L 3 U 59/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 U 328/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 59/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wer zuständiger Leistungsträger für die Behandlung der Folgen des Unfalls der Beigeladenen vom 18. Dezember 1997 ist.

Die 1940 geborene Beigeladene stolperte am 18. Dezember 1997 gegen 18.10 Uhr nach Verlassen eines Kaufhauses am R. Platz in F. über ein vom Kaufhaus zu einem Weihnachtsbaumverkaufsstand führendes Kabel, kam zu Fall und zog sich dabei einen Bruch des linken Oberarmknochens zu. Die Klägerin erstattete der Beklagten, bei der die Beigeladene krankenversichert ist, das von dieser für die Zeit vom 30. Januar bis 8. Juni 1998 gezahlte Verletztengeld einschließlich der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge im Gesamtumfang von 10.082,44 DM zuzüglich einer Verwaltungskostenpauschale. Die Beklagte zahlte über den 8. Juni 1998 hinaus Verletztengeld bis zum 25. August 1998 sowie die Kosten für eine Haushaltshilfe, den Krankentransport und ärztlich verordnete Krankengymnastik ( 5.838,25 EUR ).

Nach den Angaben der Beigeladenen sowie den von ihr eingereichten Skizzen der Örtlichkeiten und zurückgelegten Wege hatte ihre Arbeit als Reinigungskraft in einem Betrieb in L. an dem Unfalltag um 16.00 Uhr geendet. Sie ist mit dem Zug nach F. gefahren, dort zwischen 17.00 und 17.15 Uhr angekommen und hat von dort weiter mit dem Bus zu ihrer Wohnung im Stadtteil A. fahren wollen. Vom Bahnsteig kommend ist sie zunächst am Museum vorbei zu der auf dem Bahnhofsvorplatz befindlichen Bushaltestelle, dann aber über diese hinaus in das etwa sechzig Meter von der Haltestelle entfernt am dem Museum gegenüber liegenden Ende des Platzes befindliche Kaufhaus gegangen und hat dort bis etwa 18.10 Uhr eingekauft. Nach Verlassen des Kaufhauses ist es auf dem R. Platz dann zu dem Unfall gekommen. Den in der Akte der Klägerin enthaltenen Fahrplänen ist unter anderem zu entnehmen, dass an dem Unfalltag Busse in Richtung A. um 16.45, 17.15, 17.45 und wieder 18.15 Uhr fuhren.

Mit Bescheid vom 8. Juli 1998 und Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1998 lehnte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, es habe sich bei dem Ereignis nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, da sich die Beigeladene nicht auf dem allein versicherten direkten Weg zwischen Wohnort und dem Ort der Tätigkeit, sondern auf einem privaten Zwecken dienenden unversicherten Weg befunden habe.

Nachdem die beklagte Krankenversicherung es abgelehnt hatte, der Klägerin das gezahlte Verletztengeld einschließlich Sozialversicherungsbeiträge sowie einer Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 368,38 DM zurückzuerstatten, hat diese am 16. Juli 1998 Klage erhoben. Die Beklagte hat widerklagend von der Klägerin die Erstattung der von ihr anlässlich des Unfalls der Beigeladenen aufgewendeten Kosten in Höhe von 11.418,63 DM verlangt und geltend gemacht, die Beigeladene habe zum Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Dieser habe nach dem Verlassen des Kaufhauses unmittelbar wieder eingesetzt. Die Unfallstelle habe nur etwa sechzig Meter von der Bushaltestelle entfernt gelegen. Für den Versicherungsschutz sei es ausreichend, wenn sich der Versicherte in einem Umkreis bewege, von dem aus der nächste Bus problemlos erreichbar sei. Zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes müsse man sich nicht unmittelbar an der Bushaltestelle aufhalten.

Durch sein Urteil vom 17. Juli 2003 hat das Sozialgericht die beklagte Krankenversicherung unter Abweisung der Widerklage verurteilt, der Klägerin den von dieser der Beklagten erstatteten Betrag in Höhe von 5.343,42 EUR zurückzuerstatten. Die Erstattung durch die Klägerin sei zu Unrecht erfolgt, weil die Beigeladene keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Sie habe den Heimweg von der Arbeit unterbrochen, um private Einkäufe zu tätigen. Zum Zeitpunkt des Unfalls unmittelbar nach Verlassen des Kaufhauses sei der Versicherungsschutz noch nicht wieder aufgelebt.

Gegen das ihr am 20. August 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. September 2003 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht sei bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Unfall sei nicht beim Verlassen des Kaufhauses geschehen. Die Beigeladene habe vielmehr das Kaufhaus bereits verlassen und den Verbindungsweg von der Bahnunterführung zur E.-Strasse überquert gehabt und sich damit schon auf dem Gelände des Busbahnhofs befunden. Sie sei auch nicht knapp 2 Stunden, sondern weniger als 1 Stunde im Kaufhaus gewesen.

