L 6 U 31/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 U 23/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 31/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 8/08 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen ist notwendiges Durchgangsstadium zur Erfüllung der Hauptaufgabe der Arbeitsförderung, der zügigen Besetzung offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Da die Arbeitsvermittlung das Ziel verfolgt, zwischen dem Arbeitsuchenden und einem Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zu begründen, endet sie weder mit der Durchführung eines Vorstellungsgesprächs noch nimmt sie dem Arbeitsuchenden die Verantwortung dafür, ob und zu welchen Bedingungen er einen Arbeitsvertrag schließt. Das wegen noch offener Punkte erforderliche weitere Aufsuchen des potentiellen Arbeitgebers alsbald nach einem Vorstellungsgespräch wird von der Vermittlungsaufforderung mitumfasst und unterfällt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2002 aufgehoben und gegenüber der Beigeladenen festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 27. April 2001 ein Arbeitsunfall ist. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der am 1945 geborene Kläger erlitt am 27. April 2001 gegen 11.10 Uhr auf direktem Weg vom Arbeitsamt (ArbA, nunmehr Agentur für Arbeit) zur Gemeinnützigen Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung mbH (AQB) in M. als Radfahrer einen Verkehrsunfall, als er mit einem Pkw zusammenstieß. Hierbei zog er sich im Wesentlichen ein Schädel-Hirn-Trauma sowie einen Bruch des Innenknöchels des rechten Fußes zu (Durchgangsarztbericht vom 30. April 2001). Er bezog zu diesem Zeitpunkt Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit (nunmehr Bundesagentur für Arbeit – BA) und unterlag der Meldepflicht. Aufgrund der Vermittlungsaufforderung des ArbA vom 29. März 2001 hatte er sich am 26. April 2001 bei der AQB zwecks einer vom 1. Mai 2001 bis zum 30. November 2001 – im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – beabsichtigen Beschäftigung als Gartenarbeiter vorgestellt. Als die AQB ihn am 27. April 2001 telefonisch aufforderte, für die Lohnberechnung eine Bescheinigung der Kindergeldkasse vorzulegen, holte er diese beim ArbA ab und wollte nochmals zur AQB fahren.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich auf einem Weg ereignet, der die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nur habe vorbereiten sollen. Solche Vorbereitungshandlungen seien dem eigenwirtschaftlichen und somit unversicherten Lebensbereich zuzurechnen und stünden nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Auf entsprechende Anforderung teilte die AQB der Beklagten mit am 16. Juli 2001 eingegangenem Schreiben vom 12. Juli 2001 mit, der Kläger habe den Weg zurückgelegt, um die für die geplante Arbeitsaufnahme notwendige Kindergeldbescheinigung abzuholen bzw. abzugeben.

Am 2. August 2001 legte der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein und berief sich darauf, dass er die Aufforderung der AQB wegen des Arbeitsvertrages als Anweisung betrachtet habe. Um keine Nachteile zu erleiden, habe er sie sofort befolgt. Ergänzend überreichte der Kläger der Beklagten am 21. Oktober 2001 neben dem Arbeitsvertrag vom 1. Mai 2001 auch einen Handzettel mit einer vorgegebenen Liste der zum Abschluss des Arbeitsvertrages mitzubringenden Unterlagen. Der Handzettel, auf dem keine Kindergeldbescheinigung aufgeführt war, sei ihm am 26. April 2001 mit der Maßgabe ausgehändigt worden, die zur Abrechnung des Lohns erforderliche Bescheinigung kurzfristig nachzureichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Wege, die mit einer Arbeitsuche und Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages zusammenhingen, gehörten als Vorbereitungshandlungen der Beschäftigungssuche zum unversicherten Bereich. Sofern der Arbeitsvertrag bereits am 26. April 2001 geschlossen worden sei, habe die Beibringung der fehlenden Bescheinigung lediglich der seinem privaten Interesse dienenden Arbeitsentgeltberechnung gedient.

