S 11 AS 75/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 75/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiliger Anordnung die Gewährung einer Waschmaschine als Leistung zur Erstausstattung ihrer Wohnung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuches – SGB II –.

Die Antragsgegnerin gewährte der am 00.00.1969 geborenen Antragstellerin zuletzt für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 701,17 EUR (einschließlich 51,00 EUR Zuschlag nach § 24 SGB II – Bescheid vom 22.04.2005). Aufgrund einer Überzahlung in Höhe von 107,07 EUR rechnete die Antragstellerin ab dem 01.07.2005 mit einem Betrag von jeweils 26,77 EUR gegen die der Antragstellerin zu zahlende Regelleistung auf (Bescheid vom 14.06.2006). Auf den Widerspruch hiergegen zahlte die Antragsgegnerin (zunächst) wieder die volle Regelleistung aus.

Am 21.06.2005 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie in der neunten Woche schwanger und als Risikoschwangere einzustufen sei. Sie beantragte die Kostenübernahme für Schwangerschaftsbekleidung wie auch die Kostenübernahme für eine Waschmaschine als Wohnungserstausstattung. Die Antragsgegnerin zahlte daraufhin einen Betrag in Höhe von 150,00 EUR als Erstausstattung für Bekleidung; darüber hinaus erkannte sie einen Mehrbedarf wegen der eingetretenen Schwangerschaft an. Den Kostenübernahmeantrag für die Waschmaschine lehnte die Antragsgegnerin demgegenüber ab. Sie führte sinngemäß aus, dass die Kosten für die Anschaffung der Waschmaschine von der Regelleistung umfasst seien (Bescheid vom 22.06.2005).

Mit dem Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, noch nie im Besitz einer Waschmaschine gewesen zu sein, so dass diese als Wohnungserstausstattung zu qualifizieren sei. Sie verweist ferner auf eine von dem Caritasverband für die Diözese Münster verfasste Stellungnahme vom 23.06.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Mit ihrem am 30.06.2005 erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wiederholt die Antragstellerin im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

Sie beantragt schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine Beihilfe für eine Waschmaschine gemäß § 23 SGB II zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, dass die Antragstellerin in der Sache nicht eine Erstausstattung ihrer Wohnung begehre, sondern vielmehr eine Vervollständigung, wenngleich die Notwendigkeit einer Waschmaschine nicht bezweifelt werde. Eine derartige Vervollständigung stelle jedoch keine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II dar. Vor dem Hintergrund, dass bei der Antragstellerin offenkundig derzeit keine ausreichenden finanziellen Mittel bereitständen, räume die Antragsgegnerin jedoch ein Darlehen in Höhe von 150,00 EUR zur Anschaffung einer gebrauchten Waschmaschine ein. Die zuständige Bezirksstelle habe die Angebote auf dem Gebrauchtwarenmarkt geprüft; dort würden Maschinen zu einem Kaufpreis von 100,00 EUR angeboten. Da es sich hierbei meist um leistungsschwächere Modelle handele, werde ein Bedarf von 150,00 EUR unterstellt, zu dem ein leistungsfähiges Gerät auf dem Markt zu erwerben sein dürfte. Das Darlehen sei durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 v.H. der maßgeblichen Regelleistung zu tilgen.

Die Antragstellerin hält an ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fest.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragstellerin betreffenden Leistungsakte der Antragsgegnerin. II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg; ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind, ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen (vgl. Grieger, ZfSH/SGB, 2004, 579 (583), Berlit, info also 2005, 3 (4 f.)).

Ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft dargetan worden ist, kann dahinstehen. Allerdings ist auch die Kammer der Auffassung, dass der Begriff "Erstausstattung" nicht zu eng ausgelegt werden darf und nicht zeitlich im Sinne einer Fixierung auf den Zeitpunkt des erstmaligen Wohnungsbezugs, sondern vielmehr bedarfsbezogen zu interpretieren ist (Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage 2005, § 23, Rdnr. 101 und Rdnr. 103; Sozialgericht - SG - Gelsenkirchen, Beschluss vom 11.07.2005 – Az.: S 20 AS 63/05 ER). Demnach ist eine Erstausstattung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sowohl dann gegeben, wenn der entsprechende Bedarf zum ersten Mal auftritt als auch dann, wenn er sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände ergibt (Wieland in Estelmann, SGB II, § 23, Rdnr. 26, Hofmann in LPK – SGB II, § 23 Rdnr. 22 – zur Anschaffung einer Waschmaschine vgl. Rdnr. 23). Diese Vorgaben lassen es als durchaus naheliegend erscheinen, grundsätzlich auch den Erwerb einer Waschmaschine – an dessen Notwendigkeit keinerlei Zweifel bestehen – als von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfasst anzusehen.

Zur Überzeugung der Kammer ist jedoch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist. Die besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist gegeben, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. hierzu Berlit, info also 2005, 3 (7)). Zu berücksichtigen ist hier, dass sich die Antragsgegnerin bereit erklärt hat, einen Betrag in Höhe von 150,00 EUR darlehnsweise an die Antragstellerin zu zahlen. Mit diesem Betrag – Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag zu niedrig bemessen ist, sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen worden – ist sie in die Lage versetzt, eine wenn auch gebrauchte Waschmaschine zu erwerben und hierdurch ihren dringenden und gegenwärtigen Bedarf vorerst zu decken. Angesichts dessen ist durch die Bereitschaft der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Darlehens die besondere Eilbedürftigkeit, die für den Anordnungsgrund charakteristisch ist, entfallen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin erklärt hat, dass die Darlehenssumme durch Aufrechnung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Höhe von 10 v.H. zu tilgen ist. Denn auch bei einer Aufrechnung noch während des Hauptsacheverfahrens verbleiben der Antragstellerin insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ihr noch ein befristeter Zuschlag von monatlich 51,00 EUR gezahlt wird, diejenigen Mittel, um ihre Existenz zu sichern (wobei die Antragsgegnerin allerdings erwägen sollte, von der Durchführung der Aufrechnung bis zum Abschluss der Hauptsache abzusehen). Zu berücksichtigen ist ferner, dass die aus der Überzahlung resultierende Aufrechnung zur Zeit nicht vollzogen wird.

Ergibt sich während des Hauptsacheverfahrens, dass ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II besteht, entfällt die Verpflichtung zur Tilgung des Darlehens. Sollte die Waschmaschine jedoch in der hier vorliegenden Konstellation nicht von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfasst sein, stellt sich die Gewährung des Darlehens und insbesondere die damit verbundene Tilgung durch Aufrechnung als rechtmäßig dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 393 SGG und berücksichtigt das gegenseitige Obsiegen und Unterliegen.
Rechtskraft
Aus
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