L 10 B 1217/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 10927/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1217/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007 (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren, sind nicht gegeben.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnisses eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie der Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Ein Anordnungsgrund besteht nicht. Der Senat folgt insoweit der Begründung des Sozialgerichts (SG) in dem angefochtenen Beschluss (Bl. 3 des Beschlusses – Rechtsgedanke des § 153 Abs. 2 SGG).

Der Sache nach will der Antragsteller das einstweilige Verfahren zur Klärung der Frage benutzen, ob ein Formantrag ausgefüllt werden muss oder nicht. Daraus kann sich ein Anordnungsgrund nicht ergeben, denn die Beantwortung dieser Frage ist selbst für den Fall, dass (verfahrensrechtliche) Rechte des Antragstellers beeinträchtigt werden, nicht eilig. Dass die Antragsgegnerin das Begehren des Antragstellers derzeit aus anderen Gründen ablehnt, ist nicht ersichtlich.

Zu den verfahrensrechtlichen Grundlagen sieht der Senat Anlass zu folgendem Hinweis:

Dem Antragsteller ist zuzustimmen, wenn er ausführt, dass für den Leistungsantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist, einem wirksamen Antrag es daher auch nicht entgegensteht, wenn vorgegebene Vordrucke nicht verwendet werden (BSGE 46, 218), so dass es ausreicht, wenn er gegenüber der Antragsgegnerin - so wie hier mit Schreiben vom 20. November 2006 geschehen - seinen Willen zum Ausdruck bringt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (ab dem 1. Dezember 2006) weiterhin zu begehren. Mit der Antragstellung beginnt das Verwaltungsverfahren (§ 18 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Damit obliegt es der Antragsgegnerin, den Sachverhalt von Amt wegen zu ermitteln (§ 20 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Dabei kann sie nach Maßgabe der §§ 60 ff SGB I den Antragsteller auch zur Mitwirkung heranziehen. So bestimmt § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, 1. alle Tatsachen anzugeben hat, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, 2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen hat. Soweit für die in Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden (§ 60 Abs. 2 SGB I). Da es sich bei der Regelung des § 60 Abs. 2 SGB I um eine Sollvorschrift handelt, die den Ablauf des Verwaltungsverfahrens erleichtern soll, ist die Antragsgegnerin gehalten, die Angaben, die der Antragsteller ohne Verwendung der zur Verfügung gestellten Vordrucke in einem Schriftstück macht, zu berücksichtigen, wenn sie daraus alle entscheidungserheblichen Tatsachen entnehmen kann. Das Schreiben vom 20. November 2006 genügt jedoch ebenso wenig wie die vor dem SG Berlin abgegebene "Eidesstattliche Versicherung" vom 28. November 2006 diesen Anforderungen. Denn in beiden Schreiben beschränkt sich der Antragsteller darauf, seine Rechtsansicht wiederzugeben, statt die aus Sicht der der Antragsgegnerin entscheidungserheblichen Fragen, wie sie sich aus den Vordrucken ergeben, zu beantworten. Der Senat weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Antragsgegnerin ihre Tätigkeit nicht einfach einstellen darf, wenn der Antragsteller - so wie hier - eine von ihr für geboten erachtete Mitwirkungshandlung unterlässt (zur Erfolgsaussicht einer Untätigkeitsklage in solchen Fällen: Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 88 Nr. 2 S 14 f). Ebenso wenig darf sie eine ablehnende Entscheidung in der Sache treffen. Vielmehr ist die Antragsgegnerin verpflichtet, demjenigen gegenüber, der Sozialleistungen beantragt und seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, soweit hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, die Leistung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise zu versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind, wobei nach § 66 Abs. 3 SGB I Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden dürfen, nachdem der Antragsteller auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und er seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Gerade mit Rücksicht auf diese verfahrensmäßigen Absicherungen stellt sich § 66 SGB I nach der Systematik des Gesetzes als diejenige Regelung dar, nach der die Verwaltung bei Streit über den Umfang von Mitwirkungspflichten zu verfahren hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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