B 9a SB 3/05 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
9a
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a SB 3/05 R
Datum
Kategorie
Beschluss
Beim 5. Senat des Bundessozialgerichts wird angefragt, ob er an der Rechtsauffassung festhält, dass die Kosten der Arbeit eines Bevollmächtigten, der nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, im Widerspruchsverfahren nicht als "notwendige Aufwendungen" erstattungsfähig sind.

Gründe:

I

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Klägerin die Kosten für ihre im erfolgreich abgeschlossenen Vorverfahren tätig gewordenen Bevollmächtigten nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten sind.

2

Mit Antrag vom 7. März 2002 begehrte die Klägerin nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) die Erhöhung des mit Bescheid des Beklagten vom 21. August 2000 anerkannten Grades der Behinderung (GdB) von 30. Durch Bescheid vom 17. Dezember 2002 stellte der Beklagte einen GdB von 40 fest. Vertreten durch Sozialrechtsreferenten der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH, Stuttgart, erhob die Klägerin Widerspruch. Mit Abhilfebescheid vom 11. Juli 2003 stellte der Beklagte sodann einen GdB von 50 fest. Gleichzeitig sagte er die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig.

3

Daraufhin forderte die Sozialrechtsschutz gGmbH im Namen der Klägerin vom Beklagten eine Kostenerstattung in Höhe von 210 Euro zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer (MwSt), insgesamt 224,70 Euro. Dieser Betrag sei nach dem "Statut für die Kostenerstattung der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH" von der Klägerin für die Vertretung im Widerspruchsverfahren an die gGmbH zu entrichten.

4

Mit Bescheid vom 20. April 2004 lehnte der Beklagte die Erstattung eines über 18 Euro hinausgehenden Betrages ab. Der für die Erstattung von Vorverfahrenskosten geltende pauschalierte Satz sei durch das Sozialministerium Baden-Württemberg festgesetzt worden und beruhe auf einer Vereinbarung mit den Kriegsopfer- und Behindertenverbänden. Den Widerspruch der Klägerin vom 27. April 2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2004 zurück.

5

Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen keinen Erfolg (Urteil vom 31. März 2005). Ihre Abweisung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Nach Bekunden der Sozialrechtsschutz gGmbH solle mit der Erhebung der Kostenpauschale ein Teil der Kosten (Sach- und Personalkosten) abgegolten werden. Solche Kosten für Zeit- und Arbeitsaufwand sowie allgemeine Geschäftsunkosten eines Bevollmächtigten, der nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen könne, seien jedoch nach dem Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1996 (BSGE 78, 159 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7) nicht als "notwendige Aufwendungen" erstattungsfähig. Auch habe der Gesetzgeber trotz mehrerer Gesetzesinitiativen für eine Kostenerstattung bei Verbandsvertretern in gleicher Weise wie bei Rechtsanwälten eine explizite Regelung im Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erlassen, wohl aber in § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Dort werde hinsichtlich der Kostentragungspflicht bei einer Vertretung durch Verbandsvertreter fingiert, dass eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt stattgefunden habe. Darüber hinaus verstoße es gegen Art 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz (RBerG), wenn - wie hier - für die rechtsberatende Tätigkeit ein Entgelt gefordert werde, das im Wesentlichen der Kostenerhebung durch Rechtsanwälte angeglichen sei (Hinweis auf BGHZ 15, 315 ff).

6

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision. Sie rügt die Verletzung des § 63 SGB X und macht im Wesentlichen geltend: § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X erfasse auch Aufwendungen für einen Bevollmächtigten. Soweit nach § 63 Abs 2 SGB X die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig seien, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sei, schränke diese Regelung die Erstattungsmöglichkeit nach Abs 1 nicht ein. Abgesehen davon erfasse § 63 Abs 2 SGB X nicht nur die Erstattung gesetzlich geregelter Gebühren und Auslagen. Das Urteil des BSG vom 24. April 1996 (aaO) betreffe nicht den vorliegenden Fall einer Rechtsschutz gGmbH, im Übrigen beruhe es nicht auf einer korrekten Gesetzesanwendung. Auch soweit sich die dort vertretene Auffassung auf die Erstattungsregelung in § 91 Abs 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stütze, sei sie unzutreffend.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Reutlingen vom 31. März 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 20. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2004 zu verurteilen, ihr weitere Aufwendungen für ihre Bevollmächtigten im Vorverfahren in Höhe von 206,70 Euro zu erstatten.

8

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

10

Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig. Das SG Reutlingen hat sie im Urteil vom 31. März 2005 zugelassen. Der Beklagte hat schriftlich zugestimmt, und die Klägerin hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

11

Zur Prüfung der Begründetheit ist die aus dem Entscheidungssatz ersichtliche Anfrage gemäß § 41 Abs 3 SGG erforderlich.

12

Im vorliegenden Fall ist die Auslegung des § 63 SGB X entscheidungserheblich. Dieser lautet:

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigen entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.

13

Entgegen der vom 5. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24. April 1996 (BSGE 78, 159 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7) vertretenen Ansicht (hierzu im Folgenden unter 1.) legt der 9a. Senat § 63 SGB X so aus, dass die Kosten der Arbeit eines Bevollmächtigten, der nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, im Widerspruchsverfahren als "notwendige Aufwendungen" erstattungsfähig sein können (hierzu im Folgenden unter 2.). Die Auslegungsfrage kann im vorliegenden Fall nicht offen bleiben, denn die klageabweisende Entscheidung des SG ist auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus anderen Gründen zu bestätigen (hierzu im Folgenden unter 3.).

14

1. In dem Urteil des 5. Senats vom 24. April 1996 (aaO) war über die Kostenerstattung für die Vertretung im Widerspruchsverfahren durch einen Bevollmächtigten einer berufsständischen Vereinigung zu entscheiden. Der Verband hatte für die Vertretung 132,40 DM in Rechnung gestellt. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus 105 DM für Arbeitsaufwand und 11 DM für Auslagen (Porto, Telefon, Kopien), jeweils zuzüglich MwSt. Das BSG bestätigte die Entscheidung des LSG, wonach lediglich der Betrag von 11 DM zzgl MwSt zu ersetzen war.

15

Dieses Ergebnis wurde folgendermaßen begründet:

Zur Auslegung des Begriffs der "notwendigen Aufwendungen" in § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X sei auf § 91 ZPO zurückzugreifen, dem die Erstattungsregelung des § 63 SGB X inhaltlich nachgebildet sei.

16

Unter "Kosten des Rechtsstreits" iS von § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO seien grundsätzlich Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten zu verstehen. Die allein in Betracht kommenden außergerichtlichen Kosten umfassten "Parteikosten" und "Kosten einer zulässigen Vertretung". Kosten für die Vertretung seien nur dann erstattungsfähig, wenn sie auf einer gesetzlichen Ordnung im Sinne einer Gebührenordnung beruhten. Dies folge aus der Gleichartigkeit der Erstattungsregelung des § 63 Abs 1 und Abs 2 SGB X mit § 91 Abs 1 und 2 ZPO.

17

Der vergütete Arbeitsaufwand des Bevollmächtigten stelle bei diesem keine "Auslagen" dar. Darunter sei begrifflich nur die Aufopferung von Vermögenswerten, nicht jedoch der Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder allgemeine Geschäftsunkosten zu verstehen. Vielmehr fielen Vertretungskosten unter den Begriff "Gebühr". Für die Erstattungsfähigkeit von "Gebühren" sei auf die Regelung des § 91 Abs 2 ZPO zurückzugreifen. Dort sei bestimmt, dass von der unterlegenen Partei die "gesetzlichen" Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten seien. Daraus folge, dass im zivilgerichtlichen Verfahren weder vereinbarte Honorare eines Rechtsanwaltes noch die Vergütung für einen Bevollmächtigten, der kein Rechtsanwalt sei, als erstattungsfähig angesehen würden, weil derartige Vergütungen nicht auf einem Gesetz beruhten.

18

Nach dieser Auffassung wäre die Revision zurückzuweisen.

19

Denn nach eigenem Bekunden der Sozialrechtsschutz gGmbH dient die Erhebung der Kostenpauschale der Abgeltung von Sach- und Personalkosten und ist nicht mit konkreten Ausgaben für den Fall verknüpft (wie etwa Aufwendungen für Porto und Fotokopien). Der Sache nach werden somit "Gebühren" erhoben, die nicht auf der Grundlage einer gesetzlich geregelten Gebührenordnung beruhen.

20

2. Der vom 5. Senat vertretenen Gesetzesauslegung folgt der 9a. Senat nicht in vollem Umfang. Er legt § 63 SGB X folgendermaßen aus:

21

a) Übereinstimmend mit dem 5. Senat wird davon ausgegangen, dass der Begriff "Gebühren" iS des § 63 Abs 2 SGB X nur Gebühren erfasst, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Dies ergibt sich aus Wortlaut und vergleichender systematischer Auslegung unter Heranziehung der Regelungen in § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und § 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 193 SGG sowie § 91 ZPO.

22

aa) Im Gesetzestext des § 63 Abs 2 SGB X ist das Wort "gesetzliche" (Gebühr) nicht enthalten. Allerdings spricht für eine Interpretation im Sinne von "gesetzlichen" Gebühren bereits der Begriff der "Gebühr". Das Deutsche Rechtslexikon (Bd 2, 3. Aufl 2001) führt dazu aus, Gebühren würden regelmäßig durch einen staatlichen Rechtssetzungsakt begründet. Das Rechtswörterbuch von Creifelds (16. Aufl 2000) verweist unter dem Stichwort der Gebühr auf die Begriffe "öffentliche Abgaben, Gemeindeabgaben, Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren". Allen ist gemeinsam, dass sie durch einen hoheitlichen Akt festgelegt werden.

