigkeit für die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit zuständig wäre. Vielmehr ist nunmehr die Beigeladene als eigentlich Leistungsverpflichtete auch zuständig für die Erfüllung eines etwaig höheren als des bereits gewährten Anspruchs (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 21.9.2017 – L 4 AS 53/17; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.1.2014 – L 13 AS 190/12, juris Rn. 30).

2. Für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 7. Oktober 2015 war der Kläger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Er kann jedoch keine höheren Leistungen verlangen, als ihm durch den Beklagten bereits gewährt worden sind.

Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). In der Sache macht der Kläger nämlich einen Anspruch auf höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltend. Die Frage von Mehrbedarfen ist nur ein Element der Höhe des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II, weshalb sie auch nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 26.5.2011 – B 14 AS 146/10 R, zum Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung BSG, Urteil vom 14.2.2013 – B 14 AS 48/12 R). Der Kläger hatte die Bewilligungsbescheide vom 22. Juli 2014 und 29. Januar 2015 sowie den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2015 nicht angefochten, sodass diese bestandskräftig geworden sind. Seine Anträge auf Gewährung eines Mehrbedarfs vom 27. November 2014 und 28. Mai 2015 sind daher als Überprüfungsanträge nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X zu verstehen.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Bewilligungsbescheide vom 22. Juli 2014 und 29. Januar 2015, letzterer in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 18. Februar 2015, sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen.

a. Die Berechnung der dem Kläger gewährten Leistungen für den Regelbedarf und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung begegnet keinen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass diese Leistungen zu niedrig gewährt worden sind, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Als Rechtsgrundlage eines weiteren Anspruchs gegen den Beklagten kommt allein § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Danach wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Ein besonderer Bedarf im Einzelfall ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage eine andere ist als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 4/14 R). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Mit der Einführung dieses Härtefallmehrbedarfs ist der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl. BT-Drucks. 17/1465 S. 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 207 f).

b. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Bedarf für Fahrtkosten handelt es sich um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II. Die geltend gemachten Fahrtkosten fallen regelmäßig und nicht lediglich einmalig an.

Es handelt sich vorliegend jedoch nicht um einen unabweisbaren besonderen Bedarf, da sich keine atypische Bedarfslage bzw. keine erhebliche Abweichung von einem durchschnittlichen Bedarf feststellen lässt.

Der Kläger begründet seinen Mehrbedarf vorrangig mit Fahrten zu ÄrztInnen bzw. TherapeutInnen. Die belegten, oben aufgeführten Termine vermögen jedoch einen besonderen, erheblich überdurchschnittlichen Bedarf nicht zu belegen und zwar unabhängig davon, ob zusätzlich noch alle vier bis sechs Wochen ein weiterer Termin zur Blutabnahme zu berücksichtigen ist oder nicht.

Der Senat sieht allerdings keinen Anhaltspunkt für Zweifel daran, dass die dokumentierten Termine auch alle erforderlich waren. Es ist gut dokumentiert, dass der Kläger an chronischen Krankheiten, v. a. an Rheuma, leidet, die regelmäßige Arztbesuche erforderlich machen. Auch hinsichtlich der Arztwahl und der damit zusammenhängend teilweise weiten Wege sind Einwände nicht zu erheben. Soweit die aufgesuchten Praxen in F., W. oder B1 liegen (Dr. v. P., Dr. H2, Dr. O., Dr. R., Therapeutisches Zentrum W., Dr. M., A.), ist dies ohnehin wohnortnah. Weiter entfernt hatte der Kläger regelmäßige Termine bei seiner Hausärztin Dr. L. und im M. Rheumatologie. Er hat nachvollziehbar und plausibel vorgetragen, dass er seit langen Jahren bei Dr. L. in Behandlung ist, deren Praxis zunächst in der Nähe seiner Wohnung lag, und dass er bei ihrem Praxiswechsel aufgrund des Vertrauensverhältnisses dennoch bei ihr in Behandlung bleiben wollte. Dies kann durchaus als Rechtfertigung für den langen Fahrweg anerkannt werden. Ähnlich ist es bei dem M. Rheumatologie: Hier hat der Kläger vorgetragen, zunächst bei einem Rheumatologen in Wohnortnähe in Behandlung gewesen zu sein, nach dessen Praxisaufgabe alle Patienten vom M. in der Innenstadt übernommen worden seien. Dass der Kläger sich zur Behandlung seines Rheumas eine Spezialpraxis gesucht hat, ist nachvollziehbar. Die anderen weiter entfernt liegenden Termine sind Einzeltermine in speziellen Praxen, deren Notwendigkeit ebenfalls plausibel dargelegt ist. So hat der Kläger z. B. in Bezug auf die Kernspinuntersuchungen nachvollziehbar geschildert, dass aufgrund seiner Angststörung ein sog. Upright-Kernspin erforderlich ist und nur ausgewählte Praxen in Betracht kommen.

