L 14 AS 1171/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 6414/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1171/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein in monatlichen Raten als Darlehen gewährter Bildungskredit ist bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2007 aufgehoben. Der Bescheid vom 23. November 2005 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 482,74 Euro für Juli 2005, in Höhe von 601,65 Euro für August 2005 und in Höhe von 624 Euro monatlich für die Monate September und Oktober 2005 zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Der 1979 geborene Kläger bestand am 9. Mai 2005 im Freiversuch die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "befriedigend" (Punktwert: 8,35).

Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 bewilligte das Bundesverwaltungsamt dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 28. Februar 2006 die Inanspruchnahme eines verzinslichen Bildungskredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) i.H.v. monatlich 300,- Euro nebst einer Einmalzahlung zum 1. März 2005 in Höhe von 1.800,- Euro. Einen entsprechenden Kreditvertrag mit der KfW schloss der Kläger im Juni 2005 ab. Die KfW überwies danach dem Kläger Anfang Juni 2005 einmalig 3.000,- Euro und ab Ende Juni 2005 laufend 300,- Euro monatlich.

Am 9. Juni 2005 bescheinigte das Studentenwerk Berlin dem Kläger, dass ihm Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) dem Grunde nach nicht zustünden, da die Voraussetzungen für eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG nicht vorlägen ("erstes Staatsexamen bereits abgeschlossen").

Die Mutter des Klägers, der bis Juni 2005 Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich gewährt wurde, zahlte ihm bis einschließlich Juni 2005 Unterhalt i.H.v. 350,- Euro monatlich.

Zum 6. Juli 2005 wurde der Kläger von der von ihm bis dahin besuchten Universität exmatrikuliert. Unabhängig davon bereitete er sich auf die Wiederholung der Staatsprüfung zur Notenverbesserung (§ 14 der Berliner Juristenausbildungsordnung [JAO] vom 4. August 2003 [GVBl. S. 298]) vor, die er nach eigenen Angaben im März 2006 mit einer geringfügigen Erhöhung des Punktwertes abschloss. Die Exmatrikulation teilte er weder dem Bundesverwaltungsamt noch der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit.

Für Unterkunft und Heizung wendete der Kläger bis zum 31. August 2005 246,- Euro monatlich und ab dem 16. August 2005 (nach Umzug) 296,- Euro monatlich auf.

Nachdem die Beklagte den vom Kläger am 10. Juni 2005 gestellten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zunächst mit Bescheid vom 21. Juni 2005 abgelehnt hatte, da er Auszubildender und seine Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig sei, bewilligte sie ihm mit Bescheid vom 4. Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 7. Juli 2005 bis 31. Juli 2005 i.H.v. 129,41 Euro und i.H.v. 155,30 Euro monatlich für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2005.

Mit seinem am 14. Juli 2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch rügte der Kläger die Berücksichtigung von Kindergeld i.H.v. 154,- Euro sowie des Bildungskredites i.H.v. 300,- Euro monatlich.

Mit Änderungsbescheid vom 25. Juli 2005 bewilligte die Beklagte nunmehr Leistungen für die Zeit vom 1. bis 31. Juli i.H.v. 257,74 Euro sowie für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2005 i.H.v. 309,30 Euro monatlich; Kindergeld berücksichtigte sie nicht mehr als Einkommen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2005 zurück. Der dem Kläger gewährte Bildungskredit i.H.v. 300,- Euro monatlich sei – abzgl. einer Versicherungspauschale i.H.v. 30,- Euro – als Einkommen zu berücksichtigen.

Mit seiner am 31. August 2005 erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiterhin gegen die Berücksichtigung des ihm laufend ausgezahlten Bildungskredites als Einkommen. Darlehensweise erbrachte Leistungen seien nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts wie auch des Bundessozialgerichts nicht als Einkommen anzurechnen. Jedenfalls seien diese Leistungen zweckgebunden und daher gemäß § 11 Abs. 3 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) nicht anzurechen. Diese Leistungen dienten dazu, höhere Aufwendungen zur Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung zu bestreiten.

