L 1 KR 975/01

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1b KR 285/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 975/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1968 geborene Kläger begehrt die Feststellung, dass er über den 31. März 1999 hinaus freiwilliges Mitglied bei der Beklagten ist.

Der Kläger leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, die in den Jahren 1995/1996 erstmals ärztlicherseits im Psychiatrischen Krankenhaus S. festgestellt worden ist. Der Kläger ist aufgrund seiner Erkrankung vom 10. August 1997 bis zum 23. September 1997 und sodann immer wieder in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums A-Stadt behandelt worden. In der Zeit vom 31. Dezember 1998 bis zum 21. Januar 2000 befand er sich (mit Unterbrechung) acht Monate in dieser Klinik, und zwar vom 31. Dezember 1998 bis zum 9. Januar 1999 und vom 13. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 stationär, vom 19. April 1999 bis zum 14. Juli 1999 teilstationär und vom 12. Dezember 1999 bis zum 28. Dezember 1999 sowie vom 3. Januar 2000 bis zum 21. Januar 2000 stationär. Mit Beschluss vom 5. Januar 2000 bestellte das Amtsgericht Hünfeld nach einem entsprechenden Antrag der Städtischen Kliniken A-Stadt (erstmals) einen Betreuer für den Kläger mit dem Aufgabenkreis, Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Zustimmung zur Unterbringung, die Vermögenssorge, die Wohnungsangelegenheiten, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe und andere Sozialleistungen, die Vertretung gegenüber Klinikleistung, Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen sowie die Entgegennahme, das Öffnen und Anhalten der Post. In der Folgezeit fanden weitere stationäre Aufenthalte in den Städtischen Kliniken A-Stadt statt, teilweise auf Grund eines Beschlusses des Amtsgerichts Hünfeld. Zurzeit wohnt der Kläger im Rahmen des betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung; den Tag verbringt er bis 16.00 Uhr in einer Tagesstätte. Der Kläger lebte und lebt von Mieteinnahmen aus geerbtem Grundbesitz; teilweise wurde ihm im Wege eines Darlehens Sozialhilfe bewilligt. Die Kosten für die Krankenhausaufenthalte des Klägers wurden von dem Betreuer des Klägers zum großen Teil aus dem Vermögen des Klägers beglichen. Mit Beschluss vom 11. Februar 2003 hob das Amtsgericht Fulda die Betreuung des Klägers zunächst auf; mit Beschluss vom 20. Februar 2004 wurde ihm durch das betreffende Amtsgericht für denselben Aufgabenkreis wie zuvor ein neuer Betreuer bestellt.

Der Kläger war bis zum Sommersemester 1998 bei der Beklagten als Student pflichtversichert. Mit Schreiben vom 24. August 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Pflichtversicherung als Student ende, da der Kläger das 30. Lebensjahr erreicht habe. Sie wies ihn u. a. darauf hin, er werde ab dem 1. Oktober 1998 "automatisch" als freiwilliges Mitglied der Kasse zum besonders günstigen Krankenversicherungsbeitrag weiter versichert, sofern eine Weiterversicherung als Student nicht in Betracht käme, das Studium aber noch nicht abgeschlossen sei. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 teilte die Beklagte mit, der Kläger sei als Examenskandidat versichert und bat um Begleichung des Beitragsrückstands ab dem 1. Oktober 1998.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 bat der Kläger die Beklagte um Erteilung einer neuen Versichertennummer sowie um Zusendung einer neuen Versichertenkarte, da die alte Karte unbrauchbar geworden sei und des Weiteren aus "diversen Gründen" um Erlass der Beiträge.

Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 mahnte die Beklagte nochmals den Beitragsrückstand von Oktober 1998 bis Dezember 1998 an. Mit Schreiben vom 14. Februar 1999, eingegangen bei der Beklagten am 17. Februar 1999, teilte der Kläger der Beklagten mit, er "kündige" seine Mitgliedschaft "aus persönlichen Gründen". Am 19. März 1999 stellte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. einen Antrag auf freiwillige Krankenversicherung. Im August 1999 bat er die Beklagte um die "Löschung" seiner Krankenakte. Die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1. endete am 15. Oktober 1999 aufgrund von Beitragsrückständen. Am 18. Februar 2000 meldete sich der damalige Betreuer des Klägers bei der Beklagten und gab unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Prof. C., Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums A-Stadt vom 8. Februar 2000 an, der Kläger sei zum Zeitpunkt seines Kassenwechsels nicht geschäftsfähig gewesen. Der Kläger sei zurzeit ohne jeden Krankenversicherungsschutz, und er bitte daher die Beklagte, den Kläger ab sofort wieder zu versichern.

