L 5 B 21/08 ER AS

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 2712/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 21/08 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

Die am 11. Januar 2008 durch die Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 8. Januar 2008 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II zu gewähren. Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung.

Selbst wenn die Antragstellerin – wovon jedoch, wie das SG ausführlich und in allen Punkten überzeugend dargelegt hat, nicht auszugehen ist – lediglich pro forma wieder bei ihren Eltern einzogen und tatsächlich weiterhin mit Herrn K. zusammenwohnen sollte, begründete dies (noch) keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Wie der Senat bereits u.a. mit Beschluss vom 8. Februar 2007 (L 5 B 21/07 ER AS, EuG 2007, 276) entschieden hat, ist im Regelfall nicht vom Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c i.V.m. Abs. 3a Nr. 1 SGB II auszugehen, wenn Partner noch nicht länger als ein Jahr zusammenleben. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest und nimmt auf die Begründung der genannten Entscheidung Bezug.

Der Umstand, dass die Antragstellerin schwanger und Herr K. offenbar der Vater des ungeborenen Kindes ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Gerade angesichts des Umstandes, dass beide erst kurz vor der Schwangerschaft ein Paar geworden sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein eine Schwangerschaft engere, einem Zusammenleben auf Probe entgegenstehende, Bindungen erzeugt. Im Gegenteil können nach der Lebenserfahrung gerade die mit einer Schwangerschaft verbundenen Erschwernisse dazu führen, eine – ohnehin noch nicht gefestigte – Partnerschaft zu beenden.

Auch kann die Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a Nr. 2 SGB II – Zusammenleben mit einem gemeinsamen Kind – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass diese bereits bei Bestehen einer Schwangerschaft eingreift, da dies in klarem Widerspruch zum Wortlaut der Norm stünde.

Ebensowenig überzeugen die Zweifel der Antragsgegnerin an der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin. Wie sich diese in der Vergangenheit durchgeschlagen hat, ist für den aktuellen Bewilligungszeitraum irrelevant, sofern sich hieraus nicht konkrete Indizien dafür ergeben, dass andere, verschwiegene Einkommensquellen vorhanden sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch wenn die Antragstellerin eine gewisse Nachlässigkeit im Umgang mit Behörden erkennen lassen mag, ergeben sich hieraus keine über bloße Mutmaßungen hinausgehende Anhaltspunkte für eine fehlende Hilfebedürftigkeit. Nach den Feststellungen des SG hat die Antragstellerin im August 2007 ihr Pony für 1700.- Euro verkauft und seither davon gelebt; da sie mietfrei bei ihren Eltern wohnt, ist dies für den hier maßgeblichen Zeitraum glaubhaft. Es sei in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich betont, dass den Umständen aus der Vergangenheit, auf welche sich die Antragsgegnerin beruft, für den hier in Rede stehenden Zeitraum keine maßgebliche Bedeutung zukommt, weil sich die Dinge in der Zwischenzeit von Grund auf geändert haben.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin über zu verwertendes Vermögen verfügt, gibt es nicht. Zu dem Hinweis der Antragsgegnerin auf die gesuchten Reitbeteiligungen hat die Antragstellerin unwiderlegt erklärt, dass sie lediglich vergessen habe, die Anzeige zu löschen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist keine Prüfung notwendig, ob der Antragstellerin ein Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern zusteht. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II geht der Anspruch, den Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, haben, bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach dem SGB II über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a der Bestimmung sieht jedoch vor, dass ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht nicht übergeht, wenn die unterhaltsberechtigte Person in einem Kindschaftsverhältnis zum Unterhaltsverpflichteten steht und schwanger ist. Mit dieser Vorschrift werden familienpolitische Zwecke verfolgt. Schwangere sollen nicht davon abgehalten werden, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch zu nehmen, weil sie den Regress des Leistungsträgers bei den Eltern fürchten müssen und in diesem Falle unter Umständen dem Druck ausgesetzt werden, das Kind nicht zur Welt zu bringen (vgl. Fügemann in Hauck/Noftz, SGB II, § 33 Rn. 94; Pfohl/Steymans in Linhart/Adolph, SGB II, § 33 Rn. 19; Hölzer in Estelmann, SGB II, § 33 Rn. 64; Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 33 SGB II Rn. 35). Wenn der Übergang eines Unterhaltsanspruchs ausgeschlossen ist, sind die Sozialleistungsträger der Prüfung enthoben, ob ein Unterhaltsanspruch tatsächlich gegeben ist. Konsequenterweise kann ein solcher Anspruch nicht nach § 9 Abs. 1 oder § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden (vgl. Pfohl/Steymans a.a.O. und Brühl/Schoch in LPK-SGB II, § 9 Rn. 19, jeweils m.w.N.).

Schließlich ist ein Rückgriff auf § 9 Abs. 5 SGB II nicht möglich, wonach, wenn Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten leben, vermutet wird, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Die Antragsgegnerin hat schon weder glaubhaft gemacht noch überhaupt vorgetragen, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt wären (vgl. ferner Schellhorn in GK-SGB II, § 9 Rn. 64 m.w.N. wonach angesichts des beabsichtigten Schutzes schwangerer Frauen § 9 Abs. 5 SGB II keine Anwendung finden soll, wenn Hilfebedürftige schwanger sind).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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