L 28 AS 1059/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 96 AS 1636/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1059/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Während es sich im Fall einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Familienmitgliedern um eine typische einheitliche Lebenssituation handelt, die eine andere Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung als nach Kopfteilen nicht zulässt, sind in reinen Wohngemeinschaften auf der Grundlage von wirksamen Untermietverträgen die zivilrechtlich wirksam vereinbarten Wohnkosten als tatsächlich angefallene Wohnkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II anzusehen.

2. Die Bereitschaft des Hilfebedürftigen, sich mit Dritten eine Wohnung zu teilen, ist nicht als Besonderheit des Einzelfalles anzusehen, die zu einer vom Regelfall abweichenden Bestimmung der maßgeblichen Wohnungsgröße führt. Ein Abschlag für die maßgebliche Wohnungsgröße (dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 RdNr. 17 ff.) - sei er pauschal oder konkret durch die nur hälftige Anrechnung gemeinsam genutzter Wohnflächen berechnet - ist auch vor dem Hintergrund, dass die Nebenflächen (Küche, Bad, Flur, Stauraum) und ggf. ein Wohnraum in Mehrpersonenhaushalten gemeinsam genutzt werden, nicht vorzunehmen.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2006 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 und der Bescheid vom 26. Juni 2006 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere 600,36 Euro für im Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 angefallene Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu zahlenden angemessenen Kosten der Unterkunft in der Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006.

Der 1972 geborene, erwerbsfähige und hilfebedürftige Kläger erhält seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er lebte bis zum 30. November 2005 in einer Mietwohnung in B, für die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 248,- Euro aufzubringen waren. Er schloss am 10. Oktober 2005 zum 1. November 2005 mit dem Hauptmieter einer 57,20 qm großen, teilmöblierten 3-Zimmer-Wohnung in der JStr., B einen Untermietvertrag über ein Zimmer sowie die Mitbenutzung von Küche, Bad und Wohnzimmer, ohne dass eine Zusicherung des bis dahin für die Leistungserbringung örtlich zuständigen Trägers der Grundsicherung zu den Aufwendungen für diese Unterkunft vorlag. Der vereinbarte monatliche Nettomietzins betrug 250,- Euro, daneben war eine Heizkostenpauschale in Höhe von 40,- Euro, eine Stromkostenpauschale in Höhe von 25,- Euro, eine Pauschale für Radio/TV in Höhe von 15,- Euro und eine Pauschale für Entsorgungsgebühren in Höhe von 25,- Euro vereinbart. Nach dem Hauptmietvertrag vom 29. November 2005 (mit dem der Hauptmieter, der die Wohnung bereits zuvor tatsächlich bewohnt hatte, in das zwischen seinen Eltern und dem Vermieter bestehende Mietverhältnis eingetreten war) schuldete der Hauptmieter dem Vermieter eine Nettokaltmiete in Höhe von 238,52 Euro monatlich, daneben eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 92,19 Euro und eine Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser in Höhe von 61,36 Euro monatlich. Die Untervermietung genehmigte der Vermieter mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 unter der Voraussetzung, dass der Hauptmieter weiterhin den überwiegenden Teil der Wohnung ständig selbst nutze, und erhob dafür einen monatlichen Untermietzuschlag in Höhe von 2,50 Euro. Jedenfalls zum 1. Dezember 2005 zog der Kläger in die Wohnung ein und lebte im streitigen Zeitraum dort ohne weitere Angehörige. Das Umgangsrecht mit seinen beiden 1999 geborenen, in G lebenden Kindern, das Wochenendaufenthalte der Kinder bei ihm umfasste, hat er erst vom 1. Juli 2006 an tatsächlich ausgeübt. Das Untermietverhältnis dauerte bis zum 31. Oktober 2006.

Auf seinen Antrag vom 10. November 2005 bewilligte der mit dem Umzug örtlich zuständig gewordene Beklagte mit Bescheid vom 25. November 2005 zunächst für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 536,53 Euro und berücksichtigte dabei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 191,53 Euro monatlich, mithin die Hälfte der aus dem Hauptmietvertrag entstandenen Kosten. Der Widerspruch wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2006).

Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung betrügen 315,- Euro monatlich, so dass monatlich weitere 123,47 Euro zu zahlen seien. Lediglich die Pauschale für Strom und die Pauschale für die Kabelgebühren (die er nach Änderung des Untermietvertrages tatsächlich nicht mehr zahle) müsse der Beklagte nicht als Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigen. Er habe eine Wohnung finden müssen, die groß genug sei, um künftig das Umgangsrecht wahrnehmen zu können. Dies sei in seiner alten Wohnung im Bezirk N, die nur 20 qm Wohnfläche gehabt habe, nicht möglich gewesen. Der Hauptmieter habe über ein Zeitungsinserat einen Untermieter für ein Jahr gesucht. Er, der Hauptmieter, wohne in dieser Zeit nach der Trennung von seiner Familie aus persönlichen und finanziellen Gründen nicht überwiegend in der Wohnung, was er in einer Erklärung bestätigt habe. Er, der Kläger, nutze ein 16,8 qm großes Zimmer, das 14,4 qm große Wohnzimmer sowie Flur, Küche und Bad (insgesamt 17,2 qm), während dem Hauptmieter zur alleinigen Nutzung lediglich ein 9,7 qm großes Zimmer zur Verfügung stehe.

Den geltend gemachten Anspruch erkannte der Beklagte nach entsprechender Verpflichtung im einstweiligen Rechtsschutz (Beschluss des SG vom 10. März 2006 - S 96 AS 1636/06 ER -) in Höhe von 23,41 Euro monatlich an und bewilligte mit Bescheid vom 26. Juni 2006 für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. März 2006 Leistungen in Höhe von 559,94 Euro monatlich (345,- Euro Regelleistung und 214,94 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung) und vom 1. April 2006 bis zum 31. Mai 2006 590,62 Euro monatlich (die vorstehend genannten Leistungen zuzüglich einer Pauschale für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 30,68 Euro).

Die weitergehende Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 28. August 2006 abgewiesen. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 10. März 2006 hat es die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung mit 214,94 Euro pro Monat beziffert. Da dem Kläger nur ein Teil der Wohnung zur Verfügung stehe, der offensichtlich nicht dem Verhältnis von Hauptmiete zur vereinbarten Untermiete entspreche, sei die vereinbarte Untermiete als unangemessen hoch anzusehen. Allerdings komme eine Aufteilung der Wohnkosten nach Kopfteilen, wie sie der Beklagte ursprünglich vorgenommen habe, ebenfalls nicht in Betracht. Entscheidend sei vielmehr das untermietvertraglich vereinbarte Nutzungsrecht. Insgesamt entfalle auf den Kläger eine von ihm genutzte Mietfläche in Höhe von 32,6 qm (das von ihm allein genutzte Zimmer sowie Wohnzimmer und Nebenräume mit einem Anteil von ½). Die tatsächlich im Hauptmietverhältnis anfallenden Kosten seien entsprechend diesem Anteil zu der Gesamtgröße der Wohnung als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen. Weitergehende Ansprüche bestünden dagegen nicht.

Gegen das ihm am 22. September 2006 durch Übergabe zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2006, der nicht vom ihm unterschrieben ist, am 19. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Ergänzend hat er auf Rückfrage des Senats vorgetragen, dass er die eigenhändige Unterschrift unter der Berufungsschrift zwar vergessen habe, er die Berufungsschrift aber um Portokosten zu sparen persönlich in der Poststelle des Sozialgerichts abgegeben habe. Er habe dort bereits früher einige Schriftstücke nachträglich unterschreiben müssen. Dies sei dieses Mal wohl übersehen worden. In der Sache macht er den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiter geltend. Er habe rechtzeitig versucht, eine Zusicherung vom JobCenter Neukölln zu erlangen und habe nicht zu verantworten, dass diese nicht (mehr) erteilt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 sowie des Bescheides vom 26. Juni 2006 zu verurteilen, ihm weitere 600,36 Euro für im Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 angefallene Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend macht er geltend, höhere Kosten für Unterkunft und Heizung seien schon deshalb nicht angemessen, weil vor dem Umzug lediglich 248,- Euro für Unterkunft und Heizung zu zahlen gewesen wären, ohne dass erkennbar würde, weshalb die Aufgabe dieser Wohnung und der Umzug in die größere und teurere Wohnung notwendig gewesen sei. Eine Zusicherung, mit der die Notwendigkeit des Umzuges festgestellt worden sei, liege nicht vor.

Dem Senat haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 96 AS 1636/07 und S 96 AS 1636/06 ER) sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die angesichts des Beschwerdewertes von 600,36 Euro ohne weiteres statthafte Berufung des Klägers ist zulässig i. S. des § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), vor allem also "schriftlich" im Sinne dieser Vorschrift eingelegt.

