L 7 AS 81/05 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 47 AS 422/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 81/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 2005 und vom 2. November 2005 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig ab dem 15. August 2005 ungekürzt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten den Antragstellerinnen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) in voller Höhe.

Die 1961 geborene Antragstellerin zu 1. ist die Mutter des 1984 in H. geborenen R. R. (Antragsteller im Verfahren L 7 AS 79/05 ER), des 1985 in H. geborenen R. Re. (Antragsteller im Verfahren L 7 AS 80/05 ER) und der 1989 in H. geborenen Antragstellerin zu 2. Alle Familienmitglieder sind tschechische Staatsangehörige und beantragten am 29. Juli 2004 eine Aufenthaltsgenehmigung.

Die gesamte Familie bezog von der Stadt H. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bis in das Jahr 2004.

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 (BA Bl. 6) die von der Antragstellerin zu 1. am 3. Dezember 2004 beantragten Leistungen nach dem SGB II (BA Bl. 26) ab, da der Antragsgegner der Auffassung war, dass für die Antragstellerinnen keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II mehr gegeben war.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin zu 1. am 16. Dezember 2004 Widerspruch ein (BA Bl. 29).

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit (H.) (BA Bl. 14) die beantragten Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von 384,00 Euro. Dabei ging sie von einen Gesamtbedarf der Antragstellerinnen von 662,00 Euro aus, der sich aus dem Regelsatz für Alleinstehende von 345,00 Euro und einem Mehrbedarf von 41,00 Euro für Alleinerziehende für die Antragstellerin zu 1. und vom Regelsatz für Kinder ab Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Höhe von 276,00 Euro zusammensetzte. Unterkunftskosten wurden nicht angesetzt, da die Antragstellerinnen angegeben hatten, bei einem Bekannten, Herrn B. S., zu wohnen und dort freies Wohnrecht zu genießen. Als Einkommen berücksichtigte die Bundesagentur Kindergeld in Höhe von insgesamt 308,00 Euro, wobei sie dies um einen Betrag von 30,00 Euro bereinigte.

Mit Schreiben (BA Bl. 52) vom 4. Januar 2005 unterrichtete das Polizeipräsidium S. – Polizeidirektion M. – im Rahmen der gegenseitigen Unterrichtungspflicht gemäß §§ 1 (6), 22 (2) Ziff. 4 HSOG den Antragsgegner darüber, dass die Antragstellerinnen sowie deren Brüder in einer Vielzahl von Straftaten, hauptsächlich im Bereich der Eigentumskriminalität, polizeilich in Erscheinung getreten seien. Aufgrund dieser Straftaten seien sie seinerzeit durch die Ausländerbehörde der Stadtverwaltung H. ausgewiesen und alle Personen in der Vergangenheit bereits mehrfach abgeschoben worden. Nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union seien die Ausweisungen bis zum 30. April 2005 befristet worden. Danach seien sie wieder ungehindert ins Bundesgebiet eingereist. Nach den Erkenntnissen der Polizei seien die Antragstellerinnen und die beiden Söhne der Antragstellerin zu 1. beschäftigungslos. Von ihnen würden durch begangene Straftaten kriminelle Gewinne erwirtschaftet. Bezüglich der Antragstellerin zu 1. wurde gemeldet, dass diese im Zeitraum vom April 1979 bis zum Dezember 2004 31 Straftaten, darunter u.a. 17 Diebstähle, ein räuberischer Diebstahl, zwei schwere Diebstähle und zwei Leistungserschleichungen begangen hätte. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. sei für den Zeitraum von Juni 2004 bis zum September 2004 festgestellt worden, dass diese eine Körperverletzung begangen und sich des Delikts der Leistungserschleichung schuldig gemacht habe. Aus dem Bearbeitungsblatt (BA Bl. 62) ging hervor, dass die Antragstellerin zu 1. in der Zeit vom 11. September 2002 bis zum 13. Februar 2003 in der J., F. in Untersuchungshaft wegen Verstößen gegen das Ausländergesetz eingesessen hatte.

Der Antragsgegner nahm mit Bescheid vom 31. Januar 2005 (BA Bl. 63) den Bescheid der Arbeitsagentur für Arbeit in H. vom 22. Dezember 2004 zurück und stellte die den Antragstellerinnen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährten Leistungen nach dem SGB II ein. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Antragstellerinnen wiederholt durch Straftaten in Erscheinung getreten seien. Es sei bekannt geworden, dass sie aus den verübten Straftaten Einkommen erzielten und somit in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt auch ohne staatliche Unterstützungsleistungen selbst zu bestreiten. Die weitere Leistungsgewährung nach dem SGB II sei aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht mehr möglich, da sie durch ihr Fehlverhalten eindeutig zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie nicht erwerbsbereit und somit nicht erwerbsfähig seien. Eine weitere Grundvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II stelle der Tatbestand dar, dass die Antragstellerinnen als Staatsangehörige aus Tschechien nur dann erwerbsfähig und somit anspruchsberechtigt sein könnten, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland erlaubt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die Antragstellerinnen keine entsprechenden Arbeitserlaubnisse besäßen. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen. Gleichzeitig erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. wegen von ihr ausgestoßener Bedrohungen mit sofortiger Wirkung ein Hausverbot.

