S 14 AS 14/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 14/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 68/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.207 verurteilt, den Klägern ab dem 15.11.2006 monatlich anteilig Sozialgeld bzw. die SGB II-Regelleistungzu gewähren, wobei ein Leistungsanspruch an jedem zweitenWochenende für jeweils drei Tage und für die Hälfte der Schulferien zugrunde zu legen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob den Klägern während ihres Aufenthaltes bei dem Klägervertreter, ihrem Vater, wegen der Annahme einer "zeitweisen Bedarfsgemeinschaft" anteilige Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeit ab dem 15.11.2006 zustehen.

Die beiden am 00.00.1992 und 00.00.1995 geborenen Kläger sind die Kinder des Klägervertreters und der Zeugin V ... Der Klägervertreter und die Zeugin V. waren von 1989 bis zum 00.00.2004 verheiratet. Am 04.10.2004 schlossen der Klägervertreter und die Zeugin U.einen notariellen Eheauseinandersetzungsvertrag. Danach verzichteten beide wechselseitig auf sämtliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der rechtskräftigen Scheidung. Im Gegenzug für einen Verzicht der Zeugin V. auf Kindesbetreuungsunterhalt übertrug der Klägervertreter ihr seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem zuvor gemeinsam bewohnten Hausgrundstück. Unter Ziffer II.3. des Vertrages erklärten beide, dass die Unterhaltspflicht des Klägervertreters gegenüber den Klägern weiter bestehe. Der Klägervertreter werde jedoch bis zum 12.06.2010 von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger zu 1) im Innenverhältnis freigestellt. Diese Freistellung solle auch gelten, wenn die Zeugin V. ihre Erwerbstätigkeit aufgebe oder einschränke. Im Scheidungsverfahren (Amtsgericht - AG - XXXXXXXX, 6 F 42/04) erklärten der Klägervertreter und die Zeugin V. am 06.12.2004, dass sie nach der Scheidung das gemeinsame elterliche Sorgerecht ausüben wollten. Die Kläger leben seit der Trennung bei der Zeugin V ...

Die Zeugin V. ist Angestellte des Landes Nordrhein-Westfalen und hat einschließlich des Kindergeldes für die Kläger ein Nettoeinkommen von ca. 1650,00 EUR. Das nunmehr in ihrem Eigentum stehende Hausgrundstück hat nach ihren Angaben einen Wert von ca. 150.000,00 EUR. Es bestünden noch Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 120.000,00 EUR. Sie zahlt an Nebenkosten sowie Zinsen und Tilgung für diverse Darlehen monatlich insgesamt 631,94 EUR. Wegen der Einzelheiten dieser Kosten wird auf die entsprechende Berechnung der Beklagten vom 03.12.2007 verwiesen. Der Klägervertreter bezieht seit 2005 SGB II-Leistungen. Die Kläger haben weder eigenes Einkommen noch Vermögen.

Mit Schreiben vom 14.11.2006 (Eingang bei der Beklagten: 15.11.2006) beantragte der Klägervertreter für die Kläger SGB II-Leistungen unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 07.11.2006 (B 7b AS 14/06 R). Seine beiden Kinder würden sich regelmäßig jedes zweite Wochenende von Freitagmittag bis Montagmorgen und die Hälfte aller Schulferien bei ihm aufhalten. Dies entspreche 116 Tagen im Jahr. Mit Bescheid vom 05.12.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Kläger bildeten zusammen mit der Zeugin V. eine Bedarfsgemeinschaft. Eine Leistungsgewährung an die Kläger könne nur im Rahmen dieser Bedarfsgemeinschaft erfolgen. Hiergegen legte der Kläger am 15.12.2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2007 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 25.01.2007 durch den Klägervertreter erhobene Klage.

Der Klägervertreter trägt vor, es sei ihm nicht möglich, die Kläger während ihres Aufenthalts bei ihm mit seiner Regelleistung ausreichend zu versorgen.

Der Klägervertreter beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2007 zu verurteilen, den Klägern ab dem 14.11.2006 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft zwischen den Klägern und ihm an 116 Tagen im Jahr zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, entsprechend dem von den Klägern zitierten Urteil des BSG könne bei Fortbestehen einer Sorgerechtsbeziehung zwischen geschiedenen Ehegatten typisierend davon ausgegangen werden, dass Zuordnungsprobleme innerhalb familienhafter Beziehungen im Rahmen bestehender Bedarfsgemeinschaften gemeistert würden. Die Zeugin V. könne für die Kläger während des Aufenthalts beim Klägerverteter Naturalunterhalt gewähren. Zwar habe eine unterhaltsrechtliche Berechnung ergeben, dass ihr tatsächlich keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stünden. Es bestehe sogar eine geringfügige Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II. Sie könne aber durch Beantragung eines Kinderzuschlages dafür sogen, dass ausreichende Mittel zur Bestreitung des Unterhalts der Kläger im gesamten Monat zur Verfügung stünden. Jedenfalls hinsichtlich des Klägers zu 1) scheitere ein Leistungsanspruch daran, dass sie den Klägervertreter von der Unterhaltspflicht freigestellt habe. Zudem sei das an sie ausgezahlte Kindergeld auf einen eventuellen Bedarf der Kläger anteilig anzurechnen. Schließlich könne allenfalls ein bestimmter Bruchteil der täglichen Regelleistung gewährt werden, da der Klägervertreter bestimmte Anschaffungen für die Kläger nicht tätigen müsse. Diese fielen vielmehr lediglich im Haushalt der Zeugin V. an.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin V ... Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.02.2008 verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Einverständnis aller Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Die Kläger wurden durch den Klägervertreter sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Klageverfahren aufgrund von § 38 SGB II und § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG rechtmäßig vertreten (so auch Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2006, L 10 B 1179/06 AS PKH). Dem steht nicht entgegen, dass Eltern ihre Kinder grundsätzlich gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - gemeinschaftlich vertreten. Zwar hat das LSG Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom 21.04.2008 (L 20 AS 112/06) ausgeführt, dass die Vermutungsregel des § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG widerlegt sei, wenn der ebenfalls sorgeberechtigte andere Elternteil der Klageerhebung ausdrücklich widerspreche. Zum einen hat das LSG Nordrhein-Westfalen in diesem Urteil aber selbst für diesen Fall aus Art. 6 Grundgesetz - GG - ein Antragsrecht des einen Elternteils speziell für die Leistungen in einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft abgeleitet. Zum anderen hat die hier ebenfalls sorgeberechtigte Zeugin V. trotz Kenntnis vom Rechtsstreit der Antragstellung bzw. der Klageerhebung durch den Klägervertreter zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Die Vermutungsregel des § 73 SGG ist damit nicht widerlegt.

Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang im Sinn von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da diese Bescheide insofern rechtswidrig sind. Den Klägern stehen ab dem 15.11.2006 SGB II-Leistungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.

Gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch erwerbsfähige Hilfsbedürftige im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sowie solche Personen, die mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der ab dem 01.08.2006 gültigen Fassung ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder bei diesen als Einkommen anzurechnen, soweit es bei diesen zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird.

Nach diesen Grundsätzen stehen den Klägern SGB II-Leistungen ab dem 15.11.2006 für diejenigen Tage zu, an denen sie sich regelmäßig beim Klägervertreter aufgehalten haben. Auf den Bedarf der Kläger in diesem Zeitraum ist kein Einkommen und insbesondere nicht das der Zeugin V. gewährte Kindergeld anzurechnen.

Gemäß dem Urteil des BSG vom 07.11.2006 (B 7 b AS 14/06 R) ist für die zusätzlichen Lebenshaltungskosten in den Zeiten, in denen Kinder mit einer "gewissen Regelmäßigkeit" bei einem Elternteil wohnen, die Annahme einer "zeitweisen Bedarfsgemeinschaft" im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gerechtfertigt. Diese Norm verlange kein dauerhaftes Leben im Haushalt. Es genüge vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei dem jeweiligen Elternteil wohnen. Es könne daher eine getrennte und damit doppelte Bedarfsgemeinschaft sowohl mit dem einen als auch mit dem anderen Elternteil angenommen werden. Für diese Teilzeiträume seien die Kinder selbst Anspruchsinhaber (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 27 f.; vgl. zu dieser Entscheidung auch Behrend, in: jurisPR-SozR 9/07, Anm. 1).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kläger sich, wie vom Kläger vorgetragen, tatsächlich jedes zweite Wochenende von freitagsmittags bis montagsmorgens und während der Hälfte der Schulferien regelmäßig bei diesem aufhalten. Die Zeugin V. hat glaubhaft ausgesagt, dass diese Regelung bereits seit der Trennung durchgehend praktiziert werde. Aufgrund dieser Regelmäßigkeit kann an den entsprechenden Tagen von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Klägervertreter als erwerbsfähigem Hilfsbedürftigen nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II und den Klägern als den seinem Haushalt - in dieser Zeit - angehörenden unverheirateten Kindern im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ausgegangen werden.

