L 10 B 1354/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 8743/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1354/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Unterbringungskosten der Antragstellerin.

Die Antragstellerin ist Mieterin einer 1-Raum-Wohnung in der L Straße. Im Zuge von Modernisierungsarbeiten, die im Einverständnis mit der Antragstellerin durchgeführt wurden, ist die Antragstellerin vorübergehend auf Kosten des Vermieters außerhalb der Wohnung untergebracht worden.

Mit Bescheid vom 5. September wurden der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von monatlich 345,00 Euro, d.h. ohne Übernahme der Unterkunftskosten, bewilligt. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie zahle 107,75 Euro, d.h. 50 % der Nettokaltmiete an den Vermieter. Mit Bescheid vom 19. September 2005 bestätigte der Antragsgegner die Ablehnung der Übernahme von Unterkunftskosten. Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 24. August 2005 mitgeteilt, dass für die Zeit der Unbewohnbarkeit der Wohnung von der Vermieterseite eine vollständige Mietminderung ("auf Null") gewährt werde. Daher könnten keine Unterkunftskosten anerkannt werden. Mit Bescheid vom 21. September 2005 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Unterkunftskosten für die Wohnung könnten nicht anerkannt werden, da die Antragstellerin für die Dauer der Arbeiten von der Entrichtung der Miete befreit sein. Dies habe der Vermieter auch schriftlich bestätigt. Die Übernahme der Hotelkosten käme ebenfalls nicht in Betracht, da diese von dem Vermieter übernommen würden. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Oktober 2005 Klage.

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin zunächst laufende Leistungen begehrt und den Antrag später auf die Gewährung von Unterkunftskosten beschränkt. Mit Beschluss vom 5. Oktober 2005, der Antragstellerin am 4. November 2005 zugegangen, hat das Sozialgericht (SG) Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin überhaupt Kosten für die Unterkunft entstünden. Zu einer Neuentscheidung über die Kosten der Unterkunft habe sich der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 19. September 2005 bereit erklärt.

Hiergegen richtet sich die am 2. Dezember 2005 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin habe mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 mit Wirkung vom 1. November 2005 die Bewilligung der Leistung wegen Wegfall der Erwerbsfähigkeit aufgehoben. Dagegen habe sie mit Schreiben vom 5. November 2005 Widerspruch eingelegt. Ihre Mietwohnung in der L Straße habe sie noch nicht wieder bezogen. Die von ihr geleisteten Mietzahlungen habe der Vermieter als Ausgleich für frühere Mietminderungen gebucht. Sie habe für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 23. Januar 2006 einen Anspruch gegenüber dem Vermieter i.H.v. 2.524,38 Euro, für den der Antragsgegner aufzukommen habe.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 31. Januar 2006 mitgeteilt, dass die Antragstellerin seit 1. November 2005 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehe.

II.

Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen, da die Arbeitsgemeinschaft des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Pankow, bezeichnet als JobCenter Pankow, vertreten durch den Geschäftsführer, nach Auffassung des Senats im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig ist (für die Arbeitsgemeinschaft für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Lichtenberg-Hohen-schönhausen, Beschluss des Senats vom 14. Juni 2005, als vormals 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin, L 10 B 44/05 AS ER).

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Antrag der Antragstellerin ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auszulegen. Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

a) Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet, soweit die Antragstellerin Unterkunftskosten für die Monate September und Oktober 2005 verlangt, denn für diese beiden Monate ist weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Was den Anordnungsanspruch betrifft, erhalten nach § 19 SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen in Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hier ist nicht glaubhaft gemacht, dass im September und Oktober 2005 überhaupt laufend berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten angefallen sind. Dies ergibt sich aus den Angaben der Antragstellerin und den Verwaltungsvorgängen. Danach konnte die Wohnung in der L Straße wegen andauernder Baumaßnahmen nach übereinstimmender Auffassung der Mietvertragsparteien nicht von der Antragstellerin bewohnt werden. Für die Zeit der fehlenden Bewohnbarkeit hatte der Vermieter aber mit Schreiben vom 30. Mai 2005 eine Minderung der Miete in Höhe von 100% zugestanden. Hierzu liegt die bestätigende e-mail des Vermieters vom 19. September 2005 vor, bezüglich derer nicht ersichtlich ist, warum sie inhaltlich falsch sein sollte. Eine Rechtsgrundlage für die Übernahme gleichwohl getätigter Mietzahlungen besteht nicht. Es fehlt auch ein Anordnungsgrund, da die Antragstellerin eine Leistung für vergangene Zeiträume begehrt. Die Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes in Fällen der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt, und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit einer für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Geldleistung zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist (vgl. Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Auflage, 1998, Rdnr. 355 m.w.N). Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch nicht von der Antragstellerin glaubhaft gemacht worden oder nach Lage der Akten erkennbar.

b) Für die Zeit ab 1. November 2005 wird eine Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG begehrt, und nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches i.S.v. § 86 b Abs. 1 SGG. Zwar hat die Antragsgegnerin eine zum 1. November 2005 wirksam gewordene Aufhebungsentscheidung getroffen. Diese bezieht sich aber nicht auf die Leistung für Unterkunft und Heizung, die der Antragstellerin in dem fraglichen Bewilligungszeitraum nicht bewilligt worden waren. Es besteht jedenfalls kein Anordnungsgrund für eine vorläufige Gewährung von Unterkunftskosten nach §§ 19, 22 SGB II. Seit dem 1. November 2005 erhält die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB XII. Diese umfassen (ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten den November 2005 betreffenden Bestätigung des Bezirksamtes Pankow von Berlin) auch Unterkunftskosten. Damit fehlt das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung, die allein die Frage nach der richtigen Leistungszuständigkeit betreffen würde. Dies kann im Hauptsacheverfahren geklärt werden, ohne dass daraus unzumutbare Nachteile für die Antragstellerin erwüchsen.

c) Für das Begehren, ihr einen Betrag von 2.524,38 Euro zu gewähren, fehlt jedenfalls der Anordnungsanspruch. Für dieses Begehren besteht keine Rechtsgrundlage. Selbst wenn die Antragstellerin Ansprüche gegen ihren Vermieter haben sollte, besteht jedenfalls keine Rechtsgrundlage, die die Antragsgegnerin verpflichten würde, bei mietrechtlichen Auseinandersetzungen von Leistungsbeziehern einzuspringen. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Mietschulden käme allein unter dem Gesichtspunkt drohender Obdachlosigkeit in Betracht (vgl. § 22 Abs. 5 SGB II). Im Bezug auf Ansprüche des Leistungsbeziehers gegen den Vermieter hat der Antragsgegner nicht in Vorleistung zu treten.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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