Ferner steht der Berücksichtigung eines Mehrbedarfs im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II nicht entgegen, dass die Fahrtkosten zu den Behandlungsterminen von der Krankenkasse des Klägers zu übernehmen wären. Der Kläger erfüllte erkennbar nicht die Voraussetzungen, die die AOK in ihrem Faltblatt zur Krankenbeförderung auflistet.

Gegen die Anerkennung eines besonderen Bedarfs spricht jedoch bereits, dass zwar die Termine belegt sind, nicht jedoch die hierfür konkret angefallenen Fahrkosten. Der Kläger konnte als Beleg für ihm entstandene Kosten lediglich Wertmarken für eine 3-Zonen CC-Karte vorlegen, nicht aber Belege über darüber hinaus gehende Kosten. Die 3-Zonen CC-Karte als solche vermag einen überdurchschnittlichen Bedarf jedoch nicht zu begründen. Sie kostete 2014 im Jahresabo monatlich 32,60 Euro (die Angaben zu den Preisen für Fahrkarten in den Jahren 2014 bis 2016 finden sich unter https://epub.sub.uni-hamburg.de//epub/volltexte/2014/33850/pdf/ hvv fahrkarten preise.pdf und https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ dokument/49990/aenderung des gemeinschaftstarifs des hamburger verkehrsver-bundes hvv zum 1 januar 2016.pdf). Davon abzuziehen ist der Rabatt für Sozialleistungsempfänger, der 2014 19,- Euro betrug. Der Regelsatzanteil für Verkehrsbedarfe in 2014 betrug 24,62 Euro (vgl. zur Zusammensetzung der Regelbedarfe https://harald-thome.de/fa/redakteur/Harald 2018/Ruediger-Boeker-Aufteilung-Regel-Bedarf-2011-2012-2013-2014-2015-2016-2017-2018-2019-nach-EVS-Abteilungen.pdf). 2015 kostete die 3-Zonen CC-Karte monatlich 33,40 Euro, der Sozialkartenrabatt betrug 20,- Euro, der Regelsatzanteil für Verkehr 25,12 Euro. 2016 kostete die 3-Zonen CC-Karte monatlich 33,80 Euro, es gab 20,40 Euro Sozialkartenrabatt, der Regelsatzanteil für Verkehr betrug 25,43 Euro. Für den Kläger kostete die 3-Zonen CC-Karte daher nur 13,60 bzw. 13,40 Euro. Dieser Betrag war im gesamten Zeitraum ohne weiteres aus dem Regelsatz zu decken, er lag deutlich unter dem im Regelsatz enthaltenen Anteil für Verkehr.

