L 2 U 136/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 341/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 136/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1962 geborene Klägerin verletzte sich am 19.07.2003 bei der Teilnahme an einem Fußball-Ortsteilturnier.

Nach Angabe der Gemeinde nahm sie an diesem Turnier teil als ehrenamtliche Gemeinderätin aufgrund einer mündlichen dienstlichen Anweisung, die der Bürgermeister ihr während einer Sitzung des Gemeinderates in der Form erteilt habe, dass er die Gemeinderäte fragte, ob es Interessierte gebe, die eine Mannschaft für das Ortsteilturnier bilden könnten. Der Bürgermeister gab dem Veranstalter, der Fußballabteilung des TSV H. , eine schriftliche Zusage, dass eine Mannschaft mit der Bezeichnung "Der Gemeinderat" teilnehmen werde. Es spielten bei dem Turnier am 19.07.2003 27 Mannschaften mit je fünf Feldspielern; mindestens eine weibliche Spielerin musste ständig eingesetzt sein. Startgeld war in Form eines Kuchens je Mannschaft zu zahlen, dies übernahm der Bürgermeister. Die Gemeinderat-Teilnehmer trugen neutrale Trikots. Drei Familienmitglieder von Gemeinderatsmitgliedern nahmen in dessen Mannschaft an dem Turnier teil.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.01.2004 eine Entschädigung des Unfalls ab, da es sich um keinen Arbeitsunfall handle, sondern die Klägerin sich bei einer unversicherten sportlichen Betätigung verletzt habe.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie einwandte, sie habe nicht freiwillig, sondern aufgrund einer dienstlichen Anordnung des Bürgermeisters teilgenommen und somit eine kommunalpolitische Aufgabe erfüllt, im Vordergrund sollte die Betriebsverbundenheit stehen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2004 zurück. Ohne die Zuordnungsvoraussetzungen zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft könnten allein die Handlungstendenz einer Person und ihre subjektive Vorstellung, für wen sie ehrenamtlich tätig sei, keinen Unfallversicherungsschutz begründen.

Zur Begründung der Klage machte die Klägerin geltend, es habe sich um die Wahrnehmung einer repräsentativen Aufgabe im ehrenamtlichen Bereich als Gemeinderätin gehandelt, zumal ein Mitglied jeder Mannschaft eine Frau sein musste. Sie sei die einzige Gemeinderätin gewesen, die aufgrund ihres Alters und ihrer Konstitution geeignet gewesen sei. Es sei bei dem Turnier insbesondere darum gegangen, Kontakt zu den Bürgern zu pflegen, Bürgernähe zu dokumentieren und den Fußballverein ideell zu unterstützen.

Die Beklagte wies darauf hin, dass auch Familienangehörige von Gemeinderatsmitgliedern teilgenommen hätten. Der Mannschaft des Gemeinderates sei keine offizielle Rolle zugeteilt gewesen, da sie als eine unter vielen anderen Gruppierungen teilgenommen habe. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der Gemeinderat eine repräsentative Funktion zum Ausdruck hätte bringen sollen. Es seien weder offizielle Grußworte an den Veranstalter und seine Gäste gerichtet worden, noch sei etwa ein Eröffnungsspiel für die Gruppierung des Gemeinderats vorgesehen gewesen.

Mit Urteil vom 13.03.2006 hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Dass die Mannschaft keine repräsentative Tätigkeit ausgeübt habe, ergebe sich schon daraus, dass sie in neutralen Trikots am Turnier teilgenommen habe. Ihre Teilnahme sei auch nicht im Vorfeld besonders angekündigt worden. Die Mannschaft habe zudem nicht ausschließlich aus Gemeinderatsmitgliedern bestanden, drei Familienangehörige von Gemeinderäten seien beteiligt gewesen, obwohl es nahe gelegen hätte, durch Teilnahme eventuell nicht mehr so leistungsfähiger Gemeinderatsmitglieder den repräsentativen Zweck zu verdeutlichen. Die Mannschaft habe das gesamte Turnier bestritten. Dies bestätige, dass sie nicht im Rahmen einer repräsentativen Tätigkeit, sondern zur sportlichen Betätigung im Rahmen allgemeiner gesellschaftlicher Verpflichtungen teilgenommen habe. Sie unterscheide sich insofern nicht von den anderen teilnehmenden Hobby- oder Vereinsmannschaften. Eine dienstliche Weisung könne bei lebensnaher Betrachtung nicht angenommen werden. Ganz abgesehen davon, dass eine Rechtsgrundlage für eine derartige Weisung nicht ersichtlich sei, sei dies nicht glaubhaft. Das Thema "Ortsteilturnier" sei kein separater Tagesordnungspunkt einer Gemeinderatssitzung gewesen, sondern es habe lediglich eine Befragung, ob es Interessierte gebe, stattgefunden. Die Klägerin habe sich auch nicht aus subjektiver Sicht verpflichtet fühlen können, an dem Turnier teilzunehmen. Es sei ihr mit Sicherheit bewusst gewesen, dass an ihrer Stelle auch ein Familienmitglied hätte teilnehmen können.

