S 13 AS 2583/20 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AS 2583/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen umgehend Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu gewähren, wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren Leistungen nach dem SGB II zu Sicherung ihres Lebensunterhalts seit dem 1. Mai 2020 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Antragsteller sind verheiratet und bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Sie beantragten am 26. März 2020 bzw. am 2. April 2020 Leistungen nach dem SGB II. Sowohl der Antragsteller als auch die Antragstellerin haben Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Der Antragsteller betreibt seit 1996 eine Selbständigkeit für Direktmarekting, Coaching und Akquise (Werbeagentur) unter "L." und die Antragstellerin ist als freiberufliche Grafik-Designerin tätig. Sie führten aus, dass sie infolge der Corona-Maßnahmen aktuelle Einnahmeausfälle hätten und vor erheblichen Problemen der Existenzsicherung stünden.

Als Kosten der Unterkunft machten sie Miete von monatlich 846,80 Euro zuzüglich 232,99 Euro Nebenkosten und 84,00 Euro Heizung geltend. Der Antragsteller machte für März 2020 einen Gewinn von -582,93 Euro geltend und die Antragstellerin in Höhe von -898,92 Euro. Der Antragsteller gab zudem an, Abgeordnetengelder aus seiner Tätigkeit als Bezirksabgeordneter zu erhalten. Die Antragstellerin gab an, einen Minijob für den Antragsteller auszuüben, der mit monatlich 400,00 Euro vergütet würde. In der vorläufigen Prognose warf der Antragsteller für die Monate März 2020 bis August 2020 als Betriebseinnahme eine Summe von 12.972,11 Euro aus, der für den gleichen Zeitraum eine Summe von 18.000,00 Euro als Betriebsausgaben gegenüberstellte. Die Antragstellerin veranschlagte für die Zeit von März bis August 2020 ihre voraussichtlichen Betriebseinnahmen mit 8.680,00 Euro und ihre Betriebsausgaben mit 15.000,00 Euro.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2020 lehnte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab. Er führte im Wesentlichen unter Bezugnahme auf einen Berechnungsbogen aus, dass angesichts der Höhe des anzurechnenden Einkommens keine Hilfebedürftigkeit festzustellen sei.

Der hiergegen am 19. Mai 2020 eingelegte Widerspruch wurde schriftlich am 12. Juni 2020 durch die Antragsteller zurückgenommen.

Am 12. Juni 2020 baten die Antragsteller um Aktualisierung der Berechnungen angesichts aktualisierter vorläufiger Einkommensangaben von 3.957,58 Euro Einnahmen für den Antragsteller und 20.643,61 Euro Ausgaben sowie für die Antragstellerin 7.065,00 Einnahmen und 18.555,00 Ausgaben. Zudem wurde ein Untermietvertrag zwischen der "L." und der von der Antragstellerin und einem weiteren Partner, Herrn E., betriebenen Fa. "r." über 350,00 Euro monatlich vorgelegt und der Mietvertrag zwischen dem Antragsteller und Herrn N. über die Anmietung von Gewerberäumen ab dem 1. Februar 2020. Darüber hinaus wurde ein Untermietverhältnis ab dem 1. Januar 2020 zwischen dem Antragsteller und dem K. H. e.V. über zwei abschließbare Räume des Ladengeschäfts in der in Höhe von monatlich 350,00 Euro vereinbart. Auch wurden zwei Darlehensvereinbarungen über 2.000,00 Euro und 1.500,00 Euro vorgelegt.

Mit Bescheid vom 6. August 2020 führte der Antragsgegner aus, der Bescheid vom 15. Mai 2020 bleibe unverändert. Es ergebe sich auch unter Berücksichtigung der nunmehr korrigiert eingereichten Unterlagen kein vollständiges und plausibles wie transparentes Bild der Einkommensverhältnisse der Antragsteller. Falls eine weitere Prüfung gewünscht würde, benötige der Antragsgegner genauere Angaben, insbesondere monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen, monatliche Summen- und Saldenlisten für jedes Unternehmen, an dem die Antragsteller gemeinsam oder alleine beteiligt seien, und sämtliche Umsatzsteuervoranmeldungen für das 1. und 2. Quartal 2020. Ggfls. seinen auch neue KAS-Anklagen einzureichen, und zwar getrennt nach Einkunftsarten.

