L 1 U 1089/06

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 5 U 1807/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1089/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Unterscheidung von Gewissheit, an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, hinreichender Wahrscheinlichkeit, Glaubhaftmachung und (bloßer) Möglichkeit, insbesondere zur Abgrenzung von hinreichender Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftmachung.

2. Zur Anwendung des § 200 Abs. 2 SGB VII im sozialgerichtlichen Verfahren (Anschluss an BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R).

3. Die Ausführungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen können durch die beratungsärztliche Stellungnahme eines Versicherungsträgers erschüttert werden. Einem Gerichtsgutachten ist daher nicht schon allein deshalb zu folgen, weil dem dagegen gerichteten Beteiligtenvortrag formell kein Beweiswert zukommt.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. Oktober 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung von Folgen eines Unfalls und deren Entschädigung.

Der 1962 geborene Kläger ist als Belader eines Müllfahrzeuges bei einem städtischen Unternehmen beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Hausmülltonnen an das Müllfahrzeug heranzuführen, zu entleeren und sodann wieder an ihren Standplatz zu verbringen; die Hausmülltonnen sind vielfach in sogenannten Hausmüllboxen untergestellt.

Am 5. April 2001 geriet der Kläger beim Passieren des schmalen Eingangsbereichs einer Hausmüllbox mit seiner rechten Hand zwischen Müllbehälter und Müllboxwand. Der Kläger, der bei diesem Vorgang Arbeitshandschuhe trug, arbeitete an diesem und an den nachfolgenden Tagen weiter, ohne bei einem Arzt vorstellig zu werden. Am Tag des Geschehens trug der Kläger in das Unfallbuch seines Arbeitgebers folgende Anzeige ein: "Am 5.4.01 zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr quetschte ich mir beim Zurückstellen des HM-Kübels die rechte Hand."

Auf Grund von belastungsabhängigen Beschwerden im Bereich der rechten Hand wurde der Kläger am 12. Februar 2002 erstmals bei einem Arzt vorstellig. Nach röntgenologischer Untersuchung diagnostizierte Dipl.-Med. K. in seinem H-Arztbericht multiple Exostosen im Bereich des Grundgelenks des Mittelfingers nach einer Grundgelenksfraktur. Erst durch diesen H-Arztbericht erhielt die Beklagte Kenntnis vom Geschehen am 5. April 2001.

Im Folgenden wurde der Kläger im Universitätsklinikum J. mehrfach an der Hand operiert; im Zwischenbericht der Klinik vom November 2002 wurde angenommen, dass es sich bei den Beschwerden des Klägers um Folgeschäden aus der Verletzung vom April 2001 handele. Denn eine solch schwere Fingergrundgelenksarthrose sei ohne einwirkende Traumatisierung unwahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2003 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 5. April 2001 als Arbeitsunfall an, verneinte indessen einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass eine Verletzung des Grundgelenks des Mittelfingers nicht zeitnah durch einen ärztlichen Befund gesichert worden sei, so dass es nicht möglich sei, die posttraumatische Gelenksarthrose auf das Unfallereignis vom 5. April 2001 zurückzuführen.

Im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens hat die Beklagte ein handchirurgisches Zusammenhangsgutachten des Dr. med. L. eingeholt. Der Mediziner, der den Kläger im Dezember 2003 untersuchte, diagnostizierte eine schwere posttraumatische Arthrose im Grundgelenk des rechten Mittelfingers mit starker schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Instabilität. Er kam zu dem Schluss, dass diese Gesundheitsschäden Folge des Unfallereignisses vom 5. April 2001 seien. Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme ein. In dieser traf Dr. Lu. die Einschätzung, dass der Gesundheitsschaden des Klägers nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 5. April 2001 angesehen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage vor dem Sozialgericht Altenburg hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Grundgelenksfraktur des rechten Mittelfingers, dessen dadurch verursachte gestörte Funktion sowie die multiplen posttraumatischen Exostosen seien Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. April 2001. Dies werde überzeugend vom behandelnden Arzt Dipl.-Med. K. herausgestellt; die große Zeitspanne zwischen Arbeitsunfall und der Vorstellung beim Arzt habe Dipl.-Med. K. in seinem Bericht dokumentiert. Die zeitliche Spanne zwischen dem Arbeitsunfall und dem Auftreten der Beschwerden sei aber nicht geeignet, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Erkrankung in Zweifel zu ziehen, sondern bestätige diesen eher.