Was unter "schriftlich" i. S. des § 151 Abs. 1 SGG zu verstehen ist, ist im SGG nicht geregelt. In der Rechtsprechung des BSG wird grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift verlangt, wobei wesentlich auf den Gedanken der Rechtssicherheit abgestellt wird. § 126 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach die gesetzliche Schriftform verlangt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein muss, ist jedoch - wie auch vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmSOGB - in seiner Entscheidung vom 30. April 1979 (1/78 - BGHZ 75, 340, 352 = SozR 1500 § 164 Nr. 14) klargestellt - wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen anzuwenden. Dementsprechend sind Ausnahmen von der eigenhändigen Unterschrift zugelassen worden, wenn auf andere Weise gewährleistet ist, dass dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden kann und feststeht, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. zuletzt BSG, Urteile vom 16. November 2000 - B 13 RJ 3/99 R - SozR 3-1500 § 151 Nr. 4 und vom 21. Juni 2001 - B 13 RJ 5/01 R -; sowie zuletzt aus der Rechtsprechung der übrigen Bundesgerichte etwa BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 40/87 - BVerwGE 81, 32, 35 und BFH, Beschluss vom 29. November 1995 - X B 56/95, BFHE 179, 233 = NJW 1996, 1432 jeweils m. w. N. sowie BGH, Beschluss vom 7. Juni 2006 -VIII ZB 96/05, FamRZ 2006, 1269).

Nach diesen Grundsätzen ist die Berufung hier zulässig, auch wenn es an der eigenhändigen Unterschrift des Klägers fehlt. Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Kläger entsprechend seinen glaubhaften Schilderungen den Schriftsatz vom 19. Oktober 2006 nicht mit der Post versandt, sondern persönlich am selben Tag in der Poststelle des Sozialgerichts Berlin abgegeben hat. Denn Schriftsatz und Eingangsstempel tragen dasselbe Datum und ein Umschlag, mit dem der Schriftsatz versandt worden wäre, befindet sich nicht bei den Akten. Mit der Übergabe in der Poststelle ist auf andere Weise als durch eigenhändige Unterschrift gewährleistet, dass es sich bei dem Schriftstück, das ausdrücklich als Berufung bezeichnet ist, nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es vom Kläger stammt und mit seinem Wissen und Willen dem Gericht zugeleitet worden ist.

Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat entgegen der Ansicht des SG und des Beklagten Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.

In der Sache sind angefochten der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2005 (nicht vom 11. Dezember 2005, wie versehentlich im Antrag aufgenommen) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2006 (§ 95 SGG) sowie der Bescheid vom 26. Juni 2006, der denselben Bewilligungszeitraum betrifft und deshalb Gegenstand des Verfahrens geworden ist (§ 96 SGG). Die Klage hat der Kläger ausdrücklich auf die Gewährung höherer Unterkunftskosten (§ 22 SGB II) beschränkt und die geltend gemachte Leistung auf 600,36 Euro (6 mal 100,06 Euro) beziffert. Diese Beschränkung des Streitgegenstandes ist insoweit zulässig, als es sich bei der Verfügung über Unterkunfts- und Heizungskosten um eine abtrennbare Verfügung (= Verwaltungsakt i. S. des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) des Gesamtbescheides handelt und damit das Gericht bei entsprechendem Antrag auch lediglich über diese Position des Alg-II-Anspruchs befinden muss; eine Aufspaltung des Streitgegenstandes in Unterkunfts- und Heizungskosten selbst ist andererseits rechtlich nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 18).

Der Kläger ist Berechtigter i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Er ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die ihn an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist er hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. §§ 9, 11, 12 SGB II, weil er im streitigen Zeitraum weder über ein eigenes Einkommen (§ 11 SGB II) noch über Vermögen i. S. des § 12 SGB II verfügt hat. Schließlich war er während des streitigen Zeitraumes allein stehend, weil er weder mit Angehörigen im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft noch mit Verwandten in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen gelebt hat.

Damit hat der Kläger neben der Regelleistung in Höhe von 345 Euro (§ 20 SGB II) und einem Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung, der ihm vom 1. April 2006 an zugestanden hat (vgl. § 21 Abs. 5 SGB II), Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind (vgl. § 19 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hier in der ursprünglichen Fassung des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt).

Als Unterkunftskosten, die im Falle ihrer Angemessenheit zu zahlen sind, sind vorliegend die tatsächlich vom Kläger gezahlten Kosten und nicht lediglich der auf ihn entfallende Kopfteil bzw. der auf die von ihm genutzten Quadratmeter entfallende Mietpreis der im Hauptmietverhältnis anfallenden Kosten anzusehen.

