L 7 SO 85/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 59 SO 161/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 85/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Sozialhilfeträger kann sich der Handlungsform des Dauerverwaltungsaktes bedienen. Strukturprinzipien des Sozialhilferechts stehen dem nicht entgegen.

Ob ein Dauerverwaltungsakt erlassen wurde, ist objektiv nach dem Empfängerhorizont zu entscheiden.

Der Barbetrag des Hilfeempfängers gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (früher "Taschengeld" genannt) dient der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse und stellt kein einsetzbares Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO dar.
Bemerkung
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

III. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2006 abgeändert. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ohne Ratenzahlung bewilligt.

IV. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragsgegnerin die Gewährung von Hilfe zur Pflege davon abhängig machen darf, dass die dem Antragsteller und seiner Ehefrau, der Beigeladenen, gehörende Eigentumswohnung mit einer Grundschuld in Höhe von 100.000 EUR zur Sicherung der Rückzahlung belastet wird.

Der 1925 geborene Antragsteller befindet sich seit 7. März 2005 in einem Altenpflegeheim. Die Heimkosten wurden zunächst aus dem Einkommen und Vermögen bezahlt.

Der Antragsteller und die Beigeladene sind Eigentümer einer ca. 111 qm großen Eigentumswohnung in A., deren Wert von der Antragsgegnerin mit ca. 202.000 EUR eingeschätzt wird.

Am 11. Juli 2005 beantragte der Antragsteller, vertreten durch seine Ehefrau, Hilfe zur Pflege ab 1. August 2005. Mit Bescheid vom 3. August 2005 bewilligte die Antragsgegnerin "vorerst darlehensweise Hilfe in besonderen Lebenslagen ab 1. August 2005 monatlich". In dem Bescheid heißt es u.a. weiter, die Zahlungen erfolgten durch Überweisung zum 15. des laufenden Monats auf das Konto des Alten- und Pflegeheimes. Jede Änderung u. a. der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei unverzüglich und unaufgefordert dem Sozialhilfeträger mitzuteilen. Auf Bl. 2 des Bescheides wird u.a. verlautbart, die darlehensweise Kostenübernahme erfolge ab 1. August 2005 bis auf Weiteres.

Die Beigeladene wurde in einem besonderen Schreiben vom selben Tag darauf hingewiesen, dass die Kostenzusage wegen des Miteigentums an der Eigentumswohnung darlehensweise erfolge.

Mit Schreiben vom 9. November 2005 wurde der inzwischen zum Betreuer des Antragstellers bestellte Sohn des Antragstellers darauf hingewiesen, dass eine darlehensweise Hilfegewährung von der Eintragung im Grundbuch wegen vorhandenen Vermögens in Form einer Eigentumswohnung abhängig gemacht werde.

Mit Schreiben vom 24. November 2005 wurde dem Betreuer eine Zustimmungserklärung zur Eintragung einer Grundschuld über 100.000 EUR zur Unterschrift zugesandt. Der Antragsteller lehnte in der Folgezeit die Verwertung der Eigentumswohnung ab.

Daraufhin erteilte die Antragsgegnerin mit Datum vom 25. April 2006 einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid. Sie hob darin den Bescheid vom 3. August 2005 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch X (SGB X) auf und forderte die bisher zu Unrecht geleisteten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 13.166,22 EUR aufgrund vorhandenen Vermögens zurück. Die laufende Zahlung stellte sie ab Mai 2006 ein.

Der Antragsteller erhob Widerspruch, den die Antragsgegnerin inzwischen mit Bescheid vom 28. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen hat. Ob inzwischen Klage erhoben wurde, ist nicht ersichtlich.

