S 12 AL 3105/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 3105/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Erklärt ein Arbeitsloser in einem Vordruck der Bundesagentur für Arbeit er sei „nicht bundesweit mobil“, führt dies nicht zum Entfallen der Verfügbarkeit und damit zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
2.) Nach dem Wortlaut des § 121 SGB III Abs. 4 ist ein Umzug ausschließlich „zur Aufnahme einer Beschäftigung zumutbar“. Verlangt man von einem Arbeitslosen eine Erklärung zu dessen Umzugsbereitschaft, so kann dies nur im Zusammenhang mit der Unterbereitung eines konkreten Arbeitsangebotes erfolgen.
3.) Nach § 121 Abs. 4 Satz 5 SGB III ist ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs zudem nur „in der Regel“ zumutbar. Diese Formulierung beinhaltet die Wertung, dass es Ausnahmen von dieser Regel, auch unterhalb der Schwelle des wichtigen Grundes geben muss. Eine derartige Ausnahme ist etwa anzunehmen, wenn festgestellt werden kann, dass ein Arbeitsloser in absehbarer Zeit am Wohnort oder innerhalb des Tagespendelbereichs in Arbeit vermittelt werden kann.
1.) Die Bescheide der Beklagten vom 25.05.2005 und 06.06.2005 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2005 werden insoweit aufgehoben, als darin eine Aufhebung und Rückforderung bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 09.05.2005 bis 31.05.2005 verfügt wurde. 2.) Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. 3.) Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung und Rückforderung bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 09.05.205 bis 31.05.2005. Die Beklagte geht von der Nichtverfügbarkeit des Klägers aus, nachdem sich dieser nicht bereit erklärte, sich bundesweit zur Verfügung zu stellen.

Der am ... geborene Kläger meldete sich am 07.02.2005 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches von der Beklagten mit Bescheid vom 14.02.2005 antragsgemäß bewilligt wurde. Der Kläger betrieb zuvor in der Zeit vom 01.07.2004 bis 31.01.2005 selbständig eine ... - Filiale im ... - ... (Bl. 13 der Verwaltungsakte, Bl. 45 der Gerichtsakte). Bereits bei seiner Arbeitslosmeldung am 07.02.2005 wies der Kläger daraufhin, dass er plane ab März/April eine neue selbständige Tätigkeit aufzunehmen (Bl. 14 der Verwaltungsakte).

Im Rahmen einer Gruppeninformation unterzeichnete der Kläger am 09.05.2005 eine "Erklärung zur Zumutbarkeit/Umzugsbereitschaft". Der Kläger erklärte hierin, er sei "nicht" bundesweit mobil. Der von der Beklagten verwendete Erklärungsvordruck enthält folgende Anmerkung: "Wenn Sie Leistungen vom Arbeitsamt erhalten und länger als 3 Monate arbeitslos sind, ist es ihnen zumutbar, eine Beschäftigung auch außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufzunehmen (§ 121 SGB III). Im Pendelbereich liegen Arbeitsstellen, die sie innerhalb von 2 ½ Stunden (Vollzeit) bzw. 2 Stunden (Teilzeit) erreichen können. Sollten Sie nicht umzugsbereit sein und keine wichtigen Gründe haben, werden sie beim Arbeitsamt abgemeldet und Ihre Leistungen gestoppt. Sie können erst dann wieder Leistungen erhalten, wenn Sie persönlich einen neuen Antrag gestellt haben und sich für umzugsbereit erklären." (Bl. 28 der Verwaltungsakte)

Die Verwaltungsakte der Beklagten enthält unter dem Datum 11.05.2005 folgenden Aktenvermerk: "War bei der GI, wurde im Bezug auf bundesweite Verfügbarkeit belehrt. Schränkt sich jedoch ein und ist nicht bereit bundesweit dem AM zur Verfügung zu stehen. Hat dies auch schriftlich unterzeichnet. Info an 111K mit der Bitte um Abmeldung zum 09.05.2005, da nicht mehr verfügbar." (Bl. 16 der Verwaltungsakte).

Mit Aufhebungsbescheid vom 25.05.2005 verfügte die Beklagte sodann die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 09.05.2005. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe erklärt, dass er ab dem 09.05.2005 der Arbeitsvermittlung nicht bundesweit zur Verfügung stehe. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, sei nicht arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch mehr (Bl. 19 der Verwaltungsakte).

Mit Rücknahmebescheid vom 06.06.2005 machte die Beklagte beim Kläger eine Rückzahlung von 439,39 EUR geltend. In der "fraglichen Zeit" sei dem Kläger Arbeitslosengeld i. H. v 343,64 EUR und 95,75 EUR KV - PV Beiträge gezahlt worden (Bl. 23 der Verwaltungsakte).

Hiergegen erhob der Kläger am 15.06.2005 Widerspruch. Zur Begründung trug der Kläger vor, seine Aussage, er stehe nicht bundesweit zur Verfügung, ändere nichts an seiner Verfügbarkeit. Er habe in Aussicht ab dem 01.07.2005 die ... - Filiale im ... zu übernehmen. Es könne zwar sein, dass sich die Übernahme noch vier bis fünf Monate hinziehe, es könne ihm jedoch nicht zugemutet werden für diese Interimszeit eine Beschäftigung an einem beliebigen Ort in der BRD aufzunehmen. Im Übrigen habe er seit dem 01.06.2005 zur Überbrückung eine Tätigkeit bei der Firma ... in ... auf 400 EUR Basis gefunden. Ab dem 01.06.2005 falle er daher ohnehin der Kasse der Beklagten nicht zur Last. Der Kläger legte des Weiteren insgesamt 5 Bewerbungen vom 13.05.2005 vor (Bl. 30 - 39 der Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2005 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 25.05.2005 und 06.06.2005 zurück. Der Kläger habe am 09.05.2005 persönlich bei einer Vorsprache mitgeteilt, dass er nicht bereit sei, sich bundesweit der Arbeitslosenvermittlung zur Verfügung zu stellen. Er stehe somit der Arbeitsvermittlung seit dem 09.05.2005 nicht zur Verfügung. Der Kläger sei ausführlich über die Rechtsfolgen belehrt worden und könne daher kein Vertrauen für sich beanspruchen (Bl. 42 der Verwaltungsakte).

Hiergegen richtet sich die am 15.09.2005 erhobene Klage. Zur Begründung führt der Kläger aus, die Frage der Beklagten nach der bundesweiten Verfügbarkeit sei eine bewusste Fangfrage. Es hätte zumindest des Nachweises einer konkreten Arbeitsstelle bedurft. Der Kläger machte geltend, er sei vor einem drohenden Leistungsentzug auch nicht auf die entsprechenden Rechtsfolgen hingewiesen worden und ihm sei auch nicht die Rückforderung der Leistungen für den Fall angedroht worden, dass er sich der Arbeitsvermittlung nicht bundesweit zur Verfügung stelle. Im Rahmen der Gruppeninformation am 09.05.2005 habe er, unter Hinweis auf seine Pläne die ...filiale zu übernehmen, einen Mitarbeiter der Beklagten gefragt, welche Erklärung er im Hinblick auf die in Aussicht stehende Beschäftigung abgeben solle. Im sei geraten worden, er möge ankreuzen, dass er nicht bundesweit vermittelbar sei. So habe er sich verhalten. Mit einzubeziehen sei, dass er die ... Filiale im ... in ... fest in Aussicht hatte. Zwar hätten sich die Pläne wegen Schwierigkeiten mit dem Vorpächter nicht kurzfristig, insbesondere nicht zum 01.05.2005 und auch nicht zum 01.07.2005 verwirklichen lassen. Bei der Frage, ob sich der Kläger am 09.05.2005 bundesweit mobil zu zeigen hatte, komme es jedoch auf die Prognose an, dass der Kläger eine feste Aussicht auf die Tätigkeit bei bzw. die Übernahme einer ...filiale hatte. Der Kläger legte hierzu ein Schreiben der ... GmbH vom 17.01.2005 vor, in dem u.a. folgendes ausgeführt wird: " Wir gehen davon aus, dass Sie am Kauf der Filiale in ... noch interessiert sind. Es wurde vereinbart, dass wir Sie aus dem Vertragsverhältnis entlassen, sobald die Übernahme ... rechtlich geklärt ist. Es wurde davon ausgegangen, dass dies spätestens zum 01.Mai 2005 erfolgen kann" (Bl. 45 der Gerichtsakte). Einem weiteren Schreiben der ... GmbH vom 19.04.2005 kann sodann entnommen werden, dass "nach dem Verhandlungsstand mit dem derzeitigen Pächter ... mit einer Übernahme bzw. Aufnahmen ihrer Tätigkeit nicht vor dem 01. Juli 2005 zu rechnen" sei (Bl. 46 der Gerichtsakte). Der Kläger trägt hierzu vor, als er feststellen musste, dass er die Filiale nicht kurzfristig übernehmen konnte, habe er sich nach anderer Arbeit umgesehen und sei seit Beginn des Monats Juni 2005 ununterbrochen in Arbeit. Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20.11.2006 gab der Kläger an, dass er seit Februar 2006 bei der ... GmbH beschäftigt war und seit Juni 2006 die komplette ... GmbH übernommen hat.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 25.05.2005 und 06.06.2005 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2005, insoweit aufzuheben, als darin eine Aufhebung und Rückforderung bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 09.05.2005 bis 31.05.2005 verfügt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte hält an der getroffenen Entscheidung fest und verweist auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, der Kläger sei im Rahmen einer Gruppeninformation auf die Rechtsfolgen bei nicht bundesweiter Verfügbarkeit hingewiesen worden. Eine entsprechende Erklärung und Belehrung hierüber habe der Kläger durch seine Unterschrift bestätigt.