Mit Schreiben vom 4. Februar 2005 legte die Antragstellerin zu 1. Widerspruch ein. Dieser ist – soweit ersichtlich – noch nicht beschieden worden.

In der Zwischenzeit wurde die von Herrn S. angemietete und von den Antragstellerinnen (mit-)bewohnte Wohnung geräumt. Für die Zeit ab dem 1. Februar 2005 mietete die Antragstellerin zu 1. eine 3-Zimmer-Wohnung in der A-Straße in A. für einen Mietzins von 425,00 Euro (BA Bl. 22) für sich und ihre Kinder an.

In dem abgeschlossenen Eilverfahren (Beschluss vom 5. Mai 2005, Az.: S 47 AS 140/05 ER) haben die Antragstellerinnen erfolgreich erstritten, dass sie die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 29. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 in einer Höhe von 1.925,10 Euro gewährt bekamen.

Unter dem 15. Juni 2005 stellte die Antragstellerin zu 1. einen Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen für die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2005 (Aktenordner – AO – Bl. 161) wies der Antragsgegner darauf hin, dass die beiden Söhne auf Grund ihrer Volljährigkeit ihre Anträge selbst stellen müssten und bat darüber hinaus um Nachweise für die Mittellosigkeit der Antragstellerinnen und um die Vorlage von Arbeitserlaubnissen.

Die Antragstellerin zu 1. meldete sich daraufhin mit Schreiben vom 27. Juni 2005, in dem sie ausführte, dass sie und ihre Söhne erst um eine Arbeitserlaubnis nachsuchen könnten, wenn es zu einem Arbeitsvertrag komme oder sie eine Arbeit gefunden hätten. Die Antragstellerin zu 1. fügte dem Schreiben die Kopie einer alten Arbeitserlaubnis für die Zeit vom 27. Oktober 2004 bis zum 19. Januar 2005 bei.

Auf Anfrage des Antragsgegners übersandte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof unter dem 24. Juni 2005 die Auszüge aus dem Bundeszentralregister bezüglich der Antragstellerinnen. Diesbezüglich wird auf AO Blatt 171 Bezug genommen.

Der Antragsgegner lehnte sodann mit Bescheid vom 6. Juli 2005 (AO Bl.180) den Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II ab. Gegen diesen Bescheid wurde am gleichen Tag Widerspruch eingelegt. Dieser ist, soweit ersichtlich, ebenfalls noch nicht beschieden worden.

Die Antragstellerinnen haben mit Schriftsatz vom 12. August 2005, eingegangen beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) am 15. August 2005, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel gestellt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu gewähren. Gleichzeitig stellten sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH). Aufgrund des derzeitigen Aufenthaltsstatus sei es der Antragstellerin zu 1. nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Den Antragstellerinnen drohe Obdachlosigkeit, da sie bei Verweigerung der Leistungen nach dem SGB II nicht mehr in der Lage seien, ihre Miete zu entrichten. Die Antragstellerin zu 1. gab am 1. August 2005 eine eidesstattliche Versicherung ab, dass sie sich mit der Miete für die Monate Juli 2005 und August 2005 im Rückstand befände. Sie lebe in der Wohnung mit ihrer Tochter S. (Antragstellerin zu 2.) und ihren beiden Söhnen. Da sie für ihre Kinder 459,00 Euro Kindergeld erhalte und des Weiteren keine Einnahmen habe, sei sie mittellos.

