L 2 B 242/07 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 181/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 242/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es spricht für eine Übernahme der beim Energieunternehmen aufgelaufenen Stromschulden der Leistungsempfänger, wenn der Träger der Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II vorher zu geringe Leistungen, insbesondere für Wohnung und Heizung erbracht hat, und dies zumindest zum Teil ursächlich für das Auflaufen der Schulden war. Je nach Umfang des Verursachungsbeitrags kann sich ergeben, dass für die Tilgung der Schulden ausnahmsweise nicht nur ein Darlehen sondern ein Zuschuss zu gewähren ist.
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, vorläufig die Schulden der Antragsteller aus dem Stromlieferungsvertrag mit der e.on A. AG in Höhe von 1.457,81 EUR zu übernehmen, wobei diese Verpflichtung Zug um Zug gegen die Erklärung der Antragsteller, mit einer direkten Zahlung dieser Summe und künftiger Zahlungen für Stromlieferungen durch die Antragsgegnerin an die e.on A. AG einverstanden zu sein, erfüllt werden kann. Der weitergehende Beschwerdeantrag auf eine bedingungslose Verpflichtung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller verfolgen im Beschwerdeverfahren ihr Begehren weiter, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme von Schulden für Stromlieferungen bei dem Energieversorgungsunternehmen ... A. AG (im folgenden: A. AG) zu verpflichten.

Die im Jahre 1945 geborene Antragstellerin zu 1. und der im Jahre 1960 geborene Antragsteller zu 2. sind miteinander verheiratet. Die Antragstellerin zu 1. ist deutsche Staatsbürgerin und der Antragsteller zu 2. ist ukrainischer Staatsbürger. Beide leben, zusammen mit dem 1977 geborenen Sohn der Antragstellerin zu 1., seit dem 1. Oktober 2004 in einem anmieteten Haus in der D. straße in 39307 D ... Laut dem Mietvertrag beträgt die Grundmiete (Nettokaltmiete) monatlich 450,00 EUR und für Nebenkosten sind monatlich 54,00 EUR zu leisten. Die Kosten für Abwasser, Abfuhr von Fäkalschlamm, Energie (Strom), Heizung und Warmwasser (Gas) müssen die Antragsteller selbst tragen. Der Umfang der vermieteten Wohnfläche ist im Mietvertrag nicht bezeichnet. Gegenüber der Antragsgegnerin gaben die Antragsteller eine Wohnfläche von ca. 62 qm an. Aus in der Folgezeit geführter Korrespondenz der Antragsteller mit den Vermietern geht hervor, dass die Antragsteller zahlreiche Mängel des Hauses anzeigten und unter anderem monierten, die schlecht gedämmten Wände führten zu hohen Wärmeverlusten.

Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellern als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II - in einer monatlichen Höhe von 938,78 EUR. Dabei wurden Kosten für Unterkunft und Heizung in einer Gesamthöhe von 342,78 EUR für die Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Die Antragsgegnerin ging davon aus, dass auf die Antragsteller 2/3 der Kosten und 1/3 auf den Sohn der Antragstellerin zu 1. entfielen und führte aus: Die Kosten der Unterkunft seien bezogen auf die Kaltmiete unangemessen hoch. Die Bewilligung werde deshalb auf den 30. April 2005 befristet. Nach ihrer Richtlinie zur Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten würden nur Mieten in Höhe von 4,00 EUR pro qm Wohnfläche als angemessen anerkannt. Hier betrage die Miete aber 7,26 EUR pro qm. Einen monatlichen Differenzbetrag von 202,00 EUR müssten die Antragsteller selbst übernehmen. Verbrauchsabhängige Kosten wie z. B. für Heizung und Gas könnten nur insofern Berücksichtigung finden, wie sie angemessen seien. Am 8. März 2005 sprach die Antragstellerin zu 1. bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit: Die Gasheizung im Haus sei ständig kaputt. Sie müsse für Gas für drei Monate über 600 EUR zahlen. Die Sachbearbeiterin bzw. der Sachbearbeiter erklärte daraufhin, "laut Gesetz" würden nur 1,30 EUR pro qm als Heizkosten anerkannt. Für die Zeit ab Mai 2005 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 303,63 EUR. Dabei ging sie weiter davon aus, dass auf die Antragsteller 2/3 der Gesamtkosten und 1/3 auf den Sohn der Antragstellerin zu 1. entfielen. Davon ausgehend übernahm die Antragsgegnerin für die Antragsteller einen Mietanteil von 213,33 EUR und Heizkosten in Höhe von monatlich 56,85 EUR (2/3 von 104 EUR abzüglich 18% für die Warmwasseraufbereitung) sowie weitere Nebenkosten (wohl für die monatliche Fäkalienabfuhr und Abwasser) von 33,45 EUR. Ab November 2005 übernahm die Antragsgegnerin monatlich einen Mietanteil von 184,67 EUR, anteilige Heizkosten von 80,36 EUR und weitere Nebenkosten von 36 EUR.