23

Bestätigt wird dies durch den Satzzusammenhang. § 63 Abs 2 SGB X spricht von "Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten". Durch den Begriff des Rechtsanwalts wird darin auch auf jene Vorschriften Bezug genommen, in denen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts ihre Grundlage haben, nämlich bis 30. Juni 2004 die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) und ab 1. Juli 2004 das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In entsprechender Anwendung dieser Vorschriften können auch jene "sonstigen Bevollmächtigten" abrechnen, denen die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nach dem RBerG erteilt worden ist (vgl für die Zeit ab 1. Januar 1981 Art IX Kostenrechtsänderungsgesetz (KostenRÄndG), neugefasst durch Gesetz vom 18. August 1980, BGBl I 1503; für die Zeit ab 1. Juli 2004: Art IX Abs 1 Satz 1 KostenRÄndG geändert durch Art 4 Abs 33 Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRModG) vom 5. Mai 2004, BGBl I 718).

24

bb) Der Vergleich mit ähnlichen Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen stützt eine solche Auslegung.

25

Heranzuziehen sind insbesondere die Vorschriften des VwVfG bzw der VwGO (vgl auch BSG, Urteil vom 25. November 1999, SozR 3-1300 § 63 Nr 14). Dies lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen. Die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 8/2034, S 29, 36) führte zum (damaligen) § 61 SGB X aus: "Diese Vorschrift entspricht bis auf nachfolgende Abweichungen § 80 VwVfG ...". Allerdings sind zur Wahrung der Einheitlichkeit des Rechts für die Regelung gleich gelagerter Sachverhalte die Vorschriften des VwVfG soweit wie möglich wörtlich übernommen worden. Abweichungen vom VwVfG sind jedoch dort vorgesehen, wo dies aus Gründen der Besonderheiten des Sozialrechts erforderlich war.

26

Für die Auslegung des mit § 63 Abs 2 SGB X inhaltsgleichen § 80 Abs 2 VwVfG in der vom 1. Januar 1977 bis 13. August 1998 gültigen Ursprungsfassung vom 25. Mai 1976 ist wiederum § 162 VwGO heranzuziehen. Denn in der Begründung zum Gesetzesentwurf (zu § 76 Abs 2 VwVfG, BT-Drucks 7/910, S 92) wurde ausgeführt: "Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten sind nach den Maßstäben zu erstatten, nach denen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Kosten des Vorverfahrens zu entscheiden wäre (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO)."

27

Die Regelung des § 80 Abs 2 VwVfG lehnt sich also an § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO an und ist grundsätzlich im gleichen Sinn zu verstehen und anzuwenden, dh maßgebend sind die Grundsätze des § 162 VwGO (vgl BVerwG DVBl 1985, 167).

28

§ 162 Abs 2 VwGO idF vom 1. Januar 1964 (gültig vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1990) lautete:

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistandes, in Steuersachen auch eines Steuerberaters sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.

29

Neben Rechtsanwälten werden darin nicht "sonstige Bevollmächtigte", sondern bestimmte berufliche Vertreter erwähnt. Ebenso fehlt das Wort "gesetzliche" bei "Gebühren". Bemerkenswert ist, dass die in § 162 Abs 2 Satz 1 VwGO genannten Bevollmächtigen auf der Grundlage einer "gesetzlichen" Gebührenordnung abrechnen können (Steuerberater ab 1. April 1982 auf der Grundlage des § 45 Gebührenordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (StBGebV) vom 17. Dezember 1981, BGBl I 1442, zuletzt geändert durch Art 4 Abs 60 Gesetz vom 5. Mai 2004, BGBl I 718; vor der gesetzlichen Regelung durch die StBGebV wurde von der Rechtsprechung § 162 Abs 2 VwGO analog angewandt, vgl OVG Nordrhein-Westfalen NJW 1966, 2184).

30

Diese Feststellungen gelten grundsätzlich auch für § 162 Abs 2 Satz 1 VwGO in der aktuellen Fassung des Art 6 Nr 2c Gesetz vom 24. August 2004 (BGBl I 2198). Dieser lautet:

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in Abgabenangelegenheiten auch eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, sind stets erstattungsfähig.

31

Allerdings existiert für Wirtschaftsprüfer keine Gebührenordnung im obigen Sinne. Dies beruht aber darauf, dass der Bundesminister für Wirtschaft zwar nach § 55 Wirtschaftsprüferordnung vom 5. November 1975 (BGBl I 2803 ff) zum Erlass einer Gebührenordnung für gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen ermächtigt ist, bislang aber davon noch keinen Gebrauch gemacht hat (Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 408 AO RdNr 32). Gegenwärtig kann der Wirtschaftsprüfer die Regelungen der StBGebV als "übliche Vergütung" zugrundelegen (vgl Hübschmann/Hepp/ Spitaler, aaO, § 139 Finanzgerichtsordnung (FGO) RdNr 370).

32

Gestützt wird das Auslegungsergebnis durch den Wortlaut des § 193 SGG. Abs 3 dieser Vorschrift lautete idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGG vom 23. September 1975 (BGBl I 2535):

Die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts (§§ 25 bis 30 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) oder eines Rechtsbeistandes sind stets erstattungsfähig.

33

Hier ist der Wortlaut des § 193 Abs 3 SGG durch die Verwendung des Wortes "gesetzlichen" eindeutig. Dies war auch die Intention des Gesetzgebers. Zur Begründung des damaligen § 140 Abs 3 Sozialgerichtsordnung (SGO) ("Die Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts (§§ 76 bis 83 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte) oder eines Rechtsbeistands sind stets erstattungsfähig") wurde im Entwurf (BT-Drucks 1/4357, S 33) ausgeführt: "Die Rechtsverteidigung durch einen Rechtsanwalt ist stets zweckentsprechend, weil eine andere Auffassung mit der Stellung des Anwalts nicht vereinbar wäre".

34

Gleiches gilt für die ab 1. Juli 2004 geltende Fassung des § 193 Abs 3 SGG (durch Art 4 Abs 25 Nr 2 Gesetz vom 5. Mai 2004, BGBl I 718): "Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig."

35

Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 91 Abs 2 Satz 1 ZPO, wonach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts in allen Prozessen zu erstatten sind, für die vom 9a. Senat zum Inhalt des § 63 Abs 2 SGB X vertretene Auffassung.

36

b) § 63 Abs 2 SGB X ist eine begünstigende Spezialregelung für die darin angesprochenen Bevollmächtigten in dem Sinne, dass die auf der Grundlage einer gesetzlichen Gebührenordnung berechneten Gebühren, immer als "notwendig für die Rechtsverfolgung", also erstattungsfähig, anzuerkennen sind, sofern die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt wurde. Diese Vorschrift ist hingegen keine abschließende Regelung in dem Sinne, dass nur für diese Bevollmächtigten auf dem Zeit- und Arbeitsaufwand beruhende Kosten erstattungsfähig sind. Vielmehr kann bei anderen Bevollmächtigten auf § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X als allgemeine Regelung für die Kostenerstattung zurückgegriffen werden. Kosten, die durch die Beauftragung anderer als durch Abs 2 erfasster Bevollmächtigter entstehen, sind demnach unter dem Tatbestandsmerkmal der "notwendigen Aufwendungen" des Abs 1 zu prüfen. Dies sollte auch bei - hier nicht streitigen - Auslagen eines derartigen Bevollmächtigten gelten (aA noch Urteil des 9. Senats vom 30. Januar 1991, SozR 3-1300 § 63 Nr 2).

37

Für diese Auslegung spricht zunächst, dass der Begriff der Aufwendungen des Abs 1 weiter ist als die Begriffe "Gebühren und Auslagen", also auch die Kosten sonstiger Bevollmächtigter erfassen kann. Nach Auffassung des 9a. Senats gibt es auch keine überzeugenden Gründe gegen eine Anwendung des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X in diesem Zusammenhang.

38

aa) Anhaltspunkte für diese Interpretation liefern die vergleichbaren Regelungen in § 193 SGG, § 162 VwGO und § 91 ZPO.

39

Bei § 193 SGG ist ersichtlich, dass die Abs 1 und 2 generelle Regelungen, die Abs 3 und 4 hingegen Spezialregelungen sind. Da die Gebühren und Auslagen der in Abs 3 genannten Bevollmächtigten "stets" erstattungsfähig sind, ist aus dem Wortlaut zu schließen, dass es Bevollmächtigte geben muss, deren Entgelte "nicht stets", also nur unter bestimmten Voraussetzungen erstattungsfähig sind. Verbindet man diese Aussage mit dem Aufbau des § 193 SGG, so ist konsequent, dass sonstige Vertretungskosten unter den Begriff der "Aufwendungen" des Abs 2 subsumiert werden (vgl auch Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl 2005, § 193 RdNr 10a; Groß in Lüdtke, SGG Kommentar, 2. Aufl 2005, § 193 RdNr 17; Knittel in Hennig, SGG Kommentar, Stand 2005, § 193 RdNr 47; Peters/Sauters/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Stand August 2005, § 193 SGG S III/109-55).

40

Entsprechendes gilt hinsichtlich des Wortlauts des § 162 Abs 2 Satz 1 VwGO ("Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in Abgabenangelegenheiten auch eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, sind stets erstattungsfähig"). Auch hier deutet das Wort "stets" auf eine Privilegierung hin. In diesem Sinne wird § 162 VwGO auch interpretiert. In Literatur und Rechtsprechung herrscht weit gehend Einigkeit, dass Abs 2 nur die Kostenerstattung für die in Abs 2 ausdrücklich genannten Bevollmächtigten regelt (vgl Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl 2005, § 162 RdNr 14; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl 2004, § 162 RdNr 14; Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl 2000, § 162 RdNr 11; Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 2. Aufl 2006, § 162 RdNr 76; VGH München NJW 1992, 853 f, OVG Nordrhein-Westfalen StB 2000, 20 - 21, VG Neustadt NVwZ-RR 2004, 160), während die Kosten anderer Bevollmächtigter über Abs 1 erstattungsfähig sind.