Aber auch wenn man als Nachweis eines Bedarfs an Fahrkosten den Beleg des Termins als solchen ausreichen lässt, ergibt sich kein besonderer, erheblich überdurchschnittlicher Bedarf. Ein Großteil der Termine ließ sich mit einer 3-Zonen CC-Karte wahrnehmen. Von einer Karte mit den Zonen 205, 105 und 000 war der Weg des Klägers in die H. Innenstadt abgedeckt. Lediglich Dr. L., das C. und Dr. E. (Upright-Kernspin) ließen sich damit nicht erreichen. Soweit der Kläger vorbringt, er habe oft auch Termine zu Zeiten wahrnehmen müssen, innerhalb derer er die CC-Karte nicht habe nutzen können (wochentags 6 bis 9 Uhr und 16 bis 18 Uhr), überzeugt dies den Senat nicht. Hinsichtlich der Blutabnahmetermine hat der Kläger auf die Frage, warum diese nicht innerhalb des Geltungszeitraums der CC-Karte wahrgenommen werden konnten, lediglich angegeben, er halte es nicht für zumutbar, die Fahrt zum Termin erst nach 9 Uhr anzutreten, weil er dann zu lange warten müsse, bis er Nahrung zu sich nehmen könne. Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Kläger morgens mit der Nahrungsaufnahme möglichst nicht warten möchte, doch kann dies – anders als z.B. eine hier weder vorgetragene noch erkennbare Praxisorganisation dahingehend, dass Blutabnahmen nur vor 9 Uhr durchgeführt werden – nicht ausreichen, um die Unabweisbarkeit eines Bedarfs zu begründen. Ähnliches gilt für das Vorbringen, es sei ihm nicht zumutbar, nachmittags mit zeitlichem Vorlauf vor einem Termin (also vor 16 Uhr) anzureisen bzw. im Anschluss an einen Termin den Geltungszeitraum der CC-Karte (also nach 18 Uhr) abzuwarten. Der Wunsch nach größtmöglicher zeitlicher Flexibilität ist zwar nachvollziehbar, im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Unabweisbarkeit aber nicht ausschlaggebend. Auch soweit der Kläger vorbringt, er habe keinerlei Einfluss auf die Uhrzeit eines Termins nehmen können, sondern sich mit dem, was ihm angeboten wurde, begnügen müssen, ist dies zu pauschal, um eine Unabweisbarkeit belegen zu können. Der Kläger hat sich offenbar noch nicht einmal bemüht, hier Einfluss zu nehmen oder durch geschickte Planung Fahrkosten einzusparen. Sofern im Einzelfall einmal ein Termin tatsächlich nicht durch Fahrten innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der CC-Karte zu decken gewesen sein mag, kann auch dies keinen Mehrbedarf auslösen. Einzelne zusätzlich erforderliche Fahrkarten waren durchaus neben der 3-Zonen CC-Karte aus dem Regelsatzanteil für Verkehr zu decken bzw. führten – sofern zusätzlich die notwendigen Fahrten außerhalb des örtlichen Geltungsbereichs der CC-Karte (dazu gleich) berücksichtigt werden – möglicherweise zu einer geringen, nicht aber zu einer erheblichen Überschreitung dieses Anteils und damit des durchschnittlichen Bedarfs.

Auch die als erforderlich anzuerkennenden Fahrten, die außerhalb des örtlichen Geltungsbereichs einer CC-Karte mit den Zonen 205, 105 und 000 liegen, vermögen hier einen Mehrbedarf nicht zu begründen. Dabei ist zu beachten, dass für solche Fahrten nicht der volle Fahrpreis, sondern lediglich Kosten pro Strecke in Höhe von 2,- Euro in 2014, in Höhe von 2,10 Euro in 2015 und in Höhe von 2,20 Euro in 2016 anfielen. Im gesamten streitigen Zeitraum von September 2014 bis Januar 2016 hatte der Kläger insgesamt 32 derartige Termine, d.h. durchschnittlich knapp 2 pro Monat. Die hierdurch entstandenen zusätzlichen Fahrtkosten von 8,- bzw. 8,40 bzw. 8,80 Euro im Monat waren ohne weiteres neben der 3-Zonen CC-Karte aus dem Regelsatzanteil für Verkehr zu decken.