Im Rahmen der medizinischen Sachaufklärung hat das Sozialgericht zunächst Befundberichte des Dipl.-Med. K., des Dr. O. sowie der Dr. S. eingeholt; zudem hat das Gericht das Vorerkrankungsregister des Klägers bei dessen Krankenkasse angefordert. Im Weiteren hat das Sozialgericht ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige Dr. Sp., der den Kläger im September 2005 untersuchte, hat – soweit für den Streitfall von Interesse – eine schwere Arthrose im Grundgelenk des 3. Fingers rechts mit Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand diagnostizierte. Er hat ausgeführt, dass für die schwere Arthrose der Arbeitsunfall vom 5. April 2001 die "wahrscheinlichste Ursache" sei. Zur Begründung hat Dr. Sp. darauf verwiesen, dass die von Dr. K. im Februar 2002 angefertigten Röntgenbilder im gelenknahen Bereich der Basis der Grundphalanx des 3. Fingers ein knöchernes Fragment, welches nicht anatomisch festangebaut sei, dokumentierten. Vom röntgenologischen Erscheinungsbild her handele es sich hierbei nicht um ein degeneratives Geschehen, da Osteophyten in aller Regel eine andere Form aufwiesen und zudem in diesem Bereich nahezu immer in Verlängerung der Gelenklinie am Knochen ausgebildet werden. Auch sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit noch die Anheilungszone des Fragments nachweisbar. Die übrigen Gelenke beider Hände zeigten zudem im Röntgenbild keinerlei Anhaltspunkte für vorzeitige Verschleißerscheinungen. Der Sachverständige hat zudem ausgeführt, dass - auf der Grundlage der für glaubhaft erachteten Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger – eine isolierte Verletzung des Grundgelenks bei einer Quetschung durchaus möglich sei, weil die Region des Grundgelenks des 3. Fingers die dickste Stelle darstelle. Die Beklagte ist den Feststellungen im Gutachten des Dr. Sp. mit den Gründen der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 10. Februar 2006 entgegen getreten. Der Beratungsfacharzt Dr. med. K. hat hierbei die Ansicht vertreten, dass keine Gewalteinwirkung auf den rechten Handrücken vorstellbar sei, der in der Tiefe das Mittelfingergelenk schwer verletze, indessen die darüber liegende Strecksehne unbeschädigt lasse. Sowohl Dr. Sp. als auch Dr. K. haben im weiteren Gang des Gerichtsverfahrens ergänzend und mit verschärften Formulierungen zu ihren Einschätzungen Stellung genommen.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2006 stattgegeben und die Arthrose des Grundgelenks als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt. Zur Begründung hat das Sozialgericht darauf verwiesen, dass nach den Feststellungen des Dr. Sp. der Gesundheitsschaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Unfallereignis vom 5. April 2001 zurückzuführen sei. Insbesondere sei der dokumentierte Unfallhergang ein geeigneter Unfallmechanismus; auch das Abklingen der Schmerzen sei, sofern an falscher Stelle wieder anheilend, typisch für eine knöcherne Absprengung im Grundgelenk.