Am 20.11.2005 fand ein Erörterungstermin statt, in dem keine Einigung erzielt werden konnte. Auf die diesbezügliche Niederschrift (Bl. 31 - 32 der Gerichtsakte) und den Berichtigungsbeschluss vom 11.12.2006 (Bl. 47 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverstanden erklärt (Bl.37 und 39 der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist erfolgreich, da sie zulässig und begründet ist.

Die Kammer kann vorliegend gem. § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

I.

Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig.

II.

Die Klage ist auch in der Sache begründet. Die Entscheidung der Beklagten die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 09.05.2005 bis 31.05.2005 aufzuheben und die in dieser Zeit erbrachten Leistungen zurückzufordern, erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in dessen Rechten.

1.)

Die Aufhebung des bewilligten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 09.05.2005 bis 31.05.2005 ist rechtswidrig, da entgegen der Ansicht der Beklagte, die Erklärung des Klägers "er sei nicht bundesweit mobil" nicht zum Entfallen der Arbeitslosigkeit führt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld kann vorliegend allein § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sein. Danach ist die Beklagte nur dann berechtigt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Die Beklagte ist vorliegend zu Unrecht von einer wesentlichen Änderung ausgegangen. Die Verfügbarkeit und damit die Arbeitslosigkeit des Klägers ist nicht deswegen entfallen, weil dieser erklärt hat, er stehe nicht bundesweit zur Verfügung.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gem. § 118 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitnehmer, die 1.) arbeitslos sind, 2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 119 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Der Kläger hat diese Voraussetzungen auch in der Zeit vom 09.05.2005 bis 31.05.2005 erfüllt. Insbesondere war der Kläger verfügbar und seine Verfügbarkeit ist durch die am 09.05.2005 abgegebene Erklärung, er sei nicht bundesweit mobil, nicht entfallen. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gem. § 119 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2.) Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3.) bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben und 4.) bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Was eine zumutbare Beschäftigung im Sinne des § 119 Abs. 5 Nr.1 SGB III ist, bestimmt § 121 SGB III. Nach § 121 Abs. 1 SGB III sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. Nach § 121 Abs. 4 Satz 4 SGB III ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird. Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs nach § 121 Abs. 4 Satz 5 SGB III in der Regel zumutbar. Nach § 121 Abs. 4 Satz 6 SGB III sind die Sätze 4 und 5 von § 121 Abs. 4 SGB III nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht.

Zur Überzeugung der Kammer schließt die ohne konkreten Anlass, d.h. ohne konkretes Arbeitsangebot, von einem Arbeitslosen abgegebene Erklärung, er stehe dem Arbeitsmarkt nicht bundesweit zur Verfügung, die Verfügbarkeit für eine zumutbare Tätigkeit im Sinne des § 119 Abs. 5 Nr.1 SGB III nicht aus. Die Kammer hat sich hierbei von den folgenden Erwägungen leiten lassen:

Zunächst ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 121 SGB III ein Umzug ausschließlich "zur Aufnahme einer Beschäftigung" zumutbar. Verlangt man daher von einem Arbeitslosen eine Erklärung zu dessen Umzugsbereitschaft, so kann dies nur im Zusammenhang mit der Unterbereitung eines konkreten Arbeitsangebotes erfolgen. Hingegen erachtet es die Kammer mit dem Wortlaut dieser Regelung nicht für vereinbar, wenn von Arbeitslosen pauschale Erklärungen über deren Umzugsbereitschaft abverlangt werden, ohne dass überhaupt ein Arbeitsangebot vorliegt. Hierbei darf nicht verkannt werden, dass die Entscheidung, ob ein Umzug für eine Arbeitsstelle erfolgt, immer eine komplexe Abwägungsentscheidung darstellt, die letztendlich ganz ausschlaggebend durch die konkret angebotene Arbeitstelle beeinflusst wird. Es ist ohne weiteres denkbar, dass ein Arbeitsloser zwar generell einem Umzug skeptisch gegenübersteht, für ein besonders attraktives Arbeitsangebot jedoch jederzeit zu einem Umzug bereit ist. Ebenso mag ein generell zu einem Umzug bereiter Arbeitsloser, einen konkreten Umzug ablehnen. Um Missverständnissen vorzubeugen ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Arbeitsangebotes keineswegs nach dem soeben skizzierten subjektiven Bewertungsmaßstab des Arbeitslosen erfolgt, sondern ausschließlich nach den Kriterien des § 121 SGB III zu erfolgen hat. Allerdings ergibt sich aus dem zuvor gesagten, dass pauschale Erklärungen nach Ansicht der Kammer ein untaugliches Mittel darstellen, um die tatsächliche Umzugsbereitschaft eines Arbeitslosen festzustellen. Aus diesem Grund vermag auch die nahe liegende Argumentation, die Beklagte müsse zunächst die Bereitschaft zu einem Umzug überprüfen, bevor sie Arbeitsangebote unterbreitet, die Kammer nicht zu überzeugen. Nicht ausgeblendet werden kann in diesem Zusammenhang zudem, dass eine tatsächliche Überprüfung der Bereitschaft zu einem Umzug durch derartige pauschale Erklärung gar nicht erfolgen kann, da sich der Wahrheitsgehalt der gemachten Angaben letztendlich erst bei Unterbreitung eines konkreten Stellenangebot erweist. D.h. ein Arbeitsloser, der wahrheitswidrig angibt, er sei zu einem Umzug bereit, dies jedoch tatsächlich nicht ist, muss erst dann mit Konsequenzen rechnen, wenn ihm ein konkretes Stellenangebot unterbreitet wird, welches er nicht annimmt. Dies bestätigt die zuvor gemachte Überlegung, dass nur die Ablehnung eines konkreten Arbeitsangebotes eine Sanktion nach sich zieht.

Gerade dies entspricht auch der in § 144 Abs. Abs.1 Nr. 2 SGB III erfolgten gesetzgeberischen Wertung. Hiernach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit, wenn ein Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitsgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt. Die Dauer einer solchen Sperrzeit bei erstmaliger Ablehnung eines Arbeitsangebotes beträgt drei Wochen (§ 144 Abs. 4 Nr. 1 c SGB III). Es ist nach Ansicht der Kammer mit der durch diese Regelung zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Wertung nicht vereinbar, dass die Äußerung eines Arbeitslosen "er sei nicht bundesweit mobil", ohne dass ihm ein Arbeitsangebot unterbreitet wird, zur weitaus drastischeren Rechtsfolge, des sofortigen Entfallens der Anspruchsberechtigung führt (vgl. hierzu auch, SG Dresden, Urteil vom 26.05.2004, Az.: S 23 AL 1051/03). Hiergegen kann auch nicht überzeugend eingewandt werden, dass der Arbeitslose ja nur zu erklären brauche, er sei bundesweit mobil, um wieder einen Anspruch zu haben, so dass die Rechtsfolge unter Umständen sogar milder sei, als eine dreiwöchige Sperrzeit. Hierdurch wird einerseits nur bestätigt, dass die abverlangte Erklärung zur bundesweiten Mobilität letztendlich völlig unbrauchbar ist, da es zumeist durchaus zweifelhaft erscheinen dürfte, ob in solchen Fällen tatsächlich eine Meinungsänderung stattgefunden hat und nicht nur eine taktisch motivierte Erklärung erfolgt. Zum anderen ist diese Argumentation vom Zeitpunkt des Erlasses der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung abhängig und damit nicht zu verallgemeinern. Vorliegend wurde beispielsweise die Aufhebungsentscheidung am 25.05.2005 und der Rücknahmebescheid am 06.06,2005 verfügt, so dass auch bei "Änderung" der Meinung nach Erhalt des Rücknahmebescheides nicht von einer gegenüber einer Sperrzeit milderen Sanktion gesprochen werden kann.