Mit Schreiben vom 19. August 2005 erwiderte der Antragsgegner, dass die Antragstellerinnen nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II seien. Die Antragstellerinnen hätten aus den von ihnen begangenen Vermögensdelikten Vermögenszuwächse gehabt. Es sei egal, ob das Einkommen illegal oder legal erworben worden sei, jedenfalls sei es in voller Höhe zu berücksichtigen und anzurechnen. Da dem Antragsgegner im Zeitraum von April 1974 bis zum Dezember 2004 diverse Straftaten bekannt geworden seien, seien die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Antragstellerinnen unklar. Die Antragstellerinnen hätten ihre Mittellosigkeit nicht ausreichend nachgewiesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen seit Oktober 2004 ihren Lebensunterhalt bestritten hätten und unklar sei, wie sie dies ohne staatliche Zuwendungen bewerkstelligt hätten. Daher müssten Vermögenszuflüsse vorhanden gewesen sein. Die unklare Sachlage gehe zu Lasten der Antragstellerinnen. Der Antragsgegner beruft sich dabei auf verschiedene Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (VG), die er dahingehend zitiert: " dass grundsätzlich Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, vom Leistungsberechtigten vor Eintritt von Leistungen nach dem Gesetz aufgebraucht werden muss. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das verfügbare Einkommen legal oder illegal erzielt worden ist. Es genügt, dass nicht auszuschließen ist, dass die Antragsteller über Einkommen und Vermögen verfügen, so lange nicht glaubhaft gemacht worden ist, dass sie über derartige Einkommen nicht verfügen. Das bloße Bestreiten von Einkünften und Einkommen reicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches nicht aus, da Zweifel an der Bedürftigkeit aufgrund der Angaben der Antragsteller zum Einkommen aus Vermögensdelikten verbleiben" (so VG, Az.: aaaaa, Beschluss vom 6. Januar 2000). Aus dem Urteil vom 6. Oktober 2000 (VG, Az.: 3 E 344/00 (1) zitierte der Antragsgegner, "der Kläger sei strafrechtlich in Erscheinung getreten und in Ermittlungsverfahren verwickelt worden. Vor diesem Hintergrund bestünden ganz erhebliche Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit, denn die in Rede stehenden Deliktsgruppen (Raub, schwerer Diebstahl, räuberische Erpressung, Drogenhandel) würden verübt, um Einnahmen zu erzielen. Der Kläger habe die bestehenden Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit nicht ausräumen können." Aus einem Urteil vom 6. März 2002 des VG (Az.: 3 E 3292/01) führt der Antragsgegner an: "Es verstünde sich von selbst, dass diese aus kriminellen Verhaltserweisen erzielten wirtschaftlichen Vorteile bei der Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz habe, nicht aufgeblendet werden können." Weiter zitiert der Antragsgegner eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss vom 24. Juni 1997, Az.: 9 TZ 1937/97): "Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen zum Gegenstand hat, nicht in Betracht kommt, wenn – wie hier – die Einkommens- und Vermögenslage der Hilfesuchenden unklar ist. Die Sozialhilfe ist in konkreten Beträgen zu gewähren. Eine Verpflichtung des Trägers der Sozialhilfe zur Zahlung eines solchen konkreten Betrages kommt nur dann in Betracht, wenn der Hilfesuchende die Obergrenze seiner monatlichen Einkünfte glaubhaft macht und sich dann ergibt, dass ein bestimmter Teil seines sozialhilferechtlichen Bedarfs nicht gedeckt ist." Weiterhin führt der Antragsgegner aus einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 16. Dezember 1997, Az.: 9 TG 3818/97) an: "Es ist nicht mit dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Ausmaß nachgewiesen, dass die Antragsteller bedürftig sind. Sie behaupten zwar, weder einsetzbares Vermögen zu besitzen noch laufende Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit zu beziehen, und versichern ihren Tatsachenvortrag an Eides statt; ihre Behauptungen sind jedoch nicht glaubhaft. ( ...Tatsachen zu den Straftaten ...). Dies deutet darauf hin, dass die Antragsteller über verschwiegene Einkünfte verfügten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich hierbei um Einnahmen aus illegalen Geschäften mit nicht verzollten Zigaretten oder um Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit handelt." Schließlich zitiert der Antragsgegner noch den Beschluss des VG vom 20. August 2003 (Az.: 3 G 3283/03 (V): "Auch illegal erzieltes Einkommen ist zu berücksichtigen und anzurechnen, wenn es um die Frage geht, ob ein sozialhilferechtlich relevanter Bedarf für den jeweiligen Bedarfszeitraum besteht. Dies hat das Gericht wiederholt entschieden. ( ) Dabei hat es darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller zum Nachweis der Mittellosigkeit, an den an sich keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, eine besondere Darlegungslast erwächst, wenn Anknüpfungspunkte bzw. Ungereimtheiten gegeben sind, die zu Zweifeln an der Mittellosigkeit veranlassen. Dies kann auch darin bestehen, wenn kontinuierlich Straftaten begangen worden sind, die Anlass zu der Annahme geben, es werde durch die Begehung von Straftaten mehr oder weniger kontinuierlich Einkommen erzielt." Weiterhin sei jedenfalls festzuhalten, dass die aufgeführten Straftaten der Antragsteller wie auch die verübten Straftaten der Söhne der Antragstellerin zu 1. Zweifel an ihrer Hilfebedürftigkeit begründeten, welche zur Leistungsversagung berechtigten. Die Vermögens- und Einkommensverhältnisse seien unklar, so lange die Antragsteller ihre Mittellosigkeit nicht in entsprechender Form nachgewiesen hätten. Zwingend sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen sowie die komplette Familie über einen sehr langen Zeitraum (seit Oktober 2004) ihren Lebensunterhalt bestritten hätten, ohne Leistung bzw. in nur einem sehr geringen Umfang bezogen zu haben. Es müssten daher zwingend finanzielle Mittel und Möglichkeiten vorhanden sein. Eine Unterstützung durch Herrn S. – unabhängig von der zur Verfügung gestellten Unterkunft – sei ausgesprochen unwahrscheinlich, da dieser selbst nur 33 Euro über der Grenze zur Bedürftigkeit liegen würde. Auch im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung gelange man zu keinem anderen Ergebnis. Denn unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Nichtvorwegnahme der Hauptsache spreche mehr für das Vorhandensein von finanziellen Mitteln als für eine Hilfebedürftigkeit, zumal die Antragstellerinnen mit Vermögensdelikten im Zusammenhang stünden. Die fiskalischen Interessen des Antragsgegners seien weitaus höher zu bewerten als das Interesse der Antragstellerinnen aufgrund der durch die Straftaten hervorgerufenen enormen Zweifel an der Hilfsbedürftigkeit. Entscheidend sei weiterhin, dass die Antragstellerinnen mangels Vorliegens einer Arbeitserlaubnis - EU nicht erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 2 SGB II seien. Eine Arbeitsgenehmigung – EU nach § 284 Abs. 1 SGB III und/oder eine Arbeitsberechtigung – EU nach § 284 Abs. 5 SGB III i.V.m. § 12 a Arbeitsgenehmigungsverordnung läge nicht vor. Auch hätten die Antragstellerinnen nicht die Voraussetzungen für eine entsprechende Erteilung von Arbeitserlaubnissen. Mangels entsprechender Qualifikation schiede bei summarischer Prüfung auch die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung - EU nach § 284 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 6 und Abs. 2 bis 4 Aufenthaltgesetz aus. Eine Erteilung nach § 284 Abs. 4 SGB III scheitere bereits am fehlenden Inlandswohnsitz, aber auch die übrigen Voraussetzungen lägen nicht vor und seien nicht glaubhaft gemacht. Aufgrund der erheblichen Straftaten könnten ihnen auch keine Beschäftigung erlaubt werden, so dass sie nicht berechtigt seien, Leistungen nach dem SGB II zu empfangen.