Die Beklagte hat am 27. November 2006 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Rechtsansicht, dass im angegriffenen Urteil das Sozialgericht die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweis- und Kausalitätsmaßstäbe nicht richtig angewandt habe. Denn zu Unrecht habe das erstinstanzliche Gericht im Streitfall eine haftungsausfüllende Kausalität bejaht. Zwar sei es insoweit ausreichend, wenn der Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Gesundheitsschaden hinreichend wahrscheinlich sei – die bloße Möglichkeit hingegen reiche nicht aus. Nach diesen Maßstäben könne eine sekundäre Gesundheitsstörung – hier die Arthrose – nur dann durch eine sich aus einem Arbeitsunfall ergebende primäre Gesundheitsstörung als verursacht angesehen werden, wenn die primäre Gesundheitsstörung als Tatsache im Vollbeweis gesichert sei. Ebendies aber sei vorliegend nicht der Fall. Denn Verletzungen, die zu Knochenabsprengungen führten, seien durch einen blutigen Gelenkserguss, die Zerstörung der Gelenksintegrität und in deren Folge mit einer stark schmerzhaften Funktionsstörung verbunden. Diese Schmerzen aber stünden der Fortsetzung einer schweren körperlichen Tätigkeit - wie der des Klägers – entgegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. Oktober 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der Berufung mit den Gründen des angegriffenen Urteils und unter Bezugnahme auf die gutachterlichen Feststellungen der Dres. P. und Sp. entgegen.

Der Senat hat zunächst den Mediziner Dr. M. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom Juli 2007 aus, dass das festgestellte Schadensbild die Folge einer Verletzung mit einer knöchernen Aussprengung an der Basis des Grundgliedes des dritten Fingers sei. Der Sachverständige stellt aber auch fest, dass mit dem in Rede stehenden Schadensmechanismus – hier das Einklemmen der rechten Hand zwischen Müllbehälter und Müllbox – das vorgefundene Schadensbild nicht erklärlich sei. Denn aus diesem Unfallmechanismus sei eine isolierte Einwirkung auf das Mittelfingergrundgelenk nicht ableitbar; die Greifhaltung der Hand, die Daumen nach oben zeigend, schlössen ein Überstrecken des 3. Fingers in seinem Grundgelenk aus. Auch der nicht verletzungskonforme weitere Verlauf spreche gegen ein schädigendes Ereignis im April 2001. Denn der Kläger habe zu dem in Rede stehenden Unfallgeschehen lediglich von einer Schwellung berichtet. Bei einer knöchernen Verletzung sei hingegen mit einer ausgiebigen Einblutung in das Gelenk zu rechnen; über einen Bluterguss aber habe der Kläger nicht berichtet. Zudem spreche die ununterbrochene weitere Verrichtung der körperlich schweren Tätigkeit gegen einen Verletzungsschaden am 5. April 2001. - Abschließend hat der Sachverständige auf das fortgeschrittene Stadium der Arthrose verwiesen und in diesem Zusammenhang herausgestellt, dass die Ursachen für den vollständigen Schwund des Knorpelmaterials und die deutliche Ausprägung der arthrosebedingten Knochenrandzacken in einem Ereignis deutlich vor dem April 2001 zu suchen seien.

Der Kläger ist den Feststellungen im Gutachten des Dr. med. M. entgegengetreten; das Gericht hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt. Darauf wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Zur anberaumten mündlichen Verhandlung sind die Beteiligten nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden, weil die Beteiligten auf diese Verfahrensweise in der Ladung hingewiesen worden waren (vgl. § 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des am 5. April 2001 erlittenen Arbeitsunfalls. Das Urteil des Sozialgerichts vom 27. Oktober 2006 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Das Vorliegen eines Versicherungsfalls ist hier nicht streitig: Der Kläger hat einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten; der Arbeitsunfall wurde mit Bescheid vom 13. Juni 2003 anerkannt. Darin wurde als Erstschaden aber lediglich eine "Verletzung der rechten Hand" festgestellt; eine "Verletzung des Grundgelenkes des Mittelfingers" sei zeitnah durch einen ärztlichen Befund nicht gesichert worden.

Für die Anerkennung von Unfallfolgen (im Sinne von bleibenden Sekundärschäden) und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist jedoch weiter erforderlich, dass zwischen dem Erstschaden und der nunmehr geltend gemachten Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht (haftungsausfüllende Kausalität).