In diesem rechtlichen Ausgangspunkt schließt sich der Senat der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) an. In Abgrenzung zu einer Aufteilung der Unterkunftskosten nach Köpfen in den Fällen des Zusammenlebens einer Familie in einer Haushaltsgemeinschaft (vgl. BVerwGE 79, 17 und im Anschluss BSG Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 RdNr. 28) ist eine anteilmäßige Kürzung tatsächlich aufgewandter Unterkunftskosten nach Kopfteilen danach dann nicht vorzunehmen, wenn im Innenverhältnis zwischen den Bewohnern einer Wohnung zumindest ein dem Mietverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis (also vor allem ein Untermietverhältnis im Sinne des § 540 BGB) vorliegt. Voraussetzung für ein solches Nutzungsverhältnis ist nach dieser Rechtsprechung, dass die Bemessung des vom Benutzer verlangten Entgelts sich - erstens - zumindest in ihren Grundzügen mit einer Miete vergleichen lässt und der Benutzer - zweitens - zu einer abgesonderten und selbständigen Nutzung der überlassenen Räume berechtigt sein muss und zu diesem Zweck Besitz an ihnen hat (vgl. zum Wohngeldrecht z. B. BVerwG Urteil vom 4. November 1994 - 8 C 28/93 -, Buchholz 454.71 § 7 WoGG Nr. 1 = juris RdNr. 15ff m. w. N.).

Während es sich im Falle einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Familienmitgliedern um eine typische einheitliche Lebenssituation handelt, die (für den Regelfall) eine an der Intensität der Nutzung der Wohnung durch die einzelnen Familienmitglieder ausgerichtete Betrachtung und in deren Gefolge eine unterschiedliche Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zulässt, kann dies insbesondere für Wohngemeinschaften auf der Grundlage von wirksamen Untermietverträgen nicht gelten (so auch Rothkegel in Gagel, SGB III, 29. Ergänzungslieferung 2007, § 22 SGB II RdNr. 6; Berlit in LPK-SGB II 2. Auflage 2007, § 22 RdNr. 24). Denn allein Praktikabilitätsgesichtspunkte könnten die willkürliche Aufteilung der Wohnkosten nach Kopfteilen entgegen dem zivilrechtlich wirksam Vereinbarten nicht rechtfertigen (so aber Breitkreuz in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2007, § 22 SGB II RdNr. 7; LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 14. September 2006 - L 6 AS 6/06 -, Breith 2007, 333 ff., zitiert nach juris RdNr. 28, anhängig unter B 14/11b AS 61/06 R). Offen bleiben kann vorliegend, ob bei Wohngemeinschaften, in denen - wenn auch nicht hinsichtlich der Mietkosten, so doch hinsichtlich der übrigen Lebenshaltungskosten - "aus einem Topf" gewirtschaftet wird, anderes gilt und in solchen Fällen eine Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen vorzunehmen ist (für eine solche Abgrenzung Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 SGB II RdNr. 18). Für ein Wirtschaften "aus einem Topf" von Kläger und Hauptmieter bestehen hier keinerlei Anhaltspunkte.

Danach sind als tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung der im Untermietvertrag vereinbarte Mietpreis angefallen, abzüglich der vom Kläger ohnehin nicht geltend gemachten Anteile für die Stromversorgung und das Kabelfernsehen (sofern vom Kläger überhaupt gezahlt), die bereits in der Regelleistung enthalten sind. Der vorgelegte Untermietvertrag zwischen dem Hauptmieter und dem Kläger ist ein echter Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten. Er ist als schuldrechtlicher Vertrag sowohl von der Erteilung der Erlaubnis als auch vom Bestand des Hauptmietvertrags unabhängig (vgl. nur Schilling in: Münchner Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004 § 540 RdNr. 24 m. w. N.), so dass es nicht darauf ankommt, dass dem Hauptmieter die Untervermietung der Wohnung nur unter der Voraussetzung gestattet war, dass er sie weiterhin zum überwiegenden Teil nutzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Vertrag zum Schein geschlossen wurde, sind nicht ersichtlich. Der vereinbarte Mietpreis ist durchaus marktüblich, denn tatsächlich war dem Kläger zur Überzeugung des Senats der größere Teil der Wohnung, nämlich 2 Zimmer, zur alleinigen Nutzung überlassen und der Mietvertrag nur wegen der entsprechenden Vorgaben des Vermieters an den Hauptmieter nicht entsprechend gefasst. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass abweichend von den untermietvertraglichen Regelungen nur der auf ihn entfallende Kopfteil der Kosten des Hauptmieters oder sogar weniger geschuldet war.

