L 7 AS 6/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 27/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 6/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18. Juni 2005 sowie unter Abänderung ihres Bescheides vom 14. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2005 verurteilt, dem Kläger 220,62 EUR zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem 1948 geborenen Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 ein höherer Anspruch (220,62 EUR) auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zusteht.

Der Kläger bewohnte bis zum 30.06.2005 eine möblierte Wohnung von 60 qm in Markt I ... Für diese hatte er eine Kaltmiete in Höhe von monatlich 383,47 EUR sowie eine Pauschale für Heizungs-, Warmwasser- und sonstige Nebenkosten in Höhe von 76,69 EUR zu zahlen. Er war nach dem Mietvertrag berechtigt, vorhandene Haushaltsgeräte zu nutzen. Die vom Kläger zu entrichtenden Kosten für Strom und Warmwasser waren nach dem Mietvertrag in den Nebenkosten enthalten. Messeinrichtungen für den Verbrauch von Heizungs-, Warmwasser und sonstigen Mitnebenkosten bestanden nach dem Mietvertrag nicht. Mit Bescheid vom 13.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 728,50 EUR. Dabei wurden neben der Regelleistung von 345 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung in der Bedarfsberechnung 383,50 EUR berücksichtigt.

Mit seinem Widerspruch vom 22.11.2004 machte der Kläger geltend, seine Miete betrage 383,46 EUR, zudem habe er - abhängig vom Ölpreis - monatliche Heizkosten in Höhe von ca. 50 EUR zu zahlen. Mit Bescheid vom 14.01.2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Sie bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.bis 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 768,39 EUR. Diesen Betrag berechnete sie wie folgt: Regelleistung 345 EUR, für die Miete 355,70 EUR, für die Heizkosten 48,00 EUR (0,80 EUR je qm Wohnfläche) und für sonstige Nebenkosten 19,69 EUR. Wegen der Möblierung der Wohnung brachte sie 8,05 % der Regelleistung, also 27,77 EUR, in Abzug. Ferner setzte sie für die Kosten der Warmwasserzubereitung 9,00 EUR (0,15 EUR pro qm) ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2005 wurde der Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Von der Kaltmiete in Höhe von 383,47 EUR sei wegen der Möblierung ein Betrag in Höhe von 27,77 EUR in Abzug zu bringen. Damit seien als Grundmiete monatlich 355,70 EUR zu berücksichtigen. Als Heizkosten könne ein Betrag in Höhe von 0,80 EUR je qm Wohnfläche, also monatlich 48 EUR, berücksichtigt werden. Von den verbleibenden Nebenkosten in Höhe von 28,69 EUR sei für Warmwasser ein Betrag in Höhe von 0,15 EUR je qm Wohnfläche und damit 9 EUR abzusetzen. Den Restbetrag in Höhe von 19,69 EUR könne man als weitere Nebenkosten berücksichtigen.

Seine am 14.02.2005 zum Sozialgericht München (SG) erhobene Klage hat der Kläger nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Unterkunftskosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, weil die Kosten abzuziehen seien, die bereits von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt würden, da es anderenfalls zu einer doppelten Bedarfsdeckung komme. Bei Anmietung einer nicht möblierten Unterkunft habe der Hilfeempfänger - soweit es sich nicht um die Erstausstattung einer Wohnung handele - seinen Bedarf an Möbeln und Haushaltsgeräten aus der Regelleistung zu decken. Auch die Stromkosten seien bereits in der Regelleistung enthalten. Der Kläger sei nach dem Mietvertrag berechtigt gewesen, vorhandene Haushaltsgeräte zu nutzen. Mit der Miete werde demnach teilweise ein Bedarf gedeckt, den ein nicht möbliert wohnender Hilfeempfänger aus seiner Regelleistung zu begleichen hätte. Da der entsprechende Anteil im Mietvertrag nicht ausgewiesen sei, sei es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte einen Betrag pauschal unter Bezugnahme auf den in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Möbel, Apparate und Haushaltsgeräte festgelegt und die anerkannten Unterkunftskosten entsprechend reduziert habe. Ebenso verhalte es sich mit den vom Kläger zu entrichtenden Kosten für Strom- und Warmwasser. Diese seien nach dem Mietvertrag in den Nebenkosten enthalten und nicht aufschlüsselbar gewesen. Auch dies sei ein Bedarf, den ein nicht möbliert wohnender Hilfeempfänger nicht im Rahmen der Unterkunftskosten erstattet bekomme, sondern ebenfalls aus seiner Regelleistung zu begleichen habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Nebenkosten nicht in voller Höhe anerkannt habe, zumal sie nicht den gesamten im Regelsatz enthaltenen Stromanteil, sondern nur einen pauschalen Anteil für Warmwasser zum Abzug gebracht habe.