Die Kläger sind auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II. Sie selber verfügen weder über Einkommen noch Vermögen. Einkommen oder Vermögen, das über § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den Bedarf der Kläger angerechnet werden könnte, ist beim Klägervertreter nicht vorhanden. Der Hilfebedürftigkeit der Kläger stehen auch weder Unterhaltsansprüche gegenüber der Zeugin V. noch deren Einkommen noch das an die Zeugin V. gezahlte Kindergeld entgegen.

Nach der detaillierten Berechnung der Beklagten vom 03.12.2007, auf die hier Bezug genommen wird, besteht auf Seiten der Zeugin V. keine Unterhaltsfähigkeit. Der Zeugin V. stünden "tatsächlich keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, die sie ihren Kindern im Rahmen der Besuchsregelung zur Verfügung stellen könnte". Dass eventuell bei ergänzender Beantragung von SGB II-Leistungen bzw. vorrangigem Kinderzuschlag durch die Zeugin V. in deren Haushalt ausreichende Mittel zur Bestreitung des Bedarfes im Sinne des SGB II für einen ganzen Monat auch für die Kläger vorhanden wären, ändert an dem Ergebnis nichts. Nach Auffassung der Kammer bedeutet das Vorhandensein von Hilfebedürftigkeit ausschließenden bereiten Mitteln im Haushalt desjenigen Elternteils, bei dem sich die Kinder überwiegend aufhalten, keinen Ausschluss von Leistungen für die Kinder für die Zeit der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit dem anderen Elternteil (so auch ausdrücklich LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.04.2008, L 20 AS 112/06 sowie Beschluss vom 30.04.2008, L 20 B 4/08 AS unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung).

Dies könnte allenfalls dann anders zu beurteilen sein, wenn die Zeugin V. den Klägern tatsächlich einen Teil der in ihrem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel für die Zeit des Aufenthaltes bei dem Klägervertreter zur Verfügung stellen würde (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Zeugin V. hat ausgesagt, dass Sie auch einen eventuellen Kinderzuschlag nicht weiterleiten würde, da zunächst in ihrem Haushalt "Löcher zu stopfen" seien.

Soweit den Klägern aber für die Zeit des Aufenthaltes bei ihrem Vater eventuell im Haushalt der Mutter vorhandene Mittel nicht tatsächlich zur Verfügung stehen, so fehlt es jenseits zivilrechtlicher Unterhaltspflichten nach Auffassung der Kammer an einer Rechtsgrundlage, um auf den Bedarf der Kläger in dieser Zeit solche Mittel anzurechnen. Das SGB II sieht für die Anrechnung von Einkommen und Vermögen Dritter auf den Bedarf von Kindern nur zwei Möglichkeiten vor: Die Anrechnung im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II) und die Anrechnung über die Unterhaltsvermutung zwischen Verwandten, die in einem Haushalt leben (vgl. § 9 Abs. 5 SGB II). Zur Zeit des Aufenthalts beim Klägervertreter bilden die Kläger mit der Zeugin V. aber weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft. In dem Zeitraum, in dem sich die Kläger beim Klägervertreter aufhalten, gehören sie nur dessen Haushalt und nicht gleichzeitig auch dem Haushalt der Zeugin V. an. Das gleichzeitige Bestehen zweier Bedarfsgemeinschaften ist nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung des Konzepts der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft aufgrund der Systematik des SGB II ausgeschlossen (a.A. Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 Rdnr. 49, die von der Möglichkeit "überlappender" Bedarfsgemeinschaften sprechen; skeptisch insofern Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 9 Rdnr. 26 b). Wenngleich der Gesetzeswortlaut in bestimmten Konstellationen durchaus "gleichzeitige" oder "überlappende" Bedarfsgemeinschaften zulässt, widerspräche deren Annahme der insbesondere für die Bestimmung der Höhe der Regelleistung und für die Anrechnung von Einkommen und Vermögen entscheidenden Zuordnungsfunktion der Bedarfsgemeinschaft (vgl. Sozialgericht – SG – Aachen, Urteil vom 31.03.2008, S 14 (23) AS 51/06).