Für den Verbrauchszeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 12. Januar 2005 errechnete die A. AG für den Gasverbrauch einen zu zahlenden Betrag von 654,22 EUR und setzte für die Zukunft monatliche Abschlagszahlungen von 147 EUR fest. Am 27. März 2005 unterrichtete die A. AG die Antragsteller über die Einstellung der Gaslieferungen wegen eines nunmehr geltend gemachten Betrages von 1.118,94 EUR. Die Antragsteller heizten nach ihren Angaben nach der Einstellung der Gaslieferung zunächst längere Zeit mit strombetriebenen Heizradiatoren. Mit Bescheid vom 2. August 2005 gewährte der Landkreis Jerichower Land in seiner Funktion als Sozialhilfeträger den Antragstellern ein Darlehen in Höhe von insgesamt 2.358,56 EUR, um diese in die Lage zu versetzen, Schulden für Gas- und Stromlieferungen bei der A. AG begleichen zu können. Dieses Darlehen wurde und wird noch in monatlichen Teilbeträgen von 75,00 EUR durch Abzweigung von den Grundsicherungsleistungen zurückgezahlt.

Nach einer Abrechnung der A. AG vom 8. Februar 2006 über den Gasverbrauchszeitraum vom 13. Januar 2005 bis zum 14. Januar 2006 fiel ein Bruttorechnungsbetrag von 1.563,60 EUR bei geleisteten Abschlagszahlungen von 732,00 EUR an.

Ab März 2006 berücksichtigte die Antragsgegnerin für die Antragsteller monatlich einen Mietanteil von 203,40 EUR, einen Heizkostenanteil von 79,27 EUR und 36 EUR weitere Nebenkosten (Blatt 129 der Verwaltungsakten). Diese Leistungen blieben im Bewilligungszeitraum von November 2006 bis April 2007 zunächst unverändert (Blatt 180 der Verwaltungsakten); ab März 2007 übernahm die Antragsgegnerin keine Heizkosten mehr.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2007 berechnete die A. AG die Stromkosten für den Verbrauchszeitraum vom 15. Januar 2006 bis zum 16. Januar 2007 mit insgesamt 2.231,81 EUR. Abzüglich Abschlagszahlungen in Höhe von 1.080,00 EUR und Mahnkosten von 20,00 EUR forderte die A. AG einen Restbetrag von 1.171,81 EUR. Im Auftrage der Antragsteller wandte sich die Schuldnerberatung des D. Werks im Jerichower Land an die A. AG mit der Bitte, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Diese Bemühungen blieben erfolglos. Mit einer Benachrichtigung vom 29. März 2007 teilte die A. AG den Antragstellern mit, wegen einer nunmehr geltend gemachten Gesamtforderung von 1457,81 EUR werde die Lieferung von Strom eingestellt. Weiter forderte die A. AG mit einem Schreiben an die Antragsteller vom 25. Januar 2007 für verbrauchtes Erdgas aufgrund einer Schlussverbrauchsrechnung für den Abrechnungszeitraum vom 15. Januar 2006 bis zum 17. Januar 2007 einen Restbetrag von 1.811,89 EUR an. Es ist nicht ersichtlich, ob auf diese Rechnung eine Zahlung von den Antragsstellern geleistet wurde.

