S 34 KR 269/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 269/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung der sogenannten Praxisgebühr streitig.

Der 1956 geborene Beklagte ist bei der Beigeladenen, einer Betriebskrankenkasse, mit Anspruch auf Sach- oder Dienstleistungen krankenversichert. Am 02.04.2004 nahm er erstmals in diesem Quartal einen an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt in Anspruch, indem er sich beraten und behandeln ließ, ohne eine Zuzahlung zu leisten. Zu diesem Zeitpunkt war die Belastungsgrenze gemäß § 62 Buch V des Sozialgesetzbuches - SGB - V nicht erreicht. Die Leistungen des Arztes wurden auf der Grundlage der Gesamtverträge nach den §§ 82, 83 SGB V erbracht. Dem Beklagten wurde nach erfolgloser Aufforderung zur Zahlung der Zuzahlung in Höhe von 10 Euro am gleichen Tag in der Praxis des Arztes eine schriftliche Zahlungsaufforderung übergeben, mit der Bitte, seiner (gesetzlichen) Zahlungsverpflichtung in Höhe von 10 Euro bis zum 13.04.2004 nachzukommen. Mit Schreiben vom 06.07.2004 teilte die Klägerin, eine Kassenärztliche Vereinigung, deren Mitglied der behandelnde Arzt ist, dem Beklagten mit, dass das Recht zum Zahlungseinzug auf sie übergegangen wäre. Sie machte die Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro zuzüglich 2 Euro Mahngebühr und 1,10 Euro Portokosten gegenüber dem Beklagten geltend und forderte ihn auf, den Betrag in Höhe von 13,10 Euro innerhalb von 2 Wochen auf ein angegebenes Konto zu überweisen. Da der Beklagte dieser Zahlungsaufforderung nicht Folge leistete, hat die Klägerin am 09.08.2004 Klage erhoben. Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte gemäß § 28 Abs. 4 SGB V zur Zahlung der Zuzahlung in Höhe von 10 Euro verpflichtet ist und dass sie berechtigt ist, die Forderung geltend zu machen. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass ihr gemäß § 18 Abs. 4, 5 des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) analog bzw. nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Mahngebühr und Portokosten zusteht.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 12,55 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass er nicht in der Lage sei, die streitige Forderung zu zahlen. Er trägt vor, über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.000,- Euro zu verfügen.

Die Beigeladene schließt sich der Auffassung der Klägerin an.

Entscheidungsgründe:

Obgleich für den Beklagten niemand erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und entscheiden, denn den Beteiligten ist unter Hinweis auf diese Möglichkeit der Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.03.2005 mitgeteilt worden (vgl. §§ 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).

Die Klage ist zulässig.

Der Sozialrechtsweg ist gegeben. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2. 1.Halbsatz 1. Alternative SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Streitig ist, ob der Kläger als Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zur Zahlung der Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (GKV-Modernisierungsgesetz-GMG BGBl 2003 I, 2190) verpflichtet ist. Das GKV-Modernisierungsgesetz-GMG hat ab 2004 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherten die sogenannte Praxisgebühr eingeführt. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V hat jeder Versicherte, soweit er das 18. Lebensjahr vollendet hat, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines Vertrags(zahn)arztes oder Vertragspsychotherapeuten - soweit sie nicht einer vertragsärztlichen Überweisung aus demselben Quartal folgt - eine Zuzahlung von 10 Euro an den Leistungserbringer zu zahlen. Insofern ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BSG SozR 3-4100 § 155 Seite 5 f; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 51 RdNr. 40 f). Die dem Beklagten vom Gesetzgeber auferlegte Verpflichtung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V gehört zu den Rechtsvorschriften des Sozialversicherungsrechts, der Beklagte ist mithin einer öffentlich-rechtlichen Forderung ausgesetzt (vgl. BSG SozR 1500 § 149 Nr. 11 Seite 13). Durch die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erhebung einer sogenannten Praxisgebühr beabsichtigte der Gesetzgeber, dass die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung einen zusätzlichen Beitrag zur Konsolidierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung leisten (vgl. Begründung des Gemeinsamen Entwurfs zum GMG, BT-Drucks 15/1525 Seite 83 zu Nr. 15 zu Buchstabe b). Mithin liegt auch eine hoheitlich auferlegte öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Versicherten vor. Der öffentlich-rechtlichen Natur dieser Verpflichtung steht nicht entgegen, dass die Praxisgebühr gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V vom Leistungserbringer (Vertragsarzt) einzubehalten ist. Denn hierdurch werden keine privat-rechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen Versichertem und Vertragsarzt begründet (vgl. KassKomm Höfler § 43 b SGB V RdNr. 11). Gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 1 2.Halbsatz SGB V verringert sich entsprechend dem Zuzahlungsbetrag der Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Damit kommt das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Verfahren faktisch einem Honorarvorschuss gleich (Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.03.2004 - S 19 KA 5/04 -; vgl. Schmidt in: Peters SGB V § 43 b RdNr. 58). Weil der Arzt, der im Rahmen von Gesamtverträgen (§§ 82 f SGB V) tätig wird, gegenüber der Krankenkasse keinen direkten Vergütungsanspruch hat, wird in diesem Fall die Pflicht der Krankenkasse zur Einziehung der Praxisgebühr gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 3 SGB V ausgeschlossen (vgl. BT-Drucks 15/1525 Seite 91 zu Nr. 34). Dabei handelt der die Praxisgebühr einziehende Arzt insoweit im Interesse und zugunsten der Krankenkasse (Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 08.06.2004 - L 11 KR 1224/04).

