S 4 RA 114/03

Land
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgericht
SG Neubrandenburg (MVP)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Neubrandenburg (MVP)
Aktenzeichen
S 4 RA 114/03
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Festbeträge für Hörhilfen sind unwirksam.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2003 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit zwei Hörgeräten des Typs Hansaton Startec HA/49 2 c unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung zu versorgen. 3. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Hörgeräten, die ihr vom Vertrags- Akustiker der gesetzlichen Krankenversicherung nur gegen einen Kaufpreis oberhalb des Festbetrages angeboten worden sind.

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin ist als Bankkauffrau abhängig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert sowie bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Sie leidet beidseits an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit, IOS) mit einem frequenzabhängigen Hörverlust zwischen 20 und 75 dB, zunehmend zu den höheren Frequenzen.

Ihre behandelnde HNO-Ärztin G verordnete ihr am 20.04.2001 als Vertragsärztin auf dem dafür vorgesehenen Vordruck als Erstversorgung Hörhilfen für beide Ohren. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der audiometrischen Befunde, wird auf die Kopie der Verordnung, Bl. 10 der Verwaltungsakten der Beklagten, Bezug genommen.

Die Klägerin stellte sich daraufhin bei dem zugelassenen Hörgeräte-Akustiker, Fa. W (nachfolgend: Akustiker), vor, der im Rahmen einer längeren vergleichenden Anpassung insgesamt vier verschiedene Hörgerät-Typen testete. Im freien Schallfeld bei 65 dB erreichte die Klägerin ohne Hörgerät ein Einsilbenverstehen von 70%. Mit zwei der getesteten Geräte, einkanalige analoge Geräte, (Siemens Viva 703, baugleich mit Kind H 762, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.02.0054, und Audio Service Karat 260 AGC, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.02.0050), verbesserte sich die Verstehensquote nicht, mit einem weiteren analogen, zweikanaligen Gerät (Unitron Sound FX +, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.1039) erzielte die Klägerin 80 %. Im April passte der Akustiker schließlich weitere, nicht mehr zum Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung erhältliche Geräte an. Mit diesen zweikanaligen, volldigitalen (digitale Signalverarbeitung, digital programmierbar) Geräten (Startec HA/49 2C, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.1372; nachfolgend: streitige Geräte), welche vom Akustiker mit Kostenvoranschlag vom 03.04.2002 einschließlich der Ohrpassstücke für einen Gesamtpreis in Höhe von 3072,58 EUR angeboten wurden, konnte schließlich eine Verstehensquote von 90% erreicht werden. Wegen der Anpassergebnisse sämtlicher getesteter Geräte wird auf die Angaben des Akustikers, Bl. 58 der Akten, Bezug genommen.

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 23.04.2002 an die Beklagte und bat unter Übersendung des Kostenvoranschlages darum, die Gesamtkosten für die streitigen Geräte als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen. Die Geräte verfügten über eine automatische Verstärkungsregelung, die ein maximales Sprachverstehen ermöglichten, zugleich aber bei lauteren Eingangssignalen eine Lautstärkereduktion vornähmen. Nach dem langwierigen Anpassungsprozess hätten sich die streitigen Geräte am besten bewährt. Ihr Arbeitgeber kenne ihr Hörproblem und dränge bereits auf eine Hörgeräteversorgung. An ihrem Arbeitsplatz sei sie auf gutes Hören angewiesen, was aber durch Störgeräusche einer weiteren Mitarbeiterin in ihrem Büro und häufige Telefonate erschwert werde. Auch bei Besprechungen mit ca. sechs Kollegen sei ihr Sprachverstehen sehr eingeschränkt.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. B ein, der unter dem 28.28.2002 ausführte, dass über die Basisversorgung hinaus lediglich ein Telefonverstärker indiziert sei. Ferner holte sie einen Befundbericht der Frau G vom 08.08.2002 ein, worin eine erstmalige subjektive Hörminderung in 1997 mit nachfolgender Verschlechterung beschrieben und die aktuellen audiografischen Befunde mitgeteilt werden. Ergänzend wird insoweit auf Bl. 21f der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 04.09.2002 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass eine Versorgung über die Basisversorgung hinaus nicht wegen besonderer beruflicher Anforderungen notwendig sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 04.10.2002 mit der Begründung Widerspruch, dass im Rahmen der Anpassung festgestellt worden sei, dass sie mit den Basisgeräten insbesondere aufgrund von Nebengeräuschen der in den Arbeitsräumen befindlichen EDV-Geräte keineswegs besser, sondern eher noch schlechter Sprache verstehe als ohne Hörgeräte. Auch habe sie mit den Basisgeräten verstärkt unter Kopfschmerzen gelitten. Mit den streitigen Geräten, die über eine Störschallunterdrückung verfügten, sei es zu derartigen Problemen nicht gekommen. Hiermit könne sie Sprache optimal verstehen.

Daraufhin suchte der Reha-Berater der Beklagten, Herr B, die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz auf und stellte in seinem Bericht vom 12.12.2002 fest, dass in dem Büro, in welchem die Klägerin als EDV-Hotline-Mitarbeiterin überwiegend arbeite, lediglich ein Drucker Störgeräusche verursache, ferner die weitere Mitarbeiterin, soweit diese ebenfalls telefoniere. Die überwiegende Technik befinde sich in einem separaten Raum, der nur für kurzfristige, konkrete Aufgaben aufgesucht werden müsse. Seiner Einschätzung nach sei eine Versorgung der Klägerin mit einem Telefonverstärker möglich und sinnvoll. Allerdings habe die Klägerin ihm gegenüber erklärt, sich die streitigen Geräte im Falle der endgültigen Ablehnung durch die Beklagte schon aus Gründen der allgemeinen Lebensqualität selbst beschaffen zu wollen.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägern mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2003 zurück. Hilfsmittel gehörten nur ausnahmsweise dann zu den Leistungen der Rentenversicherung, wenn sie ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes benötigt werden, im Übrigen fielen Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich wie die hier streitigen Hörgeräte in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Erst wenn wegen spezieller beruflicher Anforderungen an das Hörvermögen eine über den Basisausgleich hinausgehende höherwertige Hörgeräteversorgung erforderlich sei, komme eine Zuständigkeit der Rentenversicherung in Betracht, was vorliegend aber allenfalls für die Installation eines Telefonverstärkers gelten könne.

Hiergegen erhob die Klägerin am 24.04.2003 die vorliegende Klage, mit welcher sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Nur mit den streitigen Geräten sie sie in der Lage, ihre Arbeit vollwertig zu verrichten. Die Qualität eines Kassengeräts sei auch bei installiertem Telefonverstärker unzureichend, was bei Telefonaten von arbeitstäglich mehreren Stunden besonders ins Gewicht falle. Ergänzend führt sie aus, dass die seit 1989 geltenden Festbeträge für Hörgeräte ebenso wie die Festbetragsgruppenbildung durch die technische Entwicklung hin zu digitalen Hochleistungsgeräten überholt seien und eine ausreichende Versorgung nicht mehr ermöglichten.

Auf gerichtliche Nachfrage hat die Klägerin klargestellt, dass sie seit April 2002 tatsächlich über die streitigen Geräte verfüge, wengleich noch immer keine definitive Versorgung im Sinne eines Erwerbs vom Akustiker erfolgt sei. Sie habe allerdings im Mai 2003 aus eigenem Antrieb eine Abschlagzahlung in Höhe von 1500 EUR geleistet, nachdem das Klagverfahren unausweislich geworden sei, um den bis dahin abwartenden Akustiker nicht weiter im Ungewissen zu lassen.

Die Klägerin beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2003 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit zwei Hörgeräten des Typs Hansaton Startec HA/49 2C nebst Zubehör entsprechend dem Kostenvorschlag der Fa. W vom 03.04.2002 unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wiederholt sie einerseits ihre Ausführungen aus den angegriffenen Bescheiden, wonach nicht sie sondern die Beigeladene für die Versorgung mit Hörhilfen zuständig sei, da die Klägerin für alle Lebensbereiche und nicht wegen besonderer beruflicher Anorderungen auf Hörgeräte angewiesen sei. Nachdem sie anfangs die Auffassung vertrat, die Klägerin könne auch mit eigenanteilsfreien Geräten ausreichend versorgt werden, räumt die Beklagte zuletzt ein, dass die Klägerin behinderungsbedingt auf höherwertige Geräte angewiesen sei, um einen adäquaten Funktionsausgleich zu gewährleisten. Die Beklagte habe nicht zu bewerten, inwieweit das zwischenzeitlich bundeseinheitlich geregelte Festbetragssystem der fortschreitenden Entwicklung der Gerätetechnik und -preise noch gerecht werde. Jedenfalls sei ein möglicherweise aus dem Gleichgewicht geratenes Verhältnis von Gerätepreisen und Festbeträgern nicht vom Rentenversicherer zu kompensieren. Ansonsten wäre nahezu jeder schwerhörige Erwerbstätige durch die Rentenversicherung nachzuversorgen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Hörgeräteakustikermeisters Dipl.-Ing. M, Sachverständiger des Handwerks, vom 20.11.2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 06.06.2005, wegen dessen näheren Inhalts auf Bl. 53-57 sowie 74f der Akten Bezug genommen wird. Der Sachverständige bestätigt zusammenfassend, dass mit den streitigen Geräten eine angemessene Versorgung der Klägerin erfolgt sei, während mit einem Festbetragsgerät dieser Anspruch nicht erfüllbar sei. Auch im Rahmen eines Vergleichs mit zwei weiteren volldigitalen Gerätetypen (Phonak MAXX 211, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.1237 und Oticon Swift 70 +, Hilfsmittelverzeichnis Nr. 13.20.03.0042) hätten die streitigen Geräte am besten abgeschnitten. Das zweikanalige Oticon-Gerät habe unter Störschallbedingungen lediglich ein Sprachverstehen von 40%, das sechskanalige Phonak-Gerät ein solches von 55% bewirkt, während die Klägerin mit den streitigen Geräten unter diesen Bedingungen 70% verstanden habe. Auch unter Ruhebedingungen seien die streitigen Geräte bei einem Nutzschall von 65 dB mit einem Einsilberverstehen von 95% gegenüber den Vergleichsgeräten (80% und 70%) überlegen gewesen. Im Zeitpunkt der Begutachtung im November 2004 sei das Oticon-Gerät zum Preis von ca. 490 EUR und das Phonak-Gerät für ca. 1100 EUR erhältlich gewesen. Der Preis für die streitigen Geräte betrüge (nach wie vor) etwa 1500 EUR.