Hiergegen legten die Antragsteller am 26. August 2020 Widerspruch ein.

Am 25. August 2020 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Hamburg um Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie führen aus, sie seien beide Solo-Selbständige. Seit April 2020 seien die Umsätze nahezu komplett eingebrochen. Sie hätten alle Konten angegeben und offengelegt. Sie hätten sich Ende 2019 entschlossen, die 5-teilige Bürogemeinschaft zu reduzieren und seien in neue Räume gezogen, die zum 1. Februar 2020 angemietet worden seien. Dort seien nunmehr noch das Grafikbüro, die K. und das Büro L. untergebracht. Die Miete für den K. e.V. werde direkt vom Vermieter eingezogen. Der Umzug habe besondere Kosten versuracht, wie beispielsweise die Zahlung von Doppelmieten, da der alte Mietvertrag Ende 2019 erst zum 31. März 2020 gekündigt werden konnte. Anteilig sei die Kaution von 1.000,00 Euro zu zahlen gewesen, zudem seien Umzugskosten entstanden wie räumliche und technische Herstellungskosten. Da dies ohnehin ein Kraftakt gewesen sei, habe der Antragsteller einen kleinen Kredit in Höhe von 2.000,00 Euro aufgenommen. Da durch den Lock-Down viele einnahmegenerierende Tätigkeitsfelder wegfielen, seien Soforthilfen bei der Investitions- und Förderbank Hamburg beantragt worden, die für ausgefallene betriebliche Kosten einzusetzen waren. Kosten für private Lebenshaltung hingegen seien über das sog. "vereinfachte Verfahren des ALG II für Solo-Selbständige" zu beantragen. Die Corona-Soforthilfe sei eine zweckgebundene Leistung zur Deckung von Betriebskosten. Sie sei nicht zu berücksichtigen, und zwar auch dann nicht, wenn sie die Betriebskosten übersteigen würden. Es sei nicht erklärlich, dass nur die Betriebsausgaben, nicht aber auch die Einnahmen berücksichtigt würden. Die Antragstellerin arbeite als Grafikdesignerin. In dieser Branche sei es üblich, für die Druckkosten in Vorleistung zu treten. Nach Rechnungsstellung seien diese Ausgaben als Einnahme wieder zu verbuchen. Überdies sei die subtile Anspielung des Antragsgegners auf weitere finanziellen Zugriffsmöglichkeiten zurückzuweisen, denn es sei strikt zu trennen zwischen Privat- und Geschäftskonto. Die Antragsteller seien privat mit folgenden monatlichen Ausgaben belastet:

Miete 1.022,80 Euro KSK S1 343,29 Euro PflichtPKV L. 367,97 Euro Pfl.Vers ... 57,63 Euro Altersvorsorge S1 243,59 Euro Tel./Internet 49,99 Euro AV L. 61,30 Euro Wasser 31,00 Euro Strom 85,00 Euro ZDB 17,50 Euro Gesamt: 2.280,07.

Einzig anzurechnen seien die Abgeordnetenpauschale für den Antragsteller Höhe von monatlich 569,33 Euro und die Minijob-Vergütung von monatlich 400,00 Euro für die Antragstellerin. Der Verein K. e.V. sei noch recht jung. Erst Ende 2019 habe er gemeinnützig ins Leben gerufen werden können. Der Mietanteil des Vereins wird vom Vermieter direkt eingezogen. Die Kaution für das Gesamtmietobjekt sei zum Jahreswechsel zu zahlen gewesen und vollständig vom Verein verauslagt worden. Daher sei dann von den Antragstellern hierfür ein Ausgleich in Höhe von jeweils 1/3 zu zahlen. Der Antragsteller schulde allerdings immer noch einen Kautionsbetrag von 500,00 Euro.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),