Daraufhin entgegneten die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 29. August 2005, dass die begangenen Vermögensdelikte alle vor der erneuten Einreise nach Deutschland, das hieße vor dem Jahre 2005, begangen worden seien. Der derzeitige Lebensunterhalt könne jedenfalls aus dem angeblich aus den Straftaten erwirtschafteten Vermögen nicht mehr bestritten werden. Soweit dies überhaupt erwirtschaftet worden sei, sei dieses schon lange verbraucht. Die Argumentation des Antragsgegners liefe darauf hinaus, dass die Antragsteller geradezu aufgefordert würden, auf illegale Weise ein Einkommen zu erzielen. Des Weiteren legten sie eine schriftlichen Erklärung eines Herrn W. vor, der damit bestätigte in den Monaten Juli und August jeweils 400,00 Euro zur Unterstützung den Antragstellerinnen gegeben zu haben.

Das SG hat mit dem am 12. September 2005 an die Antragstellerinnen zugestellten Beschluss vom 8. September 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Antrag auf PKH abgelehnt. Auf die Gründe wird insoweit Bezug genommen.

Der Beschwerde der Antragstellerinnen vom 12. Oktober 2005, eingegangen beim SG am 13. Oktober 2005, half das SG durch Beschluss vom 2. November 2005 teilweise ab und verpflichtete den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, den Antragstellerinnen ab dem 15. August 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Kürzung der Regelleistungen nach § 20 SGB II auf 80 % zu gewähren. Das SG hat seinen Abhilfebeschluss im Wesentlichen zunächst im Rahmen der Interessenabwägung dahingehend begründet, dass im Falle der Ablehnung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz den Antragstellerinnen im Moment die notwendigsten Mittel zur Existenzsicherung nicht zur Verfügung stünden. Dabei gehe das SG davon aus, dass nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerinnen ihr Bedarf ungedeckt sei. Hinzu käme, dass die Antragstellerinnen durch die Vorlage der Rechnungen des Klinikums H. und des Schreibens der AOK glaubhaft gemacht hätten, dass ihnen und insbesondere der Antragstellerin zu 2. der Zugang zu notwendigsten medizinischen Behandlungen verschlossen sei. Allerdings erscheine dem SG auch bei einer Interessenabwägung gerechtfertigt, die Kürzungen vorzunehmen, die sich aus dem Tenor ergäben. Diese führten zu keiner unvertretbaren Einschränkung der Lebenshaltung der Antragstellerinnen und seien vor diesem Hintergrund durch die im Eilverfahren nicht mögliche vollständige Aufklärung der maßgeblichen finanziellen Vorgänge gerechtfertigt. Gemessen an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sei es überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerinnen einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 7, 19 ff. SGB II hätten, wobei die Regelleistung um 20 % zu kürzen sei. Die tragende Argumentation des angefochtenen Beschlusses, wonach die Antragstellerinnen nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten gehören würden, da sie aufgrund von § 8 Abs. 2 SGB II nicht als erwerbsfähig gelten könnten, ließe sich nicht aufrecht erhalten. Diese Argumentation stütze sich in erster Linie auf das wiederholte Vorbringen der rechtskundig beratenen Antragstellerinnen, sie würden aufgrund des derzeitigen Aufenthaltsstatus keine Arbeit finden. An dieser Argumentation hielten die Antragstellerinnen nicht mehr fest. Zudem seien inzwischen für die Antragstellerin zu 1. als auch für ihre Söhne Arbeitserlaubnisse zu den Akten gereicht worden, die hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. bis in das Jahr 2005 hinein Gültigkeit gehabt habe und hinsichtlich der Söhne gerade erst unbefristet erteilt worden seien. Unter diesen Umständen ließe sich nach Auffassung der Kammer nicht mehr vertreten, dass den Antragstellerinnen die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt werden könne. Die Kammer halte es weiter für glaubhaft, dass anrechenbares Einkommen und Vermögen nach §§ 11 und 12 SGB II bei der Antragstellerin zu 1. allenfalls in einem Umfang vorhanden sei, der die Absenkung der Regelleistung um ein Fünftel rechtfertige. Das SG hielte daran fest, wie es bereits in dem streitgegenständlichen Beschluss vom 8. September 2005 zum Ausdruck gekommen sei, dass durchaus noch Fragen hinsichtlich des Einkommens und Vermögens der Antragstellerinnen offen geblieben seien. Erhebliche Zweifel bestünden an den von der Antragstellerin zu 1. abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen bezüglich ihrer Bedürftigkeit. Die Antragstellerin zu 1. habe im Rahmen der ursprünglichen Antragstellung bei der Agentur für Arbeit erklärt, dass es sich bei dem Verhältnis zu Herrn S. um eine Art Wohngemeinschaft ohne wechselseitige Unterstützung handele, während sie im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren vorgetragen habe, dass Herr S. die Antragstellerinnen unterstützt habe. Obwohl der Antragsgegner auf diesen Widerspruch hingewiesen und auf Erläuterungen gedrungen habe, wie die Antragstellerinnen ihren Lebensunterhalt im fraglichen Jahr bestritten hätten, sei dazu kein näherer Vortrag erfolgt. Auch die Unterstützung durch Herrn S. könne – worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen habe – kaum ausreichend plausibel machen, wovon die Familie gelebt haben wolle; selbst wenn dieser unter Zurückstellung der eigenen Mietzahlungen sein ganzes Einkommen dazu verwendet haben wolle. Die Antragstellerinnen hätten zwar erläutert, wie sie den Lebensbedarf der letzten Monate bestritten hätten. Insgesamt blieben aber zur Vermögenssituation der gesamten Familie weiterhin so viele Fragen offen, dass das SG erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit weiterhin habe. Jedenfalls ließen sich die offenen Fragen im Rahmen des Eilverfahrens nicht klären.