Die Installation eines Telefonverstärkers, die Kosten in Höhe von gut 100 EUR erfordere, sei als zusätzliche Hilfe am Arbeitsplatz sinnvoll. Auch in Verbindung mit einem "Kassengerät" sei hiermit eine gute und ausreichende Verständigung am Telefon möglich, solange der Umgebungslärm die Lautstärke des Hörers nicht überschreite, z.B. über 70 dBA.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 20.10.2006 die Beigeladene als gesetzliche Krankenkasse gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Rechtsstreit beigeladen. Nach deren Angaben hat die Klägerin bei ihr zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Sach- oder Geldleistung im Zusammenhang mit der Hörgeräteversorgung gestellt. Sie hat der Klägerin lediglich auf deren Anfrage mit Schreiben vom 09.09.2003 mitgeteilt, dass sie für die Hörgeräteversorgung einen "Kassenanteil von 960,81 Euro übernommen hätte."

Einen ausdrücklichen Antrag hat die Beigeladene nicht gestellt.

Auf Bitten des Gerichts hat sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Frau Dr. med. Radtke, vom 22.08.2007 eingeholt, wegen deren näheren Inhalts auf Bl. 108-110 der Akten Bezug genommen wird. Hierin wird zusammenfassend ausgeführt, dass die medizinischen Voraussetzungen zur Abgabe von Hörgeräten bei der Klägerin erfüllt seien und dass es die streitigen Geräte der Klägerin erlaubten, Gesprächen auch in geräuschvoller Umgebung zu folgen, sodass sie als ausreichend und zweckmäßig anzusehen seien. Inwiefern sie auch als wirtschaftlich einzustufen seien, sei nur eingeschränkt beurteilbar. Die Abgabepreise der einzelnen Geräte bestimme der Akustiker und seien gutachterlicherseits nicht bekannt. Da insbesondere die von den Akustikern vorgenommenen Messungen im Störschall keine standardisierte Methode darstelle und Schwankungsbreiten bis zu 10-15% aufträten, könne auch der Nachweis, dass eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht möglich ist, nicht ohne weiteres geführt werden. Allerdings lasse sich auch das Gegenteil nicht positiv feststellen, sondern allenfalls aufgrund empirischer Erfahrungen und aufgrund von Internetrecherchen vermuten, sodass es letztlich eine "leistungsrechtliche Entscheidung" bleibe, ob die Mehrkosten von der Kasse zu übernehmen sind.

Das Gericht hat schließlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008 die Ergebnisse seiner Ermittlungen zur Frage der Häufigkeit und Höhe von Zuzahlungen im Falle von Hörgeräteversorgungen bei gesetzlich Krankenversicherten aus dem Parallelverfahren S 4 KR 39/04 ins Verfahren eingeführt und den Parteien durch Überlassung von Abschriften auszugsweise zugänglich gemacht. Insoweit wird zum einen auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen und zum anderen der Inhalt der Ermittlungsergebnisse zusammenfassend wie folgt wiedergegeben:

Das Gericht hat im Juni 2004 Auskünfte eingeholt bei der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha), dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, dem Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB), dem AOK Bundesverband, dem IKK Bundesverband, dem BKK Bundesverband und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. / Arbeiter-Ersatzkassen- Verband e.V. (VdAK/AEV).

Die vorgenannten Institutionen haben jeweils mit Schreiben aus Juli 2004 mit unterschiedlichem Umfang Auskünfte erteilt, sowie in Broschürenform veröffentlichte Studien ("Analyse wettbewerblicher Versorgungswege im Hörhilfenbereich - Ergebnisbericht einer bundesweiten Versichertenbefragung im BKK-System/Kooperationsprojekt zwischen BKK Bundesverband und Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e.V." sowie "Hörgeräte im Wettbewerb - Versorgungswege im Vergleich" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK - WIdO) zu den Akten gereicht, welche im vorliegenden Verfahren auszugsweise als Anlage zur Sitzungsniederschrift zu den Akten genommen und den Parteien übergeben wurden, sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Einsicht vorlagen.

Hiernach ist zusammenfassend festzuhalten, dass bei den um Auskunft gebetenen Institutionen keine umfassenden Daten zu der Frage existieren, wie hoch der Anteil der mit Hörgeräten versorgten Versicherten ist, bei denen eine zuzahlungsfreie Versorgung zu einer technisch optimalen oder anderweitig definiert "ausreichenden" Hörverbesserung geführt hat.

Der erstgenannten Studie lässt sich entnehmen, dass von den 1640 im ersten Quartal 2001 Befragten, die insoweit Angaben gemacht haben, 1373 (83,7%) eine Zuzahlung geleistet haben, während 267 (16,3%) zum Festbetrag versorgt worden sind. Während diese Anteile nicht wesentlich davon abhängen, ob eine Erst- oder Folgeversorgung vorlag, wie hoch der Hörverlust ist und ob eine ein- oder beidseitige Versorgung erfolgte, liegt der Anteil der zuzahlungsfreien Versorgung bei den im sog. direkten oder verkürzten Versorgungsweg (Abgabe des Hörgeräts direkt durch den HNO-Arzt) versorgten Befragten mit 43,8 % (56 von 128 Versicherten) deutlich höher, jedoch noch immer bei weniger als der Hälfte. Der durchschnittliche Zuzahlungsbetrag habe ca. 1500 DM betragen (bei einohriger Versorgung knapp 1000 DM, bei beidseitiger Versorgung gut 2000 DM), wobei bei den Befragten, die direkt durch den HNO-Arzt versorgt wurden, der Zuzahlungsbetrag durchschnittlich nur etwa halb so hoch lag.

Nach der zweitgenannten Studie, die auf Daten (Befragung von 400 Versicherten) aus dem Jahr 2000 beruht und die hinsichtlich des Anteils der zuzahlungsfreien Versorgungen durch den Akustiker einerseits und bei Online- und Versandhandelversorgung andererseits zu ähnlichen Ergebnissen gelangte (ca. 15% gegenüber ca. 80% und ca. 50%), betrug der durchschnittliche Zuzahlungsbetrag je Hörgerät im Versandhandel ca. 340 DM, bei Online-Versorgung ca. 380 DM und bei Versorgung durch den Akustiker ca. 1200 DM. Abhängig von der Bauart des Geräts (analog, digital programmierbar, volldigital) ergaben sich durchschnittliche Zuzahlungen von ca. 500 DM, ca. 1000 DM und ca. 2700 DM je Gerät. Von allen Befragten habe etwa ein Drittel Zuzahlungen von mehr als 1000 DM pro Gerät geleistet.

Die subjektive Zufriedenheit der Versicherten mit ihrer jeweiligen Versorgung lässt nach den Ergebnissen dieser Studie keinen eindeutigen Bezug weder zur Bauart noch zum Versorgungsweg erkennen. Schließlich lässt sich der Studie entnehmen, dass die Preisspanne für einzelne Hörgerät- Typen im Vergleich des günstigsten zum höchsten Preis um ca. 25% bis ca. 100% schwankte, sodass Geräte im unteren Preissegment abhängig vom Anbieter teils zuzahlungsfrei, teils mit Zuzahlungen von bis zu 860 DM abgegeben wurden, während für teuerere Geräte die Zuzahlungen zwischen 1000 und 3000 DM variierten. In Form eines Zitats aus der Süddeutschen Zeitung vom 28.04.1999 wird schließlich angegeben, dass jährlich von gesetzlich Versicherten für die Hörgeräteversorgung ca. 300 Millionen DM Zuzahlungen geleistet würden. An gleicher Stelle (S. 67f der Studie) findet sich ferner eine, teilweise ebenfalls mit Literaturstellen unterlegte, Kritik an der Undurchschaubarkeit des Hörgerätemarktes und den erheblichen Preisspannen für einzelne Geräte.

Beide Studien enthalten keine Angaben dazu, nach welchen Kriterien die HNO-Ärzte ihre Patienten für den üblichen oder den verkürzten Versorgungsweg ausgewählt haben, insbesondere also, ob beispielweise nur oder überwiegend solche Patienten im verkürzten Versorgungsweg versorgt worden sind, die an einer Schallleitungsschwerhörigkeit leiden, und welche Vorteile (Provisionen?) die Ärzte im Falle einer solchen Vermittlung von Hörgeräten erhielten.

Die biha verwies in ihrer Stellungnahme auf die ihrer Meinung nach unbefriedigende Situation bei der Hörgeräteversorgung aufgrund der Festbetragsfestsetzung hin. Teilweise seien die Festbeträge im zeitlichen Verlauf noch abgesenkt worden. Die Festbeträge berücksichtigten nicht den besonderen technischen und zeitlichen Aufwand bei der Versorgung, insbesondere in Abhängigkeit von den Altersgruppen und die besonderen Anforderungen bei Mehrfachbehinderungen und hochbetagten Patienten.