Die unterschiedlichen Auffassungen der Gutachter und Sachverständigen, der Prozessbeteiligten und des Sozialgerichts Altenburg zum Ursachenzusammenhang geben im vorliegenden Rechtsstreit Anlass zu folgenden grundsätzlichen Vorüberlegungen: Für die Feststellung von anspruchsbegründenden Tatsachen und ursächlichen Zusammenhängen unterscheidet die gesetzliche Unfallversicherung verschiedene Wahrscheinlichkeitsgrade, die sich nach ihrer Überzeugungskraft in folgende Reihenfolge ordnen lassen: 1. (absolute) Gewissheit, 2. an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, 3. (so genannte hinreichende) Wahrscheinlichkeit, 4. Glaubhaftmachung und 5. (bloße) Möglichkeit.

Die bloße Möglichkeit reicht im Rechtsverkehr nie aus, um einen Anspruch zu begründen; Tatsachen können durch sie nicht bewiesen werden.

Für die Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs.1 der Zivilprozessordnung (ZPO), der über § 202 SGG im Sozialrecht anwendbar ist, genügt nach einer häufig verwendeten Formel, dass die für eine Tatsache sprechenden Gründe die dagegen sprechenden überwiegen (so BGH, Urteil vom 11. September 2003, Az.: IX ZB 37/03). Allerdings wird auch im Zivilrecht gefordert, dass nicht schon dann, wenn nur ein Quäntchen mehr für als gegen die Richtigkeit der Behauptung spricht, die mit ihr begehrte Entscheidung zu treffen ist; vielmehr müsse ein den konkreten Umständen angepasstes Maß an Glaubhaftigkeit vorliegen (vgl. Greger, in Zöller, ZPO, 27. Aufl. Rdnr. 6 zu § 294). Der Maßstab der Glaubhaftmachung gilt nur, wenn er ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist; für die gesetzliche Unfallversicherung ist er nur selten von Bedeutung. Einig ist man sich darüber, dass an diesen "mildesten Beweismaßstab" jedenfalls geringere Anforderungen zu stellen sind als an die (zur Verdeutlichung so genannte hinreichende) Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001, Az.: B 9 V 23/01 B). Gewisse Zweifel dürfen bei der Glaubhaftmachung bleiben.

Auch bei der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit wird allerdings formelhaft davon gesprochen, dass die dafür sprechenden Umstände die dagegen sprechenden "überwiegen" müssen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad wird im Sozialrecht nur dann als ausreichend angesehen, wenn es um Fragen des Ursachenzusammenhangs geht, bei denen ein streng naturwissenschaftlicher Vollbeweis (dazu weiter unten) kaum geführt werden kann. Dies gilt insbesondere für den medizinischen Bereich, wenn zu klären ist, ob nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsstörung und dem schädigenden Ereignis bejaht werden kann. Da insofern aber der wegen offenkundiger Beweisschwierigkeiten häufig nicht zu führende Vollbeweis durch geringere Beweisanforderungen ersetzt wird, hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Formel von den "überwiegenden Umständen" regelmäßig durch Zusätze ergänzt, die deutlich machen, dass es sich hierbei um einen strengeren Beweismaßstab als bei der Glaubhaftmachung handelt. So wird für den Bereich der Unfallversicherung davon gesprochen, dass "bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden" (so beispielsweise BSG, Urteil vom 7. September 2004, Az.: B 2 U 34/03). Anderenorts wird auf den Zusatz "dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann" verzichtet und nur gefordert, dass "mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden" (so BSG, Urteil vom 9. September 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Schließlich wird der erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad unter Verzicht auf die Formulierung über das Ausscheiden "ernster Zweifel" so umschrieben, dass "der Möglichkeit einer beruflichen Verursachung nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber den anderen in Frage kommenden Möglichkeiten ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann" (so BSG, Urteil vom 21. März 2003, Az.: B 2 U 19/05). Der erkennende Senat geht davon aus, dass mit allen Formulierungen stets dasselbe gemeint ist, nämlich ein dem Vollbeweis angenäherter Beweisgrad, der jedenfalls deutlich über die Glaubhaftmachung hinausgeht. - Für den Bereich der sozialen Entschädigung hat der dafür zuständige Senat des BSG die Abgrenzung zwischen Glaubhaftmachung und hinreichender Wahrscheinlichkeit darin gesehen, dass bei der Glaubhaftmachung gewisse Zweifel bestehen bleiben können, bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit jedoch "absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache" spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Beschluss vom 8. August 2001, Az.: B 9 V 23/01 B).