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Sie ist berechtigt, die Zahlung der streitigen Forderung an sich zu verlangen. Diese Berechtigung ergibt sich aus § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 5 BMV-Ä. Gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 1 1.Halbsatz SGB V hat der Leistungserbringer Zahlungen einzubehalten, die Versicherte nach § 28 Abs. 4 SGB V zu entrichten haben. Gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V ist das Nähere zum Verfahren in den Bundesmantelverträgen, deren Inhalt Bestandteil der Gesamtverträge ist (§ 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V), zu vereinbaren. Hierzu haben die Vertragsparteien des BMV-Ä, zu denen u.a. der Bundesverband der Beigeladenen gehört, in § 18 Abs. 4 und 5 Folgendes vereinbart:

Soweit die Zuzahlung gemäß Abs. 3 nicht vor der Behandlung entrichtet wurde, zieht der Vertragsarzt diesen Betrag nachträglich ein und quittiert die geleisteten Zahlungen. Der Versicherte ist verpflichtet, die Zuzahlung unverzüglich, spätestens innerhalb von 10 Tagen, zu entrichten. Die ggfs. entstehenden Portokosten für eine schriftliche Zahlungsaufforderung stellt der Vertragsarzt dem Versicherten in Rechnung (§ 18 Abs. 4 BMV-Ä). Leistet der Versicherte trotz einer schriftlichen Zahlungsaufforderung innerhalb der vom Arzt gesetzten Frist nicht, übernimmt die für den Arzt zuständige Kassenärztliche Vereinigung für den Vertragsarzt und die Krankenkassen den weiteren Zahlungseinzug. Die Kassenärztliche Vereinigung fordert den Versicherten schriftlich mit Fristsetzung erneut zur Zahlung auf. Zahlt der Versicherte wiederum nicht, führt die Kassenärztliche Vereinigung Vollstreckungsmaßnahmen durch. Bleibt die Vollstreckungsmaßnahme erfolglos, entfällt die Verrechnung dieser Zuzahlung mit der Gesamtvergütung. Die Krankenkasse erstattet in diesem Fall der Kassenärztlichen Vereinigung die nachgewiesenen Gerichtskosten zuzüglich einer Pauschale von 4 Euro (§ 18 Abs. 5 BMV-Ä).

Indem der Gesetzgeber die Partner der Bundesmantelverträge gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V ermächtigt hat, dass Nähere zum Verfahren des Einzugs der Praxisgebühr in den Bundesmantelverträgen zu vereinbaren, waren diese auch ermächtigt, eine Regelung dahingehend zu treffen, dass bei einer Verweigerung der Zahlung der Praxisgebühr durch den Versicherten an den Leistungserbringer weitere Eintreibungs- bzw. Vollstreckungsmaßnahmen durch die Kassenärztliche Vereinigung durchzuführen sind. Im Übrigen hat der Gesetzgeber einen Zahlungseinzug durch die Krankenkassen im Fall der Leistungserbringung und Abrechnung im Rahmen von Gesamtverträgen nach den §§ 82 und 83 SGB V ausdrücklich ausgeschlossen (§ 43 b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB V). Indem die Klägerin durch § 18 Abs. 5 Satz 3 BMV-Ä, also aufgrund eines Normenvertrages ermächtigt war, nach erfolgloser Zahlungsaufforderungen mit Fristsetzungen durch den behandelnden Arzt und sie selbst Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen, ist sie damit auch berechtigt, die Praxisgebühr im Klageweg geltend zu machen. Damit ist die Klägerin insoweit auch prozessführungsbefugt (vgl. BSGE 10, 131, 133 f.). Da die Einziehung der Praxisgebühr im Interesse und zugunsten der Beigeladenen erfolgt und die eingezogenen Beträge wirtschaftlich weder dem behandelnden Arzt noch ihr selbst zugute kommen, kann die Klägerin die Klageforderung im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend machen (vgl. BSGE 10, 131, 133 f.).