41

Herangezogen werden dafür im Wesentlichen folgende Argumente: § 162 Abs 2 Satz 1 VwGO bezeichne im Wortlaut eindeutig bestimmte Bevollmächtigte. Er konkretisiere lediglich den Maßstab der Notwendigkeit für den wesentlichen und typischen Aufwand der Beteiligten, nämlich die Vergütung eines beauftragten Rechtsanwalts. Bei der Vertretung im Instanzverfahren sei im Einzelfall nicht zu prüfen, ob die Zuziehung eines Rechtsanwaltes notwendig gewesen sei. Davon sei vielmehr "stets" auszugehen. Gleiches gelte für die Höhe der Aufwendungen, wenn die gesetzliche Vergütung verlangt werde.

42

Als überholt und deshalb nicht mehr als tragfähig erscheint die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 19. Januar 1978 (NJW 1978, 1173). Darin wurden einem Hochschullehrer analog § 162 Abs 2 VwGO Kosten bis zur Höhe eines Rechtsanwalts zugesprochen. Begründet wurde dies mit der Gleichwertigkeit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts und der eines Hochschullehrers zumindest bei der Vertretung vor dem BVerwG. Dies zeige auch die gesetzliche Regelung des § 67 Abs 1 Satz 1 VwGO. Damals lautete § 67 Abs 1 Satz 1 VwGO, idF vom 1. Januar 1964 (gültig vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1990): "Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen." Nachdem § 67 VwGO seitdem in vielfältiger Weise erweitert wurde, § 162 Abs 1 Satz 1 VwGO aber insoweit unverändert blieb, ist eine planwidrige Lücke und damit Raum für eine analoge Anwendung wohl nicht mehr gegeben (vgl Schmidt in Eyermann, aaO, § 162 RdNr 11).

43

Die Systematik des § 91 ZPO wird ebenso wie die von § 193 SGG und § 162 VwGO interpretiert. § 91 Abs 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten hat, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, ist als die generelle Regelung zu werten (vgl Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl 2000, § 91 RdNr 23). Abs 2 Satz 1 dieser Vorschrift regelt ausdrücklich, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten immer zu erstatten sind. Dies beruht auf dem Gedanken, dass sich eine Partei im Prozess grundsätzlich eines Rechtsanwalts bedienen darf (vgl Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, aaO, § 91 RdNr 24). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts als solche ist also notwendig und zweckentsprechend, ebenso die dadurch entstandenen Kosten in Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen (vgl Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, aaO, § 91 RdNr 25). Abs 2 betrifft also speziell den Fall der Beauftragung eines Rechtsanwalts, schließt jedoch nicht die Kostenerstattung für andere Bevollmächtigte im Rahmen des Abs 1 aus.

44

Nach Bork in Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl 2004, § 91 RdNr 125, greift § 91 Abs 2 ZPO bei Rechtsanwälten in dem Sinne ein, dass eine Prüfung der Notwendigkeit der durch die Gebührenordnung bestimmten Beträge entfällt und gleichzeitig eine Höhenbegrenzung erfolgt. Gleiches gilt für Vertreter, die unter Art IX KostÄndG fallen (aaO, § 91 RdNr 88). Eine analoge Anwendung auf andere Personen, die geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, kommt nicht in Betracht (aaO, § 91 RdNr 133). Bei anderen Prozessbevollmächtigten ist nach dem allgemeinen Grundsatz in § 91 Abs 1 ZPO zu prüfen, ob Zuziehung des Bevollmächtigten und Aufwendungen notwendig waren (aaO, § 91 RdNr 89).

45

Ausgehend von dieser Betrachtungsweise ist inzwischen zumindest für die Vertretung durch einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Rahmen des § 91 ZPO anerkannt, dass grundsätzlich Erstattungsfähigkeit bis zur Höhe der entsprechenden Gebühren eines Rechtsanwalts besteht (vgl OLG München MDR 2001, 958 f). Begründet wird dies im Wesentlichen so: Aus dem Umstand, dass nach § 91 Abs 2 Satz 1 ZPO die Gebühren eines Rechtsanwalts "in allen Prozessen zu erstatten" seien, könne nicht hergeleitet werden, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten anderer Vertreter einer Partei ausgeschlossen sei. Diese Regelung bedeute nur - ebenso wie § 464a Abs 2 Nr 2 Strafprozessordnung (StPO) und § 162 Abs 2 Satz 1 VwGO -, dass für die Gebühren eines Rechtsanwalts die Notwendigkeitsprüfung entfalle, schließe aber die Erstattungsfähigkeit der Kosten anderer Vertreter nicht aus. Nach § 91 Abs 1 ZPO seien allgemein die Kosten zu erstatten, die "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren".

46

bb) Diesem Normverständnis stehen weder § 408 Abgabenordnung (AO) noch § 139 Abs 3 FGO oder § 12a ArbGG entgegen, beruhen sie doch auf den jeweiligen Besonderheiten des Steuerrechts bzw Arbeitsrechts.

47

Die Vorschriften des § 408 AO und § 139 FGO regeln ausdrücklich die Erstattung von Aufwendungen für Bevollmächtigte, für die Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind.

48

§ 408 AO betrifft lediglich die notwendigen Auslagen eines Beteiligten iS des § 464a Abs 2 Nr 2 StPO. Dazu gehören im Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Steuerberaters, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers. Sind Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht geregelt, so können sie danach bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattet werden. § 408 AO bezieht sich nicht auf die Kostenerstattung für ein isoliertes Verwaltungsvorverfahren nach der AO. Schon aus diesem Grunde besteht keine Vergleichbarkeit, auf Grund derer verlässliche Rückschlüsse für die Auslegung des § 63 SGB X gezogen werden könnten.

49

§ 139 FGO lautet:

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

50

Die Tatsache, dass § 139 FGO ausdrücklich den Fall der Bevollmächtigten regelt, für die es keine gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen gibt, lässt nicht den Schluss zu, auch nach anderen Verfahrensordnungen - wie dem SGB X - seien die Kosten solcher Bevollmächtigten nur auf Grund einer vergleichbaren besonderen Regelung erstattungsfähig. Vielmehr weist § 139 Abs 3 FGO - im Gegensatz zu den bisher dargestellten Regelungen - einen abschließenden Charakter auf, der auf der Besonderheit des Steuerrechts beruht. So werden von Abs 3 Satz 2 nur jene Bevollmächtigte erfasst, die nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind (BFHE 97, 505; FG Bremen EFG 1994, 306 ff). Eine solche Befugnis ist allgemeine Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 139 Abs 3 FGO (BFH, aaO). Der Gesetzgeber hat durch die Bezugnahme auf das StBerG deutlich gemacht, dass er die Erstattung für andere Bevollmächtigte ausschließen wollte. Sinn und Zweck ist dabei, im Interesse der Allgemeinheit - Schutz vor sachunkundiger und unzuverlässiger Hilfe - die Vertretung mit der Möglichkeit der Kostenerstattung nur solchen Personen anzuvertrauen, die genügend Sachkunde und persönliche Eignung für eine einwandfreie Behandlung steuerlicher Angelegenheiten bieten (FG Nürnberg EFG 1977, 598; BFH/NV 2002, 51). Konsequenterweise können Bevollmächtigte, die nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugt sind, zwar auch bevollmächtigt werden (§ 62 FGO), Kosten werden jedoch nicht erstattet (FG Bremen EFG 1994, 306 ff). Ebenso konsequent ist aber auch ausdrücklich geregelt, wenn die Erstattung bei geschäftsmäßigen Vertretern eingeschränkt ist. So ist für Steuerhilfevereine gesetzlich bestimmt, dass neben den Mitgliedsbeiträgen keine Leistungsentgelte zulässig sind (§ 14 Abs 1 Nr 5 StBerG).

51

Im Ergebnis ergibt sich im Hinblick auf § 12a ArbGG kein anderer Befund. Auch insoweit dringt der Hinweis auf eine dort erfolgte, ausdrückliche Regelung zur Erstattung von Verbandsvertreterkosten bei der Auslegung des § 63 SGB X nicht durch, zumal § 12a ArbGG auf den spezifischen Gegebenheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens beruht. Weder dem Abs 1 (danach ist die Erstattung der Kosten eines Prozessbevollmächtigten generell ausgeschlossen) noch dem Abs 2 (der dem Ziel der "gerechten" Kostenquotelung bei Verbandsvertretern dient) dieser Vorschrift sind Argumente gegen eine Erstattungsfähigkeit der Kosten von Verbandsvertretern zu entnehmen.

52

§ 12a ArbGG lautet:

(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluss der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluss der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, dass der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.

(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs 1 der Zivilprozessordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs 2 Satz 2, 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.

53

In erster Instanz sind Vertretungskosten also grundsätzlich von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen. Allerdings sind sie nicht völlig bedeutungslos. Sind nämlich der obsiegenden Prozesspartei durch die Hinzuziehung eines Vertreters Kosten erspart worden, so sind die Vertretungskosten bis zur Höhe der ersparten Parteikosten erstattungsfähig (hypothetische Parteikostenerstattung, vgl Wenzel in GK-ArbGG, Stand Dezember 2005, § 12a RdNr 10; Hauck/Helml, Arbeitsgerichtsgesetz Kommentar, 2. Aufl 2003, § 12a RdNr 11). Die Erstattungsfähigkeit der Vertretungskosten richtet sich dabei nach § 91 ZPO (vgl Wenzel in GK-ArbGG, aaO, § 12a RdNr 51).