Grundsätzlich muss sich ein Gericht vom Vorliegen oder Nichtvorliegen geltend gemachter Tatsachen die volle Überzeugung schaffen (so genannter Vollbeweis). Diese Überzeugung liegt jedenfalls bei absoluter Gewissheit vor, weil dabei jeglicher Zweifel ausscheidet. Da dieser Beweisgrad für ein Gericht in der täglichen Praxis für die große Mehrzahl geltend gemachter Tatsachen aber kaum jemals zu erreichen ist, reicht für den Vollbeweis auch eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (so die allgemeine Meinung).

In der Unfallversicherung müssen die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis, der so genannte Erstschaden und die geltend gemachte Unfallfolge (Sekundärschaden) im Sinne des Vollbeweises, also mit Gewissheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, eine so genannte hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht.

Für den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich aus den dargelegten Grundsätzen: Nach Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch Bescheid vom 13. Juni 2003 sind eine versicherte Tätigkeit und das Vorliegen eines Arbeitsunfalles vom Senat nicht mehr zu prüfen. Auch steht als heutige Gesundheitsstörung die Arthrose des Klägers am Mittelfingergrundgelenk der rechten Hand fest. Bei einer Gelenkarthrose handelt es sich um eine degenerative Gelenkerkrankung. Übereinstimmend haben die behandelnden und begutachtenden Ärzte aufgrund der geschilderten und für diese Krankheit typischen Beschwerdesymptomatik (Belastungsschmerzen und Fehlstellungen) und der erhobenen Befunde (unter anderem röntgenologischer Befund einer Gelenkspaltverschmälerung) diese Diagnose gestellt. Es ist jedoch offen, welcher Erstschaden am Unfalltag an der Hand des Klägers eingetreten ist, insbesondere ob es bei dem als "Quetschung" bezeichneten Unfallmechanismus zu einer knöchernen Absprengung des Grundgelenkes des 3. Fingers rechts gekommen ist. Insofern fehlt es schon an dem erforderlichen Vollbeweis. Davon ausgehend ist es nach dem Ergebnis der umfänglichen medizinischen Ermittlungen auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass zwischen dem (unklaren) Erstschaden vom 5. April 2001 und der Gelenkarthrose des Klägers ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Zu dieser Überzeugung ist der Senat auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens von Dr. M. vom 11. Juli 2007 nebst dessen ergänzender Stellungnahme vom 13. Oktober 2007 gelangt.

Der Senat hat keine ernsten Zweifel, dass es sich bei der heute bestehenden Arthrose des Mittelfingergrundgelenks um die Folge einer Verletzung mit einer knöchernen Aussprengung an der Basis des Grundgliedes des 3. Fingers rechts handelt. In überzeugender und nachvollziehbarer Weise hat der Sachverständige Dr. M. insoweit dargelegt, dass bereits die von Dipl.-Med. K. im Februar 2002 angefertigten Röntgenbilder eine Versetzung des Gelenkpartners des Mittelfingergrundgliedes gegenüber dem Mittelhandköpfchen belegen. Das Gelenk steht in einer Teilverrenkungsstellung. Diese Versetzung belegt, dass es sich hierbei nicht um eine arthrosebedingte Knochenrandzacke handelt, sondern dass insoweit eine knöcherne Aussprengung speichenseitig gegeben ist. Das Schadensbild ist damit die Folge einer Verletzung mit einer knöchernen Aussprengung der Basis des Grundgliedes des 3. Fingers.