den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern umgehend Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung ihres Lebensunterhalts für die Zeit von April bis September 2020 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, Hilfebedürftigkeit sei nicht erkennbar. Im Wesentlichen führt er aus, dass die Einkommenssituation der Antragsteller weiterhin unklar sei. Es seien die Umsätze in den letzten Monaten erkennbar gesunken. Die Gewährung von Corona-Hilfen sei wahrscheinlich gerechtfertigt, allerdings sei die Höhe angesichts der Betriebsausgaben nicht nachvollziehbar. Für die Antragstellerin würden Betriebsausgaben für die bereits abgelaufenen Monate April bis Juli 2020 in Höhe von 11.355,00 Euro geltend gemacht. Anhand der nunmehr vorgelegten Kontoauszüge würden sich allerdings ohne Einkommenssteuerzahlung für 2018 und die an den K. e.V. geleistete Kaution aber lediglich 6.480,06 Euro feststellen lassen. Durch die Zahlung von Corona-Hilfen in Höhe von 11.500,00 Euro seien die Betriebsausgaben bereits überkompensiert. Auftragsunabhängige relativ fixe Kosten seien für die Antragsteller lediglich bei den Raumkosten festzustellen. Für den Antragsteller seien dies 800,00 Euro. Auch seien die Personalkosten für die Antragstellerin zu berücksichtigen. Die weiteren angegebenen Ausgaben seien nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Auch der Antragsteller habe Corona-Hilfen in Höhe von 14.000,00 Euro bezogen. Auch die Einnahmenseite werfe Fragen auf. Es sei nicht plausibel, warum die Mieteinnahmen des Untermieters K. e.V. bezüglich der Gewerberäume zurückgehalten würden. Kontoauszüge des Vereins, zu dessen Vertretung der Antragsteller berechtigt sei, seien nicht vorgelegt worden. Auch sei nicht klar, warum sowohl der Antragsteller als auch die Antragstellerin Kautionen an den Verein zahlten. Die Betriebsausgaben seien im Bewilligungszeitraum von den Corona-Hilfen komplett abgedeckt. Auch seien in Anrechnung zu bringen die Vergütung des Antragstellers als Bezirksabgeordneter und für die Antragstellerin die Einnahmen aus dem Minijob. Die Antragstellerin habe darüber hinaus im August eine Neustart-Prämie von 2.000,00 Euro erhalten. Auch diese sei als Betriebseinnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg-II-V zu behandeln. Es sei die Geschäftsbeziehung des Antragstellers zum Verein K. nicht klar erkennbar. Zwischen dem Verein und dem Gewerbe des Antragstellers würden Zahlungsvorgänge laufen, die nicht transparent seien. Noch Anfang des Jahres seien Mietzahlungen des Vereins auf das Geschäftskonto des Antragstellers gelaufen. Vertragspartner des vorgelegten Gewerbeuntermietvertrages mit dem Verein K. sei der Antragsteller selbst. Die Kaution sei beim Vermieter schon Ende 2019 gegen Barquittung hinterlegt worden. Warum die Antragsteller jetzt Kautionen an den Verein zahlten, sei nicht plausibel.

Dem Gericht haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners vorgelegen. Für weitere Einzelheiten zum Sachverhalt wird hierauf Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