Vor diesem Hintergrund hat das SG einen Anordnungsanspruch noch für hinreichend wahrscheinlich gehalten. Weder der Kammer noch den Antragstellerinnen lägen irgendwelche konkreten Hinweise vor, dass die Antragstellerinnen in den letzten Jahren Straftaten begangen hätten, aus denen sie Einkünfte erzielt haben könnten. Soweit die von dem Antragsgegner aufgelisteten Straftaten der Antragstellerinnen (BA Bl.166 ff.) in der Zeit nach 1999 überhaupt einen Vermögensbezug gehabt hätten, handele es sich um Leistungserschleichungen/ Beförderungserschleichung. Ein Vermögenszuwachs über die erschlichene Leistung hinaus sei mit derartigen Taten nicht verbunden gewesen. Im Übrigen lägen für das Jahr 2005 hinsichtlich beider Antragstellerinnen keinerlei Angaben über Straftaten vor. Die Söhne bzw. Brüder gehörten nicht zur Bedarfsgemeinschaft, so dass deren mögliches Einkommen nur im Rahmen von § 9 Abs. 5 SGB II gewürdigt werden könne. Weitere konkrete Hinweise auf gegenwärtiges Einkommen oder Vermögen der Antragstellerinnen lägen der Kammer nicht vor. Zweifel an den Angaben der Antragstellerinnen ergäben sich daher im Grunde nur daraus, dass ihre Ausführungen zu der Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten hätten, seitdem die Stadt H. im Herbst letzten Jahres die Zahlung von Sozialhilfe eingestellt habe, aufgrund des geringen Umfangs der eingeräumten Zahlungen Fragen aufwerfen würden. Immerhin hätten die Antragstellerinnen allerdings in den ersten sechs Monaten des Jahres aufgrund des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 22. Dezember 2004 und des diesbezüglichen Beschlusses des SG vom 5. Mai 2005 monatliche Leistungen von 384,00 Euro erhalten. Hinzu kämen Kindergeldzahlungen, welche die Antragstellerin zu 1. mit monatlich 459,00 Euro angegeben hätten. Zudem hätten die Antragstellerinnen eine schriftliche Bestätigung des Darlehensgebers, Herrn W., zu den Akten gereicht, mit der jeweils eine Zahlung in Höhe von 400,00 Euro für die Monate Juli und August 2005 belegt worden wäre. Unter Inkaufnahme von Rückständen bei der Mietzahlung erscheine eine äußerst bescheidene Lebensführung unter diesen Umständen nicht als ausgeschlossen, so dass die Angaben der Antragstellerin zu 1. hinsichtlich ihrer jetzigen finanziellen Situation, die sie durch die Abgabe zweier eidesstattlicher Versicherungen verstärkt hätten, aus Sicht des SG als hinreichend glaubhaft – wenn auch nicht zur Ausräumung aller Zweifel geeignet – anzusehen seien. Die Einwände des Antragsgegners gegen die entsprechenden Angaben, die sich letztlich dahingehend zusammenfassen ließen, dass der dringende Verdacht bestünde, dass die Antragstellerinnen verborgene Einkünfte hätten, seien durch objektive Umstände hinsichtlich der beiden Antragstellerinnen nicht gestützt. Es handele sich insofern um Mutmaßungen, die die Ablehnung von existenznotwendigen Leistungen gerade nicht tragen könnten. Auch die ungeklärte Einkommens- und Vermögenssituation der beiden Söhne bzw. Brüder der Antragstellerinnen, die die Kammer veranlasst habe, deren Beschwerden gegen die Beschlüsse des SG nicht abzuhelfen, ließen eine andere Beurteilung für die beiden hiesigen Antragstellerinnen nicht zu. Da die beiden Söhne nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, könnten deren Einkommen und Vermögen, soweit nicht tatsächliche Zahlungen nachvollziehbar seien, den Antragstellerinnen nur im Rahmen der Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II zugerechnet werden. § 9 Abs. 5 SGB II lasse die Vermutung innerfamiliärer Leistungen allerdings auch nur dann zu, wenn diese nach dem Einkommen und Vermögen der anderen Familienmitglieder vermutet werden könnten.