Die Klägerin darf die Forderung auch im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend machen. Nach § 54 Abs. 5 SGG kann bei Bestehen eines Rechtsanspruchs Verurteilung zu einer Leistung auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Zwar fehlt einer Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn das Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt geregelt werden kann, weil die Regelung durch Verwaltungsakt der Verwaltung in der Regel einen einfacheren, schnelleren und billigeren Weg bietet, ihre Vorstellungen durchzusetzen (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 22; SozR 1300 § 50 Nr. 17 Seite 39; BSGE 3, 135, 140 f; BSGE 6, 97, 98 f). Die Klägerin ist jedoch nicht berechtigt, ihre Forderung gegenüber dem Beklagten durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 43 b Abs. 2 Satz 1 1.Halbsatz SGB V die Einbehaltungsverpflichtung als Einzugsermächtigung des Leistungserbringers (Vertragsarzt) begründet (vgl. BT-Drucks 15/1525 Seite 91 zu Nr. 34; KassKomm-Höfler a.a.O. § 43 b RdNr. 11; Schmidt in: Peters a.a.O. § 43 b RdNr. 45); diese Rechtsposition geht nach erfolgloser Zahlungsaufforderung nach Ablauf einer Zahlungsfrist gemäß § 18 Abs. 5 BMV-Ä auf die Kassenärztliche Vereinigung über. Mit der Verpflichtung zum Einzug der Praxisgebühr ist dem Leistungserbringer jedoch nicht gemäß § 43 a Abs. 2 Satz 1 1.Halbsatz SGB V die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Versicherten im Rahmen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses übertragen worden (vgl. BSG SozR 4100 § 145 Nr. 1). Der Gesetzgeber hat vielmehr lediglich die "Obliegenheit" des Leistungserbringers zum Zahlungseinzug begründet (KassKomm-Höfler a.a.O.; vgl. Schmidt a.a.O.). Zwar wird hinsichtlich der Entscheidung über die konkrete ärztliche Behandlung, der Festlegung zukünftiger Behandlungsschritte sowie der Verordnung von Arznei-, Heil-, und Hilfsmitteln davon ausgegangen, dass der Vertragsarzt das Rahmenrecht des einzelnen Versicherten als ein mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht "beliehener" Verwaltungsträger anstelle der Krankenkasse konkretisiert (BSG 73, 271, 278 ff.; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 12 Seite 59). Eine derartig umfassende Befugnis wird jedoch mit der Verpflichtung zum Einzug der Praxisgebühr nicht begründet, sodass der Leistungserbringer insbesondere nicht ermächtigt wurde, diese Zuzahlung durch Verwaltungsakt (§ 31 BSG X) gegenüber dem Versicherten geltend zu machen. Dabei ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Entscheidungskompetenz über die Verpflichtung zur Zuzahlung des Versicherten dem Grunde nach (z.B. bei einem Antrag auf Befreiung) weiterhin bei der Krankenkasse verbleibt (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Da die Kassenärztliche Vereinigung nach erfolgloser Zahlungsaufforderung durch den Leistungserbringer dessen gesetzlich geregelte Verpflichtung zum Zahlungseinzug entsprechend den Regelungen des § 18 Abs. 5 BMV-Ä übernimmt, war auch die Klägerin nicht berechtigt, die streitige Forderung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Beklagten festzusetzen.