Auch bei zusätzlicher Betrachtung der weiteren vom Kläger vorgetragenen Fahrten aus anderen Gründen ergibt sich kein unabweisbarer besonderer Bedarf. Fahrten zum Einkaufen können ohne weiteres mit einer 3-Zonen CC-Karte getätigt werden, sodass es auf die Frage nicht ankommt, ob die Gehfähigkeit des Klägers im hier relevanten Zeitraum tatsächlich bereits so stark eingeschränkt war, dass er seine Einkäufe nicht zu Fuß erledigen konnte. Hinsichtlich der vorgetragenen Vorsprachen beim Beklagten konnten diese im streitgegenständlichen Zeitraum, in dem das für den Kläger zuständige Jobcenter für schwerbehinderte Menschen in B1 in unmittelbarer Nähe der U-Bahnstation B2 angesiedelt war (der Umzug in die S1 erfolgte erst im Dezember 2016), ebenfalls mit einer 3-Zonen CC-Karte erreicht werden, da diese Station noch innerhalb der Zone 105 liegt. Nicht mit einer 3-Zonen CC-Karte erreichbar war die in N. lebende Schwester des Klägers. Auch insoweit ergibt sich jedoch kein besonderer Bedarf. Fahrtkosten für Besuche bei Verwandten, die nicht in unmittelbarer Wohnortnähe wohnen, sind ein typischer Bedarf. Dass beim Kläger hierfür überdurchschnittliche Kosten anfallen, ist nicht erkennbar. Seine Schwester lebt noch im Bereich des H1, bei vorhandener 3-Zonen CC-Karte war bei Beachtung des zeitlichen Geltungsbereichs dieser Karte je Strecke nur eine Zusatzkarte für 2,- Euro bzw. 2,10 Euro (2015) bzw. 2,20 Euro (2016) erforderlich.

3. Für den Zeitraum vom 7. Oktober 2015 bis zum 29. Februar 2016 kommen als Anspruchsgrundlage nur Vorschriften des SGB XII in Betracht, insoweit richten sich mögliche Ansprüche gegen die Beigeladene.

a. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass bei Vorliegen eines materiell-rechtlichen Anspruchs eine Verurteilung der Beigeladenen zur Gewährung entsprechender Leistungen nicht etwa deshalb ausgeschlossen wäre, weil diese bislang nicht über die Gewährung von Leistungen an den Kläger für den genannten Zeitraum entschieden hat und weil sie erst im Laufe des Berufungsverfahren zum Rechtsstreit beigeladen wurde. Dies ergibt sich aus § 75 Abs. 5 SGG, der ausdrücklich regelt, dass ein beigeladener Leistungsträger verurteilt werden kann. Dabei ist nicht erforderlich, dass die "normalen" Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine Klage gegen den Beigeladenen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 24.5.1984 – 7 RAr 15/82, juris Rn. 20; Fock, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 75 Rn. 22). Eine Verurteilung des Beigeladenen ist lediglich dann nicht bzw. jedenfalls nicht ohne weiteres möglich, wenn dieser den Anspruch durch bindenden Verwaltungsakt abgelehnt hat (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 75 Rn. 18b). Das ist hier aber nicht der Fall.

Auch der Umstand, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB XII nicht beantragt bzw. die Beigeladene keine Kenntnis von dem Hilfefall hatte, steht einer Leistungspflicht der Beigeladenen nicht entgegen. Insofern wirkt der Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch gegen die Beigeladene. Diese Vorschrift greift auch dann ein, wenn ein Antrag nicht bei einer unzuständigen Stelle, sondern bei einem SGB II-Träger eingeht, der entweder aufgrund der Regelung des § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II zuständig ist oder sich fälschlich für leistungszuständig gehalten hat, aber aufgrund der späteren Erkenntnis, dass der Antragsteller erwerbsunfähig ist, tatsächlich nicht zuständig war (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 21.9.2017 – L 4 AS 53/17; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.1.2014 – L 13 AS 190/12, Rn. 32 ff.). Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 SGB I, wonach der Einzelne mit seinem Begehren nach Sozialleistungen gerade nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung scheitern soll (vgl. BSG, Urteil vom 26.8.2008 – B 8/9b SO 18/07 R, Rn. 22). Das gilt in besonderer Weise für das Verhältnis von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII. Im Zweifel ist insofern davon auszugehen, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem einen Gesetz wegen der gleichen Ausgangslage (Bedürftigkeit und Bedarf) auch als Antrag nach dem anderen Gesetz zu werten ist (BSG, a.a.O.)

b. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum leistungsberechtigt für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 41 Abs. 1, Abs. 3 SGB XII. Insbesondere steht fest, dass der Kläger seit dem 7. Oktober 2015 dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) war. Dies ergibt sich aus dem Anerkenntnis der DRV Bund vom 16. Oktober 2017 bzw. dem Bescheid vom 5. Dezember 2017.