54

§ 12a Abs 2 ArbGG bietet keine Grundlage für einen Vergleich mit § 63 SGB X, da Sinn und Zweck der Regelung ein anderer ist. Diese durch die ArbGG-Novelle 1979 eingefügte Vorschrift dient dazu, die nach alter Gesetzeslage unbefriedigende Kostenverteilung zu verhindern. Hatte nach altem Recht die anwaltlich vertretene Partei 2/3 und die verbandsmäßig vertretene Partei 1/3 der Kosten zu tragen, konnten von der einen Seite die Anwaltskosten zur Ausgleichung angemeldet werden, während der Prozessgegner wegen der (typischerweise) kostenfreien Verbandsvertretung häufig keine Kosten geltend machen konnte. Die anwaltlich vertretene Partei erhielt dann 1/3 der Anwaltskosten erstattet, obwohl eine Erstattung an den Gegner zu leisten gewesen wäre, wenn dort Anwaltskosten angefallen wären. Durch die Neuregelung wird verhindert, dass die nach der gerichtlich festgelegten Kostenquote nur mit 1/3 der Gesamtkosten zweiter Instanz belastete, aber kostenfrei vertretene Partei sich an den Anwaltskosten des Gegners beteiligen muss, obwohl der kostenfreie Rechtsschutz durch Mitgliedsbeiträge erworben worden ist. Zur Abwehr von Ausgleichsansprüchen sind also fiktive Anwaltskosten anzusetzen und die Kosten dann zu quoteln (vgl Wenzel in GK-ArbGG, aaO, § 12a RdNr 94, Hauck/Helml, aaO, § 12a RdNr 15). Somit reagiert § 12a Abs 2 ArbGG nur darauf, dass die Verbände bislang regelmäßig keine Vertretungskosten erheben (vgl Wenzel in GK-ArbGG, aaO, § 12a RdNr 52: "Im Gerichtsalltag spielt die Erhebung von Vertretungskosten durch die Verbände des Arbeitslebens praktisch überhaupt keine Rolle").

55

cc) Der vom 9a. Senat vorgenommenen Auslegung des § 63 SGB X steht auch weder die Regelung des § 73a SGG noch die des § 142 Abs 2 FGO entgegen.

56

Gemäß § 73a Abs 2 SGG wird Prozesskostenhilfe (PKH) nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten iS des § 73 Abs 6 Satz 3 SGG vertreten ist. Die letztgenannte Vorschrift bezieht sich ua auf Bevollmächtigte, die Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung und von den in § 14 Abs 3 Satz 2 SGG genannten Vereinigungen (insbesondere Behindertenverbänden) sind. Soweit argumentiert wird, § 73a Abs 2 SGG unterstelle gesetzlich einen kostenfreien Verbandsrechtsschutz, deshalb könne § 63 SGB X nicht dahin ausgelegt werden, dass er eine Erstattung der Kosten von Verbandsvertretern ermögliche, folgt der 9a. Senat dem nicht. Eine solche Ansicht lässt sich weder aus der Normgeschichte noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift ableiten.

57

Eingeführt wurde die PKH als so genanntes "Armenrecht" im Jahre 1953 und zwar als Ergänzung des vor dem BSG vorgesehenen Vertretungszwangs. Nach dem Entwurf der Bundesregierung vom 19. Mai 1953 (BT-Drucks 1/4357, S 14) war in § 113 SGO der Vertretungszwang vor dem BSG vorgesehen. Verabschiedet wurde diese Bestimmung als § 166 SGG (BGBl I 1953, 1239).

58

§ 166 SGG lautete:

(1) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.

(2) Als Prozessbevollmächtigte sind die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen der Kriegsopfer zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt ist ebenfalls als Prozessbevollmächtigter vor dem Bundessozialgericht zugelassen.

59

In der Begründung des Entwurfs (BT-Drucks 1/4357, S 31) hieß es dazu: "Im Interesse der Rechtsschutzsuchenden wird der Vertretungszwang eingeführt. Bisheriger Übung entsprechend werden die Angestellten von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen sowie von Kriegsopferverbänden als Prozessbevollmächtigte allgemein zugelassen und nicht wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwaltszwang eingeführt".

60

Gleichzeitig wurde in § 114 SGO-Entwurf (dann verabschiedet als § 167 SGG) Folgendes bestimmt:

(1) Einem Beteiligten, der nicht nach § 113 Absatz 2 Satz 1 vertreten ist, kann für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht das Armenrecht bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden.

61

Hierzu gab es die Begründung (BT-Drucks 1/4357, S 31 f): "Als Folge des Vertretungszwanges muss die Bewilligung des Armenrechts vorgesehen werden, damit die Versicherten und Versorgungsberechtigten, die nicht organisiert sind, die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche im Revisionsverfahren zu verfolgen". Damit liegt der Begründung - wenn auch nicht ausdrücklich erwähnt - die Überlegung zu Grunde, die von den og Vereinigungen Vertretenen bedürften keines "Armenrechts", da sie ja - wie damals üblich - kostenlos vertreten würden.

62

Der gleiche Lebenssachverhalt und die gleiche Überlegung waren auch noch bei der Ersetzung des "Armenrechts" durch das System der PKH bedeutsam (BR-Drucks 187/79). Der damalige Entwurf des § 73a SGG, der mit Wirkung vom 1. Januar 1981 auch so verabschiedet worden ist (Art 4 Nr 12 Buchst b Gesetz vom 13. Juni 1988, BGBl I 677), lautet:

(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, eine Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt.

(2) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs 6 Satz 3 vertreten ist.

(3) § 109 Abs 1 Satz 2 bleibt unberührt.

63

In der Begründung hieß es dazu (BR-Drucks, aaO, S 39): "Die Notwendigkeit, dem Beteiligten einen Rechtsanwalt beizuordnen, und damit die Notwendigkeit, Prozesskostenhilfe zu gewähren, entfällt, wenn der Beteiligte bereits durch einen Bevollmächtigten nach § 73 Abs 6 Satz 3 SGG vertreten wird". Die Regelung war also lediglich eine Reaktion auf den damals vorliegenden Lebenssachverhalt der Gewährung eines kostenlosen Rechtsschutzes, enthält jedoch nicht das Gebot, einen solchen aufrechtzuerhalten.

64

Der Gesetzgeber hat die Gewährung von PKH zulässigerweise insoweit eingeschränkt, als § 121 ZPO lediglich die Beiordnung von Rechtsanwälten (Anwaltsprivileg) bzw "verkammerten Rechtsbeiständen" iS von § 209 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) (vgl § 25 Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO)) erlaubt (vgl Bundesgerichtshof (BGH) NJW 2003, 2244 f). Also kann sich die PKH-Bewilligung von vornherein nicht auf die Kosten eines nicht beigeordneten (weil nicht "beiordnungsfähigen") Bevollmächtigten beziehen (vgl § 122 ZPO). Aus einer derartigen Beschränkung der PKH, also einer staatlichen Leistung, ist jedoch nicht zu schließen, dass auch eine Erstattung von Verbandsvertreterkosten zwischen den Beteiligten ausgeschlossen ist.

65

Es war und ist Sinn und Zweck der PKH, Unbemittelten die Realisierung gerichtlichen Rechtsschutzes durch einen Bevollmächtigten, und zwar einen Rechtsanwalt, zu ermöglichen. Zwar ist es richtig, dass die kostenpflichtige Beauftragung eines Verbandsvertreters, die nicht durch die Gewährung von PKH aufgefangen wird, für den betreffenden Verfahrensbeteiligten ein größeres Kostenrisiko mit sich bringt. Daraus ist aber für solche Fälle kein Verbot einer Kostenerstattung abzuleiten. Im Gegenteil: Es verdient eine Auslegung den Vorzug, die solchen Beteiligten, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen an sich PKH-bedürftig sind, aber durch einen Bevollmächtigten iS von § 73 Abs 6 Satz 3 SGG vertreten werden, wenigstens im Fall des Obsiegens die Belastung durch die Kosten eines Verbandsvertreters abnimmt.

66

Im Übrigen kann in Fällen, in denen die Verbandsvertretung Geld kostet, nicht ohne weiteres eine vermögenswerte Position angenommen werden, die vor Inanspruchnahme der PKH einzusetzen ist (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 4). Insoweit ist eine erweiternde Auslegung des § 73a Abs 2 SGG nicht gerechtfertigt, vielmehr erfolgt ein Ausschluss der Gewährung von PKH nach dem Wortlaut des § 73a Abs 2 SGG nur bei tatsächlich bestehender Verbandsvertretung. Der Beteiligte hat dann die Wahl, ob er sich - unter Gewährung von PKH - durch einen Rechtsanwalt oder - ohne Gewährung von PKH - durch einen Verbandsvertreter bzw einen Vertreter einer Rechtsschutz gGmbH vertreten lässt.

67

Darüber hinaus ist es aus gesetzessystematischen Gründen problematisch, aus § 73a SGG Rückschlüsse auf die Auslegung des § 63 SGB X zu ziehen. Der Ausschluss der Gewährung von PKH betrifft nur einen Teil der Verfahrensbeteiligten (nämlich den Kreis der Bedürftigen), wohingegen von der Frage der Kostenerstattung nach § 63 SGB X alle betroffen sind.

68

Ebenso wenig ist auch ein Rückschluss aus § 142 Abs 2 FGO angebracht. Nach dieser Vorschrift kann einem Beteiligten, dem PKH bewilligt wurde, auch ein Steuerberater beigeordnet werden. Diese Erweiterung erfolgte auf Grund der besonderen Stellung der Steuerberater im Steuerverfahren (vgl § 3 StBerG). Sie hat keine Auswirkung auf die Frage der Kostenerstattung für Verbandsvertreter, die nicht im Gerichtsverfahren beigeordnet werden können.

69

dd) Auch Sinn und Zweck des § 63 SGB X sprechen grundsätzlich dafür, im vorliegenden Zusammenhang § 63 Abs 1 SGB X anzuwenden. Wenn § 63 Abs 2 SGB X nicht die Kosten aller zulässigerweise Vertretungsbefugten erfasst, liegt es nahe, die hier streitigen Aufwendungen unter Abs 1 zu subsumieren, zumal kein Grund ersichtlich ist, diese von der Kostenerstattung auszuschließen. Eine gegenteilige Auslegung würde vielmehr zu einer Lücke führen, die auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht hinzunehmen ist.

70

Die Auffassung des 9a. Senats folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 63 SGB X. Für eine solche Interpretation ist Raum, wenn eine auslegungsfähige Norm nach den üblichen Regeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen eine oder mehrere mit der Verfassung nicht übereinstimmen, während andere zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führen (vgl BVerfGE 48, 40, 45; 68, 337, 344).