Das Sozialgericht habe die vom Bundessozialgericht aufgestellten Rechtsgrundsätze insoweit missachtet, als es den Rückweg vom Einkauf anders bewertet habe als den Hinweg. Während es den Versicherungsschutz zu Recht mit Betreten des Kaufhauses als unterbrochen angesehen habe, lasse sich die Ablehnung des Versicherungsschutzes für den Weg auf dem Busbahnhof zur Abfahrtstelle des Busses nicht nachvollziehen. Es könne für die rechtliche Bewertung dahingestellt bleiben, ob die Beigeladene nach Verlassen des Kaufhauses direkt zu dem ca. 10 Minuten später abfahrenden Bus gehen oder sich erst noch auf dem Gelände des Busbahnhofs aufhalten wollte. Hinzu komme, dass die Unfallstelle auf einem Wegabschnitt gelegen habe, den die Beigeladene ohnehin üblicherweise hätte begehen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2003 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 5.838,25 Euro zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2003 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil sei sowohl tatsächlich als auch rechtlich zutreffend.

Die Beigeladene hat sich während des Berufungsverfahrens – wie schon während des Klageverfahrens - nicht geäußert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 10. Januar 2006 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ( §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der auf Feststellung der Beklagten als für die Folgen des Unfalls der Beigeladenen zuständiger Versicherungsträger und Rückerstattung von der Klägerin an die Beklagte erstatteter Leistungen gerichteten Klage stattgegeben und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Das Sozialgericht hat mit seinem Urteil vom 17. Juli 2003 unter vollständiger Darlegung der Sach- und Rechtslage und mit zutreffenden Gründen entschieden, dass die Beklagte der Klägerin die von dieser erstatteten Beträge gemäß § 112 Zehntes Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – zurückzuerstatten hat, weil es sich bei dem Ereignis vom 18. Dezember 1997 nicht um einen in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin fallenden Arbeitsunfall handelt. Zu Recht hat es dabei dargelegt, dass die Beigeladene ihren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – versicherten Heimweg von der Arbeit zu ihrer Wohnung unterbrochen hat, um im Kaufhaus private Einkäufe zu tätigen, und dieser eingeschobene Weg nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, weil er eigenwirtschaftlich geprägt war. Nicht zu beanstanden ist ebenfalls, dass das Sozialgericht davon ausgegangen ist, dass zum Unfallzeitpunkt der Versicherungsschutz noch nicht wieder aufgelebt war, weil die Beigeladene noch nicht wieder in den Bereich zurückgekehrt war, in welchem sie sich während des Wartens auf den Bus aufgehalten hätte. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für überzeugend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dies gilt insbesondere für die von ihr aufgestellte Behauptung, das Sozialgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Nach ihren eigenen Angaben hat sich die Beigeladene von 17.00 Uhr bis 18.10 Uhr und damit zwar keine zwei Stunden, aber doch mehr als eine Stunde in dem Kaufhaus aufgehalten. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob unter diesen Umständen die vom Sozialgericht verwendete Formulierung von "fast zwei Stunden" noch vertretbar erscheint. Entscheidungserheblich ist demgegenüber, dass die Beigeladene nicht – wie fälschlich von der Beklagten angenommen – vom Bahnsteig kommend den ihr auch möglichen Weg durch die Unterführung zum Kaufhaus genommen hat, sondern nach ihrer während des erstinstanzlichen Verfahrens eingereichten Skizze des zurückgelegten Weges und der Unfallstelle den Bahnsteig auf der Seite des Platzes verlassen hat, an welcher sich das Museum befindet. Von dort kommend ist sie dann über die eigentliche Bushaltestelle hinaus in Richtung auf das auf der anderen Platzseite liegende Kaufhaus gegangen. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts ist deshalb der Versicherungsschutz nicht erst "spätestens mit dem Betreten des Kaufhauses" erloschen, sondern bereits in dem Augenblick, als die Beigeladene ihren Weg über die eigentliche Bushaltestelle hinaus in Richtung auf das Kaufhaus fortsetzte. Dies gilt umso mehr, als der zurückgelegte Weg ab diesem Zeitpunkt nicht von dem Ziel geprägt war, eine Wartezeit – die im Übrigen nach den vorliegenden Fahrplänen nur bis 17.15 Uhr gedauert hätte – zu überbrücken, sondern allein eigenwirtschaftlichen Motiven in Form der privaten Einkäufe diente. Nach der zutreffend von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach welcher bezüglich des Versicherungsschutzes der Hinweg nicht anders bewertet werden darf als der Rückweg, konnte folglich der Versicherungsschutz nach Verlassen des Kaufhauses erst wieder mit Erreichen der eigentlichen Bushaltestelle aufleben und dann gegebenenfalls bei einem Umhergehen zur Überbrückung einer eventuellen Wartezeit fortbestehen. Da die Beigeladene zum Zeitpunkt des Unfalls jedoch die Bushaltestelle noch nicht wieder erreicht hatte, zumal der Unfall sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf dem Gelände des Busbahnhofs, sondern auf dem zumindest optisch davon abgegrenzten Vorplatz des Kaufhauses ereignete, stand sie nicht – wieder – unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der hier anzuwendenden, bis 1. Januar 2002 geltenden Fassung ( vgl. Art. 19, 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001, BGBl. I S. 2144 ).

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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