Der Anspruch des Klägers auf Leistungen in Höhe des üblichen Regelbedarfs gem. §§ 42 Nr. 1, 27a Abs. 1 und 2 SGB XII und auf Leistungen für seine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§§ 42 Nr. 4, 35 SGB XII) ist gedeckt durch die vom Beklagten gewährten Leistungen. Die Höhe der nach dem SGB XII zu gewährenden Leistungen entspricht derjenigen der gewährten Leistungen nach dem SGB II. Höhere Leistungen nach dem SGB XII kann der Kläger nicht beanspruchen.

aa. Der vom Kläger begehrte Mehrbedarf ist zunächst nicht auf der Grundlage von § 30 SGB XII zu gewähren. Diese Norm regelt nur spezielle Mehrbedarfe und enthält – anders als § 21 SGB II – keinen allgemeinen Härtefallmehrbedarf.

§ 30 Abs. 1 SGB XII sieht einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % des Regelbedarfs für Grundsicherungsempfänger vor, bei denen das Merkzeichen G – erhebliche Gehbehinderung – festgestellt wurde. Mit diesem Mehrbedarf bei Merkzeichen G soll die schlechtere Mobilität ausgeglichen werden, wozu auch die Notwendigkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für kurze Strecken gehört. Dem Kläger wird dieser Mehrbedarf ab Februar 2018 gewährt, weil ab diesem Zeitpunkt das Merkzeichen G zuerkannt wurde. Unabhängig von der Frage, ob bei dem Kläger vor Februar 2018 schon eine erhebliche Gehbehinderung vorlag, kommt ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII vor der förmlichen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt keinesfalls in Betracht. Das Bundessozialgericht hat mit Urteilen vom 10. November 2011 (B 8 SO 12/10 R) und 25. April 2018 (B 8 SO 25/16 R) ausdrücklich entschieden, dass die Gewährung des pauschalen Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 SGB XII wegen des Wortlauts des Gesetzes frühestens mit dem Zeitpunkt der bescheidmäßigen Feststellung des Merkzeichens durch das Versorgungsamt möglich ist. Für die Zeit vor der förmlichen Feststellung kann ein Mehrbedarf daher nur im Rahmen einer Regelsatzerhöhung und durch den Nachweis konkreter höherer Aufwendungen geltend gemacht werden.

bb. Aber auch einen Mehrbedarf in Form einer abweichenden Regelsatzfestlegung kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen. Nach § 27 a Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (a.F) wird im Einzelfall der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Abzugrenzen sind die Fälle des § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII von denjenigen des § 73 SGB XII. § 73 SGB XII betrifft nur Fälle, in denen ein atypischer Bedarf vorliegt, wogegen unter § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII Fälle erfasst werden, in denen ein gesteigerter oder verminderter typischer Bedarf vorliegt. Die hier vom Kläger geltend gemachten Fahrkosten sind kein grundsätzlich atypischer Bedarf im Sinne des § 73 SGB XII. Kosten für Fahrten zu ÄrztInnen und TherapeutInnen, zum Einkaufen oder zu Besuchen bei Verwandten sind typische Bedarfe, die grundsätzlich vom Regelsatz erfasst sind, und bezüglich derer der Kläger einen erhöhten, überdurchschnittlichen Bedarf vorträgt.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines höheren individuellen Regelbedarfs nach § 27a SGB XII sind inhaltlich deckungsgleich mit denen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB XII. Auch hier kommt es auf ein erhebliches Abweichen vom durchschnittlichen Bedarf sowie die Unabweisbarkeit an. Wie oben unter 2. b. dargelegt, sind diese Voraussetzungen im Fall des Klägers nicht erfüllt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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