71

aaa) Die Ansicht, ein Widerspruchsführer könnte im Rahmen des § 63 SGB X lediglich die Kosten der Arbeit eines Bevollmächtigten, der nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, erstattet bekommen, verstößt jedenfalls dann gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), wenn sich der Widerspruchsführer eines sonstigen Bevollmächtigten bedient, der im Rahmen einer erlaubten Verfahrensvertretung zulässigerweise Kosten erhebt.

72

Das Grundrecht auf Gleichbehandlung ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1; BVerfGE 105, 73 = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176). Unter diesem Gesichtpunkt ist die Gruppe derjenigen Widerspruchsführer, die sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, der nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, mit der Gruppe solcher Widerspruchsführer zu vergleichen, die sich zB durch einen Sozialverband bzw eine dazugehörige Rechtsschutz GmbH vertreten lassen. Beide Vertretergruppen betreiben - dem Grunde nach - zulässigerweise geschäftsmäßige Rechtsberatung, sind in den Verfahrensvorschriften des SGG bzw des SGB X gleichgestellt und dürfen auch zulässigerweise Kosten erheben.

73

Das Recht von Rechtsanwälten zur geschäftsmäßigen Beratung und Vertretung beruht auf § 3 BRAO, nach dem der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist. Rechtsanwälte bedürfen keiner Erlaubnis nach dem RBerG (vgl Art 3 § 3 RBerG idF des Gesetzes vom 31. August 1998, BGBl I 2600, wonach die Tätigkeit von Rechtsanwälten nicht durch das RBerG berührt wird). Rechtsbeistände können sich auf ein Recht zur geschäftsmäßigen Beratung und Vertretung dann berufen, wenn ihnen eine Erlaubnis gemäß Art 1 § 1 Abs 1 RBerG erteilt wurde.

74

Ohne Erlaubnis steht ein solches Recht gemäß Art 1 § 7 RBerG jenen Vereinigungen zu, die auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildet wurden und im Rahmen ihres Aufgabenbereiches ihren Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren. Gemäß Satz 3 gilt dies entsprechend für juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer Vereinigung oder Stelle stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung oder Stelle entsprechend der Satzung durchführt. Darunter können grundsätzlich die Bevollmächtigten der Klägerin fallen.

75

Die Vertretung durch Verbände und durch von diesen gegründete juristische Personen ist nach Stellung und Bedeutung sowohl im SGG als auch im SGB X der Vertretung durch Rechtsanwälte gleichwertig, es besteht Postulationsfähigkeit vor dem BSG. Dies ist insbesondere §§ 73, 166 SGG und § 13 SGB X zu entnehmen.

76

In der geltenden Fassung (BGBl I 1975, 2535, zuletzt geändert durch Art 1 Nr 55, Art 17 Gesetz vom 17. August 2001, BGBl I 2144) bestimmt der hier interessierende § 166 Abs 2 SGG:

Als Prozessbevollmächtigte sind die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von den in § 14 Abs 3 Satz 2 genannten Vereinigungen zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Satz 1 genannten Organisationen stehen, handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Vereinigung für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Jeder der bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt ist ebenfalls vor dem Bundessozialgericht zugelassen.

77

Der besondere Rang der Prozessvertretung durch die genannten Vereinigungen kommt schon im Wortlaut der Norm zum Ausdruck. Die Vertretung durch Verbände wird noch vor der durch Rechtsanwälte genannt. Dazu hat das BSG bereits am 15. Oktober 1957 (BSGE 6, 47, 48 f) ausgeführt: "Wenn das SGG außer den Rechtsanwälten ... den Mitgliedern und Angestellten der in § 166 Abs 2 SGG genannten Verbände unter bestimmten Voraussetzungen die Postulationsfähigkeit vor dem BSG zuerkennt, so liegt dem ersichtlich der Gedanke zu Grunde, die Sachkunde und Erfahrung, die gerade diese Personen im Allgemeinen auf dem Gebiete des Sozialrechts besitzen, für die Rechtsfindung nutzbar zu machen".

78

Untermauert wird dies auch durch Sinn und Zweck des § 166 SGG. Der Vertretungszwang dient dem Interesse der Beteiligten und der Rechtspflege. Gut vorbereitete Revisionen können schneller erledigt werden, Prozessbevollmächtigte können im Interesse des rechtsuchenden Bürgers und der Gerichte vermeiden, dass unsinnige Rechtsmittel eingelegt werden (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 166 RdNr 1a). In der Begründung zu § 113 des Entwurfs (BT-Drucks 1/4357, S 31) heißt es: "Im Interesse der Rechtsschutzsuchenden wird der Vertretungszwang eingeführt. Bisheriger Übung entsprechend werden die Angestellten von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen sowie von Kriegsopferverbänden als Prozessbevollmächtigte allgemein zugelassen und nicht wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwaltszwang eingeführt."

79

Die Gleichwertigkeit einer Verbandsvertretung mit der durch Rechtsanwälte lässt sich auch dem § 73 SGG entnehmen. Dieser regelt die gewillkürte Prozessvertretung. In der ursprünglichen Fassung (BGBl I 1953, 1239) hieß es in Abs 6: "Für die Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen gilt § 157 der Zivilprozessordnung entsprechend". Eine besondere Bestimmung für Verbandsvertreter gab es zunächst nicht. Dies führte dazu, dass in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten war, ob die Vertretung von Organisationsvertretern vor den Sozial- und Landessozialgerichten als zulässig anzusehen sei. Wegen der großen Bedeutung sah sich der Gesetzgeber deshalb schon im Jahre 1954 veranlasst, dem § 73 Abs 6 SGG Folgendes anzufügen: "§ 157 Abs 1 der Zivilprozessordnung gilt nicht für Bevollmächtigte, die Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, von selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern und von Vereinigungen der Kriegsopfer sind, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind" (vgl Wuttke, SGb 1954, 35). § 73 SGG in der derzeit gültigen Fassung (der Bekanntmachung vom 23. September 1975, BGBl I 2535, zuletzt geändert durch Art 1 Nr 29, Art 17 Gesetz vom 17. August 2001, BGBl I 2144) regelt in seinem Abs 6 Satz 1, dass grundsätzlich für die Zurückweisung von Bevollmächtigten § 157 ZPO gilt. Gemäß Satz 3 gilt dieser jedoch nicht für Bevollmächtigte, die Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, von selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitnehmern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von den in § 14 Abs 3 Satz 2 SGG genannten Vereinigungen sind, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.

80

Schon der Wortlaut des § 73 Abs 6 Satz 3 SGG, der die Anwendung des § 157 ZPO bei Verbandsvertretern ausschließt, weist darauf hin, dass insoweit ein Ausschluss wegen "ungeeigneten Vortrags" nicht möglich ist. Da gemäß § 157 Abs 2 ZPO auch einem Rechtsanwalt der weitere Vortrag nicht untersagt werden kann, ist der Schluss zu ziehen, dass der Vortrag von Rechtsanwälten nicht "ungeeignet" im Sinne dieser Vorschrift sein kann. Insoweit erfolgte also eine Gleichstellung der Verbandsvertreter mit der Position von Rechtsanwälten. Ebenso wie Rechtsanwälte können auch Verbandsvertreter immer in der mündlichen Verhandlung auftreten. Bei beiden Arten von Vertretern wird eine hinreichende Rechtskunde unterstellt (vgl Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 73 RdNr 1a).

81

Entsprechendes gilt im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren. § 13 SGB X (BGBl I 1980, 1469) regelt in Abs 5 und 6:

(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, ohne dazu befugt zu sein. Befugt im Sinne des Satzes 1 sind auch die in § 73 Abs 6 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes bezeichneten Personen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung im Verwaltungsverfahren ermächtigt sind.

(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom schriftlichen Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befugt sind.

82

Sämtliche der genannten Bevollmächtigten dürfen dem Grunde nach Kosten für ihre Tätigkeit erheben. Soweit im Einzelfall eine für den Verbandsvertreter geltende Kostenregelung nichtig ist (vgl Art 1 § 7 RBerG iVm § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), berührt dies nicht die allgemeine Vergleichbarkeit. Grundsätzlich darf jedenfalls auch für eine Tätigkeit nach Art 1 § 7 RBerG ein Entgelt gefordert werden (vgl BGHZ 15, 315).

83

Nach alledem besteht zwischen den Bevollmächtigten der Widerspruchsführer, seien sie Rechtsanwälte oder Verbandsvertreter, kein solcher Unterschied, dass ein hinreichender Grund für eine abweichende Behandlung der Kostenerstattung nach § 63 SGB X gegeben wäre. Damit werden die oben genannten Gruppen von Widerspruchsführern auf der Grundlage der bisherigen Auslegung ohne hinreichenden Grund und unter Verstoß gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit (vgl dazu Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl 2006, Art 3 RdNr 19) in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

84

bbb) Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung ist ferner zu berücksichtigen, dass die Ansicht, Kosten des Arbeitsaufwandes seien nur für die in § 63 Abs 2 SGB X genannten Bevollmächtigten zu erstatten, die Grundrechte der in § 73 Abs 6 Sätze 3 und 4 SGG angesprochenen Vertreter aus Art 12 Abs 1 GG iVm Art 3 Abs 1 GG verletzt.

85

Art 12 Abs 1 GG gewährleistet sowohl die Berufsausübung als auch Berufswahl. Dabei konkretisiert er das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich individueller Leistung und Existenzerhaltung (BVerfGE 97, 12 ff). Es genügt, dass die Tätigkeit geschäftsmäßig betrieben und Kostendeckung angestrebt wird, eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich, ein ökonomischer Grundbezug reicht aus (BVerwGE 95, 15, für die Grundrechtsträgerschaft eines gemeinnützigen Vereins). Auch juristische Personen können Träger dieses Grundrechts sein (Art 19 Abs 3 GG), wenn die Tätigkeit nach Wesen und Art in gleicher Weise von einer juristischen Person ausgeübt werden kann (BVerfGE 30, 292). Die Rechtsberatung ist eine solche Tätigkeit, sodass auch die in § 73 Abs 6 Satz 4 SGG angesprochenen juristischen Personen in ihrer Betätigung durch Art 12 Abs 1 GG geschützt sind.

