S 8 AS 48/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 48/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf vollständige Akteneinsicht.

Der am 00.00.1965 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II.

Im Februar 2006 erhielt die Beklagte per E-Mail eine Mitteilung darüber, dass der Kläger ein Fotostudio betreibe und gegen Bezahlung Fotos anfertige. Die E-Mail ist namentlich gekennzeichnet, der Name wurde von der Beklagten jedoch geschwärzt. In der E-Mail ist der Hinweis auf die Homepage des Klägers "www" enthalten. Nach Einsichtnahme in diese Homepage stellte die Beklagte die Leistungen zunächst zum 31.03.2006 ein, die Zahlung ist aber mittlerweile wieder aufgenommen worden. Die Beklagte lud den Kläger zur Vorsprache ein und schloss mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung. Sie forderte Einkommensbelege.

Mit Schreiben vom 21.03.2006 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers uneingeschränkte Akteneinsicht, insbesondere Zusendung der genannten E-Mail ohne Schwärzung der Namenszeile bzw. Bekanntgabe des Namens der Person, die die Anschuldigungen gegenüber dem Kläger erhoben hatte. Mit Schreiben vom 07.06.2006 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, dass er sich nicht in der Lage sehe, den Namen des Anzeigenerstatters im Wege der Akteneinsicht oder durch Auskunftserteilung preiszugeben. Nach Abwägung zwischen den in § 25 Abs. 3 SGB X genannten Geheimhaltungsinteresse des Anzeigenerstatters und dem Auskunftsinteresse des Klägers komme sie zu dem Ergebnis, dass das Geheimhaltungsinteresse des Informanten überwiegt.

Mit der am 21.06.2006 erhobenen Klage erstrebt der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, den Namen des Anzeigenerstatters zu offenbaren. Er meint, die Entscheidung der Beklagten verletze rechtstaatliche Grundsätze, aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit sei die Beklagte verpflichtet, den Informanten zu nennen. Anders sei es dem Kläger nicht möglich, aus seiner Sicht falsche Behauptungen zu widerlegen. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob die Beklagte Leistungen eingestellt habe oder nicht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Namen des Absenders der den Kläger belastenden E-Mail (entsprechend Bl. 10 der Gerichtsakte) mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint weiterhin, der Schutz des Informanten überwiege das Offenbarungsinteresse des Klägers.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass nach allgemeiner Auffassung die Ablehnung von Akteneinsicht ein Verwaltungsakt ist (Krasney, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 25 SGB X Rdnr. 13). Denn die Beklagte verweigert nicht die Akteneinsicht als solche, sondern sie hat lediglich bei Übersendung der Akte den Namen des Absenders der E-Mail geschwärzt. Hierbei handelt es sich um ein tatsächliches Verwaltungshandeln im Sinne eines Realakts, dessen Unterlassung oder Beseitigung mit der allgemeinen Leistungsklage erstrebt werden kann. Auch aus der Entscheidung des BVerwG vom 25.02.1969 - I C 65/67 - = NJW 1969, 1113 ff. ergibt sich nichts anderes. Allerdings hat das BVerwG hier entschieden, dass ein Landesamt für Verfassungsschutz über das Begehren, einen Informanten zu benennen, durch Verwaltungsakt entscheidet. Von der vorliegenden Fallgestaltung unterscheidet sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt jedoch dadurch, dass es gerade Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz ist, Informationen zu sammeln und über die Frage der Preisgabe von Namen zu entscheiden. Damit liegt es in derartigen Fällen nahe, der Entscheidung über die Preisgabe des Namens eines Informanten Regelungscharakter zuzusprechen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X getroffen, sondern der Schwerpunkt ihres Handelns liegt im Bereich des tatsächlichen Verwaltungshandelns.

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass analog § 44 a VwGO auch im sozialgerichtlichen Verfahren Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können (so BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4 b RV 55/86 = SozR 1500 § 144 Nr. 39). Denn die Beklagte beabsichtigt nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung derzeit keine den Kläger belastende Sachentscheidung aufgrund der Anschuldigung in der E-Mail. Würde aufgrund einer analogen Anwendung von § 44 a VwGO im vorliegenden Fall die Zulässigkeit der Klage verneint, bliebe dem Kläger eine Rechtsschutzmöglichkeit hinsichtlich seines Begehrens verschlossen. Dieses Ergebnis wäre mit der Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar.

Die Klage ist indes nicht begründet. Die Beklagte hat den Namen des Anzeigenerstatters zu Recht geschwärzt und gibt ihn zu Recht nicht preis.

Die Entscheidung über eine Preisgabe des Namens eines Behördeninformanten an den betreffenden Leistungsempfänger im Wege der Akteneinsicht oder Auskunftserteilung erfordert eine Güterabwägung zwischen den in § 25 Abs. 3 bzw. 83 Abs. 4 SGB X genannten Geheimhaltungsinteressen und dem Auskunftsinteresse des Betroffenen. Das Geheimhaltungsinteresse eines Behördeninformanten überwiegt dann das Informationsinteresse des Leistungsempfängers, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseren Wissens oder leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt hat (BVerwG, Urteil vom 04.09.2003 - 5 c 48/02 - = NJW 2004, 1543). Im vorliegenden Fall liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Information wider besseren Wissens erteilt wurde oder der Informant leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt hat. Vielmehr bestehen aufgrund des Internetauftritts des Klägers einige erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass dieser Einkommen bezieht oder Vermögen besitzt, welches der Beklagten bislang nicht bekannt ist.

Der Kläger hat allerdings Recht, wenn er meint, dass es der Beklagten verwehrt sein wird, eine Entscheidung zu seinen Lasten allein auf eine Information zu stützen, deren Urheber dem Leistungsempfänger verborgen bleibt. Denn aus rechtsstaatlichen Gründen ist es selbstverständlich, dass eine Behörde eine belastende Entscheidung nur auf solche Tatsachen stützen darf, zu denen der Betroffene sich äußern konnte. Indes wendet sich der Kläger vorliegend nicht gegen eine belastende Entscheidung, die allein auf die Information des für den Kläger anonymen Informanten gestützt wird, vielmehr macht er unabhängig von einer derartigen belastenden Entscheidung den eigenständigen Aufklärungsanspruch geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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