Insbesondere bei R. Re. bestünden immerhin konkrete Anhaltspunkte, dass er auch in jüngster Zeit Straftaten begangen habe, die zu einer Vermögensvermehrung geführt hätten bzw. zumindest führen sollten. Allerdings sähe die Kammer keinerlei Anhaltspunkte für eine einigermaßen verlässliche Schätzung dieses Einkommens und Vermögens. Soweit die Söhne bzw. Brüder selbst betroffen wären, wäre dies nach Auffassung des SG dennoch ausreichend für eine Ablehnung ihrer Anträge, wobei maßgeblich hinzukäme, dass sie hinsichtlich ihrer Bedürftigkeit nicht wenigstens eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt hätten. Den Antragstellerinnen im vorliegenden Verfahren könne man dies aber nicht entgegenhalten. Selbst wenn illegale Einnahmen der Söhne und Brüder unterstellt würden, bestünden keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese den Antragstellerinnen auch nur bekannt gewesen seien oder gar, dass diese einen Umfang erreicht hätten, der relevante Zahlungen an die Antragstellerinnen zugelassen hätte oder noch zuließe. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass sich die erhobenen Vorwürfe, soweit erkennbar, sich weitgehend auf Taten bezögen, bei denen der Tatgegenstand nicht besonders wertvoll gewesen sei (wenn man vom Diebstahl eines Mopeds im Mai 2004 absehen würde). Die Vermutung von Leistungen nach § 9 Abs. 5 SGB II fände damit keine hinreichende Grundlage.

Aufgrund der gesamten Umstände im vorliegenden Fall sei es aber gerechtfertigt, die Regelleistung um ein Fünftel im Rahmen des Ermessens abzusenken, da die Zweifel an der Einkommens- und Vermögenssituation nicht ausgeräumt worden seien. Schon um die Hauptsache, in deren Rahmen diese Zweifel zu klären sein würden, nicht faktisch vorwegzunehmen, hat das SG in diesem Falle eine Absenkung für geboten gehalten.

Der Anordnungsgrund sei aufgrund der ausgeführten Interessenabwägung gegeben.

Die einstweilige Anordnung sei auch angesichts des Umstandes, dass nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II die Leistungsbewilligung regelmäßig für sechs Monate erfolgen solle und hier der Bewilligungszeitraum ab dem 1. Juli 2007 im Streit stünde, entsprechend, also auf die Zeit bis allenfalls zum 31. Dezember 2005, zu beschränken. Eine kürzere Befristung hielte die Kammer nicht für gerechtfertigt. Das SGB II sähe als Bewilligungszeitraum für den Regelfall sechs Monate vor; diese Veränderung im Vergleich zu der im Sozialhilferecht üblichen monatsweisen Bewilligung könne auch im gerichtlichen Eilverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Gegen den dem Antragsgegner am 8. November 2005 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schreiben vom 15. November 2005, eingegangen beim Sozialgericht am 17. November 2005, Beschwerde erhoben. Das SG hat dieser laut Beschluss vom 18. November 2005 (GA Bl. 204) nicht abgeholfen.

Die Beschwerde wird damit begründet, dass das SG den Antragstellerinnen zu Unrecht 80 % der Regelleistung zugesprochen habe. Es fehle an einem Anordnungsanspruch sowie an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerinnen seien nicht hilfebedürftig. Die in der Aufzählung genannten Straftaten der Antragstellerin zu 1. in dem Zeitraum von April 1979 bis Oktober 2004 und der Antragstellerin zu 2. im Jahre 2004 seien zumindest bei der Antragstellerin zu 1. Diebstähle. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Antragsgegner sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Die Antragstellerinnen beantragen (sinngemäß),
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragstellerinnen Leistungen nach dem SGB III in voller Regelsatzhöhe zu gewähren sowie die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 2. November 2005 zurückzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 2005 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerinnen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der Behördenakte (2 Hefter) Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerinnen und des Antragsgegners sind unbegründet. Das SG hat zu Recht die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung bejaht, dabei jedoch zu Unrecht die zu gewährenden Leistungen auf 80 Prozent der Regelleistungen begrenzt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, a. a. O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag der Antragstellerinnen, soweit es Leistungen nach dem SGB II ab der Stellung des Eilantrages bei dem SG betraf, in voller Höhe zu entsprechen. Im Fall der Antragstellerinnen geht der Senat davon aus, dass die Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren zumindest offen sind. Ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung würde ihnen zudem ein gegenwärtiger erheblicher Nachteil drohen, der nicht hinzunehmen ist. Der Beschwerdeantrag des Antragsgegners hatte insoweit keinen Erfolg.