Am 31. Januar 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zur Begründung klarstellend vorgetragen, anlässlich des Vorstellungsgesprächs am 26. April 2001 habe die AQB den Arbeitsvertrag noch nicht unterzeichnet. Sie habe ihm den Vertrag an diesem Tag auch noch nicht ausgehändigt. Da die AQB die Vorlage der Kindergeldbescheinigung von ihm schon am Folgetag gefordert habe, sei er davon ausgegangen, dass dies zur Erfüllung der Voraussetzungen einer pünktlichen Arbeitsaufnahme dringend erforderlich sei. Die Beklagte hat an ihrer Ansicht aus dem Vorverfahren festgehalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, weil sich der Kläger nicht auf versichertem Weg befunden habe. Mangels tatsächlicher Arbeitsaufnahme habe noch kein Beschäftigungsverhältnis bestanden. Das Interesse des Klägers am Abschluss eines Arbeitsvertrages sei unversichert. Wegen Unvergleichbarkeit des unfallbringenden Weges mit der Durchführung einer zur Arbeitsaufnahme erforderlichen Untersuchung oder Prüfung komme auch unter diesem Aspekt kein Versicherungsschutz in Betracht. Da der Kläger auch nicht von der BA (mit Sanktionsandrohung), sondern von der AQB aufgefordert worden sei, die Bescheinigung vorzulegen, sei schließlich auch insoweit kein unfallversicherungsrechtlicher Tatbestand erfüllt.

Gegen den am 11. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. März 2005 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er nochmals betont, er habe nach dem Anruf am 27. April 2001 angenommen, dass er ohne Vorlage der Bescheinigung das Arbeitsverhältnis nicht werde antreten können. Selbst wenn die Abgabe der Kindergeldbescheinigung bei der AQB keine zwingende Voraussetzung für den Abschluss des Arbeitsvertrages gewesen sei, habe deren Vorlage nach seiner Vorstellung zumindest auch dem Interesse des Arbeitgebers gedient.

Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2002 aufzuheben und – hilfsweise gegenüber der Beigeladenen – festzustellen, dass der Unfall vom 27. April 2001 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2005 zurückzuweisen.

Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten über den Kläger beigezogen. Daneben hat die AQB auf seine Anforderung mit Schreiben vom 18. August 2005 ausgeführt: Der Arbeitsvertrag sei dem Kläger am 27. April 2001 nicht ausgehändigt worden, weil ihn an diesem Tag zwar der Kläger, nicht jedoch sie selbst unterschrieben habe. Die nach dem Vorstellungsgespräch noch fehlenden Unterlagen seien keine Voraussetzung für den Abschluss des Arbeitsvertrages gewesen. Die Kindergeldbescheinigung sei jedoch deshalb für die Höhe des Arbeitsentgelts entscheidend gewesen, weil ein Kindergeldzuschuss habe gezahlt werden sollen. Da die Entgeltzahlung jeweils zum 15. eines Kalendermonats vorgesehen gewesen sei, habe sie auch noch bis dahin nachgereicht werden können.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2007 hat der Senat die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Sie hat keinen Antrag gestellt und darauf verwiesen, dass der Arbeitsvertrag bereits weitgehend besprochen und der Kläger damit erfolgreich vermittelt worden sei. Nur die Auszahlungsmodalitäten des Kindergeldzuschusses seien noch zu regeln gewesen.

Mit Schriftsätzen vom 1., 8. und 15. Oktober 2007 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie die sonstigen zur Gerichtsakte eingereichten Unterlagen Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat das als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässige Begehren (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3) zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2002 ist rechtswidrig, da der Unfall des Klägers am 27. April 2001 ein Arbeitsunfall war. Weil hierfür die Zuständigkeit der Beigeladen gegeben ist, war dies ihr gegenüber festzustellen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Als Arbeitsunfall gilt auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach erforderlich, dass die Verrichtung, die der Versicherte zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht hat (siehe nur BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 oder Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Unfallkausalität zwischen dem vom Kläger am 27. April 2001 zurückgelegten Weg und seinem Zusammenstoß mit dem Pkw als Unfallereignis sowie die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Kollision und dem Schädel-Hirn-Trauma bzw. dem Bruch des rechten Fußinnenknöchels als Gesundheitserstschäden sind zwischen den Beteiligten unstrittig. Auch die erforderlichen weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall liegen vor. Zwar entfällt eine versicherte Tätigkeit nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter dem Blickwinkel des Zurücklegens eines mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden Weges bereits deshalb, weil die Beschäftigung des Klägers erst zum 1. Mai 2001 (tatsächlich nach dem Feiertag am 2. Mai 2001) aufgenommen werden sollte (vgl. hierzu bereits BSG, Urteil vom 31. Januar 1974 - 2 RU 169/72 - SozR 2200 § 550 Nr. 1). Weil der Abschluss des Arbeitsvertrages am Unfalltag alsbald nach dem Vorstellungsgespräch bei der AQB jedoch nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII versichert war (nachfolgend unter 1.) und der Kläger den unfallbringenden Weg, der Teil dieser versicherten Tätigkeit ist, zu diesem Zweck zurückgelegt hat (hierzu unter 2.), ist auch der sachliche Zusammenhang gegeben.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII sind in der Unfallversicherung kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung – SGB III) der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der BA nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. So liegt es hier.

