S 6 AL 253/06

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 253/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Vermittlungsvorschlag ohne Angabe der erzielbaren Vergütung kann grundsätzlich nicht sperrzeitbegründend sein.
I. Der Bescheid vom 16.12.2005 und der Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer 3-wöchigen Sperrzeit.

Der am ...1983 geborene Kläger beantragte am 13.09.2005 die Zahlung von Arbeitslosengeld nach Tätigkeit als Kellner im Zeitraum 01.12.2004 bis 30.09.2005.

Die Beklagte bewilligte die beantragte Leistung ab 01.10.2005.

Am 21.10.2005 unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein Stellenangebot als Koch. Ein bestimmter Lohn wurde hier nicht genannt.

Der Kläger nahm mit dem potentiellen Arbeitgeber keinen Kontakt auf.

Daraufhin prüfte die Beklagte, ob eine Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung eingetreten ist. Die Beklagte verwandte dabei ein formalisiertes Prüfschema (Bl. 76 – 77 der Leistungsakte). In diesem Prüfschema wird unter Ziff. 3 auch danach gefragt, ob das erzielbare Ar-beitsentgelt zumutbar war. Diese Frage ist im Prüfschema offen gelassen.

Daraufhin stellte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 16.12.2005 den Eintritt einer 3-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum 25.10.2005 bis 14.11.2005 fest. Das Arbeitsangebot vom 21.10.2005 habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen. Die Arbeit sei dem Kläger deshalb zuzumuten gewesen.

Den Widerspruch des Klägers vom 22.12.2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 zurück. Der Kläger habe sich mit dem benannten Arbeitgeber nicht in Verbindung gesetzt und damit die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert.

Dagegen hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 09.03.2006 Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung am 15.11.2007 wies der Vorsitzende darauf hin, dass zur Prüfung der Zumutbarkeit einer angebotenen Tätigkeit auch die Prüfung der erzielbaren Vergütung gehört.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt:

1. Der Bescheid vom 16.12.2005 und der Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt:

1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Berufung wird zugelassen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Auf diese, die Prozessakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwie-sen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und insgesamt zulässig.

Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger wurde ein zumutbares Arbeitsangebot nicht unterbreitet.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten unter anderem dann vor, wenn der bei der Beklagten als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Beklagten unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung).

Es ist nach Ansicht des Gerichts unstreitig, dass die Agentur für Arbeit einem Arbeitslosen lediglich zumutbare Beschäftigungen anbieten darf.

Welche Beschäftigungen zumutbar sind, ergibt sich aus § 121 SGB III.

Gemäß § 121 Abs. 1 SGB III sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Gemäß § 121 Abs. 2 SGB III ist aus allgemeinen Gründen eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt.

Gemäß § 121 Abs. 3 SGB III ist aus personenbezogenen Gründen eine Beschäftigung einem Arbeitslosen insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielte Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung um mehr als 20 % und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 % dieses Arbeitsentgelts nicht zumutbar. Vom 7. Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Be-rücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.

Aus den benannten Einzelvorschriften des § 121 SGB III ergibt sich nach Ansicht des Gerichts, dass die Beklagte in jedem Fall die Höhe der erzielbaren Vergütung in die Prüfung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung mit einzubeziehen hat. Diese Zumutbarkeitsprüfung ist nach Ansicht des Gerichts nicht erst dann vorzunehmen, wenn über den Eintritt einer Sperrzeit zu entscheiden ist. Die Beklagte hat vielmehr schon im Vorfeld der Versendung eines Stellenangebots zu prüfen, ob die Beschäftigung für den Arbeitslosen zumutbar ist. Nur ein solches Vorgehen entspricht nach Ansicht des Gerichts den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung. Gemäß § 121 Abs. 3 SGB III ist die Zumutbarkeit einer Beschäftigung auch daran zu prüfen, welches Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung erzielbar ist.

Die Vorschrift des § 121 Abs. 3 SGB III ist auch als Schutzvorschrift für den Arbeitslosen zu sehen. Der Arbeitslose hat hieraus einen Anspruch, dass die Beklagte nur zumutbare Arbeitsangebote unterbreitet, also auch vor Übersendung eines Arbeitsangebotes die er-zielbare Vergütung abprüft. Überdies muss es auch dem Arbeitslosen selbst möglich sein, die Zumutbarkeit des Stellenangebotes anhand der Kriterien des § 121 Abs. 3 SGB III zu prüfen.

Danach entsprach das Arbeitsangebot vom 21.10.2005 nach Ansicht des Gerichts nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung. Die Nichtverfolgung eines solchen Arbeitsangebotes kann daher eine Sperrzeit nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung war daher gemäß § 144 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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