Jedoch erscheint der Unfallhergang, wie er vom Kläger geschildert wird, nicht geeignet, eine Verletzung des Mittelfingergrundgelenks zu verursachen. Der Kläger hat das angeschuldigte Unfallgeschehen stets so geschildert, dass er sich die rechte Hand beim Hineinschieben des Hausmüllcontainers am Handrücken verletzte. Dr. M. hat aber nachvollziehbar dargelegt, dass ein Schaden der vorliegenden Art am Mittelfingergrundgelenk lediglich infolge eines Aufstauchens des Mittelfingers mit gleichzeitiger Überstreckung im Grundgelenk auftreten kann. Die Hand des Klägers lag indessen nach dessen eigenen Schilderungen flächig am Müllbehälter an; der Daumen war nach oben gerichtet. Diese Greifhaltung aber schließt ein Überstrecken eines einzelnen Fingers aus.

Auch das vom Kläger geschilderte Schmerzensbild und der Verlauf der Verletzung sprechen gegen eine Verursachung durch den Arbeitsunfall vom April 2001. Der Kläger hat seine Arbeit am 5. April 2001 nach dem Unfallgeschehen nicht unmittelbar beendet, sondern hat die verbleibende Schichtarbeit geleistet. Erst nach Dienstschluss hat er den Unfall ins Unfallbuch des Arbeitgebers eingetragen. Auch an den nachfolgenden Tagen hat er seinen Dienst versehen; eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat er nicht eingeholt. Der Kläger hat die rechte Hand gekühlt und bandagiert. Mit seiner Handverletzung wurde er bis zum Februar 2002 nicht bei einem Arzt vorstellig. Im November 2002 gab er an, dass er die Verletzung im April 2001 als gering erachtet habe. Im Erörterungstermin im August 2008 gab er an, dass er die Hand rund ein bis zwei Monate nach dem Unfall weiter gekühlt und bandagiert hat; die Hand habe nicht beständig geschmerzt. In der Gesamtschau dessen kommt der Senat zu der Einschätzung, dass auch der Verlauf des Schmerz- und Heilungsprozesses gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Denn auch wenn der Senat eine große Schmerzresistenz des Klägers und dessen Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes in den Blick nimmt, so erscheint es doch als zweifelhaft, wie er nach einer (hier unterstellten) knöchernen Verletzung im Fingergrundgelenk weiter seinen körperlich fordernden Dienst versehen konnte.

Schließlich spricht auch der zeitliche Ablauf des Geschehens – Unfall im April 2001 und gesicherte Arthrose im Februar 2002 – gegen einen Ursachenzusammenhang. Denn unter Zugrundelegung der Röntgenbilder vom Februar 2002 hat der Sachverständige Dr. M. dargelegt, dass der Schadensbefund seine Ursache in einem Ereignis deutlich vor dem April 2001 haben müsse. Im Februar 2002 war die Arthrose bereits so weit fortgeschritten, dass an den Gelenkpartnern der Knorpelbelag völlig aufgebraucht und ein Gelenkspalt nicht mehr einsehbar war; die Knochenrandzacken waren deutlich ausgeprägt.