Diese Kosten sind auch angemessen und also in voller Höhe vom Beklagten zu übernehmen.

Für die Angemessenheit einer Unterkunft ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht, der der Senat folgt, zunächst deren maßgebliche Größe zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleinen Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche denkbar (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 RdNr. 17 ff.). Insoweit kommt es letztlich darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie, vgl. BSG a. a. O.; Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 RdNr. 35).

In Berlin ist damit für eine Person eine 1 bis 1,5-Zimmer-Wohnung angemessen, vgl. insoweit die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) i.V.m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 (Mitteilung Nr. 8/2004), und zwar mit einer Größe bis zu 50 qm, vgl. insoweit die im Land Berlin maßgeblichen Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 - vom 16. Juli 1990 [Amtsblatt für Berlin 1990, 1379 ff.] in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 [VVÄndWFB 1990; Amtsblatt 1993, 98 f]).

Der Senat sieht die Bereitschaft des Hilfebedürftigen, sich mit Dritten eine Wohnung zu teilen, nicht als Besonderheit des Einzelfalles an, die zu einer abweichenden Bestimmung der danach maßgeblichen Wohnungsgröße führt. Ein Abschlag für die maßgebliche Wohnungsgröße - sei er pauschal oder konkret durch die nur hälftige Anrechnung gemeinsam genutzter Wohnflächen berechnet - ist auch vor dem Hintergrund, dass die Nebenflächen (Küche, Bad, Flur, Stauraum) und ggf. ein Wohnraum in Mehrpersonenhaushalten gemeinsam genutzt werden, nicht vorzunehmen. Unter Zugrundelegung der vom BVerwG entwickelten Produkttheorie, der sich das BSG ausdrücklich angeschlossen hat, steht es dem Kläger frei, ob er sich hinsichtlich sämtlicher mietpreisbestimmenden Faktoren am Angemessenen orientiert oder ob er eine unangemessen große Unterkunft zu einem besonders niedrigen Mietpreis anmietet oder eine unangemessen teure Unterkunft bevorzugt, sich dafür aber mit einer besonders geringen Quadratmeterzahl begnügt. Damit ist es ihm auch unbenommen, sich bei einem gewissen Verlust von Privatsphäre den Vorteil zu "erkaufen", auf mehr Quadratmetern und ggf. in einer besseren Wohnlage zu wohnen (vgl. auch Groth/Siebel-Huffmann, Die Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB II, NZS 2007, 69, 73 f.; Landessozialgericht Schleswig-Holstein a. a. O. RdNr. 35; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. September 2007 - L 5 B 1280/07 AS ER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ohnehin zahlt der Träger der Grundsicherung - anders als bei der Regelleistung - stets nur die tatsächlich anfallenden Kosten. Da das Zusammenleben mit Dritten dem Hilfeempfänger objektiv nicht abverlangt werden kann, ist nicht erkennbar, weshalb der Beklagte an den Möglichkeiten des Einzelnen, die angemessenen Wohnkosten für seine Bedürfnisse im Einzelfall optimal einzusetzen, weitergehend partizipieren sollte. Das Auseinanderbrechen von solchen Wohnformen, die sinnvolle Synergieeffekte für Hilfebedürftige schaffen können, wäre die Folge.