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten grundsätzlich Sozialgeld, das die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen umfasst (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 80 % ist im Falle der Antragstellerinnen auszugehen, da die Antragstellerin zu 1. über allenfalls geringfügige Einkünfte durch gelegentliche Zuwendungen von Dritten und das Kindergeld verfügt. Nach dem im Eilverfahren feststellbaren Sachverhalt ist der Lebensunterhalt der Antragstellerinnen ansonsten aber nicht durch anrechenbare Mittel Dritter oder sonstwie gesichert.

Die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerinnen kann auch nicht - wie es der Antragsgegner tut - mit dem Hinweis darauf verneint werden, zum einen sei die Vermögenssituation der Antragstellerinnen nach wie vor unklar und zum anderen sei es den Antragstellerinnen über Monate hinweg möglich gewesen, den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu sichern. Insbesondere kann der Antragsgegner nicht mit der Argumentation Erfolg haben, er könne nicht nachvollziehen, wie die Antragstellerinnen mit denen ihnen zur Verfügung stehenden bescheidenen Mitteln überhaupt ihren Lebensunterhalt haben sichern können und auch nicht damit, dass aus den von den Antragstellerinnen bis 2004 vor ihrer Ausreise verübten Delikten weiteres Vermögen vorhanden sein müsse. Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass einem Hilfesuchenden die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zunächst verweigert werden kann, um ihm dann entgegenzuhalten, dass bereits das Überleben ohne die verweigerte Hilfe Zweifel an der Hilfsbedürftigkeit begründen würden entgegengetreten (Beschluss vom 29. Juni 2005, Az.: L 7 AS 1/05 ER; Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: L 7 AS 65/05 ER). In den zitierten Beschlüssen führt der Senat aus, nur wenn der Antragsgegner unter Angabe von Tatsachen konkret vorgetragen hätte, über welches - bisher verschwiegenes Einkommen die Antragstellerinnen aktuell verfügten, so dass diesen auch eine Widerlegung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten möglich gewesen wäre, könnten berechtigte Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestehen und diese ein Gewicht erlangen, dass die Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes rechtfertige (vgl. auch: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05). Damit reicht ersichtlich das schlichte Behaupten des Antragsgegners, es seien weiteres Vermögen oder weitere Einnahmen vorhanden, nicht aus. Da der Antragsgegner lediglich sein bisheriges erstinstanzliches Vorbringen vor dem erkennenden Senat wiederholt und mit der Beschwerde keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht hat, verweist der erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe und Ausführungen im angefochtenen Beschluss (vgl. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Auch die Zitate aus Entscheidungen des VG und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) führen nicht zur Substantiierung des Vortrages des Antragsgegners.

Der erkennende Senat ist zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der VG der Auffassung, dass sämtliches Vermögen - auch illegal erzieltes - als Vermögen bei beanspruchten Leistungen nach dem SGB II anzurechnen ist. An dieser Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner keine ausreichenden Anknüpfungspunkte bzw. Ungereimtheiten dafür dargelegt hat, dass die Antragstellerinnen aus den von ihnen verübten Straftaten - soweit überhaupt ein Vermögensbezug gegeben - nach nunmehr fast einem Jahr noch verfügen. Der erkennende Senat folgt vielmehr dem Bundesverfassungsgericht, dass Umstände der Vergangenheit nur insoweit herangezogen werden dürfen, wenn sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage der Antragstellerinnen ermöglichen würden (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a. a. O.). Diese liegen dem Antragsgegner aber offensichtlich nicht vor. Der Antragsgegner ist verpflichtet, im Rahmen des § 20 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X), den Sachverhalt umfassend von Amts wegen aufzuklären. Wenn danach tatsächlich berechtigte Zweifel an der Bedürftigkeit der Antragstellerinnen bestünden, muss der Antragsgegner den Antragstellerinnen den Weg zur Erlangung der sozialen Leistungen aufzeigen. In diesem Rahmen muss der Antragsgegner die Antragstellerinnen konkret auffordern, bestimmte Belege und bezeichnete Beweismittel vorzulegen, die der Antragsgegner für eine positive Entscheidung über den Antrag für erforderlich hält. Der Antragsgegner kann sich nicht allein auf den Standpunkt zurückziehen, die Vermögensverhältnisse der Antragstellerinnen seien aufgrund von 31 begangenen Straftaten im Zeitraum von 1979 (!) bis 2004 ungeklärt.