Der Antrag ist unzulässig, soweit er auf die vorläufige Leistungsgewährung ab April 2020 gerichtet sein sollte. Für einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Leistungsanspruch vor dem 25. August 2020 (Eingang des Eilantrags bei Gericht) fehlt es an einem Rechtschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG setzt voraus, dass die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind. Hierzu gehört insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis (Keller in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 86 b, Rdnr:. 26). Dieses ist dann nicht gegeben, wenn die erstrebte gerichtliche Entscheidung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil nicht bringen kann (Keller, in: a.a.O., vor § 51 Rdnr. 16 ff. und § 86b Rdnr. 7a). Ein Rechtsschutzinteresse für die Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragsteller im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB II für Zeiträume vor dem 25. August 2020 zu gewähren, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Für zurückliegende Zeiträume dürfte es regelmäßig an einem Anordnungsgrund fehlen, weil einstweilige Regelungen der Beseitigung akuter Notlagen dienen. Charakteristisch ist daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden kann. Diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund ist daher für Zeiträume vor der gerichtlichen Entscheidung nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtiger, schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt oder ein Anspruch eindeutig besteht (Bayerisches LSG, Beschluss vom 3.8.2016, L 11 AS 293/16 B ER). Das Gericht hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass eine Verweigerung existenzsichernder Leistungen und die sich daraus ergebende Notlage sich unweigerlich stets bis in die Zukunft fortsetzen dürften. Angesichts aber der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg, dass im Rahmen eines Eilverfahrens eine vorläufige Verpflichtung des Leistungsträgers zur Leistungsgewährung für die Vergangenheit grundsätzlich ausscheidet (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 4.6.2015, L 4 AS 140/15 B ER), erachtet das Gericht die Auseinandersetzung über diese Frage als entschieden und wendet diese Rechtsmeinung zur Vermeidung unnötiger Instanzenbemühungen wegen der vorliegenden Dringlichkeit an. Im Hinblick auf Leistungen ab dem 25. August 2020 ist der Antrag unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen. Dieses ist den Antragstellern nicht gelungen. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, die beantragten Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nach dem SGB II zurzeit beanspruchen zu können und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile angewiesen zu sein. Der Anspruch auf Leistungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass Hilfebedürftigkeit vorliegt. Gem. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Einkommenslage ist nach Auffassung des Gerichts nicht plausibel. Bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit ist das Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Dieses ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Antragsteller ihren Leistungsantrag am 26. März 2020 bzw. am 2. April 2020 unter den vereinfachten Bedingungen des § 67 Abs. 2 SGB II in der ab dem 28. März 2020 geltenden Fassung stellten. Um den Zugang von Leistungen nach dem SGB II zu erleichtern, wurde § 67 SGB II im Rahmen des Sozialschutz-Paket wie folgt gefasst: (1) Leistungen für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 beginnen, werden nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 erbracht. (2) Abweichend von den §§ 9, 12 und 19 Absatz 3 wird Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. (3) § 22 Absatz 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten. Nach Ablauf des Zeitraums nach Satz 1 ist § 22 Absatz 1 Satz 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum nach Satz 1 nicht auf die in § 22 Absatz 1 Satz 3 genannte Frist anzurechnen ist. Satz 1 gilt nicht in den Fällen, in denen im vorangegangenen Bewilligungszeitraum die angemessenen und nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkannt wurden. (4) Sofern über die Leistungen nach § 41a Absatz 1 Satz 1 vorläufig zu entscheiden ist, ist über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abweichend von § 41 Absatz 3 Satz 1 und 2 für sechs Monate zu entscheiden. In den Fällen des Satzes 1 entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichend von § 41a Absatz 3 nur auf Antrag abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch.

(5) Für Leistungen nach diesem Buch, deren Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 31. März 2020 bis vor dem 31. August 2020 endet, ist für deren Weiterbewilligung abweichend von § 37 kein erneuter Antrag erforderlich. Der zuletzt gestellte Antrag gilt insoweit einmalig für einen weiteren Bewilligungszeitraum fort. Die Leistungen werden unter Annahme unveränderter Verhältnisse für zwölf Monate weiterbewilligt. Soweit bereits die vorausgegangene Bewilligung nach § 41a vorläufig erfolgte, ergeht abweichend von Satz 3 auch die Weiterbewilligungsentscheidung nach § 41a aus demselben Grund für sechs Monate vorläufig. § 60 des Ersten Buches sowie die §§ 45, 48 und 50 des Zehnten Buches bleiben unberührt. (6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den in Absatz 1 genannten Zeitraum längstens bis zum 31. Dezember 2020 zu verlängern.

Hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich auf eine Vermögensprüfung verzichtet wird, wenn im Antrag erklärt wird, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.4.2020, L 16 AS 170/20 B ER); von einer Nichtberücksichtigung von Einkommen kann aber nicht ausgegangen werden. Die Antragsteller haben im Laufe des Antragsverfahrens unterschiedliche Angaben zu ihren Betriebseinnahmen und –ausgaben im Zeitraum von April 2020 bis September 2020 gemacht. So gab der Antragsteller im Antrag vom 26. März 2020 an, Betriebseinnahmen von 12.972,11 Euro zu erwarten und Betriebsausgaben in Höhe von 18.000,00 Euro. Die Antragstellerin gab Betriebseinnahmen in Höhe von 8.680,00 Euro an und Betriebsausgaben in Höhe von 15.000,00 Euro. Mit Aktualisierung des Antrags vom 12. Juni 2020 reduzierte der Antragsteller die Betriebseinnahme-Erwartung auf 5.417,92 Euro und erhöhte die Ausgaben auf 20.629,29 Euro. Die Antragstellerin reduzierte ihre prognostizierten Betriebseinnahmen auf 9.655,00 Euro und die Ausgaben erhöhte sie auf 19.625,00 Euro. In einer weiteren Korrektur vom 16. Juni 2020 hat der Antragsteller angegeben, Betriebseinnahmen für die Zeit von April 2020 bis September 2020 in Höhe von 3.957,58 Euro zu erwarten und Betriebsausgaben in Höhe von 20.643,61 Euro. Die Antragstellerin korrigierte ebenfalls die Betriebseinnahmen auf 7.065,00 Euro und die Betriebsausgaben auf 18.555,00 Euro brutto. Im Verfahren legt der Antragsteller eine Übersicht über die Jahreswerte für das erste Halbjahr 2020 vor und führt Betriebseinnahmen in Höhe von 25.904,92 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 30. Juni 2020 auf. Dem stellt er Betriebsausgaben in Höhe von 18.387,49 Euro gegenüber. Die Antragstellerin legt ebenso im Verfahren eine Halbjahresübersicht vor. Sie kommt zu Betriebseinnahmen in Höhe von 34.512,34 Euro und Betriebsausgaben in Höhe von 17.372,57 Euro. Das Gericht gelangt unter Berücksichtigung des hier im Streit stehenden Leistungszeitraums von April 2020 bis September 2020 im Rahmen der im einstweiligen Verfahren möglichen Einkommensprüfung und eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten zu dem Ergebnis, dass keine Bedarfsunterdeckung bei den Antragstellern festzustellen ist. Dabei geht das Gericht von der Bedarfsermittlung aus, wie sie von dem Antragsgegner im Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2020 zugrunde gelegt wurde. Diese Bedarfslage ist unter Berücksichtigung der Leistungssätze aus §§ 20, 22 SGB II und § 26 SGB II nicht zu beanstanden. Demnach ergibt sich für den Antragsteller für April 2020 einen Bedarf in Höhe von 1.317,10 Euro (891,40 Euro Regelleistungen und Kosten für Unterkunft und Heizung zuzüglich 425,70 Euro Zuschuss zur KV- und PflV) und ab Mai 2020 ein Bedarf von insgesamt 1.289,10 Euro (863,40 Euro zuzüglich 425,70 Euro). Für die Antragstellerin ergibt sich für April 2020 ein Bedarf von 891,40 Euro und ab Mai 2020 ein Bedarf von monatlich 863,40 Euro. Anzurechnen sind für den Antragsteller monatlich 569,33 Euro Abgeordnetengeld, so dass unter Berücksichtigung der Freibeträge