Mit Bescheid vom 13. März 2000 lehnte die Beklagte eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers über den 31. März 1999 hinaus ab. Die von dem Kläger im Zusammenhang mit dem Kassenwechsel abgegebenen Willenserklärungen seien "korrekt" gewesen. Dies lasse darauf schließen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung bei der Beklagten und zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung gegenüber der Beigeladenen zu 1. "lichte Augenblicke" bei dem Kläger bestanden hätten und damit zu diesem Zeitpunkt Geschäftsunfähigkeit nicht vorgelegen habe.

Der Kläger hat gegen den ablehnenden Bescheid am 3. April 2000 Widerspruch bei der Beklagten und am 3. Mai 2000 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben. Hinsichtlich des Fortbestehens seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten beruft er sich weiterhin auf seine Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt des Kassenwechsels.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2000 den Widerspruch zurückgewiesen.

Das Sozialgericht hat die AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen – als Beigeladene zu 1. zum Verfahren beigeladen und die Betreuungsakte des Amtsgerichts Hünfeld, die Krankengeschichte und den Pflegebericht über den Kläger anlässlich seines stationären Aufenthaltes in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums A-Stadt in dem Zeitraum vom 13. Januar 1999 bis zum 16. April 1999 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen zu 1. beigezogen. Weiterhin hat das Sozialgericht zur Frage der Geschäftsfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten am 14. Februar 1999 Beweis erhoben durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Leitenden Oberarztes Dr. HZ. und der Assistenzärztin Dr. R. der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums A-Stadt vom 25. Oktober 2000.

Mit Urteil vom 9. Mai 2001 hat das Sozialgericht Fulda die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, der Kläger sei über den 31. März 1999 hinaus Mitglied der Beklagten geblieben. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei zum Zeitpunkt seiner Kündigung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten am 14. Februar 1999 geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewesen, so dass seine Kündigung gegenüber der Beklagten nichtig gewesen sei. Den Beweis für die Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung sehe das Gericht insbesondere durch den von ihm eingeholten Befundbefund aus dem Klinikum A-Stadt vom 25. Oktober 2000 als erbracht an, denn wenn überhaupt jemand den Geisteszustand des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung am 14. Februar 1999 beurteilen könne, dann die behandelnden Ärzte des Klinikums A-Stadt, wo er seinerzeit stationär untergebracht war. In dem Befundbericht heiße es eindeutig, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung seiner Krankenkasse über keine ausreichende Einsicht in die Zukunftsträchtigkeit seiner Entscheidung verfügt habe und ihm eine vernünftige Willensentscheidung nicht möglich gewesen sei. Er sei durchgängig von psychotischen und paranoiden Wahrnehmungen geleitet und belastet gewesen mit Beeinträchtigung des realitäts- und situationsangepassten Denkens und Handelns. Das Wesen einer solchen psychotischen Erkrankung liege in der Störung des Denkens mit zum Teil wahnkonsequenten Fehlhandlungen; von sog. luziden Intervallen könne nicht ausgegangen werden. Für die Richtigkeit der Angaben der Ärzte der Klinik sprächen - so das Sozialgericht - die Eintragungen in der Krankengeschichte und im Pflegebericht, wonach sich der Kläger im maßgeblichen Zeitraum nach wie vor gegenüber den Klinikärzten nicht offen verhalten und "geheimnistuerische" Geschäfte gemacht habe. Gegen die Auffassung der Beklagten, in der hier maßgeblichen Zeit sei allein eine sozial begleitende Behandlung erforderlich gewesen, lasse sich anführen, dass für eine derartige Betreuung eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V nicht notwendig gewesen wäre. Die eindeutige Aussage der behandelnden Ärzte werde auch nicht durch die "Überlegungen" der Beklagten entkräftet, der Kläger habe "gute Gründe" für seine Kündigung gehabt, denn diese sei erfolgt, nachdem ihm wegen der Beitragsrückstände eine Zwangsvollstreckung angedroht worden sei. Auch bei Verhaftung in einem Wahnsystem könnten nämlich scheinrationale Handlungen erfolgen. Das gesamte Verhalten des Klägers seit Ende des Jahres 1998 spreche vielmehr dafür, dass die Beklagte in das Verfolgungswahnsystem des Klägers eingegliedert gewesen sei.