Bereits am 17. Mai 2006 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (im Folgenden: SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er begehrt die Übernahme der monatlich anfallenden ungedeckten Heimkosten unabhängig von der Zustimmung zur Eintragung einer Grundschuld. Die Eigentumswohnung gehöre zu dem nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützten Vermögen. Die Wohnung sei auch nicht unangemessen, insbesondere auch nicht, wenn man bedenke, dass es sein könne, dass der Antragsteller wieder in seine Wohnung zurückkehre.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, das Gesetz schütze in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII lediglich ein angemessenes Hausgrundstück. Dies sei der in der Wohnung verbliebenen Ehefrau auch zuzugestehen. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sowie Gesetzeskommentierungen sei eine Wohnung mit einer Größe von 60 qm für eine Einzelperson ausreichend. Die Wertdifferenz zwischen der tatsächlich vorhandenen Wohnung und einer fiktiven angemessenen Wohnung mit einer Größe von 60 qm betrage über 100.000 EUR. Es sei daher Vermögen oberhalb der Vermögensfreigrenze vorhanden, so dass eine Hilfegewährung wegen dieses Vermögens eigentlich abzulehnen wäre. Hilfe könne jedoch als Darlehen geleistet werden, wenn Vermögen einzusetzen sei, dessen sofortiger Verbrauch oder dessen sofortige Verwertung nicht möglich sei oder eine besondere Härte bedeuten würde. Da der Antragsteller einer Grundschuldeintragung nicht zugestimmt habe, habe keine andere Entscheidung als der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid getroffen werden können.

Mit Beschluss vom 9. Juni 2006 hat das SG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt und dabei eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 30 EUR angeordnet.

Mit Beschluss vom 6. September 2006 hat das SG festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 15. Mai 2006 gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 aufschiebende Wirkung habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass eine einstweilige Anordnung nur dann in Betracht komme, wenn keine Anfechtungssache vorliege. Dieses sei jedoch hier der Fall. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes richte sich daher nach § 86 b Abs. 1 SGG. Die Umdeutung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 SGG sei zulässig und im vorliegenden Fall zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten. Der Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2005 sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn dem Antragsteller sei hierdurch eine bestimmte Leistung in Gestalt von darlehensweiser Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen in Pflegestufe II in Höhe der vereinbarten Pflegesätze "bis auf Weiteres", damit ohne zeitliche Begrenzung, bewilligt worden. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 sei ein belastender Verwaltungsakt, denn er entziehe dem Antragsteller die ihm bisher darlehensweise gewährten Leistungen. Der von dem Antragsteller erhobene Widerspruch habe aufschiebende Wirkung. Dies bedeute, dass die dem Antragsteller darlehensweise gewährten Leistungen in bisheriger Höhe vorläufig wie bisher darlehensweise weiter zu gewähren seien, bis rechtskräftig über den eingelegten Widerspruch entschieden worden sei. Da die Antragsgegnerin offenbar nicht von der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausgehe, sei in entsprechender Anwendung von § 86 b Abs. 1 SGG aus Gründen der Rechtssicherheit festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe.