86

Nicht gegen eine Verletzung des Schutzbereichs des Art 12 Abs 1 GG spricht, dass die Erstattungsregelung des § 63 SGB X keinen direkten Eingriff in die Berufsfreiheit vornimmt. Art 12 Abs 1 GG kann auch durch solche Bestimmungen betroffen sein, die sich zwar nicht unmittelbar auf die berufliche Betätigung beziehen, die aber infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (BVerfGE 46, 120, 137 f). Jedenfalls für Honorarverteilungsmaßnahmen, mit denen die Vergütung für bestimmte Leistungen begrenzt werden soll, hat das BSG (BSGE 73, 131, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 mwN) entschieden, dass diese objektiv eine berufsregelnde Tendenz entfalten und damit mittelbar in die Berufsausübung der betroffenen Kassen- und Vertragsärzte eingreifen. In Anwendung dieser Rechtsprechung entfaltet eine Auslegung des § 63 SGB X, die dahin geht, dass der Arbeitsaufwand der og Bevollmächtigten nicht erstattungsfähig sei, eine berufsregelnde Tendenz.

87

Zulässig ist ein Eingriff dann, wenn die Regelung (bzw die Auslegung einer Norm) geeignet und erforderlich ist sowie vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne den Eingriff rechtfertigen. Als denkbarer Belang - der allerdings in den Gesetzgebungsmaterialien keine Stütze findet - kämen lediglich finanzielle Interessen der Leistungsträger in Frage. Wird die Erstattung von Vertretungskosten auf jene Bevollmächtigten begrenzt, für die der Gesetzgeber eine gesetzliche Gebührenordnung erlassen hat, so sind insgesamt weniger Mittel aufzuwenden. Auch ist mit der Prüfung der Notwendigkeit von Aufwendungen für einen Bevollmächtigten, der nicht nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnet, regelmäßig ein größerer Aufwand verbunden. Es erscheint nicht als verhältnismäßig, diesen Belangen durch eine entsprechend enge Auslegung des § 63 SGB X Rechnung tragen zu wollen. Diese beeinträchtigt die Betätigung von Bevollmächtigten iS von § 73 Abs 6 Satz 3 und 4 SGG, belässt aber den Widerspruchsführern die Möglichkeit, sich der Hilfe von Rechtsanwälten oder Rechtsbeiständen zu bedienen, deren (höhere) Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig wären.

88

Damit verletzt sie auch das im Rahmen des Art 12 Abs 1 GG zu berücksichtigende Gleichheitsgebot (BVerfGE 54, 251, 271). Ein sachlich rechtfertigender Grund für die ungleiche Behandlung der bei Ausübung des Berufs der Rechtsberatung im wesentlich gleichen Gruppen von Rechtsanwälten und Rechtsbeiständen einerseits sowie Verbänden und den dazu gehörigen juristischen Personen andererseits ist nicht ersichtlich.

89

ff) Der vom 9a. Senat vertretenen Auslegung des § 63 SGB X kann auch nicht die Tatsache entgegen gehalten werden, dass es trotz verschiedener Gesetzesinitiativen bislang nicht zu einer ausdrücklichen Regelung der Kostenerstattung bei Verbandsvertretung gekommen ist. Den parlamentarischen Gesetzesmaterialien ist keine Begründung dafür zu entnehmen, warum eine solche Regelung (noch) nicht getroffen wurde. Ob eine Regelung nicht für erforderlich gehalten wurde oder bewusst nicht getroffen werden sollte, bleibt offen. Dementsprechend ergeben sich daraus keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Auslegung.

90

Das Land Baden-Württemberg hatte mit Gesetzesantrag vom 29. Januar 2001 (BR-Drucks 73/01, S 19) eine Änderung der kostenrechtlichen Vorschriften angeregt. Dieser Entwurf enthielt in Art 1 Nr 64 zu § 184 SGG folgenden Vorschlag:

(3) Die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts (§§ 25 bis 30 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) oder eines Rechtsbeistandes sind stets erstattungsfähig. Das Gleiche gilt für die Kosten der in § 73 Absatz 6 Sätze 3 und 4 genannten Bevollmächtigten in der Höhe, in der der Beteiligte dem Verband oder der Organisation nach § 73 Abs 6 Sätze 3 und 4 nachweislich für die Prozessvertretung Ersatz leisten muss.

91

Dieser Vorschlag war auch noch enthalten in den Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drucks 132/1/01, S 11). Mit Beschluss des Bundesratsplenums vom 30. März 2001 wurde jedoch entschieden, den Gesetzesantrag von Baden-Württemberg nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen (vgl Bundesrat, Stenografischer Bericht, 761. Sitzung, Plenarprotokoll 761, S 142).

92

Der Regierungsentwurf zum Sechsten Gesetz zur Änderung des SGG (6. SGGÄndG) (BT-Drucks 14/5943) enthielt keine entsprechende Vorschrift. In der Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drucks 453/01) zum Entwurf eines 6. SGGÄndG war ein solcher Vorschlag auch nicht mehr enthalten. Der VdK gab zu dem Regierungsentwurf eine Stellungnahme mit dem Ziel einer ausdrücklichen Kostenerstattungsregelung ab (Sozialrecht und Praxis, 7/2001, 415 ff). Bei der weiteren Arbeit an dem am 17. August 2001 ausgefertigten Gesetz (BGBl I 2144) wurde dieser Beitrag nicht berücksichtigt.

93

Auf Initiative des Landes Baden-Württemberg brachte der Bundesrat am 17. September 2003 (BR-Drucks 663/03) erneut einen Gesetzesentwurf mit einer Regelung im obigen Sinne ein. Nach Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Finanzausschuss und den Rechtsausschuss (26. September 2003) wurde die Einbringung des Gesetzentwurfs beim Bundestag in veränderter Fassung (aber mit einer Kostenübernahme im obigen Sinne) beschlossen. In der BT-Drucks 15/2722 nahm die Bundesregierung zum Entwurf allgemein Stellung, jedoch ohne auf einzelne Vorschriften einzugehen. Die Sache wurde an den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Gesundes und Soziales überwiesen und erledigte sich mit dem Ende der 15. Legislaturperiode.

94

Im Januar 2006 beantragte das Land Baden-Württemberg, den Gesetzentwurf der BR-Drucks 663/03 weiterzuverfolgen. Am 10. Februar 2006 wurde die Einbringung des Gesetzentwurfs beim Bundestag mit der Regelung der Kostenübernahme beschlossen. Die Bundesregierung bezog dazu in der BT-Drucks 16/1028 vom 23. März 2006 inhaltlich noch keine Position. "Die Bundesregierung hält es für erforderlich, dass die gesamten Auswirkungen des Gesetzesentwurfs durch eine breit angelegte Untersuchung geprüft werden. Die Bundesregierung wird diese Prüfung im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens durchführen" (S 14).

95

Diese Entwicklung erlaubt nicht den Schluss, dass die gegenwärtige Regelung eine Erstattung der hier streitigen Vertretungskosten ausschließt, eher rechtfertigt sie die Annahme, die Entscheidung darüber werde der Rechtsprechung überlassen.

96

c) Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X sind Kosten der Arbeit für einen Bevollmächtigten, der nicht auf Grund einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, dann erstattungsfähig, wenn sie als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen anzusehen sind.

97

aa) Im Unterschied zur Rechtsprechung des 5. Senats müssen diese Vertretungskosten nach Auffassung des 9a. Senats im Rahmen des § 63 Abs 1 SGB X - gerade weil Abs 2 eine begünstigende und keine abschließende Spezialregelung darstellt - nicht unter die Begriffe "Gebühren und Auslagen" iS des Abs 2 subsumiert werden können. Vielmehr werden sie von dem Begriff der Aufwendungen in § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X erfasst. Dies ist aus Wortlaut und systematischem Aufbau des § 63 SGB X zu folgern.

98

Der Begriff der "Aufwendungen" ist im SGB X gesetzlich nicht definiert. Er ist weit zu verstehen (vgl BSG, Urteil vom 25. November 1999, SozR 3-1300 § 63 Nr 14). Im Zusammenhang mit der Regelung des Abs 2 ist weiter zu schließen, dass der Begriff der "Aufwendungen" all jene Kosten erfasst, die zur Rechtsverfolgung notwendig waren, wobei ein Teil davon Kosten nach Abs 2 sein können. Ausgehend davon, dass § 63 Abs 2 SGB X eine begünstigende Spezialregelung für Rechtsanwälte und Rechtsbeistände ist, bleibt die allgemeine Regelung des Abs 1 als Anspruchsgrundlage für die Erstattung sonstiger Vertretungskosten übrig. Dann ist ersichtlich, dass im Rahmen des Abs 1 Aufwendungen für eine Vertretung weder Gebühren noch Auslagen iS des Abs 2 sein müssen und auch nicht unter diese Begriffe zu subsumieren sind, sondern Kosten bezeichnen, die der Vertretene für die Vertretung aufwenden muss.