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Beklagte ist verpflichtet, die Zuzahlung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB V i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V in Höhe von 10 Euro zu leisten. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 SGB V liegen unstreitig vor. Der Beklagte, der älter als 18 Jahre ist, hat am 02.04.2004 ärztliche Leistungen in Anspruch genommen, ohne für diese erste Inanspruchnahme im zweiten Quartal 2004 eine Zuzahlung geleistet zu haben. Dieser Verpflichtung steht nicht entgegen, dass der Beklagte trotz eines verfügbaren monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von ca. 1.000 Euro andere Zahlungsverpflichtungen bzw. das Bestreiten seines Lebensunterhaltes für vorrangig hält. Insbesondere bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom Gesetzgeber begründete Pflicht zur Zahlung der Praxisgebühr (vgl. Linke, NZS 2004, 186, 187). Insoweit wird auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass selbst von Sozialhilfeempfängern, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, die Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung nach den Neuregelungen des GMG ab 01.04.2004 aus dem ihnen gewährten Regelsatz bis zu der gesetzlichen festgelegten Belastungsgrenze zu leisten waren, ohne dass insoweit ein Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe aus Sozialhilfemitteln bestand (vgl. Beschlüsse des Hess. VGH ZFSH/SGB 2004, 487 und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg NJW 2004, 1817). Da der Beklagte schriftlichen Zahlungsaufforderungen mit Fristsetzungen des behandelnden Arztes und der Klägerin nicht nachkam, war die Klägerin gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 5 BMV-Ä berechtigt, die Zuzahlungsforderung gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.

Im Übrigen war die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen, als die Klägerin gegenüber dem Beklagten eine Mahngebühr in Höhe von 2 Euro sowie Portokosten in Höhe von 0,55 Euro geltend gemacht hat.

Gemäß § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Insoweit sehen weder das SGB IV noch das SGB V Ansprüche gegenüber Versicherten auf Kosten- bzw. Schadensersatz vor. Allein in § 24 SGB IV ist eine Rechtsgrundlage für einen standardisierten Mindestschadensausgleich bei einem Verzug des Versicherten mit Beitragszahlungen geschaffen worden. Ein derartiger Anspruch kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen (z.B. gemäß § 280 Abs. 1, 2 i.V.m. § 286 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) - hergeleitet werden. Denn für die Begründung von Pflichten der gesetzlich Krankenversicherten sind allein die Regelungen des SGB maßgeblich. So hat der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 69 Satz 3 SGB V, 61 Satz 2 SGB X klargestellt, dass eine ergänzende Anwendung des BGB nur in den dort aufgeführten Fallkonstellationen (Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern, öffentlich-rechtlicher Vertrag) in Betracht kommt. Der Gesetzgeber hat mit § 69 SGB V klarstellen wollen, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern ausschließlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und die ergänzende Heranziehung der Vorschriften des BGB voraussetzt, dass dies mit den Vorgaben des SGB V vereinbar ist (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 04.11.2004 - L 5 KR 161/03 unter Verweis auf BT-Drucks 14/1245, Seite 68). Im Übrigen schließen Sinn und Zweck dieser Regelung eine generelle Anwendung der Regeln des BSG in allen Fällen aus, in denen das SGB V keine ausdrückliche (andere) Regelung trifft (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Schließlich ergibt sich der Anspruch auf Zahlung von einer Mahngebühr und den Ersatz von Portokosten nicht aus § 18 BMV-Ä. Im Übrigen wären die Vertragspartner des BMV-Ä auch zur Begründung eines derartigen Anspruchs nicht ermächtigt, da gemäß § 43 b Abs. 2 Satz 4 SGB V nur die Einzelheiten des Verfahrens zum Einzug der Praxisgebühr vereinbart werden sollten. Dies schließt aber die Ermächtigung zur Begründung weiterer über die Praxisgebühr hinausgehender Zahlungsansprüche aus. Schließlich regelt § 64 Abs. 1 SGB X, dass für Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben werden. Auch hieraus ergibt sich die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, dass sowohl das Verwaltungs- als auch das Widerspruchsverfahren für den Versicherten kostenfrei sein sollen, er mithin auch nicht in pauschalierter Form an den Kosten der Tätigkeit einer Behörde beteiligt werden soll. Gleiches gilt gemäß §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 4 SGG für das sozialgerichtliche Verfahren. Nichts anderes kann für die Tätigkeit des Leistungserbringers bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Geltendmachung der Praxisgebühr zu Gunsten der Krankenkasse ausserhalb eines förmlichen Vollstreckungsverfahrens gelten (vgl. insoweit §§ 3 Abs. 3, 19 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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