Besteht während des Aufenthalts der Kläger bei dem Klägervertreter keine gleichzeitige Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin V., so scheidet nicht nur die Anrechnung des Einkommens der Zeugin V., sondern auch die Anrechnung des an die Zeugin V. gezahlten Kindergeldes auf den Bedarf der Kläger aus. Denn gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II kann das nach dem Kindergeldrecht dem Elternteil zustehende Kindergeld nur bei "zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindern" als Einkommen berücksichtigt werden (vgl. auch hierzu näher SG Aachen, a.a.O; im Ergebnis ebenso SG Berlin, Beschluss vom 05.07.2007, L 37 AS 13620/07 ER, juris, Rdnr. 15).

Einem Leistungsanspruch der Kläger für die Zeit des Zusammenlebens mit dem Klägervertreter stehen auch nicht die Ausführungen des BSG (a.a.O., Rdnr. 29) entgegen, wonach der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen dürfe, dass Zuordnungsprobleme innerhalb familienhafter Beziehungen von den betroffenen Personen im Rahmen bestehender Bedarfsgemeinschaften gemeistert würden. Es ist nicht erkennbar, wie diese Ausführungen des BSG hier umzusetzen sein sollten. Während die Konstruktion der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft an der "Zugehörigkeit zum Haushalt" in § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II festgemacht werden kann, ist die dogmatische Grundlage der weiteren Ausführungen des BSG unklar. Soweit - wie hier - das gleichzeitige Vorliegen zweier Bedarfsgemeinschaften abgelehnt wird und derjenige Elternteil, bei dem sich die Kinder regelmäßig aufhalten, nicht unterhaltsfähig und -pflichtig ist, kann eine Hilfebedürftigkeit der Kinder zur Zeit des Zusammenlebens mit dem anderen Elternteil weder unter Bezugnahme auf den Grundsatz des Forderns (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II) noch unter Bezugnahme auf den Subsidiaritätsgrundsatz (§ 3 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz SGB II) verneint werden. Der vom BSG angeführte "gegenseitige Wille füreinander einzustehen, der über bestehende Unterhaltspflichten hinausgeht" ist aus dem SGB II nicht ableitbar.

Für eine Leistungspflicht der Beklagten spricht auch Folgendes: Würden die Kläger in der Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin V. aufgrund fehlenden Einkommens oder Vermögens hilfebedürftig sein und SGB II-Leistungen beziehen, dürfte außer Frage stehen, dass dann die den Klägern zustehenden SGB II-Leistungen für den Zeitraum des Aufenthaltes bei dem Klägervertreter an die Kläger über den Klägervertreter und nicht die Zeugin V. ausgezahlt würden (vgl. hierzu Verwaltungsgericht – VG – Bremen, Urteil vom 04.06.2007, S 8 K 2034/05, juris). Leistungspflichtig wäre dann entsprechend den Ausführungen des BSG (a.a.O., Rdnr. 28) die Beklagte als örtlich zuständiger Leistungsträger und nicht der für die Zeugin V. örtlich zuständige Leistungsträger. Die Beklagte wäre also in diesem Fall ohne Weiteres leistungspflichtig. Umgekehrt wären die Kläger bei einer Unterhaltsfähigkeit der Zeugin V. aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes grundsätzlich auf das Geltendmachen ihrer Unterhaltsansprüche für die Zeit des Aufenthaltes bei dem Klägervertreter zu verweisen. Der vorliegende Fall, in dem einerseits der Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter keine SGB II-Leistungen gewährt werden, in dem die Mutter andererseits aber auch nicht unterhaltsfähig ist, ist eher mit dem erstgenannten Fall vergleichbar. Eine doppelte Leistungsgewährung ist jedenfalls ausgeschlossen. Dass die Kläger danach im Ergebnis SGB II-Leistungen beziehen, obwohl ihr Bedarf unter Zugrundelegung der Maßstäbe des SGB II im Haushalt der Mutter gedeckt ist, ist aufgrund der gesetzlichen Wertentscheidungen des Unterhaltsrechts einerseits und der abschließenden Anrechnungsmöglichkeiten des SGB II andererseits hinzunehmen.