Gegen den am 14. September 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 12. Oktober 2006 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 24. Oktober 2006). Aufgrund der Zweckbestimmung der Sozialhilfe werde diese Leistung grundsätzlich nur täglich, respektive für den laufenden Monat gezahlt und müsse jeweils ausdrücklich oder konkludent neu bewilligt werden. Es bedürfe danach keines formellen Einstellungsbescheides, um die Sozialhilfe einzustellen. Durch die Neufassung des Sozialhilferechts – Ersetzung des BSHG durch das SGB XII – habe sich nichts am Rechtscharakter der Sozialhilfegewährung geändert. Sozialhilfe sei weiterhin Hilfe für eine bestimmte Person in einer konkreten, gegenwärtigen Notlage, die sich prinzipiell täglich ändern könne und daher gleichsam täglich neu regelungsbedürftig sei (Hinweis auf Grube/Wahrendorf, SGB XII, Einleitung, Rdnr. 134, Aufl. 2005; BVerwGE 25, 307 ff.; 89, 81, 85; BVerwG NvwZ 1987, 412). Es handele sich bei der Sozialhilfe nicht um eine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung mit Versorgungscharakter. Das gelte auch für die Hilfe zur Pflege, selbst wenn nahezu auszuschließen sei, dass sich die Pflegenotwendigkeit noch ändere. Immerhin bestehe aber die Möglichkeit einer Änderung der wirtschaftlichen Lage, die die Anspruchsberechtigung möglicherweise ad hoc entfallen lasse. Für das Recht des SGB II habe der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung dahingehend getroffen, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten (§ 39 SGB II), die Bescheide also sofort vollziehbar seien. Aus dem Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift im SGB XII könne jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass im SGB XII die einmal gewährten Leistungen trotz Widerspruchs und Klage weiter gewährt werden müssten. Der Gesetzgeber sei offensichtlich vielmehr von der bisherigen Charakterisierung der Sozialhilfe durch die Rechtsprechung ausgegangen und habe daher eine dem § 39 SGB II vergleichbare Vorschrift für überflüssig gehalten. Mit einer Bewilligung "bis auf Weiteres" oder "monatlich" stelle der Träger der Sozialhilfe lediglich weitere Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen in Aussicht, die Bewilligung gelte auch in diesem Fall nur für den nächstliegenden Zeitraum (Hinweis auf Schellhorn, Kommentar zum SGB XII, § 17 Rdnr. 41). Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass es nahezu ausgeschlossen sei, bei Pflegebedürftigen nachträglich Rückzahlungen durchzusetzen. Dies sei aber notwendig, wenn erst das Widerspruchsverfahren abgewartet werden müsste und auch ein entsprechendes Klageverfahren. Ob die Anordnung sofortigen Vollzuges, die dann in diesen Fällen als Alternative in Frage käme, jeweils Erfolg hätte, möge dahingestellt bleiben. Jedenfalls sei der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch.

Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Der Antragsteller hat am 7. Juli 2006 gegen den die Prozesskostenhilfe nur mit einer Ratenzahlungsauflage bewilligenden Beschluss des SG vom 9. Juni 2006, welcher ihm am 13. Juni 2006 zugestellt wurde, Beschwerde eingelegt (L 7 B 281/06 SO), der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 24. Oktober 2006). Ferner beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf einen Band Gerichtsakten und einen Band Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Senat vorlagen und zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden sind.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Rechtsgrundlage des vorläufigen Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers ist § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Auslegung (vgl. § 123 SGG) und Umdeutung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nach § 86 b Abs. 1 SGG ist zulässig und hier zur Gewährung effektiven Rechtschutzes geboten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2006 – L 15 B 1105/05 SO ER; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 3. September 1990 – 5 S 1840/90; Keller in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rdnr. 9 b, 26 a). Dies hat das SG zutreffend erkannt. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG wegen des Vorrangs der Regelungen in § 86 b Abs. 1 SGG nur statthaft, wenn gerichtlicher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren über die isolierte Anfechtungsklage (bzw. den Anfechtungswiderspruch) nicht zulässigerweise erreicht werden kann. Um eine Anfechtungssache handelt es sich indes bei dem im Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid vom 25. April 2006 erhobenen Begehren. Da der Widerspruch (und die Klage) gegen den Bescheid vom 25. April 2006 kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG, aufschiebende Wirkung haben, kommt eine Anwendung der Vorschrift des § 86 b Abs. 1 SGG vorliegend nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend in Frage. Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs erfolgt durch deklaratorischen Beschluss (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15; LSG Thüringen, Beschluss vom 23. April 2002 - L 6 RJ 113/02 ER -).

Bei dem angefochtenen Bescheid vom 25. April 2006 handelt es sich um eine auf § 45 SGB X gestützte kassatorische Entscheidung bezüglich des Bescheides vom 3. August 2005. Ist der Anfechtungswiderspruch bzw. die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 25. April 2006 erfolgreich, so führt dies zur Fortwirkung der mit dem Bescheid vom 3. August 2005 gesetzten Rechtsfolgen und zwar auch für die Zukunft, denn bei diesem Bescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, so dass der Antragssteller sein Rechtsschutzziel allein durch die (isolierte) Anfechtungsklage bzw. einen (isolierten) Anfechtungswiderspruch erreichen kann.