Nach einem Umzug des Klägers hat die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2005 Leistungen für die Zeit vom 1. bis 31. Juli 2005 i.H.v. 257,74 Euro (davon 62,50 Euro als Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II), für August 2005 i.H.v. 331,65 Euro sowie für die Monate September und Oktober 2005 i.H.v. 354,- Euro monatlich (davon jeweils 75 Euro als Regelleistung nach § 20 SGB II) bewilligt. "Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen (würden) insoweit aufgehoben." Ferner hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. Januar 2005 eine "anteilige Miete" für den Zeitraum vom 16. bis 31. August 2005 i.H.v. 139,50 Euro bewilligt.

Das Sozialgericht hat die – nach teilweiser Klagerücknahme – zuletzt auf die Gewährung höherer Leistungen für die Monate Juli bis Oktober 2005 gerichtete Klage durch Urteil vom 4. Mai 2007 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Ihm stünden keine Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches zu. Er sei vom Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Ungeachtet der Exmatrikulation sei der Kläger einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung nachgegangen. Mit dem Zweck des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II, eine Ausbildungsförderung auf "zweiter Ebene" zu verhindern, stünde es nicht in Einklang, Betroffenen, die sich – wie der Kläger – tatsächlich in Ausbildung befänden, den Weg zu einem Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches dadurch zu öffnen, dass sie sich exmatrikulierten. Auf diese Weise würde die Entscheidung des Gesetzgebers des Bundesausbildungsförderungsgesetzes konterkariert, dass die Zeiten der Vorbereitung auf einen Verbesserungsversuch nach dem sogenannten "Freiversuch" im ersten juristischen Staatsexamen nicht förderungsfähig seien. Wenn der Kläger mit der ablehnenden Entscheidung des Studentenwerks nicht einverstanden gewesen wäre, hätte er Rechtsmittel dagegen einlegen können. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass er seinerzeit versucht habe, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften, insbesondere durch den Einsatz seiner Arbeitskraft zu bestreiten. Es sei nicht erkennbar, dass er sich damals vergeblich um Arbeit bemüht hätte. Danach könne offen bleiben, ob es sich bei den Mitteln aus dem Bildungskredit um Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II handele und ob und in welcher Höhe diese hätten angerechnet werden dürfen.

Gegen das ihm am 6. Juni 2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 5. Juli 2007 eingelegten Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er meint, dass er kein Auszubildender gewesen sei, da er exmatrikuliert worden sei und danach keine Ausbildungsstätte im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mehr besucht habe. Eine Immatrikulation sei für die Ablegung der Wiederholungsprüfung auch nicht erforderlich gewesen. Die Höhe der ihm für Unterkunft und Heizung gewährten Leistungen beanstandet er nicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2007 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juli 2005 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 sowie in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Juli 2005 in Höhe von 482,74 Euro, für August 2005 in Höhe von 601,65 Euro und für die Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2005 i.H.v. 624,- Euro monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) und auch im Übrigen zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich die zuletzt in dem Änderungsbescheid vom 23. November 2005 festgesetzte Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II; diese Festsetzung (Regelung, Verfügungssatz) ist nach § 96 SGG Gegenstand des zu dieser Zeit beim Sozialgericht anhängigen Klageverfahrens geworden. Über die Höhe der (vom kommunalen Träger erbrachten) Leistungen für Unterkunft und Heizung streiten die Beteiligten nicht (was der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat). Darauf wirkt sich die (Nicht-)Berücksichtigung des Bildungskredits als Einkommen ohnehin nicht aus, da das ggf. zu berücksichtigende Einkommen zunächst die von der Agentur für Arbeit zu tragenden Geldleistungen mindert (§ 19 Satz 3 SGB II). Der Streitgegenstand ist insoweit auch abtrennbar (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1).

Dem Kläger ist die Regelleistung für den im (Änderungs-)Bescheid vom 23. November 2005 geregelten Zeitraum in der in § 22 Abs. 2 SGB II vorgesehenen Höhe ungekürzt zu gewähren. Ihm stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Einkommen zu.

Er war leistungsberechtigt, da er 15. Lebensjahr und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, erwerbsfähig war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Er war auch hilfebedürftig (§7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 9 SGB II), denn er konnte seinen Lebensunterhalt nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern. Über zu berücksichtigendes Vermögen (§ 12 SGB II) verfügte er nicht. Die ihm von der KfW gewährte Einmalzahlung überstieg jedenfalls nicht die Höhe des abzusetzenden Freibetrags nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, so dass offen bleiben kann, ob dieses Geld als Vermögen (oder als Einkommen) anzusehen wäre. Hinweise auf (anderes) Vermögen liegen nicht vor.

Der Kläger erzielte auch kein zu berücksichtigendes Einkommen. Unterhalt leistete seine Mutter (der auch kein Kindergeld mehr gewährt wurde) ab Juli 2005 nicht mehr. Seine frühere Beschäftigung hatte er im Mai 2005 aufgegeben; das Arbeitsentgelt für Mai 2005 wurde ihm am 10. Juni 2005 überwiesen. Als Einkommen könnten danach allein die monatlichen Ratenzahlungen aus dem vom Kläger in Anspruch genommenen Bildungskredit zu berücksichtigen sein.

Es ist indes bereits zweifelhaft, ob der in monatlichen Raten von 300,- Euro ausgezahlte Bildungskredit überhaupt "Einkommen" i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II ist. Das Bundessozialgericht hat – im Anschluss an das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 25. Mai 1984 – 8 C 96/82 und 8 C 107/82 –) – zur Arbeitslosenhilfe entschieden, dass als Darlehen gewährtes Unterhaltsgeld kein die Bedürftigkeit ausschließendes oder verringerndes Einkommen sei (Urteil vom 13. Juni 1985 – 7 RAr 27/84 –, BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr. 11). Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei, stelle nur eine vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung dar, die ungeachtet des Umstandes, dass sie in Form von tatsächlichen Zahlungen in die Hand des Darlehensnehmers gelange, nicht Mittel des eigenen Vermögens würden, weil sie von vornherein mit der Pflicht zur Rückgewähr belastet seien. Solche Zahlungen seien "einkommensneutral". Es kann offen bleiben, ob dem für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu folgen ist (so Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Aufl. [2008], § 11 Rdnr. 29 jedenfalls "bei [unmittelbar bevorstehender] Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs"). Freilich erscheint eine Fortführung oder -entwicklung dieser Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass durch die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht (mehr – wie durch die Arbeitslosenhilfe –) ein bestimmter Lebensstandard erhalten, sondern nur das (sozio-kulturelle) Existenzminimum gesichert werden soll ("Grundsicherung"), jedenfalls für darlehensweise gewährte Leistungen, die – wie der dem Kläger zur Verfügung gestellte Bildungskredit – in der Erwartung erbracht werden, dass der Empfänger dadurch in die Lage versetzt wird, eine (höhere) berufliche Qualifikation zu erwerben und danach eine entsprechende Beschäftigung oder Tätigkeit aufzunehmen, und die erst nach geraumer Zeit zurückzuzahlen sind, nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. zur Berücksichtigung darlehensweiser gewährter Leistungen als Einkommen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 6 N 51.05 –).

Selbst wenn die Raten des Bildungskredits als Einkommen anzusehen wären, wären sie nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Denn sie sind jedenfalls "zweckbestimmte Einnahmen", die "einem anderen Zweck als die Leistungen nach (dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs) dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen (nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs) nicht gerechtfertigt wären". Der Bildungskredit dient nach § 1 der maßgeblichen Förderbestimmungen (www.bva.bund.de) bei nicht nach dem Bundesausbildungsgesetz geförderten Auszubildenden "der Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung", wogegen die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs der Sicherung des Lebensunterhalts dienen (§ 19 SGB II). Der Bildungskredit unterscheidet sich insoweit von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die der Ausbildung und gleichzeitig – ebenso wie die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs – der Sicherung des Lebensunterhalts und damit – jedenfalls teilweise – demselben Zweck dienen (§§ 1 und 11 Abs. 1 BAföG). Folgerichtig kann ein Bildungskredit auch neben Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und unabhängig von Bedürftigkeit in Anspruch genommen werden (vgl. zur Berücksichtigung von Bildungskrediten als Einkommen bei der Gewährung von Jugendhilfe nach § 90 Abs. 3 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs Niedersächs. OVG, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 4 LC 85/07 –).