Die Antragsteller wandten sich mit einem Schreiben vom 18. Februar 2007 an die Antragsgegnerin und teilten mit, sie können die Gas- und Stromkosten nicht zahlen. Deshalb werde gebeten zu prüfen, ob ein Darlehen gewährt werden könne. Soweit ersichtlich bearbeitete die Antragsgegnerin diesen Antrag nur hinsichtlich der Stromkosten und wies den Antrag auf Darlehensgewährung mit Bescheid vom 12. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2007 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Antragsgegnerin aus: Auch bei Gewährung eines Darlehens sei nicht sichergestellt, dass in der Zukunft nicht wieder neue Schulden entstünden. Die Schulden seien selbst verursacht, da Abschlagszahlungen in der Vergangenheit nicht gezahlt worden seien. Es bestehe zudem die Möglichkeit, in eine andere Wohnung zu ziehen. Hiergegen haben die Antragsteller am 4. Mai 2007 beim Sozialgericht Stendal Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 4 AS 177/07 anhängig.

Am 4. Mai 2007 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Stendal einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin vorläufig zur darlehensweisen Übernahme der von der A. AG geltend gemachten Forderung für die Stromlieferungen zu verpflichten. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die hohe Forderung resultiere zum großen Teil daraus, dass sie nach Einstellung der Gaslieferungen auf eine mit Strom betriebene Heizung ausgewichen seien. Ein Wohnungswechsel würde nicht helfen, weil die A. AG auch in einer neuen Wohnung die Stromlieferung erst nach Begleichen der Rückstände aufnehmen werde.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber eingewandt: Bereits im Jahre 2005 habe das Sozialamt für die Antragsteller darlehensweise Energieschulden in Höhe von 2.358,48 EUR übernommen. Auch im Mietverhältnis bestünden Zahlungsrückstände. Die Antragsteller hätte in der Vergangenheit leichtfertig Schulden gemacht und den Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse verloren. Auch wenn die Aufhebung der "Stromsperre" dienlich wäre, sei es nicht gerechtfertigt, jetzt zum wiederholten Male Energiekostenrückstände zu übernehmen. Die Antragsteller hätten die bestehenden Verbindlichkeiten durch ihr unwirtschaftliches Verhalten und die schlechte Zahlungsmoral selbst verschuldet.

Das Sozialgericht Stendal hat sich der Argumentation der Antragsgegnerin angeschlossen und den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 6. Juni 2007 abgelehnt: Es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von einer Darlehenszahlung abgesehen habe.

Gegen den am 7. Juni 2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 5. Juli 2007 Beschwerde eingelegt.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragsteller haben vorgetragen: Der Antragsteller zu 2. sei am 5. September 2007 nach Behandlung wegen einer instabilen Angina pectoris aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die Versorgung mit Strom sei dringend erforderlich, schon um ggf. telefonisch ärztliche Hilfe herbeirufen zu können. Sie haben Atteste der Klinik B. über den Klinikaufenthalt und des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2007 aufzuheben und die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den bei der ... A. AG bestehenden Rückstand für Stromlieferungen in Höhe von 1.457,81 EUR zu übernehmen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meint, die erwiesene Unzuverlässigkeit der Antragsteller spreche gegen die erneute darlehensweise Übernahme von Schulden aus Energielieferungen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Das Sozialgericht Stendal hat zu Unrecht eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der Stromschulden bei der A. AG abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei haben die Antragsteller gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Hier haben die Antragsteller eine den Erlass der Anordnung rechtfertigende Notlage glaubhaft gemacht. Das Energieversorgungsunternehmen A. AG hat die Stromversorgung abgebrochen und es ist ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Wiederaufnahme der Stromversorgung vom Ausgleich der aufgelaufenen Schulden aus der Stromversorgung zuzüglich von Nebenkosten abhängig gemacht wird. Der Ausschluss von der Stromversorgung kann als aktuelle Notlage angesehen werden, weil ohne Strom die Befriedigung elementarer Bedürfnisse (Kochen, Licht, Telefonieren) entweder nicht möglich oder doch stark erschwert ist.

Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht zumindest einiges dafür, dass auch ein Anordnungsanspruch besteht. Die bei einer solchen Konstellation vorzunehmende Interessenabwägung gebietet die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der aufgelaufenen Schulden aus dem Stromversorgungsvertrag.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Danach können – sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden – auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II "sollen" die Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen dabei nach Satz 4 der Vorschrift als Darlehen erbracht werden. Als eine vergleichbare Notlage im Sinne des Satz 1 wird insbesondere der Fall angesehen, dass infolge von Energiekostenrückständen die Versorgung der Wohnung mit Energie (Strom, Gas) gefährdet ist. Denn eine Sperrung der Energieversorgung führt einen Zustand herbei, der mit einer Unbewohnbarkeit bzw. dem Verlust der Wohnung gleichgesetzt werden kann (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 22 Rdnr. 116 mit weiteren Nachweisen). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat deshalb im Hinblick auf die Übernahme von Energieschulden ein nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II eingeschränktes Ermessen angenommen und ausgeführt: Der Leistungsträger habe in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen und könne lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen davon abweichen. Die Klärung, ob ein atypischer Fall vorliege, könne regelmäßig erst im Hauptsacheverfahren erfolgen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2007, L 26 B 1321/07 AS, zitiert nach juris). Der erkennende Senat lässt es im konkreten Fall offen, ob ein Fall des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt. Denn hier führt im Rahmen der summarischen Prüfung die Überprüfung der Ermessensentscheidung zu keinem anderen Ergebnis als die Annahme einer in typischen Fällen gebundenen Entscheidung.

Zu berücksichtigen sind in Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtschau die Höhe der Rückstände und die Ursachen, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Das Ermessen soll auch bei einer drohenden oder schon vollzogenen Sperrung der Energiezufuhr nicht reduziert sein, wenn sich die Hilfeempfänger ein unwirtschaftliches und/oder sozialwidriges Verhalten vorhalten lassen müssen (Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 118). Generell ist zu beachten, dass der Grundsicherungsträger nicht zum "Ausfallbürgen von Energieversorgungsunternehmen" werden darf (vgl. Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 116). Hier hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen ausgeübt und ein Übernahme der Rückstände abgelehnt. Die von ihr in die Ermessenentscheidung einbezogenen Gesichtspunkte sind durchaus gewichtig. Es spricht aber viel dafür, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessenentscheidung einen gewichtigen Gesichtspunkte übersehen hat, dessen Beachtung zu einer Ermessensreduzierung dergestalt führen kann, dass nur eine Übernahme der aufgelaufenen Schulden aus dem Stromlieferungsvertrag rechtmäßig ist. Im konkreten Fall spricht viel für die Richtigkeit des Vortrags der Antragsteller, dass die Stromschulden zu einem nicht unerheblichen Teil daraus resultieren, dass nach Einstellung der Gaslieferungen das von den Antragstellern bewohnte Haus mittels Stromradiatoren beheizt wurde. In diesem Zusammenhang wird allerdings im Hauptsachverfahren noch näher aufzuklären sein, ob und gegebenenfalls warum nach der Darlehensgewährung durch den Sozialhilfeträger im August 2005 keine Wiederaufnahme der Gaslieferungen erreicht werden konnte. Dafür, dass jedenfalls für einen späteren Zeitraum später wieder Gaslieferungen erfolgten, spricht die Verbrauchsabrechnung der A. AG vom 8. Februar 2006 und auch die Schlussrechnung vom 25. Januar 2007. Es wird auch genauer aufzuklären sein, wofür der gewährte Darlehensbetrag im Jahre 2005 genau Verwendung fand. Jedenfalls ist der Vortrag der Antragsteller glaubhaft, dass zumindest für einen gewissen Zeitraum eine stromgespeiste Beheizung des Wohnraumes erfolgte.