Bei dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2005 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Zwar stellte die Sozialhilfe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum BSHG wegen ihres Gegenwartscharakters keine rentengleiche Dauerleistung dar (vgl. BVerwGE 25, 307, 309). Es kann indes dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung unter der Geltung des SGB XII weiterhin uneingeschränkt zu folgen wäre, zumal etwa die Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der Regel für 12 Monate zu bewilligen ist, so dass ein derartiger Bewilligungsbescheid in jedem Fall als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 44 Rdnr. 1). Ein Grund, den Personenkreis, der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII bezieht, schlechter zu behandeln, als den Personenkreis, der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel des SGB XII) erhält, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Bereits nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts waren verstärkte Tendenzen zur Öffnung des Sozialhilferechts auch für das Institut des Dauerverwaltungsaktes zu erkennen, so wenn die Auslegung ergab, dass der Sozialhilfeträger den Hilfefall nicht nur für den nächstliegenden Zahlungszeitraum sondern für einen längeren Zeitraum geregelt hatte (BVerwGE 99, 149).

Im vorliegenden Fall muss die Frage, ob Bescheide über die Gewährung von Sozialhilfe – anders als nach dem BSHG – nach dem SGB XII (grundsätzlich) als Dauerverwaltungsakte anzusehen sind, nicht entschieden werden. Denn nach dem Tenor und dem Inhalt des Bescheides vom 3. August 2005 ist nach dem Empfängerhorizont des Leistungsberechtigten objektiv auf eine Hilfegewährung für einen unbestimmten Zeitraum nach Bescheiderlass in die Zukunft und nicht nur für den nächstliegenden Zeitraum zu schließen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Formulierungen "ab 1.08.2005 monatlich" und "bis auf Weiteres". Ferner ist auch aus dem Hinweis auf die Überweisung zum 15. des (jeweils) laufenden Monats und durch die mitgeteilte Verpflichtung zur Änderung von (u.a.) Einkommens- und Vermögensverhältnissen aus der Sicht des Empfängers ein Anhaltspunkt für eine mit dem Bescheid intendierte dauerhafte rechtsgestaltende Wirkung zu entnehmen. Die genannten einschränkungslosen Formulierungen "bis auf Weiteres" bzw. "ab" stellen aus der Sicht des Empfängers die Leistungen für die Folgemonate nicht lediglich in Aussicht, sondern lassen deren weitere Zahlung ohne erneute Prüfung und Bewilligung erwarten. Für den Empfänger – den Antragsteller – ergeben sich aus dem Bescheid keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Bewilligung nur für den nächstliegenden Zeitraum gelten sollte. Dem Sozialhilfeträger ist es im Übrigen auch rechtlich nicht verwehrt, den Sozialhilfefall zeitlich umfassender als für den seiner Entscheidung nächstliegenden Zeitraum zu regeln (BVerwG, a.a.O.). Die Strukturprinzipien der Sozialhilfe, insbesondere der Grundsatz der "Gegenwärtigkeit der individuellen Notlage" stehen dem nicht grundsätzlich entgegen (vgl. Rothkegel/Grieber in: Rothkegel: Sozialhilferecht, 1. Aufl. 2005, Kap. 6, Teil. 4, Rdnr. 47).

Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass die Antragsgegnerin auch gegenüber der Beigeladenen am 5. August 2005 und 10. August 2005 Dauerverwaltungsakte erlassen hat (Heranziehung zum Aufwendungsersatz). Träfe die Auffassung der Antragsgegnerin zur Rechtsnatur der von ihr erlassenen Bescheide zu, müsste sie die Bescheiderteilung gegenüber der Beigeladenen monatlich wiederholen, um eine jeweils aktualisierte Verpflichtung der Beigeladenen zum Aufwendungsersatz zu bewirken.

