L 2 AS 143/07

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 22 AS 382/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 143/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Leistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen Invalidität stellt kein geschütztes Einkommen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a oder Nr. 2 SGB II dar.
2. Die Verwertung des aus dieser Leistung angesparten Vermögens (hier: in Gestalt eines Sparbriefes) bedeutet daher auch keine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II.
3. Maßgebend für die Vermögensberücksichtigung ist stets der aktuelle Bedarfszeitraum, so dass es auf das darin tatsächlich vorhandene und nicht etwa fiktives Vermögen ankommt. Dies hat zur Folge, dass ein den Freibetrag übersteigendes und tatsächlich vorhandenes Vermögen über den gesamten Anspruchszeitraum hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und dem Antragsteller dadurch Monat für Monat aufs neue entgegengehalten werden kann, dass er seinen Bedarf zunächst durch Verwertung dieses Vermögens unabhängig davon decken muss, ob es zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausreicht (so auch zum BSHG: BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/69 – Rn. 33, zitiert nach Juris) oder die Verwertbarkeit des Vermögens für einen vorhergehenden Leistungszeitraum im Streit steht (BVerwG, a.a.O., Rn. 36).
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und die hieran anknüpfende Erstattungsforderung der Beklagten.

In seinem Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 18. Oktober 2004 gab der am 04. März 1958 geborene Kläger an, er verfüge über 30,00 EUR Bargeld sowie eine private Rentenversicherung mit einem Rückkaufswert von 1.164,97 EUR. Die im Erklärungsvordruck enthaltene Frage nach dem Vorhandensein von Sparbriefen oder sons-tigen Wertpapieren verneinte er durch Ankreuzen eines Auswahlfeldes.

Mit Bescheid vom 24. November 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 598,94 EUR, das sich aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 350,35 EUR (Re-gelleistung von 331,00 EUR abzüglich anzurechnendes Einkommen aus einer Unfallrente in Höhe von 60,65 EUR zuzüglich eines befristeten Zuschlags nach Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 80,00 EUR) und der Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 248,59 EUR zusammensetzten. In den Monaten Januar und Februar 2005 kamen an den Kläger jeweils 598,94 EUR zur Auszahlung, wohingegen sich wegen eines Krankenhausauf-enthaltes der Auszahlbetrag für den März 2005 auf lediglich 483,09 EUR belief. Zusätzlich übernahm die Beklagte die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Kläger in Höhe von monatlich 125,01 EUR sowie die Zahlung von Pflegeversicherungsbeiträgen in Hö-he von monatlich 14,86 EUR.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2005 informierte die Agentur für Arbeit Oelsnitz die Beklagte von einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen und eine hierdurch veranlasste Nachfrage bei dem Kläger, woraus sich ergeben habe, dass dieser über einen Sparbrief mit einem Zeichnungsbetrag von 12.000,00 EUR verfüge. Beigefügt waren dem Schreiben neben einer Kopie der Sparbrief-Zeichnung ein Schreiben der G. Versicherung vom 17. April 2003, mit dem eine Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung in Hö-he von 11.044,08 EUR gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 23. März 2005 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rück-nahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2005 sowie die hieran anknüpfende Erstattung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.680,97 EUR, Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 375,03 EUR sowie Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 44,58 EUR an. Der Kläger wies in seiner Stellungnahme hierzu darauf hin, er habe am 19. Dezember 2001 einen Arbeitsunfall gehabt, zu dessen Ausgleich er im Jahr 2003 einen einmaligen Betrag von 11.044,08 EUR erhalten habe. Diesen Betrag habe er bei der Volksbank in O, als Sparbrief mit einer Laufzeit von zwei Jahren, nämlich vom 14. Juli 2003 bis 14. Juli 2005 angelegt. Er sei davon ausgegangen, dass er erst nach zwei Jahren an dieses Geld herankomme. Zudem sei ihm von einer Mitarbeiterin des Arbeitsamtes gesagt worden, Verletztengeld oder Unfallgeld müsse bei Hartz IV eigentlich nicht mit angegeben werden. Er habe nicht die Absicht gehabt, falsche Angaben zu machen.

Mit Bescheid vom 07. April 2005 nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab dem 01. Januar 2005 mit der Begründung zurück, der Kläger habe in seinem Antrag vom 18. Oktober 2004 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Der verschwiegene Sparbrief mit einem Guthaben in Höhe von 12.000,00 EUR stelle verwertbares Vermögen dar, so dass angesichts weiterer Vermögenswerte in Höhe von 1.164,97 EUR und unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 9.950,00 EUR (200,00 EUR pro vollendeten Le-bensjahr sowie 750,00 EUR für notwendige Anschaffungen) ein Vermögenswert in Höhe von 3.214,97 EUR verbleibe, der bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Die Bewilligung sei daher nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zurückzunehmen. In der Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2005 habe der Kläger Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.680,97 EUR zu Unrecht bezogen. Darüber hinaus seien von ihm die Kranken- und Pflege-versicherungsbeiträge in Höhe von zusammen 419,61 EUR zu erstatten. Die Gesamtforderung belaufe sich daher auf 2.100,58 EUR.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2005 im Wesentlichen mit der Begründung des Ausgangsbescheides zurückgewiesen.

Mit der hiergegen am 19. Mai 2005 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er Bezug nehmend auf seine Ausführungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 2 AS 273/05 ER) im We-sentlichen darauf hingewiesen, der wesentliche Teil des im Sparbrief angelegten Geldes stamme aus einer Invaliditätsleistung der G Versicherung AG aufgrund eines am 19. Dezember 2001 erlittenen Arbeitsunfalls. Diese Leistung entspreche einer Schmer-zensgeldzahlung und sei deshalb nicht als Vermögen anzurechnen. Zwar habe eine Nach-frage bei der Volksbank V ... ergeben, dass der mit einer Laufzeit bis zum 14. Juli 2005 versehene Sparbrief zu 100 %, d. h. mit 12.000,00 EUR, habe beliehen werden können. Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass durch die Agentur für Arbeit wegen desselben Sachverhaltes vom Kläger die Erstattung der vom 23. November 2003 bis zum 31. De-zember 2004 erhaltenen Arbeitslosenhilfe verlangt werde. Hätte der Kläger sein Vermögen bereits ab dem 23. November 2003 statt der Arbeitslosenhilfe eingesetzt, so wäre ab dem 01. Januar 2005 kein Vermögen über dem Schonbetrag mehr vorhanden gewesen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. August 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die in dem Sparbrief bei der Volksbank V. angelegte Invaliditätsleistung aus der privaten Unfallversicherung falle unter keinen der in § 12 Abs. 3 SGB II genannten Privilegierungstatbestände. Insbesondere stelle die Verwertung für den Kläger keine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 Variante 2 SGB II dar. Dabei könne dahinstehen, ob das anzunehmen sei, wenn es um Vermögen gehe, das aus Leistungen nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II stamme. Aus den vom Kläger vorgelegten Versicherungsbedingungen seiner privaten Unfallversicherung ergebe sich, dass die Invaliditätsleistung einen Ausgleich für einen materiellen Schaden, nämlich für eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, darstelle. Die unterbliebene Angabe von Vermögen sei auch zumindest grob fahrlässig erfolgt, so dass die Beklagte zur rückwirkenden Rücknahme der Leistungsbewilligung nach § 45 SGB X verpflichtet gewesen sei und der Kläger das zu viel gezahlte Arbeitslosengeld II zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1, 5 SGB III) zu erstatten habe.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 29. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01. Oktober 2007 (Montag) Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG sei die erhaltene Invaliditätsleistung in Höhe von 11.044,08 EUR sehr wohl mit einer Schmerzensgeldleistung vergleichbar. Aus der sich daraus ergebenden Einkommensprivilegierung nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II müsse auch eine Vermögensprivilegierung nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 Variante 2 SGB II resultieren. Anders als Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung stelle die private Unfallversicherung nicht auf den Bedarf ab, der sich wegen einer erlittenen Verletzung ergebe, sondern allein auf das versicherte Risiko.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. August 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 07. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten, die Gerichtsakte erster Instanz sowie die Gerichtsakte zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren (SG Chemnitz – S 2 AS 273/05 ER) vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2005 ist rechtmäßig.

Die von der Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist ebenso rechtmäßig wie die vom Kläger verlangte Erstattung von zu Unrecht erbrachten Leistungen.

I. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, sofern das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig ist, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

1. Der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2004 war rechtswidrig begünstigend, weil dem Kläger mit diesem Bescheid Leistungen nach dem SGB II bewilligt wurden, obwohl dieser über Vermögen in Gestalt eines Sparbriefes mit einem Wert von 12.000,00 EUR verfügte, das zusammen mit den ansonsten vorhandenen Vermögenswerten einen Anspruch auf Leistungen ausschloss.

Die Leistungsberechtigung nach dem SGB II setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II unter anderem Hilfebedürftigkeit voraus. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Da-bei sind nach § 12 Abs. 1 SGB II als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers rechnet zu seinem verwertbaren Vermögen auch der Sparbrief bei der Volksbank V ...

Ein Verwertungsausschluss kommt hier allenfalls nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II in Betracht, wonach als Vermögen Sachen und Rechte nicht zu berücksichtigen sind, soweit deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

aa) Eine offenkundige Unwirtschaftlichkeit liegt jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Verwertung des Vermögens durch den Kläger nach der von ihm bei der Volksbank V. eingeholten Auskunft auch in Gestalt einer 100 %igen Beleihung des Sparbriefs erfolgen konnte. Verluste aufgrund der Verwertung des Vermögens in dieser Form auch schon vor Ablauf der Zeichnungsfrist waren danach nicht zu befürchten.

bb) Auch stellt die Verwertung des Sparbriefs keine besondere Härte dar. Wann von einer "besonderen Härte" im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V)) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden. Diese außergewöhnlichen Umstände müssen dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte (so § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung) und erst recht als die mit der Vermögensver-wertung stets verbundenen Einschnitte (BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 – B 11 b AS 37 /06 R). Bei der somit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist insbesondere auch auf die künftige Verwendung des Vermögens abzustellen (Brühl, in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 12 Rn. 54). Ein Aspekt im Rahmen dieser Bewertung kann auch die Vermögensherkunft sein, insbesondere dann, wenn das Vermögen auf Ansparungen zurückgeht, die als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind (Brühl, a.a.O., Rn. 56), wie also z. B. angespartes Schmerzensgeld (so zu § 88 Abs. 3 BSHG: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 – 5 C 22/93, BVerwGE 98, 256 f.).

Vorliegend geht das Vermögen in Gestalt des Sparbriefes jedenfalls nach den Angaben des Klägers zum größten Teil, nämlich in Höhe von 11.044,08 EUR, auf eine Zahlung der G. Versicherung aus einer privaten Unfallversicherung zurück. Diese Zahlung aus Anlass eines Arbeitsunfalls war im Zeitpunkt ihres Zuflusses jedoch entgegen der Auffassung des Klägers kein privilegiertes Einkommen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a oder Nr. 2 SGB II, das nach den oben dargestellten Überlegungen im Falle seiner Ansparung einen Verwertungsschutz als Vermögen begründen könnte.

Die Invaliditätsleistung der privaten Unfallversicherung stellt keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar. Zweckbestimmte Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche, die nicht dazu bestimmt sind, den laufenden Lebensunterhalt zu decken (Hasske, in: Estelmann, SGB II, Stand November 2007, § 11 Rn. 49). Im Falle von privatrechtlichem Einkommen ist daher eine erkennbare Erwartung des Leistenden erforderlich, dass die Leistung vom Empfänger gerade für den genannten Zweck verwendet wird (Brühl, in: LPK- SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 Rn. 54). Vorliegend wurde die Invaliditätsleistung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der vom Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelegten "G. Unfallversicherungsbedingungen (GUB 95)" zum Ausgleich für eine durch den Unfall erlittene dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit erbracht. Die Leistung dient also wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten und unterliegt keiner darüber hinausgehenden Zweckbindung (so auch für die Verletztenrente nach dem SGB VII: BSG, Urteil vom 05. September 2007 – B 11b AS 15/06 R). Dass der Gesetzgeber im Rahmen der Be-rücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II grundsätzlich sämtliche Zahlungen mit Entgeltfunktion erfassen wollte, auch soweit sie im Zusammenhang mit erlittenen Körperschäden gewährt werden, zeigt insbesondere die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II. Auch im Hinblick auf die dort aufgeführten Renten und Beihilfen werden nur die Grundrenten von einer Einkommensanrechnung ausgenommen, nicht aber die nach den genannten Gesetzen zu zahlenden Ausgleichsrenten, die - abstellend auf die betreffende Einkommensminderung - ihrerseits erkennbar Entgeltersatzfunktion haben (BSG, a.a.O.).

Bei der Leistung aus der privaten Unfallversicherung handelte es sich im Zeitpunkt des Zuflusses auch nicht um nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II geschütztes Einkommen. Nach dieser Vorschrift sind Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden, nicht als Einkommen zu berücksich-tigen. Nach § 253 Abs. 2 BGB wird Schmerzensgeld im Falle der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung wegen des Schadens gewährt, der nicht Vermögensschaden ist (so genannter immaterieller Schaden). Schmer-zensgeld im Sinne dieser Vorschrift ist die vom Kläger erhaltene Entschädigungsleistung bereits deshalb nicht, weil Schuldner einer Entschädigungsleistung nach § 253 Abs. 2 BGB der Schädiger ist. Leistungen von dritter Seite, insbesondere von privaten Versicherungen oder öffentlichen Leistungsträgern, unterfallen der als nicht analogiefähige Sondernorm konzipierten Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB 2 nicht (so für die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 05. September 2007 – B 11b AS 15/06 R).

Eine Privilegierung der Invaliditätsleistung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a oder 2 SGB II und damit nachfolgend ein Vermögensverwertungsschutz nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II scheidet daher aus.

cc) Das Vermögen aus dem Sparbrief war auch ungeachtet des Umstandes zu berücksichtigen, dass die Agentur für Arbeit wegen desselben Sachverhaltes überzahlte Arbeitslosenhilfe vom Kläger zurückfordert. Maßgebend für die Vermögensberücksichtigung ist stets der aktuelle Bedarfszeitraum, so dass es auf das darin tatsächlich vorhandene und nicht etwa fiktives Vermögen ankommt (Brühl, in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 12 Rn. 5). Dies hat zur Folge, dass ein den Freibetrag übersteigendes und tatsächlich vorhandenes Vermögen über den gesamten Anspruchszeitraum hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und dem Kläger dadurch Monat für Monat aufs neue entgegengehalten werden kann, dass er seinen Bedarf zunächst durch Verwertung dieses Vermögens unabhängig davon decken muss, ob es zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausreicht (so auch zum BSHG: BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/69 – Rn. 33, zitiert nach Juris) oder die Verwertbarkeit des Vermögens für einen vorhergehenden Leistungszeitraum im Streit steht (BVerwG, a.a.O., Rn. 36). Die hiervon abweichende Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe (BSG, Urteil vom 09. August 2001 – B 11 AL 11/01 R) bezog sich auf die Sondervorschrift des § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, die im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II keine Entsprechung findet.

b) Das verwertbare Gesamtvermögen des Klägers belief sich also auf 13.164,97 EUR (12.000 EUR Sparbrief zuzüglich Guthaben aus einer privaten Rentenversicherung mit einem Rückkaufswert von 1.164,97 EUR). Von dem Vermögen des Klägers waren ein Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von (seinerzeit) 200,00 EUR je Lebensjahr (also 9.200,00 EUR bis zum 03. März 2005 und 9.400,00 EUR ab dem 04. März 2005) sowie der Frei-betrag für notwendige Anschaffungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750,00 EUR abzusetzen. Das Vermögen des Klägers in Höhe von 13.164,97 EUR überstieg diesen Wert um 3.964,97 EUR bis zum 03. März 2005 und 3.764,97 EUR ab dem 04. März 2005. Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand daher nicht, so dass der Bescheid vom 24. November jedenfalls insoweit rechtswidrig war, als er von der Rücknahmeentscheidung der Beklagten erfasst wurde (Leistungszeitraum von Januar bis März 2005).

2. Auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann sich der Kläger nicht berufen, weil er zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht hat und der Bewilligungsbescheid hierauf beruht (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: vgl. etwa BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – zitiert nach Juris m.w.N.). Vorliegend hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass im Erklärungsvordruck aus-drücklich und ohne Einschränkungen nach "Sparbriefen" gefragt wurde, so dass sich dem Kläger anhand einfachster Überlegungen hätte aufdrängen müssen, dass er – unabhängig von der Herkunft des angelegten Betrages – seinen Sparbrief hätte angeben müssen.

3. Schließlich hat die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme des Bescheides vom 24. November 2004 angehört (§ 24 SGB X) und die Rücknahme innerhalb eines Jahres nach Kenntnis von den zur Rücknahme berechtigenden Umständen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) ausgesprochen. Ermessen stand der Beklagten bei der Entscheidung nicht zu (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III).

4. Die teilweise Rücknahme des ursprünglich rechtswidrig begünstigenden Bescheides vom 24. November 2004 für Leistungszeiträume von Januar bis März 2005 war daher rechtmä-ßig.

II. Zu Recht hat die Beklagte in Anknüpfung an die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom Kläger auch die Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen verlangt (§ 50 SGB X). Die Erstattungsforderung wurde von der Beklagten unter Beachtung der sich aus § 40 SGB II ergebenden Besonderheiten zutreffend berechnet. Zum einen hat der Klä-ger die tatsächlich ausgezahlten Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Januar bis März 2005 in vollem Umfang zu erstatten. Dies schließt auch die Kosten für Unterkunft und Heizung mit ein, weil die in § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II angeordnete eingeschränkte Rückforderbarkeit von solchen Leistungen in § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II für den – hier vor-liegenden - Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausgeschlossen wird. Die von der Beklagten für den Kläger gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 419,61 EUR sind aufgrund § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1, 5 SGB III zu erstatten. Hieraus errechnet sich die von der Beklagten im angefochtenen Be-scheid ausgewiesene Gesamterstattungssumme von 2.100,58 EUR.

III. Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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