Zu einer solchen Erkenntnis darf der Antragsgegner erst dann gelangen, wenn er die Antragstellerinnen aufgefordert hat, bestimmte, genau bezeichnete Beweismittel vorzulegen und die Antragstellerinnen dem nicht nachgekommen sind (vgl. in einem ähnlichen Fall: SG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2005, Az.: S 35 SO 9/05 ER). Der Antragsgegner hat im vorliegenden Fall weder konkret vorgetragen, über welche angeblichen Einkünfte die Antragstellerinnen seit wann aktuell verfügen sollen, noch hat er konkret dargetan, in welcher Höhe die Antragstellerinnen überhaupt aus begangenen Straftaten vor ihrer Ausreise illegal Vermögen erwirtschaftet haben und warum dieses nach Ausreise und Wiedereinreise nach einem Jahr noch vorhanden sein soll. Eine Widerlegung der vom Antragsgegner "ins Blaue" hinein gemutmaßten Vermögensverhältnisse war daher den Antragstellerinnen im Rahmen ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht möglich. Außerdem sprechen die Umstände deutlich für die Notlage der Antragstellerinnen. Die Antragstellerinnen mussten ihre Mitwohngelegenheit nach Räumung bei Herrn S. verlassen und eine neue Wohnung anmieten. Krankenversicherungsschutz für die Behandlung der Antragstellerin zu 2. war nicht gegeben und eine an sich an einen stationären Aufenthalt anschließende Folgebehandlung ist, aus der Mittellosigkeit der Antragstellerinnen begründet, nicht gewährleistet. Es ist nicht anzunehmen, dass jemand solche Folgen eintreten ließe, wenn er nicht mittellos wäre.

Auch bezüglich der übrigen zutreffenden Ausführungen bezüglich der Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs. 2 SGB II) der Antragstellerinnen sowie der Würdigung des § 9 Abs. 5 SGB II wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den erstinstanzlichen Beschluss verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Den Antragstellerinnen stehen die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auch ungekürzt zu. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass eine Regelsatzsenkung bei existenzsichernden Leistungen im Wege des Eilverfahrens im Regelfall nicht damit begründet werden kann, die Vermögenslage sei unklar und/oder die volle Regelsatzgewährung bedeute eine Vorwegnahme der Hauptsache. Ersteres würde zur Versagung der begehrten Leistungen führen, da die Antragstellerinnen ihren Mitwirkungspflichten (§ 60 ff. Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – (SGB I)) nicht ausreichend nachgekommen wären und letztere Begründung greift nicht, da die aktuellen Regelsätze das soziokulturelle Existenzminimum sichern sollen (BVerfG a.a.O.). Die staatliche Verpflichtung zur Existenzsicherung (Art. 20 Abs. 1, Art. 1 Abs.1 Grundgesetz - GG -) bedeutet nicht nur das "nackte Überleben" zu gewährleisten, sondern darüber hinaus soll auch die soziale Ausgrenzung als Folge der Mittellosigkeit verhindert werden. Geboten ist also eine wirtschaftliche Grundsicherung, die es dem Einzelnen ermöglicht, "in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben", das heißt, an den Lebensgewohnheiten und dem Lebensstandard teilzunehmen, die unter den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten für unverzichtbar gehalten werden (BVerwGE 36, 256 (258); 97, 376 (378)). Ob die Regelsatzhöhe des SGB II den Vorgaben des Art. 20 Abs.1, Art. 1 Abs. 1 GG gerecht wird, könnte im Hinblick auf ihre Berechnung und damit auf die Gewährleistung des existenznotwendigen Mindestbedarfs zweifelhaft sein. Die Berechnung fußt nämlich auf der vom Statistischen Bundesamt erhobenen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 1998, die auf den Stand vom 1. Juli 2003 hochgerechnet worden sein soll (BT-Drs. 15/1516, S. 56). Bedenken gegen die "Modellberechnung" (BR-Drs. 206/04, S. 12) stützen sich darauf, dass als Parameter das dem SGB II–Bezieher zuzugestehende und zu ermöglichende Konsumverhalten unzureichend Berücksichtigung gefunden habe (vgl. Spindler, Helga, Die neue Regelsatzverordnung - Das Existenzminimum stirbt in Prozentschritten (info also 4/2004, S. 147 ff.). Im Rahmen eines Eilverfahrens ist indes möglichen verfassungsrechtlichen Einwendungen nicht nachzugehen. Zusätzlich maßgeblich ist jedenfalls, dass durch die Gewährung des Existenzminimums der elementare Lebensbedarf eines Menschen nur in dem Augenblick befriedigt werden kann, in dem er entsteht (BVerfG a.a.O.) Dieses Gegenwärtigkeitsprinzip ist als Teil der Sozialhilfe (seit 2005 sind an ihre Stelle die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II getreten) auch grundsätzlich für die Entscheidung in Eilverfahren zu beachten. Die Antragstellerinnen sind – wie ausgeführt – nach den bisherigen Erkenntnissen mittellos und befinden sich damit auch zur Zeit in einer akuten, gegenwärtigen Notlage, so dass die Grundsicherungsleistungen in vollem Umfang zu gewähren sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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