Der Kläger unterlag zum Zeitpunkt des Unfalls der allgemeinen Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594), da er seinerzeit Leistungen von der BA bezog. Welche konkreten Zwecke von einer Aufforderung umfasst werden, ist in § 309 Abs. 2 SGB III geregelt (zum Begriff der Aufforderung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII siehe BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 45/02 R – juris). Hier war der Kläger aufgrund der sanktionsbewehrten Vermittlungsaufforderung vom 29. März 2001 nach § 309 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 2 SGB III verpflichtet, sich persönlich bei der in der Aufforderung als Arbeitgeber genannten AQB vorzustellen. Diese Aufforderung galt nicht nur für das Vorstellungsgespräch am 26. April 2001, sondern auch für das vom Kläger beabsichtigte Aufsuchen der AQB am 27. April 2001. Unerheblich hierbei ist, dass sich der Kläger an diesem Tag auf Veranlassung der AQB auf den Weg begeben hat. Die Vermittlungsaufforderung hatte sich am 26. April 2001 nämlich nicht etwa erledigt. Vielmehr geschah auch das versuchte Aufsuchen der AQB am Folgetag noch im Rahmen des vom ArbA verfolgten Ziels, zwischen dem Kläger und der AQB ein Arbeitsverhältnis zu begründen und wurde daher von der Vermittlungsaufforderung mitumfasst. Denn das wegen noch offener Punkte erforderliche weitere Aufsuchen des potentiellen Arbeitgebers alsbald nach einem Vorstellungsgespräch wird von der Vermittlungsaufforderung mitumfasst und unterfällt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 8. Juli 1980 – 2 RU 103/79SozR 2200 § 539 Nr. 70; unter Bezugnahme hierauf ebenso KassKomm-Ricke, Stand Dezember 2007, § 2 SGB VII Rn. 80). Dies ergibt sich aus der Auslegung des Inhalts der Vermittlungsaufforderung unter Berücksichtigung ihres Zwecks. Maßstab hierfür ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem erkennbaren Willen bei der Aufforderung einbezogen hat, wobei die Gesamtumstände des Einzelfalls zu beachten sind (BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, a.a.O.).