Der Kläger hat gegen das am 30.09.2005 zugestellte Urteil mit einem am 10.10.2005 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die Kürzung der Mietkosten sei nicht nachvollziehbar. Bei Einführung des SGB II sei darauf hingewiesen worden, dass im ersten Halbjahr 2005 die vollen Mietkosten getragen würden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.02.2006 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, dass sie auf die Anrechnung von monatlich neun EUR für die Warmwasserzubereitung verzichtet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.07.2005 sowie des Bescheides der Beklagten vom 14.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005 zu verurteilen, ihm 220,62 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im Urteil des SG. Es seien nach dem Stand vom 01.01.2005 vom Gesamtbetrag der Regelleistung 8,04 % für Einrichtungsgegenstände anzusetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, weil der Senat die Berufung mit Beschluss vom 23.12.2005 zugelassen hat.

Das Rechtsmittel ist begründet, weil dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 166,62 EUR nach dem SGB II zusteht.

Streitgegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist nur der Bescheid vom 14.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005, weil der Bescheid vom 14.01.2005 den ursprünglichen Bescheid vom 13.11.2004 vollständig ersetzt hat.

Bezüglich des Betrages von monatlich 9 EUR für die Warmwasserzubereitung war die Beklagte entsprechend ihrem Teilanerkenntnis durch Teilanerkenntnisurteil zu verurteilen.

Bezüglich des Differenzbetrages war die Beklagte zu verurteilen, weil sie nicht berechtigt ist, bei der Festsetzung des Arbeitslosengeldes (Alg) II monatlich einen Betrag in Höhe von 8,05 % der Regelleistung, d.h. 27,77 EUR, abzusetzen, weil der Kläger eine möblierte Unterkunft angemietet hatte. Ob die Beklagte dadurch, dass sie im Schriftsatz vom 15.11.2005 mit ihrer Berufungserwiderung nur noch 8,04 % in Abzug bringen will, ein Teilanerkenntnis abgeben wollte, kann im Hinblick darauf, dass auch ein Abzug von 8,04 % rechtswidrig wäre, dahingestellt bleiben.

Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II haben Hilfebedürftige - der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 9 SGB II - Anspruch auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tat-sächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für die Kaltmiete sind angemessen, dies wird von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt. Auch die Pauschale für Heizungs-, Warmwasser- und sonstige Nebenkosten von 76,69 EUR sind der Höhe nach angemessen. Diese Nebenkosten hat der Vermieter in rechtlich zulässiger Weise auf den Kläger umgelegt.

Dass die Beklagte das Alg II gekürzt hat, weil der Kläger eine möblierte Unterkunft angemietet hat, ist rechtswidrig, weil durch diese Kürzung des Alg II das Gleichheitsgebot zwischen Hilfebedürftigen, die ein möblierte Unterkunft angemietet haben, und solchen Hilfebedürftigen verletzt wird, die eine nicht möblierte Unterkunft angemietet haben. Denn einerseits ist für den zuletzt genannten Personenkreis die Erstausstattung einer Wohnung mit Möbeln nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II als einmalige Leistungen zu gewähren, ohne dass ein Abzug von 8,04 bzw. 8,05 % erfolgt, andererseits werden für den zuerst genannten Personenkreis die Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung von Möbeln durch die Regelleistung mit der Folge abgegolten, dass das Alg II gekürzt wird. Eine derartige Kürzung des Alg II wäre bei Hilfebedürftigen, die eine möblierte Unterkunft bewohnen, erst dann zu rechtfertigen, wenn für die Anmietung einer nicht möblierten Wohnung eine einmalige Leistung nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II ausgeschlossen wäre (so auch Berlit, NDV 2006, 5, 14 f.). Es wäre ein Wertungswiderspruch, dass die Beklagte die Kosten für die Erstausstattung einer Unterkunft hätte tragen müssen, ohne das Alg II kürzen zu können, wenn dieser eine unmöblierte Wohnung angemietet hätte. Es ist daher nicht gerechtfertigt, für den gleichen Lebenssachverhalt, nämlich die Anmietung einer Wohnung, danach zu differenzieren, ob es sich um eine möblierte oder nicht möblierte Wohnung handelt; denn auch dann, wenn die Erstausstattung einer Wohnung als einmalige Leistung zu gewähren ist, ergibt sich eine Doppelleistung für denselben Bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde zugelassen, weil der Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, die Kosten der Unterkunft bei Anmietung einer möblierten Unterkunft zu kürzen, nach Ansicht des Senats grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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