in § 11 Abs. 2 Satz 1 und § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II sich das anzurechnende Einkommen aus der wiederkehrenden Zahlung des Abgeordnetengeldes auf 375,46 Euro reduziert und somit ein Bedarf von insgesamt 941,60 Euro im April 2020 und 913,64 Euro ab Mai 2020 gegeben sein dürfte. Für die Antragstellerin ist vom Bedarf das Einkommen aus dem Minijob in Höhe von 400,00 Euro bereinigt um die Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II abzusetzen, so dass hier 240,00 Euro zur Anrechnung kommen. Somit ergibt sich ein Bedarf für April 2020 in Höhe von 651,40 Euro und ab Mai 2020 in Höhe von monatlich 623,40 Euro. Diese Bedarfe können die Antragsteller aus ihren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit decken. Dabei legt das Gericht die zuletzt gemachten Angaben der Antragsteller zugrunde. Aus den Einkommensentwicklungsübersichten der Antragsteller, die am 14. Oktober 2020 eingereicht wurden, gehen die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben für die Antragsteller von April 2020 bis August 2020 hervor. Für September 2020 wurden jeweils die geschäftlichen Kontoauszüge vorgelegt. Das Gericht hat im Zeitraum von April 2020 bis August 2020 betriebliche Einnahmen für den Antragsteller in Höhe von 3.430,23 Euro errechnet (700,00 Euro, 1.293,48 Euro, 564,20 Euro, 463,05 Euro und 409,50 Euro). Die sog. Corona-Soforthilfe im April in Höhe von 14.030,00 Euro dürfte ausschließlich zur Deckung der Betriebskosten herangezogen werden, da von den Betriebseinnahmen die Betriebsausgaben nur insoweit abzusetzen sind, als diese von der Corona-Soforthilfe nicht bereits gedeckt sind (SG Leipzig, Beschluss vom 27.5.2020, S 24 AS 817/20 ER). Das bedeutet, dass die Corona-Soforthilfe nicht als Einnahme im April zu werten ist, sondern erst bei der Ermittlung der von den Einnahmen abzuziehenden Betriebsausgaben zu berücksichtigen ist. Zu den Betriebseinnahmen von 3.430,23 Euro müssen weitere Betriebseinnahmen für September 2020 hinzugerechnet werden. Hier ist das Gericht anhand der vorgelegten Kontoauszüge für das Geschäftskonto des Antragstellers zu 5.558,83 Euro gekommen (1.051,50 Euro, 900,00 Euro, 749,70 Euro, 929,69 Euro, 547,52 Euro, 970,92 Euro 350,00 Euro und 59,50 Euro). Zusammen ergibt das im Bewilligungszeitraum eine Einnahmesituation von 8.989,60 Euro. Dem stehen Ausgaben von 12.998,21 Euro für April bis August 2020 gegenüber (5.237,04 Euro, 2.128,85 Euro, 2.229,56 Euro, 1.655,66 Euro und 1.747,10 Euro). Weitere Betriebsausgaben für September 2020 müssten berücksichtigt werden in Höhe von 2.597,03 Euro (19,97 Euro, 800,00 Euro, 139,80 Euro, 84,80 Euro, 31,21 Euro, 52,35 Euro, 400,00 Euro, 124,60 Euro, 79,00 Euro, 19,59 Euro, 838,10 Euro und 7,61 Euro). Soweit eine Überweisung an Rechtsanwälte in Höhe von 309,34 Euro vom Geschäftskonto und eine Überweisung an G. in Höhe von 10,34 Euro hierin keine Berücksichtigung gefunden haben, wie auch die Überweisungen von 300,00 Euro und 330,00 Euro wegen Ratenzahlungen, ist dem Gericht gegenwärtig die betriebliche Veranlassung nicht plausibel. Auch eine Privatentnahme