Es lässt sich in diesem Zusammenhang nach der Auffassung des Senats nicht ausschließen, dass die Einstellung der Gaslieferungen und die damit entstandene Notwendigkeit der Stromheizung sowie das Auflaufen der Stromschulden zumindest zum Teil mit dadurch verursacht worden sind, dass die Antragsgegnerin durchgehend ab Beginn der Leistungserbringung Anfang 2005 zu geringe Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erbracht hat, so dass den Antragstellern insgesamt zu geringe Leistungen zur Verfügung standen.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Berechnung der angemessenen Miete entspricht nicht den aus § 22 SGB II zu entnehmenden Vorgaben. Die Antraggegnerin hat die angemessene Miete errechnet, in dem die von ihr angenommene Anzahl der qm mit einem Richtlinienwert multipliziert wurden. Nach der richtigerweise anzuwendenden Berechnungsweise (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R) hätte aber der durchschnittliche Mietpreis einer für zwei Personen angemessenen Wohnung am örtlichen Wohnungsmarkt ermittelt werden müssen, weil die tatsächlichen Kosten zumindest bis zu dieser Höhe angemessen sind. Der Senat ist in einem anderen Fall davon ausgegangen, dass bei Fehlen sonstiger Erkenntnisse zum ortsüblichen Mietzins die Heranziehung der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz geboten ist, so dass eine monatliche Miete i. H. v. 345,00 EUR für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft angemessen ist (Beschluss vom 7. September 2007, L 2 B 57/07 AS ER). Diese liegt deutlich über den gewährten Beträgen von 213,33 EUR bzw. 184,67 EUR, selbst wenn noch die weiteren Nebenkosten von monatlich 36 EUR als Mietbestandteil berücksichtigt werden. Inwieweit im konkreten Fall für den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin andere Werte für die angemessene Miete gelten, als im seinerzeit vom Senat zu beurteilenden Fall, bleibt der Ermittlung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Im Rahmen der summarischen Prüfung lassen sich jedenfalls Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Verweisung der Antragsteller auf die Deckung eines nicht unerheblichen Anteils der Miete aus dem ihnen für den Grundbedarf zugebilligten Betrag zumindest zum Teil nicht rechtmäßig war. Daraus würden sich dann monatliche Fehlbeträge ergeben, die keine Verwendung für die Zahlung der Stromkosten Verwendung finden konnten.

Weiter sprechen nach der Auffassung des Senats Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsstellern in zu geringem Umfang Mittel zur Zahlung der Heizkosten zur Verfügung gestellt hat. Nach der Abrechnung für den Verbrauchzeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 12. Januar 2005 fiel für drei Monate und 12 Tage ein mit 654,22 EUR berechneter Gasverbrauch (für den Betrieb der Gasheizung inklusive Warmwasseraufbereitung) an. Auf den Monat umgerechnet ergibt sich ein Gasverbrauch von 192,41 EUR (654,22 EUR: 102 Tage X 30 Tage). Wird davon ein Anteil von 18% für die Warmwasserversorgung abgezogen, ergibt sich ein Betrag von 157,78 EUR. Der davon auf die Antragsteller entfallende 2/3-Anteil würde 105,18 EUR betragen. Mangels genauerer Erkenntnisse für die Zeit ab dem 13. Januar 2005 (insbesondere für welchen Zeitraum genau die Beheizung mittels Stromradiatoren erfolgte), wird im Rahmen der summarischen Prüfung dieser Betrag "fortgeschrieben". Nach der Aktenlage hat die Antragsgegnerin für Heizkosten zunächst einen monatlichen Betrag von 56,85 EUR und dann ab März 2006 von 79,27 EUR übernommen. Es ergibt sich ein monatlicher Differenzbetrag von 48,33 EUR bzw. 25,91 EUR. Für die Zeit von Januar 2005 bis zur Stromlieferungseinstellung im März 2007 summiert sich der Differenzbetrag auf gerundet 730 EUR. Nach der bisher zur Angemessenheit der Heizkostenübernahme ergangenen Rechtsprechung sind diese im Rahmen des § 22 SGB II in der tatsächlichen Höhe zu übernehmen, wenn ein hoher Verbrauch z. B. auf eine schlechte Isolierung der Wohnräume beruht. Jedenfalls würde die nur teilweise Übernahme ein Erkennen der Unwirtschaftlichkeit und der Notwendigkeit der Abhilfe durch die Leistungsempfänger voraussetzen (vgl. zum Ganzen Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 67f. mit weiteren Nachweisen). Dass diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorlagen, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls lässt sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller mit der notwendigen Klarheit auf die Unwirtschaftlichkeit der Beibehaltung der bisherigen Unterkunft hingewiesen hat. Dies wäre aber geboten gewesen, denn es spricht viel dafür, dass die hohen Kosten für die Beheizung der Wohnung aus der schlechten Isolierung des Hauses und/oder einer unwirtschaftlichen Heizungsanlage resultieren. Auch wenn hier noch nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang die vereinbarte Kaltmiete unangemessen ist, kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass die genannten ungünstigen Wohnbedingungen, die zu hohen Nebenkosten führen, durch eine günstige Grundmiete kompensiert werden. Dies hätte im konkreten Fall wesentlich deutlichere Hinweise der Antragsgegnerin auf die Obliegenheit der Antragsteller zum wirtschaftlichen Verhalten und der damit verbundenen Notwendigkeit des Wohnungswechsels erfordert.

Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen ist zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung davon auszugehen, dass bis zur Einstellung der Stromlieferungen ein Betrag von circa 730 EUR zuwenig an Energiekosten erbracht wurde. Inwieweit dem die Darlehenserbringung im August 2005 durch den Sozialhilfeträger gegengerechnet werden kann, bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Dagegen spricht, dass hier durch eine Abzweigung laufende Rückzahlungen von 75 EUR im Monat erfolgten und noch erfolgen.

Weiter wird im Hauptsacheverfahren aufzuklären sein, ob und inwieweit ab Januar 2005 auch deshalb zuwenig Leistungen an die Antragsteller erbracht wurden, weil ein zu geringer Betrag für die Mietkosten überwiesen wurde.

Sollte sich im Hauptsachverfahren erhärten, dass die aufgelaufenen Schulden der Antragsteller für Energielieferungen zu einem nicht unerheblichen Teil auf in zu geringen Umfang von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen beruhen, wäre dies als gewichtiger Grund bei einer Ermessensentscheidung über die Übernahme der aufgelaufenen Rückstände bei der A. AG zu berücksichtigen. Denn wenn ein Zustand zum großen Teil durch ein objektiv fehlerhaftes Verhalten des Leistungsträgers bedingt ist, besteht auch eine Verpflichtung, dadurch zumindest mitverursachte negative Folgen auszugleichen. Je nach dem Umfang des "Verursachungsbeitrages" kommt hier auch eine Reduzierung des Ermessens dergestalt in Betracht, dass die Schulden darlehensweise zu übernehmen sind. Ob dies dann unter Beachtung des § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II als Darlehen oder ausnahmsweise als Zuschuss zu erfolgen hat, bedarf der näheren Klärung im Hauptsacheverfahren.

Ist demnach nicht auszuschließen, dass sich im Hauptsacheverfahren ein Anspruch auf Übernahme der Stromschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II gegen die Antragsgegnerin ergibt, so fällt die hier im Eilverfahren vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsteller aus. Die Gefahr für den Leistungsträger, einen vorläufig gewährten Betrag bei Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht einbringen zu können, wiegt geringer als die Nachteile für die Antragsteller, derzeit von der Stromversorgung ausgeschlossen zu sein. Denn die durch die mangelnde Stromversorgung hervorgerufene Einschränkung der Nutzbarkeit des Wohnraums betrifft elementare Lebensbedürfnisse der Antragsteller. Dabei verkennt der Senat nicht, dass mit einer Übernahme der Stromschulden der Antragsteller durch die Antragsgegnerin zwar ein aktuelle Notlage beseitigt werden kann, aber keine Lösung des eigentlichen Grundproblems erreicht wird. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass noch die Nachforderung für Gaslieferungen in Höhe von 1.811,88 EUR offen ist, über deren beantragte Übernahme die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat. Weiter wird sich die Problematik von auch in der Zukunft zu erwartenden übermäßig hohen Heizkosten nur durch einen Umzug in eine besser geeignete angemessene Unterkunft lösen lassen. Weil auch in einer neuen Unterkunft mutmaßlich von der A. AG die Aufnahme der Stromlieferung von einer Begleichung der Außenstände abhängig gemacht wird, sieht der Senat die vorläufige Übernahme durch die Antragsgegnerin als einen ersten Schritt zur Bewältigung der insgesamt problematischen Situation der Antragsteller an. Dabei hält der Senat es für geboten, schon die vorläufige Übernahme der Stromschulden davon abhängig zu machen, dass die Antragsteller einer direkten Überweisung des aufgelaufenen Betrages und auch der für die Zukunft zu erbringenden Zahlungen direkt an die A. AG zustimmen. Denn die Übernahme kann von flankierenden Maßnahmen abhängig gemacht werden, die neuerlichen Rückständen entgegenwirken (vgl. Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 118). Eine solche Sicherung hält der Senat im konkreten Fall für dringend geboten.

Die Kostenentscheidung erfolgt anlog § 193 SGG. Dass dem Antrag auf Übernahme nur unter der sich aus dem Tenor ergebenden Einschränkung der Zug um Zug Verpflichtung entsprochen wurde, fällt nicht ins Gewicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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