Seitens des VdAK/AEV wurde lediglich auf die oben zitierte WIdO-Studie verwiesen, aus welcher hervorgehe, dass eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei.

Der AOK-Bundesverband verwies auf die gleiche Studie, insbesondere darauf, dass der erzielte Hörgewinn bei digitaler Versorgung nicht wesentlich höher liege als bei analoger, dass bei vielen Versorgten keine Vergleichsgeräte angepasst worden seien und dass die finanzielle Belastung der Versicherten stark vom gewählten Versorgungsweg abhänge.

Der BKK Bundesverband beschränkte sich auf die Übersendung der Studie aus dem oben genannten Kooperationsprojekt mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e.V.

Der IKK Bundesverband wies zum einen darauf hin, dass zur Zeit (Juli 2004) bundeseinheitliche Festbeträge erarbeitet würden, die ebenso wie die bisherigen landesbezogenen Festbeträge so zu bemessen seien, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet sei. Die bereits zitierten Studien belegten, dass eine zuzahlungsfreie Versorgung in einer signifikant hohen Zahl an Versorgungsfällen unabhängig vom Grad der Schwerhörigkeit zu einer hohen Zufriedenheit bei den Versicherten führe. Die Ursachen für Zuzahlungen seien vielschichtig. So werde von den Versicherten teilweise eine Versorgung gewünscht, die medizinisch nicht indiziert sei, was wohl auch auf das Verkaufsverhalten der Akustiker zurückzuführen sei, die wirtschaftlich an der Abgabe von kostenaufwändigen volldigitalen Geräten interessiert seien. Auch sei der Wettbewerb im Bereich der Hörhilfenversorgung unzureichend. Für einen Vorteil digitaler im Vergleich zu analogen Geräten existiere kein wissenschaftlicher Beleg. Vielmehr belegten die vorliegenden Studien, dass gerade hochgradige und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeiten überproportional häufig mit Festbetragsgeräten versorgt würden

Der DSB verwies in seiner Stellungnahme auf nach seiner Auffassung bestehende methodische Mängel der vorliegenden Studien, die gleichwohl den eindeutigen Schluss zuließen, dass die bestehenden Festbeträge zu niedrig seien, da selbst im Falle des verkürzten Versorgungsweges, bei dem es regelmäßig an einer vergleichenden Anpassung fehlen dürfte, nur weniger als die Hälfte der Versorgungsfälle zum Festbetrag erfolge.

Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte hat mit Schreiben vom 13.07.2004 einen Auszug einer Stellungnahme seines ehemaligen 1. Vorsitzenden, Prof. Dr. med. Klaus Seifert, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG am 19. März 2002 im Verfahren 1 BvL 29/95 (Abdruck in HNO-Mitteilungen 2003, 44f) zu den Akten gereicht. Hierin wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Versorgung von Schallempfindungs- bzw. Innenohrschwerhörigkeiten (IOS) im Gegensatz zur Versorgung von Schallleitungsschwerhörigkeiten nicht durch bloße lineare Verstärkung des Eingangssignals erfolgen könne, sondern zum einen den frequenzabhängigen Hörverlust berücksichtigen, zum anderen eine Überverstärkung vermeiden müsse. Auch mit den leistungsfähigsten modernen Geräten lasse sich, anders als etwa eine Fehlsichtigkeit durch Sehhilfen, eine IOS niemals vollständig ausgleichen, also bis zu einem Zustand, wie er bei Gesunden vorliege.

Das Gericht hat schließlich, ebenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2008, Auszüge aus einem Gutachten des Herrn Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Kießling, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Abteilung Audiologie, der Justus-Liebig-Universität Gießen, aus August 2004 ("Mögliche Instrumente zur Steuerung der Hörgeräteversorgung im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bei Lärmschwerhörigkeit - BK 2301") durch Übergabe an die Parteien in das Verfahren eingeführt. Hierin wird ausgeführt, dass zur bestmöglichen Versorgung eines Lärmschwerhörigen (IOS) nach dem aktuellen Stand der Technik durchschnittliche Kosten je Ohr von etwa 1200 EUR aufzuwenden seien. Wegen des näheren Inhalts wird auf die entsprechende Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Das Gericht hatte zum Verhandlungstermin am 10.06.2008 auch der Beigeladenen gemäß § 111 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 30.06.2008 geltenden Fassung aufgeben, zur mündlichen Verhandlung einen nach § 81 der Zivilprozessordnung schriftlich bevollmächtigten und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichteten Beamten oder Angestellten zu entsenden. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 23.05.2008 angekündigt, den Termin nicht wahrzunehmen und beantragt, die Aufgabe des Erscheinens aufzuheben. Es werde auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Für eine vergleichsweise Einigung sei kein Raum. Eine Entscheidung des Gericht hierzu ist nicht ergangen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es der Klägerin nicht an der Klagebefugnis, obschon sie tatsächlich bereits über die streitigen Geräte verfügt. Nach ihren nachvollziehbaren und nicht angegriffenen Ausführungen hat sie sich gegenüber dem Akustiker zwar ausdrücklich für die streitigen Geräte entschieden, die eigene Zahlung des vollen veranschlagten Kaufpreises aber nur für den Fall zugesagt, dass die Geltendmachung des Sachleistungsanspruches endgültig erfolglos bleibt, womit ein Rechtsschutzbedürfnis bereits unabhängig davon vorliegt, dass die Klägerin bei rechtskräftiger Feststellung eines Sachleistungsanspruches auch die Erstattung der von ihr geleisteten Anzahlung geltend machen kann.

Die Klage ist auch begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die Klägerin mit den streitigen Hörgeräten zu versorgen.

Die Verpflichtung der Beklagten ergibt sich allerdings nicht bereits aus den für sie unmittelbar anwendbaren rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften. Mit der Beklagten geht das Gericht davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Hilfsmittelversorgung als Leistung des Rentenversicherers zur Teilhabe am Arbeitsleben nur im Falle einer besonderen beruflichen Betroffenheit und dann nicht vorliegen, soweit sie bereits als Leistung der Krankenversicherung zu erbringen ist. Entgegen LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 08.03.2007, L 10 R 247/05, ist die Kammer der Auffassung, dass die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), die unmittelbar nur das Verhältnis zwischen gesetzlicher Renten- und Krankenversicherung für Zahnersatzleistungen betrifft, Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist, wonach für einen Eintritt der Rentenversicherung im Rahmen der Rehabilitation (nunmehr: Leistungen zur Teilhabe) dann kein Raum ist, "wenn bereits die Krankenversicherung dem Grunde nach verpflichtet ist, eine Leistung im Rahmen der Krankenhilfe zum Zwecke der Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung eines regelwidrigen Körperzustands zu gewähren", BSG vom 28.02.1991, 4/1 RA 93/88.

Gemäß § 26 Abs 2 Nr 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) umfassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 5 Nr 1 SGB IX insbesondere Hilfsmittel. Träger der medizinischen Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können gemäß § 6 Abs 1 SGB IX grundsätzlich sowohl die gesetzlichen Krankenkassen als auch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Träger der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können von den hier in Rede stehenden Trägern gemäß § 6 Abs 1 SGB IX jedoch nur die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sein.

Hinsichtlich der sich überschneidenden Zuständigkeiten im Bereich der medizinischen Teilhabeleistungen fehlt es an einer allgemeinen gesetzlichen Regelung eines Vor-/ Nachrangverhältnisses zwischen Kranken- und Rentenversicherung. Zwar ordnet § 40 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) an, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von Abs 1 und 2 der Vorschrift von der Krankenkasse regelmäßig nur erbracht werden, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Diese Vorschrift verwendet jedoch einen wesentlich engeren Begriff der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als dies in § 26 SGB IX der Fall ist. § 40 Abs 1 und 2 SGB V betreffen ausschließlich sogenannte Kuren (ambulante und stationäre Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen), weshalb § 40 Abs 4 SGB V auf Hilfsmittel keine Anwendung finden kann. Ebenso ist die umgekehrte Zuständigkeitsabgrenzung des § 13 Abs 2 SGB VI, die für die Phase der akuten Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit die Zuständigkeit des Rentenversicherers für Rehabilitationsleistungen (außer bei interkurrenten Erkrankungen während einer Rehaleistung des Rentenversicherers) ausschließt, im Falle von Hilfsmittelversorgungen unanwendbar.

Die Abgrenzung hat daher nach allgemeinen Kriterien, insbesondere unter Berücksichtigung der den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich bestimmenden Begriffe des Basisausgleichs und der Grundbedürfnisse zu erfolgen. Soweit daher eine ausreichende Verbesserung des Hörvermögens, wie sie im Rahmen dieser Basisversorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen ist, die Versorgung mit Hörgeräten erforderlich macht, ist auch allein die Krankenversicherung zuständig. Erst dann, wenn sich aus der konkreten beruflichen Situation des Versicherten besondere, über die Grundbedürfnisse hinausgehende Anforderungen an das Hörvermögen ergeben, ist eine Eintrittspflicht der Rentenversicherung denkbar; für einen grundsätzlichen Vorrang der Leistungspflicht der Krankenkassen im Bereich der Hilfsmittel auch KassKomm-Niesel, § 15 SGB VI, Rdz. 11 und § 16 SGB VI, Rdz. 6 unter Hinweis auf BSG vom 10.11.1977, 3 RK 7/77 (BSGE 45, 133). Die entgegenstehende Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., wird soweit ersichtlich außerhalb des Bereichs der Hörgeräte- Versorgung nicht vertreten. So erschiene es auch wenig sachgemäß, etwa die Versorgung mit Körperersatzstücken nur deshalb der Rentenversicherung aufzubürden, weil der Betroffene berufstätig ist und das Hilfsmittel im Beruf ebenso zum Behinderungsausgleich benötigt, wie im täglichen Leben. Erst dann wenn gerade die Verhältnisse des Arbeitsplatzes besondere Hilfsmittel (etwa höhenverstellbare Arbeitstische, orthopädische Sitzgelegenheiten etc.) erforderlich machen, kommt eine Eintrittspflicht des Rentenversicherers in Betracht, weil dann eine besondere berufliche Betroffenheit anzunehmen ist.

Vergleichbar besondere berufliche Anforderungen an das Hörvermögen sind im Falle der Klägerin jedoch nicht ersichtlich. Gerade die Fähigkeit, menschliche Sprache auch in geräuschvollerer Umgebung oder in größeren Gruppen verstehen zu können, gehört zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Ob die nach Auffassung des Sachverständigen auch neben der Hörgeräteversorgung befürwortete Versorgung mit einem Telefonverstärker aufgrund beruflich bedingter häufiger Telefonate von mehreren Stunden arbeitstäglich wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt, ist nicht Streitgegenstand. Die allein streitigen Hörgeräte kann die Klägerin mangels einer besonderen beruflichen Betroffenheit jedenfalls nicht als Leistung zu Teilhabe am Arbeitsleben oder als originär vom Rentenversicherer geschuldete medizinische Rehabilitationsleistung beanspruchen.

Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Versorgung mit den streitigen Hörgeräten als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, da es sich um Hörhilfen im Sinne von § 33 Abs 1 SGB V handelt, welche im Einzelfall erforderlich sind, um die Hörbehinderung der Klägerin auszugleichen. Zudem ist die Beklagte für die Entscheidung über diesen Sachleistungsanspruch und auch für die Erbringung der Leistung selbst (vorläufig) gemäß § 14 SGB IX zuständig.

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, so stellt gemäß § 14 Abs 1 SGB IX der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Nach den zutreffenden Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in der bereits im Beiladungsbeschluss zitierten Entscheidung B 7 AL 16/04 R vom 26. Oktober 2004 entsteht unabhängig von der "eigentlichen", materiellen Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers sowohl in dem Fall, dass durch ihn ein Antrag überhaupt nicht bzw. nicht innerhalb der Frist an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet wird, als auch wenn ihm von einem anderen Rehabilitationsträger ein Antrag weitergeleitet worden ist, seine Leistungspflicht und jedenfalls seine Pflicht, über den geltend gemachten Anspruch nach sämtlichen in Betracht kommenden Leistungsnormen zeitgerecht gegenüber dem Antragsteller zu entscheiden.

Vorliegend ist die Beklagte zwar - einige Monate nach Antragseingang - zu der Erkenntnis gelangt, dass die Hörgeräteversorgung der Klägerin mangels besonderer beruflicher Betroffenheit nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, ohne hieraus jedoch den sich aus § 14 SGB IX ergebenden Schluss zu ziehen und den Antrag der Klägerin bei längst abgelaufenen Fristen nunmehr auch nach den Leistungsvorschriften des SGB V zu prüfen. Vielmehr hat sie ihre ablehnenden Entscheidungen allein auf ihre fehlende Zuständigkeit gestützt. Ihre auf § 14 SGB IX beruhende Zuständigkeit für die Leistung auch nach dem SGB V bleibt jedoch bestehen, ist im gerichtlichen Verfahren zu beachten und führt im Ergebnis auch zu ihrer Leistungsverpflichtung.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Leistungserbringung wird auch nicht dadurch "ausgehebelt", dass sie diese solange verweigert hat, bis die Klägerin gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen und damit die prozessuale Möglichkeit der Verurteilung eines notwendig Beigeladenen gemäß § 75 Abs 5 SGG herbeigeführt hat. Der vom 7. Senat des BSG in seiner oben zitierten Entscheidung angedeutete Weg der Verurteilung des "eigentlich" zuständigen Trägers erscheint im Ergebnis nicht gangbar. § 14 SGB IX dient der Beschleunigung des Rehabilitations-Verfahrens durch die schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis, BSG vom 28.11.2007, B 11a AL 29/06 R. Die Vorschrift begründet daher eine echte und ausschließliche sowie im Verhältnis zum Versicherten, Leistungsempfänger, Behinderten usw. auch endgültige Zuständigkeit, die nicht davon abhängen kann, ob dieser, nachdem der nach § 14 SGB IX zuständige Träger eine Prüfung des Anspruchs "nach sämtlichen in Betracht kommenden Leistungsnormen" verweigert, den Rechtsweg beschreitet und ob das angerufene Gericht die Gebotenheit der Beiladung des "eigentlich" zuständigen Trägers bejaht, oder eine Beiladung trotz ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG ablehnt, vgl. insoweit einerseits LSG Thüringen, L 6 KR 23/02 vom 30.05.2005, andererseits die ständige Rechtsprechung des 11. Senat des LSG Baden-Württemberg (L 11 KR 1913/04 vom 08.03.2005; L 11 KR 1634/04 vom 03.05.2005; L 11 KR 2161/04 vom 05.04.2005; L 11 KR 5004/05 vom 09.05.2006). Vorläufig ist daher die sich aus § 14 SGB IX ergebende Zuständigkeit nur insoweit, als das Verhältnis zwischen den einzelnen in Betracht kommenden Trägern betroffen ist, da hier für etwaige Erstattungsansprüche auf die "endgültige" oder "eigentliche" Zuständigkeit abzustellen ist. Der Erstattungsanspruch des erstangegangenen Leistungsträgers gegen den vorrangig verpflichteten Träger wird nicht etwa durch die Regelungen des § 14 SGB IX ausgeschlossen, BSG vom 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R, und vom 28.11.2007, B 11a AL 29/06 R.

Die Klägerin hat nach den mithin anwendbaren Vorschriften des SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit den streitigen Geräten.

Es bedarf zunächst keiner näheren Erläuterungen, dass die streitigen Geräte weder Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens darstellen, noch nach § 34 Abs 4 SGB V als Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis ausgeschlossen sind.

Auch die grundsätzliche Indikation für eine (beidseitige) Hörhilfenversorgung gemäß § 33 Abs 1 Satz 3 i.V.m. § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V i.V.m. Abschnitt F der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (,Hilfsmittel-Richtlinien") ist ausweislich der vorliegenden audiometrischen Befunde gegeben. Der tonaudiometrische Hörverlust beträgt ausweislich der vertragsärztlichen Verordnung auf dem besseren (linken) Ohr 30 dB oder mehr bei allen Prüffrequenzen zwischen 1000 und 3000 Hz. Die Verstehensquote für einsilbige Wörter ist auf dem besseren Ohr bei 65 dB nicht größer als 80% (70% im Anpassbericht des Akustikers, die Verordnung der Frau G weist für 65 dB keinen Messwert aus). Mit den streitigen Geräten wird bei 65 dB das Sprachverstehen auf 90% (bei Messung durch den Sachverständigen auf 95%) und damit um mindestens 20 Prozentpunkte gesteigert, sodass auch die Anforderungen gemäß Ziffer 63.2 Satz 2 der Hilfsmittel-Richtlinien erfüllt werden. Auch der MDK bestätigt die medizinische Indikation, weshalb insoweit keine Zweifel bestehen.

Infolge des langfristigen Anpassungsvorgangs durch den Vertragsakustiker hat sich der hiernach grundsätzlich bestehende Versorgungsanspruch der Klägerin auch in einer für die Krankenkasse (bzw. vorliegend für den nach § 14 SGB IX zuständigen Rentenversicherer) bindenden Weise auf die streitigen Geräte konkretisiert.

Im Verhältnis zum Versicherten rechnet das Gericht den Akustiker als Leistungserbringer grundsätzlich dem Lager der Krankenkasse zu, vgl. LSG Celle-Bremen vom 24.06.2005, L 4 KR 147/03. Die Krankenkasse ist gegenüber dem Versicherten zur Sachleistung (Versorgung mit Hörgeräten) verpflichtet. Sie stellt diese Sachleistungen allerdings nicht selbst zur Verfügung, obschon das rechtlich wohl zulässig wäre, sondern bedient sich insoweit eines vertraglich gebundenen Leistungserbringers. Ist dieser - wie hier - nicht in der Lage, eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag zu erbringen, kann es nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichen, wenn sich der Kostenträger pauschal auf die Festbetragsregelung zurückzieht, ohne konkrete anderweitige und preisgünstigere Versorgungsmöglichkeiten vorzuschlagen.

Im Übrigen ist der Akustiker vorliegend seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten nachgekommen. Gemäß § 3 Abs 1 des Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der biha und dem VdAK/AEV erhält der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote entsprechend dem festgestellten Hörverlust. Das ist hier erfolgt, ohne dass jedoch durch die eigenanteilsfreien Versorgungsangebote ein ausreichender Hörgewinn erzielt worden wäre.

Selbst wenn man aber den vorstehenden Ausführungen nicht folgte, lässt sich vorliegend auch positiv feststellen, dass eine ausreichende Versorgung zu einem geringeren Preis nicht möglich war. Dass die mit den streitigen Geräten erzielte Hörverbesserung auch mit anderen, insbesondere preiswerteren Geräten hätte erzielt werden können, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Im Rahmen der ursprünglichen vergleichenden Anpassung durch den Akustiker und überdies im Rahmen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens wurden insgesamt fünf Vergleichsgeräte getestet, ohne dass hiermit ein ähnlicher Hörgewinn bewirkt worden wäre. Insbesondere bei den Messungen im Störschall, die zwar nicht standardisiert sein mögen, von den jeweiligen Akustikern gleichwohl für alle jeweils getesteten Geräte in gleicher Weise durchgeführt worden sind (Binnenvergleichbarkeit), zeigte sich bei den streitigen Geräten stets ein deutlich höherer Hörgewinn. Nach den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen konnte mit dem besten getesteten Vergleichsgerät nur ein Einsilberverstehen von 55% erreicht werden, während mit den streitigen Geräten 70% und damit über ein Viertel mehr verstanden wurde, obschon es sich zumindest bei den vom Sachverständigen getesteten Vergleichsgeräten (Phonak MAXX 211 und Oticon Swift 70 +) ebenfalls um volldigitale Gerätetypen handelte.

Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass durch das streitige Hilfsmittel ein im täglichen Leben erheblicher Gebrauchsvorteil im Vergleich zu einer Versorgung mit günstigeren Geräten und erst Recht im Vergleich zu Geräten bewirkt wird, die im Zeitpunkt der Anpassung in 2001/2002 zum Festbetrag erhältlich waren. Da auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts weder die Beklagte noch die Beigeladene, selbst noch nach Beratung durch den MDK in der Lage waren, ein konkretes Gerät gleicher Wirksamkeit zu benennen, das im Versorgungszeitraum zum Festbetrag durch einen zugelassenen Leistungserbringer hätte abgegeben werden können, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der dokumentierte Hörgewinn (insbesondere im Störschall) nicht anders erzielbar war. Letztlich wird genau dies von der Beklagten (im Schriftsatz vom 17.07.2007) bestätigt, wenn ausgeführt wird, "dass durch die streitigen Geräte ein erheblicher Gebrauchsvorteil im Vergleich zu Festbetragsgeräten erreicht wird".

Es bedarf schließlich auch keiner sachverständigen Hilfe, um festzustellen, dass die mit dem streitigen Gerät erzielte Verbesserung des Hörvermögens einen ganz wesentlichen Alltagsvorteil darstellt, da die Fähigkeit, menschliche Sprache auch unter ungünstigen Umgebungsbedingungen (z.B. im Straßenverkehr, in Menschengruppen, bei Windgeräuschen, bei der heute allgegenwärtigen Hintergrundsbeschallung) zu verstehen, zu den Grundfähigkeiten des Menschen gehört, welche im Rahmen des von der Krankenversicherung abzudeckenden Basisausgleichs so weit wie möglich mit den Mitteln der Krankenversicherung auszugleichen sind.

Der Begriff des Basisausgleichs ist dabei keineswegs missverständlich dahingehend zu verstehen, dass das Maß des zu beanspruchenden Behinderungsausgleichs im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten beschränkt würde. Vielmehr wird durch diesen Begriff lediglich klargestellt, welche im Falle einer Behinderung durch Hilfsmittel ausgleichbaren Fähigkeiten eines Gesunden durch die gesetzliche Krankenversicherung auszugleichen sind. In ständiger Rechtsprechung zählt das BSG hierzu insbesondere die sogenannten Grundbedürfnisse, nämlich die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke und behinderte Mensch mit Hilfe des Hilfsmittels wieder aufschließen soll, Urteil vom 06.08.1998, B 3 KR 3/97 R, m.w.N.

Einschränkend wirkt sich der Begriff des Basisausgleichs auf den Leistungsanspruch des Versicherten daher erst dann aus, wenn durch das Hilfsmittel Bedürfnisse befriedigt werden sollen, die außerhalb dieses Basisausgleichs liegen, weil sie keine Grundbedürfnisse mehr darstellen, so etwa die Fähigkeit, einen Pkw zu nutzen (BSG a.a.O.), die Erschließung eines Bewegungsradius, den auch Gesunde regelmäßig nicht mehr zu Fuß zurücklegen (Urteil vom 16.09.1999, B 3 KR 8/98 R), oder die Fähigkeit, ein Hochschulstudium zu absolvieren (Urteil vom 30.01.2001, B 3 KR 10/00 R).

Ist jedoch die Fähigkeit (das Grundbedürfnis) zu hören betroffen, geht es also insbesondere darum, die Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen Menschen sicherzustellen oder wesentlich zu erleichtern, fällt dies eindeutig in den Bereich des von der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichernden Basisausgleichs. Auch eine Abgrenzung zwischen dem Hören allgemein vom Hören "auf gesellschaftlicher Ebene sowie im Freizeitbereich", wie sie das LSG Baden- Württemberg, L 11 KR 1913/04 vom 08.03.2005, vornimmt, ist nicht möglich, insbesondere nicht mit der dort zitierten Entscheidung des BSG, B 3 KR 3/99 R vom 03.11.1999 begründbar. Dort ging es gerade nicht um eine Verbesserung des Hörens als solches, sondern um die Ermöglichung des Empfangs von Signalen mittels einer Mikroportanlage, welche die von einem Mikrofon aufgenommene Sprache bzw. den Fernseh- oder Radioton drahtlos über einen Empfänger direkt an das (im konkreten Fall implantierte) Hörgerät überträgt, was nach den zutreffenden Ausführungen des BSG nicht mehr in den Bereich der Grundbedürfnisse fällt.

Eine Einschränkung des zu beanspruchenden Behinderungsausgleichs ergibt sich im Rahmen der Grundbedürfnisse auch nicht etwa in quantitativer Hinsicht aufgrund der vom Gesetz weitgehend synonym verwendeten Begriffe "ausreichend", "notwendig", "zweckmäßig" und "wirtschaftlich".

Ausreichend ist grundsätzlich diejenige Versorgung, die den Fähigkeiten eines Gesunden am nächsten kommt. Ein Ausschluss aus Wirtschaftlichkeitsgründen kommt solange nicht in Betracht, wie das jeweilige Hilfmittel im Vergleich zur preisgünstigeren Alternative im Alltagsleben zu einem deutlichen Gebrauchsvorteil führt, BSG vom 06.06.2002, B 3 KR 68/01 R. Eine zusätzliche Kosten-Nutzen-Erwägung kann nach dieser zutreffenden Entscheidung allenfalls dann geboten sein, wenn der zusätzliche Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels im Alltagsleben eher gering ist, die dafür anfallenden Kosten hingegen als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen sind.

Im Einklang mit den beiden Hauptkriterien, anhand derer die Hilfsmittel-Richtlinien den Versorgungserfolg von Hörhilfen bemessen, und entgegen der o.g. Entscheidung des LSG Stuttgart, ist daher jedes Mehr an Sprachverstehen und Richtungsgehör (oberhalb der Messfehlergrenze) als wesentlicher Gebrauchsvorteil in dem o.g. Sinne anzusehen. Der in der erwähnten Entscheidung enthaltene Hinweis an den Versicherten, er könne sich schließlich zwecks besseren Verstehens der "Schallquelle zuwenden" und benötige die begehrte, nicht zwingend notwendige Mehrmikrofontechnik daher nicht, erscheint vor diesem Hintergrund zumindest grenzwertig. Er ist jedenfalls dann verfehlt, wenn dieses "Zuwenden" ein bei eingeschränktem Richtungshören nur unter Schwierigkeiten und nicht unerheblichem Zeitaufwand mögliches "Suchen" nach der Schallquelle beinhaltet, denn nach erfolgreicher "Ortung" und Hinwendung hat der Hörgeschädigte den Inhalt des Gesagten bereits verpasst.

Im Falle einer Hörhilfenversorgung wird nach Auffassung der Kammer die Grenze des nicht mehr Notwendigen vielmehr erst durch das Normalgehör gezogen, wenn also etwa die Hörschwelle durch das Hilfsmittel über die dem Normalgehör eines jungen Menschen entsprechende Schwelle von 0 dB hinaus angehoben werden soll. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kann deshalb keine Versorgung begehrt werden, die Fähigkeiten eines besonders scharfen, geschulten oder gar absoluten Gehörs vermittelt. Wegen eher geringen Alltagsnutzens ausgeschlossen und zugleich nicht mehr vom Basisausgleich umfasst wäre daher etwa die Fähigkeit eines Dirigenten eines Sinfonieorchesters, die achte von der neunten Zweiten Geige unterscheiden zu können. Hier käme dann allerdings eine (originäre) Eintrittspflicht des Rentenversicherers in Betracht. Solange sich jedoch das Sprachverstehen und/oder das Richtungsgehör steigern lassen, auch solange sich Klangverzerrungen, Rückkopplungen und andere den natürlichen Höreindruck nachteilig verändernde Verstärkungsfolgen merklich reduzieren lassen, so lange bleibt die gesetzliche Krankenversicherung nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen auch zur Versorgung mit dem jeweils besseren Hilfsmittel verpflichtet.

Die Einschätzung der Kammer, dass die vom Akustiker vorgenommene Versorgung seinerzeit ausreichend und wirtschaftlich war, wird durch die Stellungnahme des MDK vom 22.08.2007 nicht nur nicht in Frage gestellt sondern letztlich bestätigt. Dafür, dass bereits im Versorgungszeitraum eine gleichwertige Versorgung auch zum Festbetrag möglich war, ist - wie oben gezeigt - nichts Konkretes dargetan oder ersichtlich. Dass mehrkanalige volldigitale Geräte gehobener Qualität, wie sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme allein zum Ausgleich der Behinderung der Klägerin in Betracht kommen, (bereits Anfang 2002) zum Festbetrag erhältlich waren, ist entgegen den Ausführungen des MDK keineswegs "empirisch und aus Internetrecherchen zu vermuten". Ansonsten könnten entsprechende Rechercheergebnisse vorgelegt werden.

Hiernach steht im Ergebnis fest, dass die Hörbehinderung der Klägerin so schwierig zu versorgen ist, dass nur durch die streitigen Geräte eine ausreichende, nämlich bestmögliche Versorgung erzielt werden kann, die aber gleichwohl noch hinter den Möglichkeiten eines Normalgehörs zurückbleibt. Ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ist vorliegend in der Wahl der streitigen Geräte weder seitens der Klägerin noch seitens des Akustikers ersichtlich, da allein durch diese Geräte eine ausreichende Versorgung erfolgt.

Die Beklagte ist daher anstelle der eigentlich zuständigen Beigeladenen verpflichtet, die streitigen Geräte der Klägerin als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Eine Pflicht zur Zuzahlung seitens der Klägerin ergibt sich - entgegen dem insoweit unrichtigen Tenor - auch nicht aus § 61 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 in Höhe von 10 EUR je Hörgerät. Die vorgenannte Regelung wurde erst mit Wirkung zum 01.01.2004 eingeführt und kann auf den vorliegenden Fall, in welchem die Versorgung bereits im Jahre 2002 erfolgt ist, keine Anwendung finden. Auf den Zeitpunkt der Vergütung des Akustikers kommt es insofern nicht an. Im Falle einer zeitlich gestreckten Hilfsmittelversorgung, wie sie die Hilfsmittel-Richtlinien gerade für Hörhilfen vorsehen, ist grundsätzlich maßgeblich, in welchem Zeitpunkt der Versicherte sein Wahlrecht (§ 33 SGB I, § 9 SGB IX) verbindlich ausgeübt und sich damit der Versorgungsanspruch als Rahmenrecht auf ein ganz bestimmtes Hilfsmittel konkretisiert hat, BSG vom 06.09.2007, B 3 KR 20/06 R. Weil sich der Versorgungsanspruch der Klägerin bereits vor dem 01.01.2004 auf ein ganz bestimmtes Hilfsmittel konkretisiert hatte, ist die Gesetzesänderung zum 01.01.2004 nicht zu berücksichtigen.

Wie es die Beklagte letztlich bewerkstelligt, die Klägerin mit den streitigen Geräten als Sachleistung zu versorgen, bleibt der Beklagten überlassen, ob sie also - der Rechtsnatur des Sachleistungsanspruches gemäß - dem Akustiker den ihm im Ergebnis von Verhandlungen zustehenden Kaufpreis (etwa nach Abzug eines Abschlags für das zweite Gerät) zukommen lässt, oder zur Vermeidung von Erstattungsansprüchen gegen die eigentlich bzw. endgültig zuständige Beigeladene die Übernahme der Kosten im Leistungserbringerverhältnis unmittelbar durch diese veranlasst.

Ohne dass dies von der Kammer zu entscheiden wäre, wird lediglich darauf hingewiesen, dass sich Beklagte und Beigeladene auch gegenüber dem Akustiker nicht werden auf den Festbetrag oder eine etwa vertraglich vereinbarte Versorgungspauschale berufen können. Da nach Einschätzung des Gerichts bei leistungsfähigen modernen Hörgeräten wie den hier streitigen bereits der Einkaufspreis des Akustikers diesen Festbetrag bei weitem übersteigt, liegt es auf der Hand, dass die Weigerung, die Geräte zum Pauschalpreis herauszugeben, nicht etwa auf einem übertriebenen, unangemessenen Gewinnstreben des Akustikers sondern auf der zu geringen Höhe des Festbetrages beruht, worauf noch einzugehen ist. Hierdurch wird der Akustiker keineswegs in die Lage versetzt, die schwierigeren Versorgungsfälle gleichsam im Sinne einer Mischkalkulation durch die Gewinne aus den zum Festbetrag zu versorgenden Fälle mitzuversorgen.

Eine Einschränkung des Sachleistungsanspruchs der Klägerin ergibt sich aus der Festbetragsregelung des § 33 Abs 2 Satz 1 i.V.m. §§ 35, 36 SGB V nicht.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass nach den Feststellungen des Gerichts der seinerzeit maßgebliche Festbetrag in Höhe von 960,82 EUR für den Ausgleich der bei der Klägerin konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht.

Die entsprechende Erwägung des BSG, der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenze die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn er im Einzelfall für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche (Urteil vom 23.01.2003, B 3 KR 7/02 R), hält die Kammer nicht für zutreffend. Gemäß § 12 Abs 2 SGB V erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag, wenn für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Eine über den (wirksam festgesetzten) Festbetrag hinausgehende Leistungspflicht der Krankenkasse soll also nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht bestehen, auch wenn im Einzelfall die Leistung durch den Festbetrag nicht bewirkt werden kann, vgl. BT-Drucks 11/2237 (Regierungsentwurf zum Gesundheitsreformgesetz), Seite 164. Anderenfalls verlöre der Festbetrag seine Funktion und stellte nicht mehr als eine bloße Empfehlung oder Richtgröße dar. Da die erwähnten Ausführungen des BSG für seine Entscheidung nicht tragend waren (der dortige Kläger hatte sich das Hilfsmittel tatsächlich zum Festbetrag verschafft), es sich mithin um ein bloßes obiter dictum handelte, erübrigen sich insoweit allerdings weitere Ausführungen.

Die Verbindlichkeit eines (wirksamen) Festbetrages auch im Ausnahmefall wird durch die Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2002, 1 BvL 29/95, Rdz. 144-147, bestätigt. Indem sich der Erste Senat gehalten sieht, einerseits darauf hinzuweisen, dass mit den gesetzlichen Festbetragsregelungen keine Abkehr vom Sachleistungsprinzip verbunden sei, und andererseits darauf, dass eine gesetzeskonforme Festbetragsfestsetzung dann nicht mehr vorliege, wenn die Versicherten die ihnen zustehenden Sachleistungen nur noch ausnahmsweise ohne Eigenbeteiligung erhalten könnten, und schließlich die Bedeutung der (fach)gerichtlichen Kontrolle der Festbetragsfestsetzung betont, wird deutlich, dass nicht die Anwendbarkeit der Festbeträge im Einzelfall sondern die Wirksamkeit der jeweiligen Festbetragsfestsetzung als solche der gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden soll.

Ein Leistungsausschluss hinsichtlich der von der Klägerin gewählten, zum Festbetrag nicht erhältlichen Versorgung ergibt sich trotz der grundsätzlichen und ausnahmslosen Verbindlichkeit von Festbeträgen aber vorliegend deshalb nicht, weil die von der Beklagten angewendeten Festbeträge unwirksam sind.

Es kann dabei dahinstehen, ob die hier nach Auffassung der Beigeladenen anwendbaren Festbeträge (Festsetzung für Mecklenburg-Vorpommern durch die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassenverbände vom 21. Januar 1997, bekanntgemacht in BAnz. Nr. 41, S. 2335 vom 28.02.1997) bereits aus formalen Gründen rechtswidrig und daher nicht anwendbar sind, etwa weil es in der Bekanntmachung an einem Hinweis fehlte, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können, vgl. den Hinweis des BSG in der Termin-Vorschau Nr. 12/06 zur mündlichen Verhandlung des 3. Senats am 23.03.2006 zum später aufgehobenen Verhandlungstermin in dem Verfahren B 3 KR 10/05 R. Ob angesichts von § 35 Abs 2 Nr 5 SGB X tatsächlich allein aus dem Fehlen eines derartigen Hinweises auf die Unwirksamkeit der Festbetragsfestsetzung geschlossen werden kann, braucht hier ebensowenig entschieden zu werden, wie die Frage, ob der bekanntgemachte Text, der sich im wesentlichen auf die Wiedergabe der einschlägigen Gesetzestexte und die eigentlichen Festbeträge beschränkt, den vollständigen Verwaltungsakt nebst Begründung darstellen soll.

Die Unwirksamkeit der Festbetragsfestsetzung ergibt sich jedenfalls daraus, dass die festgesetzten Beträge zur Überzeugung des Gerichts der Höhe nach nicht geeignet waren, im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung der Versicherten mit Hörhilfen zu gewährleisten.

Das Gericht gewinnt diese Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Die insgesamt zur Verfügung stehenden Informationen lassen den Schluss zu, dass für eine ausreichende Versorgung eines Schwerhörigen mit Hörgeräten pro Ohr durchschnittlich ein Betrag in Höhe von mindestens 1000 EUR erforderlich ist und dass nur im relativ seltenen Ausnahmefall einer reinen Mittelohrschwerhörigkeit eine ausreichende Versorgung zu dem hier maßgeblichen Festbetrag von 421,88 EUR (für das erste Gerät, unabhängig von Gruppe, also von der Zahl der Kanäle und der weiteren Ausstattung, ohne Ohrpassstück), möglich ist.

Die Ergebnisse der Studien des WIdO und des IKK-Bundesverbandes, wonach sich die Summe der von den Kassen übernommenen Festbeträge und der durchschnittlichen Zuzahlungen der Versicherten je Ohr in etwa in der genannten Höhe von 1000 EUR bewegt, decken sich mit der Einschätzung im Gutachten Kießling, der Kosten pro Gerät von 1000 bis 1200 EUR veranschlagt. Dass er hierbei eine bestimmte Art der Schwerhörigkeit, die Lärmschwerhörigkeit, mithin eine IOS, zugrundelegt, ändert nichts an der Verwertbarkeit seiner sachverständigen Einschätzung, da auch der weit überwiegende Teil der Allgemeinbevölkerung, der ohne Nachweis einer beruflichen Verursachung an einer Schwerhörigkeit leidet, von einer ausschließlichen oder überwiegenden IOS betroffen ist, wie sich den überzeugenden Ausführungen des Herrn Prof. Dr. med. Seifert entnehmen lässt, der den Anteil der Schallleitungsschwerhörigkeiten auf unter 5% beziffert.

Auch die Tatsache, dass im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 26 Abs 2 SGB VII die Rehabilitation des Versicherten "mit allen geeigneten Mitteln" zu betreiben ist, ohne dass wie in der gesetzlichen Krankenversicherung das Gebot der Wirtschaftlichkeit ausdrücklich normiert wäre, führt zu keinem anderen Bewertungsmaßstab. Wie oben bereits gezeigt, schuldet auch die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Erfüllung von Grundbedürfnissen den bestmöglichen Behinderungsausgleich, ohne dass eine Abwägung des Fähigkeitsgewinns gegen die hierfür aufzuwendenden Kosten zulässig wäre. Ausreichend im Sinne von § 36 Abs 3 i.V.m. § 35 Abs 5 Satz 1 SGB V ist diejenige Versorgung, die den Fähigkeiten eines (Hör)Gesunden am nächsten kommt. Da auch im Bereich der Unfallversicherung kein Anspruch auf eine nicht notwendige Versorgung (überflüssige sogenannte Gimmicks, rein optische Verbesserungen o.ä.) besteht, lassen sich die Ergebnisse aus diesem Rechtsgebiet auch insoweit auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen.

Das gefundene Ergebnis wird schließlich auch durch einen internationalen Vergleich unterstützt: In der Schweiz gelten seit 2006 Hörgeräte-Tarife, die je nach Indikation Gesamtkosten (incl. Dienstleistung des Akustikers) bei einseitiger Versorgung von umgerechnet ca. 1000 bis 1550 EUR, bei beidseitiger Versorgung von ca. 1600 bis 2600 EUR vorsehen. Der entsprechende "Tarifvertrag" ist auf der Internetseite der Zentralstelle für Medizinaltarife in Luzern (www.zmt.ch) veröffentlicht und kann zumindest als zusätzliches Argument als allgemeinkundige Tatsache bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Wenngleich es demnach möglich erscheint, dass im Einzelfall auch einmal ein Schwerhöriger zu den hier anwendbaren Festbeträgen ausreichend versorgt werden kann, insbesondere dann, wenn er an einer reinen Schallleitungsschwerhörigkeit leidet, lässt sich doch einwandfrei feststellen, dass innerhalb der Festbeträge im Regelfall eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht möglich ist, sodass eine nähere Definition der Bedeutung des Begriffs "im Allgemeinen", die das BVerfG, a.a.O., Rdz. 145, den (Fach)Gerichten überlässt, im Hinblick auf das festgestellt "umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis" entbehrlich erscheint.

Die Kammer ist der Überzeugung gelangt, dass jedenfalls bei der vorgenommenen statistischen Betrachtung das Ergebnis der beiden vorliegenden Studien den zwingenden Schluss zulässt, dass eine ausreichende Versorgung mit Hörhilfen tatsächlich im Allgemeinen nur gegen erhebliche Eigenbeteiligung möglich war und ist. Zwar mag es im Einzelfall nicht auszuschließen sein, dass ein Versicherter trotz objektiv fehlender Notwendigkeit eine wesentlich teuerere Versorgungsvariante, etwa aus bloßen ästhetischen Erwägungen oder aus reiner Technikbegeisterung heraus wählt. Dass aber weit über 80% der Versorgungsfälle aus derartigen objektiv nicht nachvollziehbaren Erwägungen heraus zu erheblichen Eigenbeteiligungen der Versicherten führen, ist völlig fernliegend.

Der diesbezügliche Einwand des IKK Bundesverbandes, von den Versicherten werde teilweise eine Versorgung gewünscht, die medizinisch nicht indiziert sei, vermag daher ebensowenig zu tragen, wie die Feststellung, die Studien belegten, dass eine zuzahlungsfreie Versorgung in einer signifikant hohen Zahl an Versorgungsfällen unabhängig vom Grad der Schwerhörigkeit zu einer hohen Zufriedenheit bei den Versicherten führe. Zwar ist auch ein Anteil von 12,8% der Befragten (204 von 1596 Befragten der Tabelle auf Seite 174 der Studie), die mit der Hörgeräteversorgung sehr zufrieden bzw. zufrieden waren, ohne eine Zuzahlung geleistet zu haben, als signifikant zu bezeichnen. Den Beleg dafür, dass mit den geltenden Festbeträgen im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist, vermag diese Zahl aber beileibe nicht zu liefern. Zudem sagt die subjektive Zufriedenheit der Befragten, deren Auswahl nicht überprüfbar ist, nichts darüber aus, woher diese Zufriedenheit rührt, ob etwa daher, dass die im Befragungszeitraum getragenen Geräte lediglich besser waren als die noch schlechteren, zuvor getragenen (oder in der Schublade verwahrten) Geräte. Erst Recht lässt diese Angabe keine Aussage dazu zu, ob die jeweilige Versorgung ausreichend in dem o.g. Sinne ist, was zugleich eine Bewertung des Umstands unmöglich macht, dass der Grad der Zufriedenheit offenbar weder maßgeblich vom Grad der Schwerhörigkeit noch von der Höhe des Zuzahlungsbetrages noch von der Bauart der Geräte abhängig ist. Gänzlich unwahrscheinlich erscheint es jedenfalls der Kammer, die bereits eine Vielzahl von Hörgeräte- Versorgungen zu beurteilen hatte, die jeweils das Gegenteil belegten, dass auch die Qualität der Versorgung und das Maß des erzielbaren Hörgewinns von den vorgenannten Faktoren (Schwerhörigkeitsgrad, Preis und Bauart) unabhängig sein sollen.

Auch der Hinweis auf das Verkaufsverhalten der Akustiker und den unzureichenden Wettbewerb im Bereich der Hörhilfenversorgung vermag das gefundene Ergebnis jedenfalls bezogen auf den Leistungsanspruch der Versicherten gegenüber ihrer Krankenkasse nicht zu entkräften. Wenn es den Kassen nicht gelingt, ihre Vertragspartner wirksam dazu zu verpflichten, annähernd jeden Versicherten mit einer jeweils geeigneten und ausreichenden Hörhilfe zu versorgen und nicht lediglich ein zuzahlungsfreies aber unzureichendes Versorgungsangebot (bzw. deren zwei) zu machen, wird der gesetzliche Leistungsanspruch der Versicherten nicht erfüllt. Da nach den Angaben in der WIdO-Studie zudem jedenfalls bei leistungsfähigen modernen Hörgeräten bereits der Einkaufspreis des Akustikers den Festbetrag bei weitem übersteigt, liegt es auf der Hand, dass diese Nichterfüllung der Ansprüche der Versicherten auf der zu geringen Höhe der Festbeträge beruht. Dies gilt letztlich auch für die im Einstandspreis günstigeren Geräte, der in der genannten Studie (Festbetragsgruppe 3) mit 540 bzw. 545 DM angegeben wird. Die dem Akustiker bei Abgabe zum aktuellen Festbetrag verbleibende Marge von etwa 150 EUR mag zwar ausreichen, um bei einfach gelagerten Fällen (Schallleitungsschwerhörigkeiten ohne Besonderheiten) den mehrstündigen Dienstleistungsaufwand abzudecken und zudem einen (kleinen) Gewinn für den Inhaber zu erwirtschaften. Keineswegs wird der Akustiker hierdurch aber in die Lage versetzt, die Vielzahl der schwierigeren Versorgungsfälle gleichsam im Sinne einer Mischkalkulation ausreichend mitzuversorgen und noch immer am Markt existieren zu können.

Insoweit der IKK Bundesverband vorträgt, für einen Vorteil digitaler im Vergleich zu analogen Geräten existiere kein wissenschaftlicher Beleg, vielmehr belegten die vorliegenden Studien, dass gerade hochgradige und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeiten überproportional häufig mit Festbetragsgeräten versorgt würden, vermag auch dies die Feststellungen der Kammer nicht in Frage zu stellen. Zum einen stellen auch die sachverständigen Äußerungen des Herrn Prof. Kießling und des Herrn Prof. Seifert, da aus berufenem Munde, wissenschaftliche Belege, wenn auch niedriger Evidenz (Expertenmeinungen) dar. Zudem besagt der Umstand, dass derart hochgradige Schwerhörigkeiten in der Praxis oftmals mit einfachen "Kassengeräten" versorgt werden, keineswegs, dass hierdurch eine ausreichende Versorgung erzielt wird. Im Gegenteil ist die Vermutung gerechtfertigt, dass in derart schwer zu versorgenden Fällen oftmals hochbetagter Versicherter der Versuch einer den technischen Möglichkeiten nach optimale Versorgung mit Hochleistungsgeräten wegen der zu erwartenden Zuzahlungen in vierstelliger Höhe erst gar nicht unternommen wird und stattdessen preiswerte "Schubladengeräte" abgegeben werden, was die denkbar unwirtschaftlichste Versorgungsvariante darstellt.

Zum anderen ist das Fehlen umfangreicherer Studien von höherer wissenschaftlicher Aussagekraft als der von den Kassenverbänden vorgelegten ganz wesentlich dem Unterlassen der Spitzenverbände der Krankenkassen (bzw. ehemals der Landesverbände) anzulasten. Die den Spitzenverbänden gemäß § 36 Abs 3 i.V.m. § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V obliegende, mindestens jährliche Überprüfung der Festbeträge findet augenscheinlich nicht statt, da anderenfalls auf die alarmierenden Ergebnisse der beiden vorliegenden Studien hin nähere Ermittlungen zum Versorgungsstand im Hörhilfenbereich angestellt und deren Ergebnisse auf die gerichtliche Anfrage hin vorgelegt worden wären.