Die im Innenverhältnis zwischen dem Klägervertreter und der Zeugin V. vorgenommene Freistellung des Klägervertreters von der Unterhalspflicht gegenüber dem Kläger zu 1) im Vertrag vom 04.10.2004 ist für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Sie könnte auf das allein zwischen den Klägern und der Beklagten bestehende Leistungsverhältnis allenfalls dann Einfluss haben, wenn sie zu einem Unterhaltsanspruch der Kläger führen würde. Wie sich aus der Berechnung der Beklagten aber ergibt, ist die Zeugin V. nicht unterhaltsfähig.

Den Klägern sind sodann entsprechend der Dauer ihres Aufenthalts bei dem Klägervertreter anteilige Leistungen nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu gewähren. Aufgrund der Anwesenheit alle zwei Wochen von Freitagmittag bis Montagmorgen besteht außerhalb der Schulferien ein Leistungsanspruch für drei Tage an jedem zweiten Wochenende. Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte in seinem Beschluss vom 30.04.2008 (L 20 B 4/08 AS) bei einem Aufenthalt von freitags ab 18:00 Uhr bis sonntags 18:00 Uhr einen Leistungsanspruch für zwei volle Tage angesetzt. Hier dagegen kommen die Kläger bereits Freitagmittag zum Klägervertreter und verlassen dessen Haushalt erst am Montagvormittag. Im Vergleich zu dem vom LSG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall fallen damit zwei weitere Mahlzeiten und eine weitere Übernachtung an, so dass der Aufenthalt den Umfang von - knapp - drei Tagen hat.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist der anteilige Leistungssatz der Kläger nicht nochmals zu kürzen (so auch SG Berlin, a.a.O., Rdnr. 14). Denn grundsätzlich lässt das SGB II eine Reduzierung der Regelleistung auf der Grundlage einer individuellen Bedarfsermittlung nicht zu (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14 AS 22/07 R, Terminbericht Nr. 29/08 vom 19.06.2008). Auch in tatsächlicher Hinsicht ist zweifelhaft, dass wesentliche Bedarfsanteile in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft zwischen Klägerverteter und Klägern nicht anfallen sollen. Deren genaue Bestimmung ist jedenfalls nicht möglich und eben auch nicht erforderlich.

Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums steht beiden Klägern Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGG II zu. Da der Kläger zu 1) am 13.06.2007 sein 15. Lebensjahr vollendete, steht ihm ab diesem Zeitpunkt die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu. Die Beklagte wird außerdem bei der Leistungsberechnung die jährlich zum 1. Juli erfolgte Leistungserhöhung zu berücksichtigen haben.

Die Klage ist zu einem geringen Teil abzuweisen, da der durch den Klägervertreter gestellte Antrag erst am 15.11. und nicht schon am 14.11.2006 bei der Beklagten einging (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB). Der 15.11.2006 war auch kein Feiertag (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Zudem ergibt sich bei einem Leistungsanspruch der Kläger für drei Tage an jedem zweiten Wochenende sowie für die Hälfte aller Schulferientage kein Leistungsanspruch für 116 Tage im Jahr. Zum einen wurde die Zahl von 116 nach einer beispielhaften Berechnung der Kammer für das Jahr 2007 nicht voll erreicht, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass die relevante Anzahl von Tagen von einem Jahr zum anderen unterschiedlich ausfällt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Aufgrund des ganz überwiegenden Obsiegens kam eine Kostentragung für die Kläger analog § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in Betracht.
Rechtskraft
Aus
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