Zuletzt ist zu bedenken, dass ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs nach § 121 Abs. 4 Satz 5 SGB III nur "in der Regel" zumutbar ist. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass die von der Beklagten in ihrem Vordruck "Erklärung zur Zumutbarkeit/Umzugsbereitschaft" verwendete "Anmerkung", mit der die Rechtsfolgen erläutert werden, gerade nicht darauf hinweist, dass ein Umzug nur "in der Regel" zumutbar ist, sondern unzutreffend den Eindruck erweckt, dass es keinerlei Ausnahmen ergibt. Die erteilte Rechtsfolgenbelehrung ist daher falsch. Die im Gesetz enthaltene Formulierung "in der Regel zumutbar" beinhaltet zwingend die Wertung, dass es Ausnahmen von dieser Regel, auch unterhalb der Schwelle des wichtigen Grundes geben muss (so auch Gagel, SGB III, § 121 Rn. 94 e). Eine derartige Ausnahme ist etwa anzunehmen, wenn festgestellt werden kann, dass ein Arbeitsloser in absehbarer Zeit am Wohnort oder innerhalb des Tagespendelbereichs in Arbeit vermittelt werden kann. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht in diesem Fall dem Ansinnen entgegen, der Arbeitslose müsse zur Erlangung eines Arbeitsplatzes umziehen. Entsprechendes gilt, wenn für den Arbeitslosen außerhalb des Tagespendelbereichs nicht ein unbefristetes oder jedenfalls langfristiges, mehrjähriges Arbeitsverhältnis vorgesehen ist (Gagel, a.a.O). Auch hieraus ergibt sich für die Kammer wiederum, dass eine Sanktion ohne konkretes Stellenangebot ausgeschlossen ist, da eine Prüfung, ob eine Regelfall oder ein Ausnahmefall vorliegt, letztendlich maßgeblich durch das konkrete Stellenangebot beeinflusst werden kann.

Im Fall des Klägers ist gerade in Anbetracht dessen, dass keine konkrete Stelle unterbreitet wurde, jedenfalls von einem Ausnahmefall im zuvor genannten Sinne auszugehen. Nach Ansicht der Kammer lagen zum Zeitpunkt der vom Kläger abgegebenen Erklärung am 09.05.2005 nachvollziehbare Gründe vor, die seine Annahme, er werde in absehbarer Zeit am Wohnort eine Beschäftigung finden, stützten. Wie der Kläger durch Vorlage der Schreiben der ... GmbH vom 17.01.2005 und 19.04.2005 nachgewiesen hat, liefen zumindest bereits seit Januar 2005 konkrete Verhandlungen darüber, dass der Kläger die ... - Filiale im ... übernimmt. Die Kammer teilt die Auffassung des Klägers, dass es hierbei auf eine Prognoseentscheidung ankommt. Vorliegend bestanden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die im Mai 2005 berechtigt darauf schließen ließen, dass der Kläger in absehbarer Zeit am Wohnort eine Tätigkeit aufnimmt, die zur Beendigung seiner Arbeitslosigkeit führt. Dass sich diese Prognose einer baldigen Übernahme der ... - Filiale nicht verwirklich hat, sondern sich der Plan des Klägers erst nach mehreren Monaten verwirklichen ließ, steht somit der Beurteilung der Zumutbarkeit zum Zeitpunkt der Erklärung am 09.05.2005 nicht entgegen.

Bei der Entscheidung über die Verfügbarkeit kann letztendlich auch der tatsächlich nachgewiesene Arbeitswille des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben. Der Kläger selbst hat auf eigene Initiative bereits wenige Wochen nach dem 09.05.2005 eine Tätigkeit aufgenommen, die nach - seinen eigenen Angaben - zum Entfallen der Arbeitslosigkeit führte.

Nach alledem ist für die Annahme der Beklagten, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei wegen mangelnder Verfügbarkeit ab dem 09.05.2005 entfallen, kein Raum.

2.)

Entsprechend den obigen Ausführungen ist auch die von der Beklagen angeordnete Rückerstattung geleisteten Arbeitslosengeldes rechtswidrig. Die hierfür von der Beklagten benannte Rechtsgrundlage des § 50 Abs. 1 SGB X setzt die rechtmäßige Aufhebung des Bewilligungsbescheides voraus. Dementsprechend ist auch die auf § 335 Abs. 1 SGB III gestützte Rückerstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

IV.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist geringer als 500 EUR, so dass die Berufung nur zulässig ist, wenn sie von der Kammer zugelassen wird. Die Kammer hat die Berufung vorliegend zugelassen, da zu der Frage, ob eine pauschale Erklärung zur bundesweiten Mobilität der Verfügbarkeit entgegensteht, noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist. Da die Beklagte diese Erklärungen in gängiger Praxis verlangt, besteht ein Interesse an einer einheitliche Klärung, so dass der aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 144 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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