Der Antragsteller hat gegen den Bescheid am 25. April 2006 rechtzeitig Widerspruch erhoben. Dieser Widerspruch hat gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, denn keiner der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmegründe liegt hier vor; ein Sofortvollzug (§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG) war nicht angeordnet. Entsprechendes gilt, soweit Klage nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 erhoben werden sollte. Das bedeutet, dass die Antragsgegnerin die mit dem Bescheid vom 3. August 2005 zugesagte Hilfe zur Pflege vorerst darlehensweise weiter gewähren muss.

Da die Antragsgegnerin nicht von der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausging, hat das SG zu Recht in entsprechender Anwendung von § 86 b Abs. 1 SGG festgestellt, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe (vgl. Keller a.a.O., Rdnr. 5 m.w.N.). Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin mit Blick auf die Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses die ab Mai 2006 verfügte Einstellung der Leistungen rückgängig macht und die Leistungen bis zum Ablauf des Monats der Erteilung des Widerspruchsbescheides bzw. bis zum Ende eines evtl. Klageverfahrens weiter gewährt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des SG Frankfurt am Main vom 9. Juni 2006 war dieser abzuändern. Der Antragsteller hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung. Für den Senat ist nicht ersichtlich, wie das SG das einzusetzende Einkommen des Antragstellers gemäß § 73 a SGG i.V.m. § 115 Zivilprozessordnung – ZPO – berechnet hat, da der angefochtene Beschluss insoweit nicht begründet worden ist. Soweit die durch das SG ausgesprochene Ratenzahlungsverpflichtung darauf beruhen sollte, dass dem Antragsteller ein monatlicher Barbetrag von 89,70 EUR ausgezahlt wurde, kann dieser Betrag nicht als einzusetzendes Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO angesehen werden (abgesehen von dem Umstand, dass die Antragsgegnerin auch die Zahlung des Barbetrages ab Mai 2006 eingestellt hat). Denn der Barbetrag, den der Hilfeempfänger gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erhält (früher "Taschengeld" genannt), dient der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens und umfasst danach alle durch die Einrichtung oder den Sozialhilfeträger mit Sonderleistungen nicht gedeckten Aufwendungen, z.B. zur Erhaltung der Beziehungen mit der Umwelt und zur allgemeinen Bildung (vgl. Schellhorn, Kommentar zum SGB XII, 17. Auflage, § 35 SGB XII, Rdnr. 15). Außerhalb von Einrichtungen ist dieser Bedarf durch den Regelsatz abgegolten. Prozesskostenhilferechtlich wird die Deckung der angesprochenen Bedürfnisse durch den Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO sichergestellt. Der Barbetrag ist damit ein Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums und kann deswegen selbst dann nicht als einzusetzendes Einkommen gewertet werden, wenn die weiteren Bedürfnisse durch die Einrichtung, in der sich der Hilfeempfänger befindet, gedeckt werden. Über weitere laufende Einnahmen verfügt bzw. verfügte der Antragsteller nicht. Die Eigentumswohnung kann aktuell nicht verwertet werden und ist deshalb nicht als einzusetzendes Vermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII zu berücksichtigen. Ob es sich bei dem zwischen den Beteiligten geführten Rechtsstreit um eine persönliche Angelegenheit im Sinne des § 1360a Abs. 4 BGB handelt, kann offen bleiben, denn die Beigeladene ist bereits deswegen nicht zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses an ihren Ehemann verpflichtet, weil sonst ihr eigener Bedarf nicht gedeckt wäre. Die über für die Deckung des Eigenbedarfs notwendigen Mittel hinausgehenden Einkünfte der Beigeladenen hat die Antragsgegnerin durch die Heranziehung zum Aufwendungsersatz abgeschöpft (Bescheide vom 5. August 2005 und 10. August 2005).

Angesichts einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO war dem Antragsteller auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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