Die monatlichen Raten in Höhe von 300,-Euro beeinflussen die Lage des Klägers auch nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs nicht gerechtfertigt wären. Der Bildungskredit wurde dem Kläger gerade gewährt, um den ausbildungsbedingten Bedarf, für den die Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs nicht bestimmt sind, decken zu können. Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn der Kredit als Einkommen berücksichtigt würde und der hilfebedürftige Kläger ihn zur Sicherung des Lebensunterhalts (insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben) verwenden müsste.

Der Kläger war auch nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen, wonach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf diese Leistungen haben. Einer "dem Grunde nach förderungsfähigen" Ausbildung ist der Kläger im hier fraglichen Zeitraum – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – nicht nachgegangen. Das Sozialgericht hat selbst zutreffend erkannt, dass die Zeit der Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung zur Notenverbesserung nach dem "Freiversuch" im ersten juristischen Staatsexamen nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig ist. Nach diesem Gesetz werden Leistungen für eine "Ausbildung" gewährt (vgl. § 4 BAföG). Die "Ausbildung" endet nach § 15b Abs. 3 Satz 1 BAföG mit dem Bestehen der Abschlussprüfung des Ausbildungsabschnitts. Den Ausbildungsabschnitt "Studium" hat der Kläger mit dem Bestehen der ersten juristischen Staatsprüfung am 9. Mai 2005 beendet. Dadurch hat er eine Qualifikation erlangt, die ihm die Aufnahme eines diese Ausbildung voraussetzenden Berufs (bspw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter) ermöglicht. Dem entspricht auch die Bescheinigung (nicht: "Bescheid") des Studentenwerks Berlin.

Dem steht nicht entgegen, dass Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (weiter) zu gewähren ist, wenn die Prüfung (nach der "Freiversuchsregelung") nicht bestanden wird (VG Hamburg, Beschluss vom 27. April 2006 – 8 E 1085/06 –); denn durch eine nicht bestandene Abschlussprüfung wird die Ausbildung zumindest dann gerade nicht beendet, wenn eine Wiederholung der Prüfung zulässig ist und der Auszubildende sich darauf vorbereitet. Gleichfalls spricht dagegen nicht, dass immatrikulierte Studenten, die sich auf eine Wiederholungsprüfung zur Notenverbesserung vorbereiten, beitragsrechtlich das "Werkstudenten-Privileg" in Anspruch nehmen können (BSG, Urteil vom 11. November 2003 – B 12 KR 26/03 R –). Die Beitragsfreiheit oder -pflicht der Beschäftigung eines Studenten knüpft nicht an die (grundsätzliche) Förderungsfähigkeit der Ausbildung an (oder umgekehrt), sondern beurteilt sich nach anderen Merkmalen. So kann etwa ein Student, der in größerem Umfang eine Beschäftigung ausübt und demgemäß das Erscheinungsbild eines Arbeitnehmers bietet (so dass Beitragspflicht besteht), gleichwohl einer "dem Grunde nach förderungsfähigen" Ausbildung nachgehen und unter Umständen auch Ausbildungsförderung (unter Berücksichtigung des durch die Beschäftigung erzielten Einkommens) erhalten.

Der Kläger hat demgemäß Anspruch auf Leistungen ohne die Anrechnung des von der Beklagten berücksichtigten Einkommens von monatlich 270 Euro, mithin für die Monate August bis Oktober 2005 in beantragter Höhe. Ob ihm für Juli 2005 – insbesondere im Hinblick darauf, dass ihm die Beklagte in dem (Änderungs-)Bescheid vom 23. November 2005 Leistungen (möglicherweise) bereits ab dem 1. Juli 2005 bewilligt hat – höhere Leistungen als von ihm ausdrücklich beantragt zustehen, ist nicht näher zu prüfen (§ 308 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 202 SGG).

Die auf § 193 Abs. 1 SGG beruhende Entscheidung über die Kostenerstattung berücksichtigt, dass die Berufung des Klägers Erfolg hat.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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