von 400,00 Euro an den Antragsteller ist unberücksichtigt geblieben. Somit belaufen sich die Betriebsausgaben auf insgesamt 15.595,24 Euro (12.998,21 Euro und 2.597,03 Euro). Dem steht die Soforthilfe mit 14.000,00 Euro gegenüber, so dass lediglich noch Betriebsausgaben von 1.595,24 Euro von den Einnahmen in Höhe von 8.989,60 Euro in Abzug zu bringen sind. Der somit verbleibende Einnahmebetrag in Höhe von 7.394,36 Euro ist auf sechs Monate zu verteilen, so dass monatlich eine Einkommenslage von 1.232,39 Euro festzustellen ist. Dieser Betrag übersteigt den nach dem SGB II-Regelungen zu deckenden Bedarf von 941,60 Euro im April und 913,64 Euro monatlich ab Mai 2020. Für die Antragstellerin stellt sich die Einnahmelage für die Monate April bis August 2020 so dar, dass aus den eingereichten Unterlagen Betriebseinnahmen von 4.057,17 Euro (3.583,77 Euro, 196,85 Euro, 276,55 Euro, 0,00 Euro, 0,00 Euro). Im September 2020 hatte die Antragstellerin Einnahmen von insgesamt 11.062,11 Euro auf ihrem Geschäftskonto (3.000,00 Euro, 1.986,38 Euro, 2.599,56 Euro, 1.489,79 Euro und 1.986,38 Euro), also insgesamt im Bewilligungszeitraum Betriebseinnahmen von 15.119,28 Euro. Dem stehen Ausgaben in Höhe von 5.503,56 Euro in der Zeit von April bis August 2020 gegenüber (1.003,95 Euro, 915,25 Euro, 1.046,06 Euro, 923,83 Euro und 1.614,47 Euro). Für September 2020 hat das Gericht dem Kontoauszug des Geschäftskontos der Antragstellerin Betriebsausgaben von insgesamt 10.111,12 Euro entnommen (271,08 Euro, 54,45 Euro, 107,01 Euro, 1.203,70 Euro, 31,00 Euro, 34,79 Euro, 136,37 Euro, 230,84 Euro, 828,36 Euro, 477,36 Euro, 2.038,85 Euro, 9,74 Euro, 105,08 Euro, 409,10 Euro, 92,81 Euro, 2.000,00 Euro, 47,75 Euro, 198,17 Euro, 51,18 Euro 1.000,00 Euro, 103,33 Euro, 99,79 Euro, 51,18 Euro, 389,20 Euro, 62,06 Euro, 51,18 Euro, 51,18 Euro, 82,34 Euro, 350,00 Euro, 5,20 Euro, 99,50 Euro und 17,10 Euro). Die Privatentnahme von 1.500,00 Euro blieb unberücksichtigt. Insgesamt sind Betriebsausgaben im Bewilligungszeitraum von 15.614,68 Euro festzustellen (5.503,56 Euro und 10.111,12 Euro). Nach Abzug der Soforthilfe von 11.500,00 Euro und 2.000,00 Euro Neustartprämie verbleiben Betriebsausgaben in Höhe von 2.114,68 Euro, die den Einnahmen von 15.119,28 Euro entgegenstehen. Somit errechnet sich ein Gewinn von 13.004,60 Euro im Bewilligungszeitraum. Verteilt auf sechs Monate ergibt sich eine monatliche Gewinnberechnung von 2.167,43 Euro. Der Bedarf der Antragstellerin von 891,40 Euro im April und 863,40 Euro ab Mai 2020 ist damit überschritten. Sofern bei dem Antragsteller Betriebsausgaben nicht berücksichtigt wurden (G., Rechtsanwaltsüberweisung, Kreditraten), dürfte sich wegen des Vorliegens einer aus Eheleuten bestehenden Bedarfsgemeinschaft eine daraus ggfls entstehende Unterdeckung durch die Unterhaltspflicht der Antragstellerin schließen lassen, so dass das Gericht nach den vorstehenden Berechnungen nicht zu einer Leistungspflicht des Antragsgegners zu kommen vermag. Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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