Für im Land Berlin gelegene Wohnungen greift der Senat zur Bestimmung der angemessenen Vergleichsmiete pro Quadratmeter Wohnfläche (für den vorliegend streitigen Zeitraum) auf den Berliner Mietspiegel 2005 vom 22. August 2005 (Amtblatt für Berlin 2005, S. 3109 ff) zurück. Es handelt sich hierbei um einen "qualifizierten Mietspiegel" gemäß § 558d BGB, für den gemäß § 558 Abs. 3 BGB die gesetzliche Vermutung gilt, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. In einfachen, also den Lebensverhältnissen von Hilfeempfängern angemessenen Wohnlagen ergeben sich hier für Wohnungen mit dem maßgeblichen Zuschnitt (40 bis 60 qm) mit Sammelheizung, Bad und Innen-WC je nach Jahr des ersten Bezuges Netto-Kaltmieten von 4,08 Euro/qm bis 6,57 Euro/qm. Dabei sind Altbauten mit Bezugsfertigkeit bis 1949 sowie bis zum Jahr 1972 (im Ostteil der Stadt auch von 1973 bis 1990) wieder aufgebaute Wohnhäuser für den Bestand an Wohnungen in Berlin prägend, während der Marktanteil der nach 1972 (bzw. im Ostteil der Stadt nach 1990 erbauten Mietwohnungen) bezugsfertig gewordenen Wohnungen jedenfalls in einfachen Wohnlagen nicht ins Gewicht fällt. In einfacher Wohnlage ergeben sich also im Mittel Netto-Kaltmieten in Höhe von 4,08 Euro/qm (Bezugsfertig zwischen 1955 und 1964) bis zu 4,52 Euro/qm (Bezugsfertig zwischen 1964 und 1972). In dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin herausgegebenen 4. Wohnungsmarktbericht (Berliner Wohnungsmarktbericht 2005) ist für das Jahr 2004 als gewichteter Mietspiegelwert (alle Wohnungen, nettokalt) ein Betrag von 4,49 Euro/qm sowie als durchschnittliche Miete im sozialen Wohnungsbau (1. Förderweg, nettokalt) ein Betrag von 4,48 Euro/pro qm festgestellt worden, was ebenfalls dafür spricht, den sich für Neubauten nach der Wende ergebenden Wert (6,57 Euro/qm) bei Bestimmung der Angemessenheitsgrenze im Regelfall nicht zu berücksichtigen. Hinzu kommen noch die "warmen" Betriebskosten, d. h. die "kalten" Betriebskosten sowie die Heizkosten, die der Beklagte nach den von ihm angewandten Richtlinien (Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II - der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 [Amtsblatt für Berlin 2005, 3743], zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 [Amtsblatt für Berlin 2006, 2062], im Folgenden: AV-Wohnen) bei einem Betrag bis zu 2,22 Euro/qm (1,47 Euro/qm für die "kalten" Betriebskosten und 0,75 Euro/qm für Heizkosten) als angemessen beurteilt, vgl. Nr. 6 Abs. 1 und 2 AV-Wohnen.

Vorliegend kann offen bleiben, auf welchen der genannten Mittelwerte hinsichtlich der Netto-Kaltmiete letztlich abzustellen ist und ob - was der Senat bezweifelt - der genannte Wert für Betriebskosten die regelmäßig anfallenden Betriebskosten tatsächlich abdecken oder dieser Wert höher anzusetzen ist (vgl. dazu im Einzelnen etwa Beschlüsse des Senats vom 22. März 2007 - L 28 B 269/07 AS ER -, juris RdNr. 14 und zur Problematik unter Geltung des Mietspiegels 2007 vom 24. August 2007 - L 28 B 1389/07 AS ER -, juris RdNr. 10). Denn schon die Berechnung mit den niedrigsten der genannten Werte ([4,08 + 2,22] × 50 = 315) ergibt eine Angemessenheitsgrenze, die der Kläger nicht überschreitet. Der in der AV-Wohnen genannte Richtwert für Bruttowarmmieten in einem 1 Personen Haushalt (360,- Euro), den der Beklagte in seiner Verwaltungspraxis als angemessen zugrunde legt, wird mit der vom Kläger geschuldeten Miete ohnehin nicht erreicht.

Da § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1706, 1709) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden ist, kommt es entgegen der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht darauf an, ob der Umzug aus der bis zum 30. November 2005 bewohnten Wohnung, die noch günstiger war, erforderlich war. Für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf die vor einem (nicht erforderlichen und ohne entsprechende Zusicherung erfolgten) Umzug gezahlten Kosten fehlt es bis zum 31. Juli 2006 an einer Rechtsgrundlage. Aus den umfassenden Selbsthilfeobliegenheiten des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II lässt sich ein Recht des Beklagten zur Kürzung von Unterkunftskosten nicht herleiten, unabhängig davon ob der Kläger solche Obliegenheiten überhaupt verletzt hat. Dem systematischen Standort nach haben die Regelungen des § 2 SGB II lediglich Einweisungscharakter und sind Auslegungshilfe für die Anwendung solcher Regelungen, die Rechte und Pflichten der Hilfebedürftigen ausformen. Leistungsrechtliche Konsequenzen geknüpft an ein bestimmtes Verhalten des Hilfebedürftigen (hier also den Umzug im laufenden Bezug) kommen nur in Betracht, wo diese spezialgesetzlich vorgesehen sind (Berlit a. a. O. § 2 RdNr. 8 und 10). An einer solchen spezialgesetzlichen Regelung fehlt es im zu beurteilenden Zeitraum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved