L 7 B 314/07 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 468/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 314/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.2007 wird zurückgewiesen, soweit das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt hat. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Ausgangs- und das Beschwerdeverfahren. Auf seine weitere Beschwerde wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I aus E für die Durchführung des Ausgangs- und des Beschwerdeverfahrens bewilligt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab September 2007.

1. Dem 1985 geborenen, heute unter Betreuung stehenden Antragsteller gewährte die Antragsgegnerin ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In der Zeit vom 09.01.2006 bis 14.09.2006 bezog der Antragsteller Berufsausbildungsbeihilfe (gemäß § 59 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) und sodann bis zum 28.02.2007 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Form einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung gemäß § 41 i.V.m. § 35 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Auf seinen Antrag vom 22.02.2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 02.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 31.08.2007. Mit Bescheid vom 02.06.2007 erhöhte sie diese Leistungen entsprechend der zwischenzeitlich erfolgten gesetzlichen Neufestsetzung der Regelsatzhöhe.

2. Auf Meldeaufforderungen der Antragsgegnerin (zum persönlichen Erscheinen am 03.05.2007 sowie 09.05.2007) reagierte der Antragsteller nicht. Die Antragsgegnerin, forderte sie ihn sodann mit Schreiben vom 09.05.2007 auf, am 31.05.2007 bei ihr vorzusprechen. Sie kündigte für den Fall seines Nichterscheinens die gänzliche Entziehung der Leistungen an. Der Antragsteller erschien am 31.05.2007 nicht. Die Antragsgegnerin "stornierte" nach einem internen Aktenvermerk vom 05.06.2007 daraufhin die Leistungen für Juli und August 2007 "vorläufig". Ob die Leistungen für Juli und August 2007 tatsächlich nicht erbracht wurden, ist nach Aktenlage nicht zu erkennen.

3. Die Vermieter des Antragstellers kündigten mit Schreiben vom 08.06.2007 den Mietvertrag über seine Wohnung in der L Straße 00 in E wegen Nichtzahlung der Mieten (für März 2007 bis Juni 2007) fristlos. Sie forderten ihn auf, die Wohnung bis zum 15.06.2007 zu räumen. Der Antragsteller wohnte in der Folgezeit nach eigenen Angaben bei verschiedenen Bekannten, die ihn auch verpflegten. Versuche der Antragsgegnerin, den Antragsteller postalisch zu erreichen, schlugen fehl. Der Antragsteller meldete sich bei der Antragsgegnerin in dieser Zeit nicht.

4. Mit Schreiben vom 13.09.2007, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 17.09.2007, beantragte der zwischenzeitlich für den Antragsteller bestellte Betreuer unter Vorlage der Bestellungsurkunde bei der Antragsgegnerin die sofortige Wiederaufnahme der Zahlungen an den Antragsteller. Die Antragsgegnerin reagierte darauf nicht. Der Betreuer forderte sie daraufhin mit Schreiben vom 04.10.2007 unter Fristsetzung bis zum 12.10.2007 erneut auf, Leistungen an den Antragsteller zu erbringen, und kündigte für den Fall des erfolglosen Fristablaufs gerichtliche Schritte an.

Nachdem die Antragsgegnerin in der Zeit vom 16.10.2007 bis zum 23.10.2007 nach einem Aktenvermerk mehrmals erfolglos versucht hatte, den Betreuer des Antragstellers telefonisch zu erreichen, meldete sich dieser unter dem 24.10.2007 telefonisch bei der Antragsgegnerin und teilte mit, dass der Antragsteller seit Wochen wohnungslos und bei Freunden untergekommen sei. Gleichzeitig bat er um die Anberaumung eines Termins für sich und den Antragsteller bei dem für ihn zuständigen Arbeitsvermittler. Mit Schreiben vom 24.10.2007 übersandte die Antragsgegnerin dem Betreuer des Antragstellers daraufhin eine Einladung zu einem Gesprächstermin am 15.11.2007.

5. Am 30.10.2007 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab September 2007 beantragt. Er lebe derzeit ohne Einkünfte sowie ohne eigene Wohnung wechselnd bei diversen Bekannten und habe einen Anspruch auf weiteren Bezug von Leistungen.

Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 12.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 347,00 EUR für den Zeitraum vom 30.10.2007 bis zum 31.01.2008. Der Antragsteller hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz daraufhin "hilfsweise" für erledigt erklärt. Es bestehe jedoch ungeachtet der zwischenzeitlichen Zahlung Eilbedürftigkeit, da die Antragsgegnerin weiterhin wie beschrieben verfahren könne und nur eine antragsgemäße Verurteilung zur Leistung ein entsprechendes Signal für die Zukunft setze.

Mit Beschluss vom 22.11.2007, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das SG Dortmund die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

6. Gegen den ihm am 22.11.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30.11.2007 Beschwerde erhoben. Er trägt ergänzend vor, dass er entgegen der Annahme des SG nicht erstmalig am 24.10.2007, sondern bereits unter dem 13.09.2007 postalisch erreichbar gewesen sei, da sich sein Betreuer bereits an diesem Tag und auch am 04.10.2007 bei der Antragsgegnerin gemeldet habe. Die Antragsgegnerin habe erst am 24.10.2007 telefonisch Kontakt zu seinem Betreuer aufgenommen und demnach mehr als einen Monat verstreichen lassen, bevor sie tätig geworden sei. Im Übrigen sei aus dem Schreiben vom 24.10.2007 eine Zahlungsbereitschaft der Antragsgegnerin nicht erkennbar. Es sei lediglich mitgeteilt worden, dass er sich am 15.11.2007 zu einem Gespräch bei ihr einfinden solle.

Die Antragsgegnerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Leistungen seien ab September 2007 nicht wegen einer Meldepflichtverletzung des Antragstellers, sondern auf Grund des Ablaufs des Bewilligungszeitraums eingestellt worden. Da ein Fortzahlungsantrag nicht gestellt worden sei, habe keine Veranlassung bestanden, Leistungen ab September 2007 zu bewilligen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehe nicht, da der entsprechende Antrag erst am 30.10.2007 beim Sozialgericht eingegangen sei und sie seitdem Leistungen erbringe. Der Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs für den Zeitraum vom 01.09.2007 bis 29.10.2007 sei im hiesigen Verfahren nicht zu führen.

II.

Die Beschwerden des Antragstellers, denen das SG Dortmund mit Beschluss vom 03.12.2007 nicht abgeholfen hat, sind zulässig. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz durch das SG richtet, ist sie unbegründet (dazu 1.). Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe (für das Ausgangsverfahren) richtet, ist sie dagegen begründet (dazu 2.). Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zu tragen, weil sie das einstweilige Rechtsschutzverfahren veranlasst hat (dazu 3.).

1.Soweit sich die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz durch das SG richtet, ist sie unbegründet. Das SG hat diesen Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

b) Entgegen der Rechtsauffassung des SG war der Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nicht unzulässig. Insbesondere fehlte ihm nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Regelungsanordnung fehlt grundsätzlich dann, wenn der Antragsteller sich nicht zunächst an die Verwaltung gewandt und dort einen Antrag auf Leistungen gestellt hat (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 26b). Der Antragsteller hat jedoch mit Schreiben vom 13.09.2007 durch seinen Betreuer einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB II bei der Antragsgegnerin gestellt. Das Schreiben vom 13.09.2007 ist als Antrag auf Leistungsbewilligung i.S.d. § 37 Abs. 1 SGB II auszulegen. Denn aus der darin enthaltenen Erklärung ergibt sich aus Sicht eines objektiven Dritten (entsprechend §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) deutlich, dass der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II begehrt. Dem steht nicht entgegen, dass entsprechende Antragsvordrucke der Antragsgegnerin nicht benutzt wurden. Der Antrag gemäß § 37 SGB II ist an keine Form gebunden. Insbesondere besteht nicht die Pflicht, bestimmte Antragsvordrucke zu verwenden; jedenfalls wirkt sich eine unterbliebene Verwendung von Antragsvordrucken nicht anspruchsvernichtend aus (Link in: Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn. 20; Schoch in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 37 Rn. 10).

bb) Entgegen der Rechtsauffassung des SG war der Antragsgegnerin hier keine (weitere) Bearbeitungs- oder Entscheidungszeit zuzusprechen. Denn mit Schreiben vom 13.09.2007 beantragte der Betreuer des Antragstellers unter Vorlage der Bestellungsurkunde bei der Antragsgegnerin die sofortige Wiederaufnahme der Zahlungen an den Antragsteller. Die Antragsgegnerin reagierte darauf nicht. Der Betreuer des Antragstellers forderte sie sodann mit Schreiben vom 04.10.2007 unter Fristsetzung bis zum 12.10.2007 erneut auf, Leistungen an den Antragsteller zu erbringen, und kündigte für den Fall des erfolglosen Fristablaufs gerichtliche Schritte an. Die Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller die begehrten Leistungen nach dem SGB II erst (mit Bescheid vom 12.11.2007), nachdem dieser am 30.10.2007 gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen hatte.

Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24.10.2007 dem Betreuer des Antragstellers eine Einladung zu einem Gesprächstermin am 15.11.2007 übersandte, ergibt sich nichts anderes. Denn eine Bereitschaft der Antragsgegnerin, Leistungen nach dem SGB II (nunmehr) zu erbringen, oder ein Abrücken von ihrer bisherigen ablehnenden Haltung (oder jedenfalls ihre Überprüfung) lässt dieses Verhalten nicht erkennen. Im Übrigen hätte die Antragsgegnerin dem Antragsteller durch eine Zwischennachricht mitteilen können, welche Gründe nach ihrer Einschätzung einer Leistungsbewilligung (bereits zum damaligen Zeitpunkt) entgegenstanden.

c) Der Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz ist jedoch unbegründet (geworden).

aa) Für den Zeitraum vom 01.09.2007 bis 16.09.2007 fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Denn der Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II wurde erst unter dem 17.09.2007 durch den Betreuer des Antragstellers bei der Antragsgegnerin gestellt. Nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung nur auf Antrag und gem. Abs. 2 S. 1 der Vorschrift grundsätzlich nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Da der Antrag demgemäß konstitutive Wirkung hat (vgl. Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn. 24 mit Verweis auf BT-Drucksache 15/1516, S. 62), stehen dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts frühestens ab Antragstellung am 17.09.2007 zu.

Der vom Antragsteller unter dem 22.02.2007 wirksam gestellte frühere Leistungsantrag entfaltet über den Ablauf des Bewilligungszeitraums (zum 31.08.2007) hinaus für die Zeit ab dem 01.09.2007 keine Wirkung. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Arbeitslosenhilfe, wonach ein wirksam gestellter Antrag auf Arbeitslosenhilfe nach Ablauf des Bewilligungszeitraums seine Wirkung nicht verlor, kann auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht übertragen werden (Link a.a.O., § 37 Rn. 19). Denn für den Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sind die aktuelle Hilfebedürftigkeit und die aktuelle Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft maßgeblich, so dass die Anspruchsvoraussetzungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums jeweils erneut geprüft werden müssen. Nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts erlischt die Wirkung des ursprünglichen Antrags somit regelmäßig, so dass ein neuer (Fortzahlungs-)Antrag gestellt werden muss (Link a.a.O.). Ein solcher (Fortzahlungs-)Antrag ist jedoch erst mit dem Schreiben des Betreuers des Antragstellers vom 13.09.2007 gestellt worden (s.o.).

Eine frühere Antragstellung kann nicht aus Gründen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Ein diesbezüglicher Herstellungsanspruch käme allenfalls in Betracht, wenn die Antragsgegnerin ihren Pflichten aus §§ 13, 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen wäre, d.h. wenn sie den Antragsteller im Zusammenhang mit der Antragstellung (insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Fortzahlungsantrags) nicht umfassend aufgeklärt und beraten hätte. Die Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Denn die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 13.07.2007 einen Fortzahlungsantrag übersandt und ihm mitgeteilt, dass eine Leistungsbewilligung über den 31.08.2007 hinaus die Übersendung des ausgefüllten Fortzahlungsantrags erfordere. Dass das Schreiben dem Antragsteller nicht zugestellt werden konnte, fällt in seinen Risikobereich und ist der Antragsgegnerin nicht zuzurechnen.

Dass der Antragsteller wirksam bei einem unzuständigen Leistungsträger einen Leistungsantrag gestellt hat (gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I), ist weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich.

bb) Für den Zeitraum ab dem 17.09.2007 besteht ein Anordnungsanspruch (dazu (1)). Es fehlt jedoch an einem Anordnungsgrund (dazu (2)).

(1) Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller für den Zeitraum ab dem 17.09.2007 glaubhaft gemacht. Denn der Antragsteller hatte in diesem Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 7 Abs. 1 SGB II, da er sowohl erwerbsfähig (§ 8 Abs. 1 SGB II) als auch hilfebedürftig (§ 9 Abs. 1 SGB II) war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in E hatte.

Der Leistungsanspruch war entgegen der Rechtsauffassung des SG für die Zeit bis zum 24.10.2007 nicht gemäß § 7 Abs. 4a SGB II ausgeschlossen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm waren nicht verwirklicht. Der Antragsteller war ab dem 17.09.2007 (wieder) erreichbar im Sinne des § 7 Abs. 4a SGB II.

Zur Konkretisierung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4a SGB II kann die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476), nicht herangezogen werden. Denn die EAO gilt entsprechend nur, soweit dies für den Regelungszweck des § 7 Abs. 4a SGB II erforderlich ist (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 Rn. 80, 78 a.E.; Valgolio in: Hauck-Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 26, 76 (Stand: November 2007)). Der Verweis in § 7 Abs. 4a SGB II bezieht sich im Kern auf die entsprechende Anwendung des § 3 EAO, der das Genehmigungsverfahren für einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches regelt. Soweit § 7 Abs. 4a letzter Halbsatz SGB II darüber hinaus die übrigen Voraussetzungen der EAO für entsprechend anwendbar erklärt, bezieht sich dieser Verweis nur auf jene Elemente der EAO, die zur Bestimmung des zeit- und ortsnahen Bereichs von Bedeutung sind (Valgolio a.a.O., K § 7 Rn. 76; Spellbrink a.a.O., § 7 Rn. 78). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung, die in erster Linie einem Leistungsmissbrauch bei ungenehmigter Ortsabwesenheit vorbeugen (Valgolio a.a.O.) und eine ungenehmigte Ortsabwesenheit härter sanktionieren soll als § 31 SGB II (Spellbrink a.a.O.) Auf Grund des eingeschränkten Verweises in § 7 Abs. 4a SGB II, der sich nicht auf § 1 EAO erstreckt, muss der Grundsicherungsempfänger also nicht sicherstellen, dass der Träger ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort durch Briefpost erreichen kann (Spellbrink a.a.O., § 7 Rn. 80; Valgolio a.a.O., K § 7 Rn. 26, 76). Dies ergibt sich auch aus § 36 Satz 3 SGB II. Diese Norm öffnet das System der Grundsicherung nach dem SGB II grundsätzlich auch für Obdachlose (vgl. Spellbrink a.a.O., Rn. 78).

Es ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller ab dem 17.09.2007 (wieder) in E und somit im zeit- und ortsnahen Bereich der Antragsgegnerin i.S.d. § 2 S. 2 EAO aufgehalten hat. Diese Annahme ergibt sich daraus, dass sowohl in der Bestellungsurkunde des Betreuers des Antragstellers als auch in den Schreiben des Betreuers an die Antragsgegnerin vom 13.09.2007 und 04.10.2007 als Anschrift des Antragstellers die L-str. 00 in E angegeben war. Insofern war anhand der angegebenen Adressen auch für die Antragsgegnerin erkennbar, dass sich der Antragsteller in E aufhielt. Darüber hinaus ist im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als Anschrift des Antragstellers ebenfalls eine Adresse (K-str. 00 in E) genannt. Der Antragsteller war damit - jedenfalls über seinen Betreuer - erreichbar.

(2) Der Antragsteller hat jedoch für die Zeit ab dem 17.09.2007 keinen Anordnungsgrund (mehr) glaubhaft gemacht.

Zwar hat der Antragsteller ursprünglich einen Anordnungsgrund für dies Zeit glaubhaft gemacht, weil er bis dahin offenbar ohne jegliches Einkommen und Vermögen lebte. Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller jedoch mit Bescheid vom 12.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 347,00 EUR für den Zeitraum ab dem 30.10.2007 (Eingang des Antrages auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz) bis zum 31.01.2008. Der bis dahin bestehende Anordnungsgrund ist durch diese Leistungsbewilligung damit entfallen. Soweit der Antragsteller den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit "hilfsweise" für erledigt erklärt hat, ist diese Erledigungserklärung unwirksam. Denn der Antragsteller hat diese Prozesshandlung (Antragsrücknahme) unzulässigerweise von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht.

Für den Zeitraum vom 17.09.2007 bis 29.10.2007 fehlt es von vornherein an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Anordnungsgrund. Denn hinsichtlich vergangenheitsbezogener Leistungen sind einstweilige Anordnungen regelmäßig nicht nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O.) Anhaltspunkte für eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz bzw. der Vernichtung der Lebensgrundlage des Antragstellers durch die Versagung von vergangenheitsbezogenen Leistungen sind auch hier nicht erkennbar. Insbesondere hatte der Antragsteller seinen Lebensunterhalt seit Juni 2007 sichergestellt, ohne Leistungen von der Antragsgegnerin erhalten zu haben.Soweit sich die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrageauf Prozesskostenhilfe (für das Ausgangsverfahren) richtet, ist sie begründet.

Das SG hat diesen Antrag zu Unrecht abgelehnt. Denn Prozesskostenhilfe hat der Antragsteller zeitgleich mit seinem Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz beantragt und zugleich die vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war damit bereits zu diesem Zeitpunkt entscheidungsreif. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte zu diesem Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages überwiegend noch hinreichend Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), weil die Antragsgegnerin erst später - mit Bescheid vom 12.11.2007 - Leistungen nach dem SGB II bewilligte. Erst zu diesem späteren Zeitpunkt entfiel der bis dahin glaubhaft gemachte Anordnungsgrund.

Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe auch für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen (§ 73a SGG i.V.m. §§ 119 Abs. 1 S. 1, 114 Satz 1 ZPO), weil seine Beschwerde aus den dargelegten Gründen schwierige Rechtsfragen aufwarf.

3. Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde die Ablehnung seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hielt es für billig, der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge aufzuerlegen. Denn die Antragsgegnerin hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren veranlasst, indem sie auf die Anträge des Betreuers des Antragstellers vom 13.09.2007 und vom 04.10.2007 auf Wiederaufnahme der Leistungen nicht (jedenfalls nicht innerhalb der dort gesetzten, angemessenen Frist bis zum 12.10.2007) reagierte. Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller die begehrten Leistungen nach dem SGB II erst mit Bescheid vom 12.11.2007, nachdem dieser am 30.10.2007 gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen hatte. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I sind die Leistungsträger jedoch verpflichtet darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Leistungen "zügig erhält". Die hier vorliegende Dauer von zwei Monaten für die Bescheidung des Antrages auf existenzsichernde Sozialleistungen - weitere Sachverhaltsermittlungen hat die Antragsgegnerin in dieser Zeit nicht unternommen - wird dem nicht gerecht.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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