Angesichts dieser Ausführungen sind die Einschätzungen der Mediziner Prof. Dr. M. vom 22. August und 1. November 2002, von Prof. Dr. L. vom 4. Februar 2004 und von Dr. Sp. vom 6. Oktober 2005 und vom 18. März 2006 insoweit nicht nachvollziehbar, als sie einen Kausalzusammenhang der Gelenkarthrose mit dem Unfallereignis vom 5. April 2001 erkennen. Im Einzelnen hierzu: - Prof. Dr. M. hat keine Erhebungen zu konkurrierenden Schadensursachen getroffen. Hierzu bestand für ihn auch keine Veranlassung, weil er allein über den Fortgang des Heilungsprozesses nach stationärer Behandlung im August 2002 der Beklagten gegenüber berichtete. Seine Feststellung (vom 1. November 2002), dass eine "solch schwere Fingergrundgelenkarthrose ohne einwirkende Traumatisierung unwahrscheinlich" sei, ist nachvollziehbar; sie erklärt jedoch nicht das weit fortgeschrittene Stadium der Arthrose zum damaligen Behandlungszeitpunkt. - Prof. Dr. L. kam zu der Einschätzung, dass der (von ihm nicht näher beschriebene) Unfallmechanismus geeignet sei, eine schwere Gelenkverletzung zu verursachen; er ging dabei von einer Quetschverletzung der Hand aus. Der Gutachter hinterfragte hierbei indessen weder die Handstellung, noch teilte er mit, wie eine Quetschverletzung der (gesamten) Hand eine (alleinige) Schädigung des tiefliegenden Grundgelenk des Mittelfingers hervorzurufen vermag. - Soweit auch der Sachverständige Dr. Sp. in der Quetschung einen geeigneten Unfallmechanismus erkennt, weil die Region des Grundgelenks des Mittelfingers zugleich die dickste Stelle ist, vermag der Senat dieser Sicht auf die Dinge nicht zu folgen. Denn in der Gesamtschau der gutachterlichen Ausführungen wird erkennbar, dass der Sachverständige Dr. Sp. nicht scharf zwischen Arbeitsunfall und den infolge dieses Arbeitsunfalls auftretenden Gesundheitsschäden unterscheidet. Er klärt den Unfallmechanismus ebenfalls nicht näher auf und lässt eher beiläufig erkennen, dass er von einem Erstschaden "knöcherne Absprengung am 3. Finger" ausgeht; dann stellt er den hier streitigen Kausalzusammenhang im Wege eines Ausschlussverfahrens fest, indem er aus dem "Fehlen jedweder anderer Ursachen, die die Arthroseentstehung erklären könnten", den Unfall vom 5. April 2001 als "die wahrscheinlichste Ursache" der Erkrankung benennt. Damit aber verkennt er, dass es im Bereich des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung keine Beweisregel gibt, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte Tätigkeit automatisch eine wesentliche Ursache ist (so BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). In diesem Zusammenhang ist auch die Annahme der Vorinstanz unrichtig, dass für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs nur der festgestellte Arbeitsunfall bliebe, wenn das Vorhandensein konkurrierender Umstände nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellbar sei.

Abschließend verweist der Senat darauf, dass die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. mit der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Lu. vom 13. April 2004 übereinstimmt. Die weitere von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren eingeholte Äußerung des Dr. K. vom 10. Februar 2006 hat der Senat nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Denn bei der Anforderung der gutachtlichen Äußerung von Dr. K. hat die Beklagte gegen die Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII verstoßen, weil sie den Kläger weder vorher auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hingewiesen noch ihm mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat.

§ 200 Abs. 2 SGB VII gilt auch für Gutachten und gutachtliche Stellungnahmen, die ein Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt. Bei der zehnseitigen "Beurteilung" von Dr. K. vom 10. Februar 2006 handelt es sich um ein Gutachten im Sinne von § 200 Abs. 2 SGB VII; der dort verwendete Begriff des Gutachtens erfasst alle sachkundigen Äußerungen, die ihrem Inhalt nach Gutachtenscharakter haben (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, Az.: B 2 U 8/07 R). Ausgenommen sind lediglich prüfärztliche Stellungnahmen von dem Organisationsbereich des Versicherungsträgers zuzurechnenden Ärzten, das heißt von solchen Ärzten, die beim Versicherungsträger angestellt sind oder denen gegenüber der Versicherungsträger weisungsbefugt ist. Dies ist bei Dr. med. K. erkennbar nicht der Fall.