Mit der Berufung führte die Klägerin weiterhin aus, die Teilnahme am Fußballturnier betreffe den Kernbereich ihrer versicherten Tätigkeit als Gemeinderatsmitglied. Hier sei eine repräsentative Aufgabe wahrgenommen worden. Da die Gemeindeangehörigen sich untereinander kennen würden, sei eine Aufschrift auf dem Trikot zur Kennzeichnung der Gemeinderatsmitglieder überflüssig gewesen. Familienangehörige hätten teilgenommen, damit die Mannschaft des Gemeinderats sich nicht wegen mangelnder sportlicher Fähigkeit der Lächerlichkeit preisgebe und damit den repräsentativen Zweck nicht erfülle. Die dienstliche Weisung des Bürgermeisters habe zu einer starken moralischen Verpflichtung der Klägerin geführt, da sie erst kurz vor dem Unfall als Gemeinderätin vereidigt worden sei. Sie habe die vermeintlich erste Gemeinderatspflicht nicht versäumen wollen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass auch Familienmitglieder am Turnier hätten teilnehmen dürfen, da sie in den Vorjahren weder als Zuschauerin noch als Spielerin teilgenommen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.03.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2004 zu verurteilen, den Unfall vom 19.07.2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird ab gesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente zu keiner anderen Entscheidung führen können.

Der Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit setzt neben der Unentgeltlichkeit einen bestimmten qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt werden muss. Wenn dieser in Bezug auf die fragliche Veranstaltung nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig von vornherein festgelegt ist, bedarf es für die betreffende einzelne Veranstaltung eines gesamtbezogenen eigenständigen Aktes der Körperschaft als Zuordnungsgrund. Ehrenamtlich wird in diesem Rahmen derjenige tätig, der entweder einen ausdrücklichen oder einen stillschweigenden Auftrag zum Tätigwerden erhalten hat. Der stillschweigende Auftrag setzt einen klaren Zuordnungsgrund zum Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der Körperschaft sowie eine erkennbare Bereitschaft der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, den Einzelnen demgemäß zu beauftragen. Von einem qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist jedoch nur dann auszugehen, wenn diese in irgendeiner Art und Weise wenigstens organisatorisch tätig wird. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Gemeinde L. hat sich in keiner Form aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des Turniers beteiligt, sondern lediglich, wie 26 weitere Mannschaften an dem Ortsteilturnier, das vom Sportverein ausgerichtet wurde, teilgenommen.

Der Versicherungsschutz als Gemeinderätin bezieht sich nur auf diese ehrenamtliche Tätigkeit. Eine repräsentative Aufgabe ist hier nicht ersichtlich, da die Mitglieder des Gemeinderats als Mannschaft nicht in irgendeiner Art und Weise besonders gekennzeichnet oder angekündigt waren. Aus den Mitteilungen der Gemeinde L. ergibt sich, dass das Turnier im Mitteilungsblatt vom 04.07.2003 nur kurz unter der Bezeichnung "Ortsteilturnier" angekündigt war. In der Ausgabe vom 01.08.2003 sind die Sieger und Platzierten veröffentlicht, "Der Gemeinderat" als Nr. 27. Im Übrigen vertritt nicht der Gemeinderat, sondern der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen (gemäß Art. 38 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern).

Das gemeinsame Fußballspiel könnte zwar die Verbundenheit zwischen den teilnehmenden Gemeinderatsmitgliedern stärken; abgesehen davon, dass tatsächlich nur zwei Gemeindesratsmitglieder teilnahmen, kann die Stärkung eines solchen Gemeinschaftsbewusstseins nicht als Sinn oder Aufgabe im Rahmen der Tätigkeit angesehen werden. Denn Aufgabe des Gemeinderats ist nicht zuvörderst die Zusammenarbeit, sondern die gegenseitige Kontrolle im Sinne der Gewaltenteilung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 30.06.1982, L 3 U 162/81).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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