Gegen das ihr am 15. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. September 2001 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Sie trägt vor, sie sei nach wie vor der Auffassung, dass die einzelnen Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Kassenwechsel, nämlich die Kündigung bei der BKK Berlin und der Antrag auf freiwillige Versicherung bei der wohnortnahen AOK Hessen, plausibel und nachvollziehbar sei. Der Kläger sei ihrer Ansicht nach nicht geschäftsunfähig gewesen. Diese Annahme werde gestützt durch die Ausführungen der Ärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums A-Stadt Dr. R. in ihrem auf Veranlassung des Amtsgerichts Hünfeld erstellten Gutachtens vom 24. August 2000, in dem sie ausgeführt habe, hinsichtlich der Frage der Betreuung des Klägers halte sie zum jetzigen Zeitpunkt bei noch nicht ausreichender therapeutischer Ausschöpfung der Medikation die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes für das Vermögen des Klägers für verfrüht. Mit diesen Feststellungen habe sich das erstinstanzliche Urteil nicht auseinandergesetzt, obgleich diese im Widerspruch zu den Feststellungen der behandelnden Ärzte in dem Befundbericht vom 25. Oktober 2005 ständen.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Mai 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1. beantragen (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keinen Antrag.

Der Senat hat die City Betriebskrankenkasse – Pflegekasse – als Beigeladene zu 2. zum Verfahren beigeladen und den Betreuer des Klägers in einem Erörterungstermin am 12. Mai 2005 persönlich angehört. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift zu dem betreffenden Termin Bezug genommen.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden waren.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Fulda die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger über den 31. März 1999 hinaus Mitglied der Beklagten geblieben ist. Die fortbestehende Mitgliedschaft bei der Beklagten bewirkt zugleich über § 20 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI, dass der Kläger pflichtversichertes Mitglied bei der Beigeladenen zu 2. geblieben ist.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten nunmehr, dass unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Klägers vom 14. Februar 1999 seine Mitgliedschaft bei der Beklagten bis zum 31. März 1999 bestanden hat und eine Beendigung der Mitgliedschaft nicht schon zum 30. September 1998 eingetreten ist. Die Mitgliedschaft des Klägers besteht aber auch über den 31. März 1999 fort, da sein Kündigungsschreiben vom 14. Februar 1999 nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig ist; der Kläger ist zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB gewesen.

Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB setzt eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit voraus, wobei es sich um einen Dauerzustand handeln muss. Nach dem Gesetzeswortlaut ist darüber hinaus erforderlich, dass dieser Zustand die freie Willensbestimmung ausschließt. Entscheidend ist insoweit, ob eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider, eine sachliche Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil der Betroffene fremden Willenseinflüssen unterliegt oder die Willensbildung von unkontrollierten Trieben und Vorstellungen ähnlich mechanischen Verknüpfungen von Ursache und Wirkung bestimmt wird (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1988 – BReg 3 Z 143/88 - , FamRZ 1989, 319; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 – XI ZR 70/95 - , MDR 1996, 348).