99

Der Annahme des 5. Senats des BSG und des SG, Zeit- und Arbeitsaufwand werde grundsätzlich nicht ersetzt, außer in den Fällen des § 63 Abs 2 SGB X, ist demgegenüber nicht zu folgen. Für diese Auslegung bietet § 63 Abs 1 SGB X keinen Anhalt. Richtig ist, dass die eigene Mühewaltung des Beteiligten in Form von Zeit- und Arbeitsaufwand nicht erstattungsfähig ist (vgl für § 63 SGB X: Schneider-Danwitz, SGB-Sozialversicherung-Gesamtkommentar, Stand Dezember 2005, § 63 SGB X RdNr 30; Hauck/Noftz, SGB X Kommentar, Stand Februar 1997, K § 63 RdNr 7; für § 193 SGG: Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 193 RdNr 8; Groß in Lüdtke, aaO § 193 RdNr 11). Seinen Grund findet dies darin, dass der eigene Pflichtenkreis des Beteiligten betroffen ist (vgl BGHZ 75, 230 ff). Anerkannt ist jedoch, dass (notwendige) Kosten für fremde Dienstleistungen ersetzt werden können, etwa für Privatgutachten (vgl BSG, Urteil vom 25. November 1999, aaO, mwN) und Übersetzer (Schneider-Danwitz, aaO, § 63 RdNr 28; Hauck/Noftz, aaO, K § 63 RdNr 7). Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für Vertretungskosten gelten soll, die nicht in § 63 Abs 2 SGB X geregelt sind.

100

bb) Bei der Prüfung der "Notwendigkeit" der Aufwendungen ist insbesondere zu berücksichtigen, ob eine Bevollmächtigung notwendig war und ob die Kosten auch der Höhe nach zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren. Letzteres ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Bevollmächtigte zulässigerweise eine Tätigkeit verrichtet hat, die derjenigen eines Bevollmächtigten iS des § 63 Abs 2 SGB X gleichwertig ist, und dafür Kosten berechnet hat, die unter den Rechtsanwaltsgebühren liegen. Kosten sind maximal bis zu der Höhe erstattungsfähig, in der sie nach Maßgabe des § 63 Abs 2 SGB X erstattungsfähig wären.

101

Der Begriff der "Notwendigkeit" iS von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X umfasst nur Kosten für solche Handlungen, die zur Zeit ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das im Streit stehende Recht zu verfolgen oder zu verteidigen (Hauck/Noftz, aaO, K § 63 RdNr 6). Das lässt sich grundsätzlich dann bejahen, wenn der Bevollmächtigte seiner Art nach in der maßgeblichen Verfahrensordnung - wie hier gemäß § 13 Abs 5 und 6 SGB X - einem Rechtsanwalt gleichgestellt ist (vgl OLG München MDR 2001, 958 f; Bayer VGH, NJW 1992, 853 ff; Sodan/Ziekow, aaO, § 162 RdNr 16, 19; Kopp/Schenke, aaO, § 162 RdNr 14; Schmidt in Eyermann, aaO, § 162 RdNr 11). Dabei besteht der Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte die Pflicht hat, die Kosten im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu halten (vgl Roos in Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 63 RdNr 13).

102

3. Die Anfrage beim 5. Senat des BSG zur Auslegung des § 63 SGB X ist entscheidungserheblich. Bei Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall beabsichtigt der 9a. Senat zwar nicht, der Revision in vollem Umfang stattzugeben, sie wäre aber im Sinne einer Zurückverweisung erfolgreich; die klageabweisende Entscheidung des SG ist auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus anderen Gründen zu bestätigen.

103

Da eine die Klägerin begünstigende "Kostengrund- bzw Kostenlastentscheidung" (vgl BSG, Urteil vom 9. September 1998, SozR 3-1300 § 63 Nr 12) vorliegt, durfte der Beklagte über den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen entscheiden (§ 63 Abs 1 und 3 SGB X). Mit Abhilfebescheid vom 11. Juli 2003 hatte der Beklagte die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zugesagt. Zugleich hatte er die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt.

104

Allein der Umstand, dass die Klägerin den geltend gemachten Betrag noch nicht an die VdK Sozialrechtsschutz gGmbH gezahlt hat, steht der Geltendmachung einer entsprechenden Erstattungsforderung gegen den Beklagten nicht entgegen. Insbesondere ist die Aussetzung einer Zahlungsforderung der Sozialrechtsschutz gGmbH bis zum Abschluss dieses Rechtsstreits unschädlich. Voraussetzung für eine Kostenerstattung ist allerdings die Rechtswirksamkeit der Forderung in Höhe von 224,70 Euro. Diese ist insbesondere an Art 1 § 7 RBerG zu messen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift hätte nach § 134 BGB Nichtigkeit zur Folge (BGHZ 122, 327).

105

Gemäß Art 1 § 1 Satz 1 RBerG idF des Gesetzes vom 31. August 1998 (BGBl I 2600) ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich Rechtsberatung, erlaubnispflichtig, ohne Unterschied, ob es sich um eine haupt- oder nebenberufliche, entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit handelt. Nach Art 1 § 7 Satz 1 RBerG bedarf es keiner Erlaubnis, wenn auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen oder Stellen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches ihren Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren. Dies gilt entsprechend für juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer Vereinigung oder Stelle stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung oder Stelle entsprechend der Satzung durchführt (Art 1 § 7 Satz 3 RBerG). Eine abschließende Beurteilung, ob im vorliegenden Fall die Tätigkeit der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH diesen Anforderungen genügt, ist dem 9a. Senat nicht möglich. Es fehlt insbesondere an ausreichenden Tatsachenfeststellungen betreffend die Handhabung der einschlägigen satzungsrechtlichen Bestimmungen in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag.

106

a) Zu klären ist zunächst, ob Rechtsberatung durch die gGmbH tatsächlich nur für Mitglieder des Sozialverbandes VdK durchgeführt wird. Zweifel gründen sich auf § 7 Ziff 4 Satz 1 der Satzung des VdK Landesverbandes Baden-Württemberg iVm § 2 des Gesellschaftsvertrages der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH.

107

Gemäß § 7 Ziff 4 Satz 1 der Satzung haben die Mitglieder das Recht, bei der Verfolgung ihrer versorgungs-, fürsorge-, sozialversicherungs-, behinderten-, sozialhilfe- und anderen sozialrechtlichen Ansprüche die Hilfe des VdK in Anspruch zu nehmen. Satz 2 konkretisiert den Anspruch. In Satz 3 ist geregelt: Soweit für die Wahrnehmung der betreffenden Aufgaben eine Sozialrechtsschutz GmbH des VdK besteht, leistet der VdK seine Hilfe durch Einschaltung der Gesellschaft. Nach § 7 Ziff 5 obliegt die Bearbeitung von Verfahren nach dem SGG und die Vertretung vor den Sozialgerichten und Verwaltungsgerichten in allen Instanzen der vom VdK errichteten Sozialrechtsschutz GmbH und ihren Geschäftsführern und Mitarbeitern.

108

§ 2 Ziff 2 des Gesellschaftsvertrages bestimmt:

Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist die sozialrechtliche Betreuung bedürftiger Personen i.S.d. § 53 Abgabenordnung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen - insbesondere der Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes.

Dieser Unternehmensgegenstand wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die Gesellschaft die Mitglieder des Sozialverbands VdK Deutschland, Landesverband Baden-Württemberg e.V. Sitz Stuttgart (Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Rentner) in sozialrechtlichen Angelegenheiten berät und in solchen Angelegenheiten außergerichtlich gegenüber Behörden und sonstigen Dritten sowie gegenüber den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit auftritt.

109

Durch den Verweis auf § 53 AO erfasst § 2 Ziff 2 des Gesellschaftsvertrages einen Personenkreis, der weiter ist als derjenige der Mitglieder des VdK Landesverbandes Baden-Württemberg. Es ist mithin unklar, ob der Gegenstand des Unternehmens auf die Mitglieder des VdKs beschränkt ist und im Rahmen des RBerG bleibt.

110

b) Werden - wie hier - Kosten erhoben, müssen in der Beziehung zwischen dem Sozialverband bzw der Sozialrechtsschutz gGmbH und dem Vertretenen Leistungsanspruch und korrelierende Kostenerhebung in einer satzungsrechtlichen Regelung wurzeln (vgl BGHZ, 15, 315; BSG, Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1991, SozR 3-1300 § 63 Nr 2); ein bloßer Geschäftsbesorgungsvertrag reicht insoweit nicht als Grundlage. Ob die Klägerin einen solchen Vertrag geschlossen hat, kann deshalb offen bleiben.

111

Aus der satzungsrechtlichen Grundlage muss dabei für Vereinsmitglieder wie auch Dritte klar und deutlich erkennbar sein, unter welchen Voraussetzungen sowie in welcher Höhe die Forderung entsteht und ob das Vereinsmitglied sie ggf in dieser Höhe auch endgültig trägt. Dies schließt auch die Prüfung der formellen und materiellen Wirksamkeit der satzungsrechtlichen Bestimmungen ein. Im Hinblick auf §§ 162, 163 SGG bleibt diese Prüfung den Instanzgerichten vorbehalten.

112

Diese Anforderungen beruhen auf der Überlegung, dass die vom 9a. Senat vertretene Auslegung des § 63 SGB X maßgeblich von Erwägungen zum Gleichheitsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) geprägt ist. Wer die Dienste eines Bevollmächtigten, der zur geschäftsmäßigen Beratung befugt ist, aber nicht auf der Grundlage einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann, in Anspruch nimmt, soll nicht schlechter behandelt werden als etwa bei Beauftragung eines Rechtsanwalts. Er soll aber auch nicht besser gestellt sein. Im Ergebnis soll er also nur jene Kosten ersetzt bekommen, die er im Falle des Unterliegens selbst zu tragen hätte, so wie dies auch für jene Widerspruchsführer gilt, die etwa durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Ebenso wie die gesetzlichen Gebührenordnungen eine Grundlage dafür bilden, dass die Entstehung und Höhe einer Kostenforderung nachvollzogen werden kann und damit gleichzeitig die Notwendigkeit der Kosten nachgewiesen ist, müssen auch die satzungsrechtlichen Regelungen die Gewähr für eine solche Nachvollziehbarkeit und Notwendigkeit bieten.