Ausgehend hiervon enthielt der Vorschlag vom 29. März 2001 das konkrete Angebot einer Arbeitsstelle bei der AQB. Er war mit dem Hinweis verbunden, dass beim Kläger eine Sperrzeit eintreten würde, wenn er das Angebot ohne wichtigen Grund nicht annimmt oder antritt bzw. das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses – z.B. durch Fernbleiben vom Vorstellungsgespräch – verhindert. Von Horizont eines verständigen Empfängers konnte die Aufforderung damit nur so verstanden werden, dass die Vorstellung der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zu dienen bestimmt war, an dessen Zustandekommen der Kläger aktiv mitzuwirken und ein wesentliches Interesse hatte. Die Vermittlungsaufforderung erschöpft sich also nicht lediglich in der Vorstellung an sich. Ziel der Arbeitsvermittlung ist es vielmehr, arbeitsuchende Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen (§ 35 Abs. 1 SGB III; nunmehr § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen ist also nicht Selbstzweck, sondern notwendiges Durchgangsstadium zur Erfüllung der Hauptaufgabe der Arbeitsförderung, der zügigen Besetzung offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt (§ 1 Abs. 1 SGB III). Mithin endet die Vermittlung des ArbA weder mit der Durchführung eines Vorstellungsgesprächs noch nimmt sie dem Arbeitsuchenden die Verantwortung dafür, ob und zu welchen Bedingungen er einen Arbeitsvertrag schließt. Entgegen der Sicht der Beigeladenen war am 26. April 2001 eben nicht über alle Punkte des Arbeitsvertrages Einigung erzielt worden. Offen geblieben waren auch nicht lediglich die Auszahlungsmodalitäten des Kindergeldzuschusses. Nicht geklärt war vielmehr die Vergütungshöhe als essentieller Bestandteil der arbeitsvertraglichen (Haupt-)Leistungspflicht des Arbeitgebers i.S.v. § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Mai 2001 eine monatliche Vergütung nach der Entgeltgruppe E 1 des Haustarifvertrages bestimmt war (Bruttolohnprinzip). Denn die Höhe des Kindergeldzuschusses, der als Entgeltbestandteil die Vergütung wesentlich mitbestimmt hat, hing von der Vorlage der Kindergeldbescheinigung ab, so dass letztlich die (genaue) Höhe des Arbeitsentgelts selbst unklar war. Das Ziel der Arbeitsvermittlung – die Begründung eines Arbeitsverhältnisses – war somit am 26. April 2001 noch nicht erreicht. Am 27. April 2001 gab formal überhaupt erst der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Arbeitsvertrages ab, die entsprechend der (vorformulierten) Vertragsofferte des Arbeitgebers (invitatio ad offerendum – Aufforderung zur Abgabe eines Angebots) rechtlich das Angebot darstellt.

2. Der unfallbringende Weg wurde vom Kläger auch zurückgelegt, um der "Aufforderung" des ArbA als einer Dienststelle der BA i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII nachzukommen. Entscheidend für die Zuordnung eines Weges entweder zur versicherten Tätigkeit oder zum unversicherten privaten Bereich ist, ob er einen durch Wertentscheidung zu bestimmenden sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufweist. Ein solcher liegt vor, wenn das Zurücklegen des Weges nach der Handlungstendenz des Betroffenen der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt war. Auf die objektive Dienlichkeit kommt es dagegen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 15/86SozR 2200 § 539 Nr. 119; BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Daran, dass die Handlungstendenz des Klägers durch die versicherte Tätigkeit geprägt war, bestehen keine ernsten Zweifel. Da die AQB die Vorlage der Kindergeldbescheinigung sogleich am Folgetag des Vorstellungsgesprächs am 26. April 2001 gefordert und ihm an diesem Tag auch keinen Arbeitsvertrag ausgehändigt hatte, hat er dies als Anweisung betrachtet und ist nachvollziehbar davon ausgegangen, ohne die Beibringung der Bescheinigung das Arbeitsverhältnis nicht (pünktlich) begründen zu können. Dass er dem Verlangen der AQB sofort nachgekommen ist, liegt im Interesse der Arbeitsvermittlung. Gerade derjenige Arbeitsuchende, der sich der Meldepflicht nicht ohne rechtliche Nachteile entziehen kann und aktiv bemüht, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zu bewirken, unterfällt dem Schutzzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII (in diesem Sinne jüngst auch BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 25/06 R – Terminbericht vom 8. Februar 2008, abrufbar unter: www.bundessozialgericht.de). Das Zurücklegen des Weges am 27. April 2001 war damit im Wesentlichen vom Motiv des Klägers bestimmt, der versicherten Tätigkeit zu dienen.

Da der Unfall vom 27. April 2001 damit im Ergebnis ein Arbeitsunfall ist, für den nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII die Zuständigkeit der Beigeladenen besteht, war dies ihr gegenüber festzustellen.

Nach alledem musste die Berufung des Klägers erfolgreich sein.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III.

Die Revision wird zugelassen, da der Senat der Frage des Versicherungsumfangs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII und insbesondere derjenigen danach, ob der zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages alsbald nach einem Vorstellungsgespräch zurückgelegte Weg zum potentiellen Arbeitgeber versichert ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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