Der Kläger leidet dauerhaft an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit. Seit den Jahren 1995/1996 ist bei ihm eine chronische paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert. Aufgrund dieser Geisteskrankheit befand sich der Kläger zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt – 14. Februar 1999 – in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand im oben genannten Sinne. Für diese Feststellung stützt sich der Senat auf die gutachterliche Stellungnahme des Leitenden Oberarztes Dr. HZ. und der Ärztin Dr. R. der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Städtischen Klinikums A-Stadt, die das Sozialgericht im Klageverfahren eingeholt hat, auf die von dem Sozialgericht beigezogen Krankenhausentlassungsberichte, insbesondere auf die Berichte über den Aufenthalt des Klägers vom 31. Dezember 1998 bis zum 9. Januar 1999 und vom 13. Januar 1999 bis zum 16. April 1999, sowie auf die Krankengeschichte und den Pflegebericht anlässlich dieser Krankenhausaufenthalte. Das Sozialgericht hat die gutachterliche Stellungnahme der behandelnden Klinikärzte sowie die Unterlagen, die den Geisteszustand des Klägers im maßgeblichen Zeitraum dokumentieren, überzeugend und zutreffend gewürdigt. Der Senat schließt sich dieser Würdigung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren vermag keine Zweifel an der Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung am 14. Februar 1999 zu begründen. Soweit die behandelnden Ärzte des Klinikums A-Stadt in ihrem Gutachten für das Amtsgericht Hünfeld vom 24. August 2000 ausgeführt haben, sie hielten die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes für das Vermögen des Klägers zum "jetzigen" Zeitpunkt bei noch nicht ausreichender therapeutischer Ausschöpfung der Medikation für verfrüht, steht dies nicht im Widerspruch zu der Feststellung der Ärzte, der Kläger habe sich während seines stationären Aufenthaltes im Frühjahr 1999 – d. h. während einer akuten Krise – in einem Zustande befunden, der die freie Willensentschließung ausgeschlossen habe. Zweifel an der Geschäftsunfähigkeit bestehen auch nicht auf Grund der Tatsache, dass die einzelnen Handlungen des Klägers, die Kündigung bei der Beklagten sowie der Antrag auf freiwillige Versicherung bei der Beigeladenen zu 1., von außen betrachtet nachvollziehbar und folgerichtig erscheinen. Dies zeigt nur, dass es dem Kläger möglich war, seinen Willen kundzutun. Im Rahmen des § 104 Nr. 2 BGB kommt es aber nicht auf die Möglichkeit der Willenskundgabe an, sondern auf die freie Willensbestimmung (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, a. a. O.). Maßgeblich ist wie oben ausgeführt, dass eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider stattgefunden hat und die Willensbildung nicht aufgrund krankheitsbedingter – unkontrollierter – Vorstellungen bestimmt worden ist. Von letzterem ist indes aufgrund der ärztlichen Feststellungen im Rahmen des akuten Krankheitsgeschehens - den Wahnvorstellungen des Klägers - zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im Februar 1999 auszugehen. Auch der Vortrag der Beklagten, der Kläger habe in dem fraglichen Zeitraum allein sozial begleitender Behandlung bedurft, überzeugt nicht. Zu Recht hat das Sozialgericht Fulda darauf hingewiesen, dass gerade die Regelung der Finanzen und der Umgang mit Behörden aufgrund der Wahnsituation des Klägers problematisch war und ist. Der Aufgabenkreis der (späteren) Betreuer des Klägers bezog und bezieht sich auch gerade auf diese Bereiche. In der Krankengeschichte und im Pflegebericht finden sich für die Monate Februar und März 1999 immer wieder Hinweise darauf, dass der Kläger seine Aktivitäten in Bezug auf Behörden gegenüber den Mitarbeitern der Klinik "sehr bedeckt" gehalten hat und damit "geheimnistuerisch" umgegangen ist. Wiederholte Hilfsangebote der Ärzte und Mitarbeiter der Klinik zur Regelung seiner problematischen finanziellen Angelegenheiten sowie behördlichen Angelegenheiten (vgl. u. a. den entsprechenden Eintrag in der Krankengeschichte für den 17. März 1999 sowie in dem Pflegebericht für den 21./22. März 1999) hat der Kläger ebenso wie eine gesetzliche Betreuung zum damaligen Zeitpunkt (vgl. den Eintrag in der Krankengeschichte vom 17. Februar 1999) abgelehnt. Auch in dem Entlassungsbericht der Ärzte des Klinikums A-Stadt vom 31. Januar 2000 wird darauf hingewiesen, "schon beim letzten stationären Aufenthalt", d. h. dem stationären Aufenthalt im Frühjahr 1999, habe der Kläger große Schwierigkeiten auch "beim Verkauf von Immobilien und Regelung finanzieller Angelegenheiten" gehabt und bei mangelnder Krankheitseinsicht keine Hilfe durch Sozialarbeiter oder "Betreutes Wohnen" zugelassen.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, das "korrekte" Verhalten des Klägers in Zusammenhang mit der Kündigung spreche dafür, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt ein "lichter Augenblick" bestanden und daher Geschäftsunfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB nicht vorgelegen habe, ist auf die überzeugenden Ausführungen der Ärzte der Klinik zu verweisen. Im Übrigen trägt die Beklagte für das Vorliegen dieser "lichten Augenblicke" die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1988 – V ZR 27/87, NJW 1988, 3011). Dem genügen ihre pauschalen Darlegungen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der hier maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
Saved