113

Unter dieser Prämisse begegnen die vorliegenden vereins- bzw gesellschaftsrechtlichen Regelungen und ihre Anwendung erheblichen Bedenken. Insbesondere könnte eine Diskrepanz zwischen den Vorgaben des § 7 Ziff 6 der Satzung des VdK Landesverbandes und der Behandlung der Kostenforderungen gegen Mitglieder bestehen, die iS von § 53 AO als bedürftig angesehen werden. In § 7 Ziff 6 der Satzung des VdK Landesverbandes heißt es: Die durch die Bearbeitung von Verfahren entstehenden Kosten der vom VdK errichteten Sozialrechtsschutz gGmbH tragen die zu vertretenden Mitglieder nach den von der Geschäftsführung der Gesellschaft festgesetzten Richtlinien. Demgegenüber scheinen "bedürftige" Mitglieder weitgehend von einer tatsächlichen Kostenbelastung freigestellt zu werden. Dazu bedarf es konkreter Tatsachenfeststellungen. Zwar mag die Klägerin selbst nicht als bedürftig iS des § 53 AO eingestuft worden sein, jedoch könnte eine Verfahrensweise, die bezogen auf "bedürftige" Mitglieder nicht der Satzung und dem vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot (vgl BVerwGE 75, 155) entspricht, auch die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der gegen sie gerichteten Kostenforderung beeinflussen.

114

c) Auch die Höhe der von der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH geforderten Entgelte muss den Anforderungen des Art 1 § 7 RBerG entsprechen.

115

aa) Die hier geltend gemachte Höhe des Entgelts ist für sich betrachtet mit Art 1 § 7 RBerG vereinbar.

116

Nach der Entscheidung des BGH vom 30. November 1954 (BGHZ 15, 315 ff) werden die Grenzen des Art 1 § 7 RBerG überschritten, wenn die auf seiner Grundlage erlaubnisfrei agierende Vereinigung sich ein Entgelt zahlen lässt, das auf der Grundlage des für Rechtsanwälte und Rechtsbeistände vorgesehenen Gebührensystems berechnet wird. Begründet wurde diese Auffassung im Wesentlichen folgendermaßen: Die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten bedürfe grundsätzlich der Erlaubnis (Art 1 § 1 RBerG). Die Erlaubnispflicht stehe im Zusammenhang mit verschiedenen Schutzmaßnahmen, zB namentliche Bezeichnung der Personen, die beraten dürfen (§ 3 der Ausführungsverordnung vom 13. Dezember 1935, RGBl I 1481, geändert durch Art 7 Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994, BGBl I 2278). Mit diesen Schutzmaßnahmen habe der Gesetzgeber die Allgemeinheit vor Schäden bewahren und die weitgehenden Bindungen unterliegende Anwaltschaft nicht einer unübersehbaren Konkurrenz von Personen ausliefern wollen, die solchen Bindungen nicht unterlägen. Sinn und Zweck des Gesetzes würden aber ins Gegenteil verkehrt, wenn die auf berufsständischer Grundlage gebildeten Vereinigungen eine Tätigkeit ausüben dürften, die sich in ihrer grundsätzlichen Tätigkeit von derjenigen des erlaubnispflichtigen Personenkreises nicht mehr unterschiede. Diese Erwägungen entsprechen auch der Gesetzesbegründung (RStBl 1935, 1528). Neben dem Schutz der Rechtsuchenden und der geordneten Rechtspflege ist dort auch der Schutz vor Konkurrenten genannt.

117

Es bestehen Bedenken, ob diese Auslegung aufrechterhalten werden kann, ist doch die Sozialrechtsschutz gGmbH Trägerin des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG. Wird die Tätigkeit in einem Beruf von einem Erlaubniszwang abhängig gemacht, so liegt ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufswahl vor. Eingriffe in die Berufswahl sind nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG, Urteil vom 29. Oktober 1997, BVerfGE 97, 12 ff). Dabei durfte der Gesetzgeber grundsätzlich den Anwaltsvorbehalt zum Schutz der Rechtsuchenden sowie der geordneten Rechtspflege für erforderlich halten (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 1987, BVerfGE 75, 246 ff). Im Zusammenhang mit einer ordnungsgemäßen Rechtspflege ist auch der Erhalt einer leistungsfähigen Berufsgruppe der Rechtsvertreter zu sehen. Dieser Belang ist aber nur insoweit von Bedeutung, als er dem unmittelbaren Gesetzeszweck dient. Schutz vor Wettbewerb kann allenfalls dann geboten sein, wenn die Gemeinwohlbelange sonst gefährdet würden, denen die Zugangsschranken oder Berufsausübungsregelungen gerade zu dienen bestimmt sind (BVerfG, Urteil vom 29. Oktober 1997, aaO). Der Konkurrenzschutz als solcher ist kein Gemeinwohlbelang (BVerfGE 7, 377 ff). Bei der Abgrenzung zwischen zulässiger erlaubnisfreier Rechtsberatung und erlaubnispflichtiger Tätigkeit ist im Wege verfassungskonformer Auslegung die Frage des Entgelts (unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Rechtsanwaltschaft vor Konkurrenten) jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn den Gemeinwohlbelangen "Schutz der Rechtsuchenden" und "geordnete Rechtspflege" anderweitig Rechnung getragen wird (bzgl der Auslegung und Anwendung des Art 1 § 1 RBerG ist zu prüfen, ob im konkreten Fall den durch das RBerG geschützten Rechtsgütern hinreichend Rechnung getragen wird, vgl BVerfG, Urteil vom 29. Juli 2004, NJW 2004, 2662 f; BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2006 - 2 BvR 951/04, 2 BvR 1087/04 - JURIS).

118

Im Hinblick auf die erörterte Gleichwertigkeit der Vertretung ist davon auszugehen, dass die in § 73 Abs 6 Sätze 3 und 4 SGG genannten Bevollmächtigten in gleicher Weise den genannten Gemeinwohlbelangen Rechnung tragen wie Rechtsanwälte und Rechtsbeistände. Das könnte dafür sprechen, im Rahmen des Art 1 § 7 RBerG eine Vergütung bis zur Höhe derjenigen von Rechtsanwälten zuzulassen. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da im vorliegenden Falle das streitige Entgelt nicht auf der Grundlage der BRAGO bzw des RVG berechnet worden ist, vielmehr besteht ein eigenes Kostenstatut, das sich hinreichend von den anwaltlichen Kostenregelungen unterscheidet und deutlich unter den anwaltlichen Sätzen liegende Beträge vorsieht.

119

Vor dem Inkrafttreten des RVG, also bis zum 30. Juni 2004, konnten gemäß §§ 12, 116 ,118, 119 BRAGO sowie unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl BSG, Urteil vom 22. März 1984, SozR 1300 § 63 Nr 4; BSG, Urteil vom 7. Dezember 1983, SozR 1300 § 63 Nr 2) für einen "durchschnittlichen" Fall (Feststellung des GdB) folgende Kosten geltend gemacht werden:

120

Der Gebührenrahmen vor dem SG umfasste in Fällen, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anwendbar ist, 50 bis 660 Euro. Für das Vorverfahren wurden insoweit 2/3 des Rahmens als ausreichend erachtet. Die Rahmengebühr für das Vorverfahren lag also zuletzt zwischen 33,33 Euro und 440 Euro, die Mittelgebühr betrug also 236,67 Euro. Ohne besonderes Vorbringen wurde diese Mittelgebühr regelmäßig als angemessen angesehen. Danach ergibt sich folgende typische Berechnung:

121

Geschäftsgebühr 236,70 Euro Pauschale gemäß 26 BRAGO 20,00 Euro 16 % USt 41,07 Euro insgesamt 297,77 Euro

122

Die hier von der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH in Ansatz gebrachte Kostenpauschale (bei einem nicht "bedürftigen" Mitglied im Widerspruchsverfahren) beläuft sich auf 210 Euro zzgl 7 % MwSt (= 224,70 Euro); dies entspricht 75,46 % der Kosten nach der BRAGO. Damit ist ein ausreichender Abstand gewahrt. Darüber hinaus bestehen auch strukturelle Unterschiede zwischen beiden Entgeltregelungen. Während die BRAGO einen Gebührenrahmen vorgibt, sieht das Kostenstatut der gGmbH Festbeträge vor. Außerdem fällt danach keine gesonderte Pauschale für Auslagen der Bevollmächtigten an.

123

bb) Dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des Art 1 § 7 RBerG würde es widersprechen, wenn die maßgebliche Entgeltregelung so gestaltet wäre, dass die Rechtsberatungstätigkeit eine Teilnahme am wirtschaftlichen Erwerb darstellte (vgl BGHZ 15, 315). Insbesondere ist eine Gewinnerzielungsabsicht in diesem Rahmen unzulässig. Auch dazu sind vom SG keine Tatsachenfeststellungen getroffen worden. Allerdings ergeben sich auch kaum Anhaltspunkte dafür, dass die Sozialrechtsschutz gGmbH gegen diese Grundsätze verstoßen würde. Berücksichtigt man, dass die Gebühren des Rechtsanwalts die anwaltliche Leistung als solche abdecken, daneben aber auch die allgemeinen Geschäftsunkosten (vgl Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl 2000, § 1 RdNr 52), so kann bei entsprechendem "Abstand" zur Gebührenordnung grundsätzlich nicht auf eine erwerbswirtschaftliche Geschäftsbesorgung geschlossen werden.

124

cc) Eine andere Auslegung des Art 1 § 7 RBerG ist in Bezug auf Sozialverbände auch nicht durch § 73a Abs 2 SGG geboten. Diese Vorschrift regelt lediglich, dass bei der Vertretung durch einen Bevollmächtigten iS von § 73 Abs 6 Satz 3 SGG eine Bewilligung von PKH ausscheidet. Dabei ist der Gesetzgeber zwar wohl von einer Kostenfreiheit der Verbandsvertretung ausgegangen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass er damit die Befugnis von Verbänden, unter Beachtung des Art 1 § 7 RBerG Entgelte zu fordern, einschränken wollte. Insoweit kommen ähnliche systematische Erwägungen zum Tragen wie im Verhältnis zwischen § 63 SGB X und § 73a Abs 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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