Schließlich ergibt sich auch aus dem erklärten Ziel der Studien, die Vorteile der einzelnen Versorgungswege (insbesondere des "verkürzten") zu untersuchen, kein für die Wirksamkeit der Festbeträge sprechender Aspekt. Zwar lässt sich in der Tat feststellen, dass der Abgabepreis für Hörgeräte bei Online-Bestellungen regelmäßig deutlich niedriger ausfällt. Zum einen ändert dies aber nichts daran, dass auch diese Versorgungsvariante überwiegend nur gegen Eigenbeteiligung erfolgt. Zum anderen lässt dies völlig außer acht, dass die vom Akustiker zu erbringende, für den erzielten Hörerfolg wesentliche Dienstleistung der Anpassung bei desem Versorgungsweg entfällt, da weder der Versicherte selbst, noch der Online-Händler (mangels Anwesenheit) noch der HNOArzt (mangels entsprechender Ausbildung) die Anpassung vornehmen kann. Erst Recht entfällt die von den Kassenverbänden vertraglich von den Akustikern geforderte vergleichende Anpassung, sodass hier im Regelfall keine qualitativ sinnvolle Alternative aufgezeigt wird. Ausnahmsweise mag eine derartige Direktversorgung sinnvoll sein, wenn bei gleichgebliebenem Hörbefund eine Neuversorgung mit identischem Gerät ansteht.

Auch die in der WIdO-Studie genannte Summe der jährlich von gesetzlich Versicherten für die Hörgeräteversorgung erbrachten Zuzahlungen von ca. 300 Millionen DM bestätigt, dass das Sachleistungsprinzip im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen de facto längst nicht mehr gilt. Das BVerfG betont gerade das Festhalten des Gesetzgebers am Sachleistungsgrundsatz, das erhebliche Eigenanteile als Regelfall gerade ausschließt. Da hier allein die Festbetragsfestsetzung durch die Spitzenverbände zu beurteilen ist, kann letztlich dahinstehen, ob ein Abgehen von diesem Prinzip hin zu einem fixen Zuschuss durch eine vom Gesetzgeber erst zu treffende Entscheidung verfassungsrechtlich überhaupt mit dem Pflichtversicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbar wäre, da dieses System durch seine Beitragslast eine daneben privat finanzierte Zusatzversicherung oder Eigenleistung im Regelfall unmöglich macht (BVerfG vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98). Jedenfalls eine im Ergebnis gleich wirkende Entscheidung durch die Spitzenverbände im Wege einer unzureichenden Festbetragsfestsetzung ist mit höherrangigem Recht, konkret dem Sachleistungsprinzip, § 2 Abs 2 SGB V, und dem gesetzlichen Maßstab für die Festbetragsfestsetzung, § § 36 Abs 3 i.V.m. § 35 Abs 5 Satz 1 SGB V, nicht vereinbar.

Das Gericht kann und muss schließlich auch über die Wirksamkeit der Festbeträge entscheiden, da es hierauf für die Prüfung des Anspruchs der Klägerin ankommt. Soweit das LSG Berlin- Brandenburg, L 4 KR 12/01, vom 28.11.2003, (ähnlich, allerdings mit nur knapper Begründung LSG München vom 25.08.2005 - L 4 KR 150/04) eine inzidente Prüfung der Festbeträge im Leistungsstreit für ausgeschlossen hält, ist dem entgegenzutreten.

Bereits der erste Schritt der Begründung der genannten Entscheidungen, bei der Festsetzung der Festbeträge handele es sich um Allgemeinverfügungen (unter Hinweis auf KassKomm-Hess, § 35 SGB V, Rdz. 15), erscheint trotz der dies bestätigenden Gesetzesmaterialien und der Ausführungen des BVerfG (Urteil vom 17.12.2002, 1 BvL 29/95, Rdz. 138f) jedenfalls im Verhältnis zu den Versicherten zweifelhaft. Der Festbetragsfestsetzung fehlt es nach Auffassung der Kammer insoweit an der für jeden Verwaltungsakt zwingend erforderlichen Einzelfallregelung, sodass sie (im Verhältnis zu den Versicherten) als Akt der Rechtsetzung zu qualifizieren ist, welcher Art (Rechtsverordnung, Richtlinie, Satzungsrecht etc.) kann dahinstehen.

Voraussetzung für die Qualifizierung eines Akts der öffentlichen Gewalt als Allgemeinverfügung ist stets, dass "die getroffene Regelung nicht in der Form eines Rechtssatzes erfolgt", Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 35, Rdz. 102, m.w.N. Erfordert die Anwendung des zu betrachtenden Rechtsaktes zusätzliche eigenständige Prüfungsschritte, handelt es sich nicht um eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung, BSG vom 04.10.1994, 7 KlAr 1/93. Da durch die Festbetragsfestsetzung jedoch, wie die gegenüber der Klägerin ergangenen, sich auf die individuellen Verhältnisse der Klägerin beziehenden, Verwaltungsakte der Beklagten eindrucksvoll bestätigen, die Ansprüche einzelner Versicherter nicht unmittelbar geregelt werden, kann sie insoweit auch nicht als Allgemeinverfügung im Sinne von § 31 Satz 2 SGB X angesehen werden. Etwas anderes mag im Verhältnis zu den Leistungserbringern gelten, die infolge der Festbetragsfestsetzung für jeden Fall der Abgabe einer ärztlich verordneten Hörhilfe regelmäßig einen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse nur in Höhe des Festbetrages erwerben.

Dem steht nicht etwa entgegen, dass der Gesetzgeber für die Festbetragsfestsetzung eine Rechtsschutzmöglichkeit (§ 35 Abs 7 SGB V) vorgesehen hat, da hierdurch zwar eine abstrakte Prüfungsmöglichkeit aufgezeigt wird, ohne dass dies jedoch Einfluss auf die Rechtsqualität der Festbetragsfestsetzung haben kann. Auch diejenigen Rechtsvorschriften, die etwa der abstrakten Normenkontrolle nach § 47 Abs 1 VwGO unterworfen sind, werden hierdurch nicht etwa zum Verwaltungsakt; sie bleiben Rechtsnorm.

Gegen den Charakter der Festbetragsfestsetzung als Allgemeinverfügung spricht ferner, dass der von ihr betroffene Personenkreis, die Adressaten, jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe weder bestimmt noch bestimmbar ist. Der Personenkreis lässt sich weder danach bestimmen, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe gesetzlich krankenversichert ist, noch danach wer als Schwerhöriger zumindest potentiell zum Kreis der durch Hörhilfen zu Versorgenden gehört. Anderenfalls verfehlte die Festbetragsfestsetzung für diejenigen Personen ihren Zweck, die im Bekanntgabezeitpunkt nicht gesetzlich versichert und/oder nicht schwerhörig sind, es aber später werden.

Nach alledem mag der Festbetragsfestsetzung zwar gegenüber den betroffenen Leistungserbringern die Rechtsnatur einer Allgemeinverfügung zukommen, nicht jedoch im Verhältnis zu den im zeitlichen Geltungsbereich betroffenen Versicherten.

Jedenfalls aber der Schluss aus der unterstellten Rechtsnatur der Festbetragsfestsetzung als Allgemeinverfügung darauf, dass ihre Rechtmäßigkeit nicht im Leistungsstreit inzident, sondern ausschließlich im Verfahren gemäß § 36 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 35 Abs. 7 SGB V überprüft werden könnte (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), sodass dem Gericht die im Falle der Einordnung als untergesetzliche Rechtsnorm zustehende Verwerfungskompetenz genommen wäre, verbietet sich vor dem Hintergrund der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs 4 GG bzw. des Gebots des effektiven Rechtsschutzes.

Da die Klage gemäß § 35 Abs 7 SGB V gegen den Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung) Festbetragsfestsetzung als Anfechtungsklage im Sinne von § 78 SGG (BSG vom 24.11.2004, B 3 KR 16/03 R) der einmonatigen Klagefrist des § 87 SGG unterfällt, träte auch dem Versicherten gegenüber mit Ablauf der Frist Bestandskraft ein, ohne dass er dies im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung absehen könnte, ja selbst für den Fall, dass er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gesetzlich krankenversichert (oder schwerhörig) und damit potentiell von der Allgemeinverfügung betroffen wäre, es ihm mithin an der Klagebefugnis fehlte. So nahm vorliegend die Klägerin erste Hörprobleme im Jahr 1997 wahr, als die maßgebliche Festbetragsfestsetzung bereits erfolgt war.

Auch der Rechtsprechung des BVerfG, a.a.O., lässt sich derartiges nicht entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die in § 35 Abs 7 SGB V vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle (in erster Linie den betroffenen Leistungserbringern) lediglich eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet, ohne die Möglichkeit der Inzident-Prüfung im Leistungsstreit zu verschließen. Anderenfalls wäre es nicht nachvollziehbar, dass das BVerfG zwar einerseits ausführt, Verfassungsrecht gebiete es nicht, Festbeträge durch Rechtsverordnung festzusetzen (Rdz. 105 a.a.O.), sich dann aber jeglicher Ausführung zu Fragen des Rechtsschutzes im Einzelfall (Leistungsfall) enthält. Derartige Ausführungen wären aber zu erwarten gewesen, wenn das BVerfG eine derartige Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit auf die Klage nach § 35 Abs 7 SGB V angenommen hätte.

Eine Rechtsvorschrift, die gegen höherrangiges Recht verstößt, ist regelmäßig nichtig, also von Anfang an unwirksam, und deshalb vom Richter bei der Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren unberücksichtigt zu lassen, BSG vom 04.12.2007, B 2 U 36/06 R. Nähme man mit dem LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. an, dass dem Gericht im Leistungsstreit hinsichtlich der Festbetragsfestsetzung keine derartige, für das Rechtsstaatsprinzip wesentliche Verwerfungskompetenz zukäme, ginge dies im Ergebnis mit einem Rechtsmittelausschluss jedenfalls für diejenigen Versicherten einher, die bis zur Bestandskraft der "Allgemeinverfügung" mangels eigener Betroffenheit nicht klagebefugt waren. Eine so weitreichende Schlussfolgerung aus der zitierten Entscheidung des BVerfG zu ziehen, ist weder geboten noch zulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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