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Gutachten oder eine (bloße) beratungsärztliche Stellungnahme vorliegt, ist insbesondere vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Gutachters auszugehen. Enthält die Äußerung vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen - im Streitfall die Frage, ob die Quetschung der Hand einen geeigneten Unfallmechanismus darstellt -, ist die Äußerung als Gutachten zu werten. Setzt sich seine schriftliche Äußerung im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es in der Auseinandersetzung mit einem Gerichtsgutachten für den Unfallversicherungsträger nicht zielführend ist, wenn der Beratungsarzt in der angeforderten Stellungnahme bloß seine von dem Gerichtsgutachten abweichende Sicht wiedergibt. Daher muss es für den Beratungsarzt und den Unfallversicherungsträger zulässig sein, Einwendungen und Ergänzungsfragen im Sinne des § 411 Abs. 4 ZPO zu dem Gerichtsgutachten zu formulieren (BSG, Urteil vom 5. Februar 2008).

Hieran gemessen überschreitet die beratungsärztliche "Beurteilung" vom Februar 2006 die Grenzen einer bloßen Stellungnahme zum Gutachten des Dr. med. Sp. vom Oktober 2005. Denn der Beratungsarzt beschränkt sich nicht auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem gerichtlichen Gutachten; der Beratungsarzt stellt vielmehr (auch) Befundberichte und Röntgenaufnahmen heraus, die der Gutachter Dr. med. Sp. nicht berücksichtigt hat und kommt sodann zu der Einschätzung, dass das Ereignis vom 5. April 2001 lediglich eine leichte Prellung respektive eine Zerrung der rechten Mittelhand verursacht hat. Daher war es dem Senat verwehrt, die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. med. K. bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

All dem folgend – und sich insoweit nur auf die fundierten gutachterlichen Feststellungen des Dr. med. M. stützend - ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Gelenkarthrose im Mittelfingergrundgelenk auf den Unfall vom 5. April 2001 zurückzuführen ist. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Da etwaige Verfahrensmängel in der ersten Instanz durch das vorliegende Urteil geheilt werden, braucht der erkennende Senat nicht mehr zu prüfen, ob der von der Beklagten geäußerte Verdacht einer Befangenheit des erstinstanzlichen Kammervorsitzenden berechtigt ist. Allerdings kann jedenfalls der Beweiswürdigung der Vorinstanz schon im Ansatz nicht gefolgt werden. Bei der Gegenüberstellung des gerichtlich angeordneten Gutachtens von Dr. Sp. und der "beratungsärztlichen Stellungnahme" des Dr. K. stellt die Vorinstanz (auf S. 9 des Urteils) fest: "Den Ausführungen des vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen kommt schon deshalb ein höherer Beweiswert zu, weil er formell in einem gerichtlichen Beweisaufnahmeverfahren zum Sachverständigen bestellt wurde und damit verpflichtet war, sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Bei den Ausführungen der von der Beklagten befragten Ärzte handelt es sich dagegen lediglich um beratende Stellungnahmen, denen als Beteiligtenvortrag formell keinerlei Beweiswert zukommt." Da insoweit weitere Erläuterungen des Sozialgerichts fehlen, wird hier der Eindruck erweckt, dass die Vorinstanz von einem Grundsatz ausgeht, wonach dem gerichtlich eingeholten Gutachten von vornherein ein höherer Beweiswert zukommt als der nur im Wege des Urkundenbeweises zu würdigenden Stellungnahme eines Beratungsarztes. Es gibt jedoch keinen Grundsatz, dass ein bestimmtes Beweismittel wegen seines höheren Wertes bei der Beweiswürdigung generell stärker zu berücksichtigen ist (vgl. Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 9. Aufl., Rdnr. 4 a zu § 128). Wäre einem Gerichtsgutachten stets zu folgen, weil Einwände der Beteiligten dagegen keinen formellen Beweiswert haben, so könnten die Beteiligten selbst mit fundiertem Vortrag ein von einem inkompetenten Sachverständigen erstelltes Gutachten nicht mehr widerlegen. Der Beweiswert des hier umstrittenen Gutachtens von Dr. Sp. richtet sich - wie bei jedem Gutachten - vor allem nach seinem Inhalt und seiner Überzeugungskraft; und dieser Beweiswert kann durchaus durch Beteiligtenvortrag erschüttert werden.

Es trifft im vorliegenden Fall auch bereits im Ansatz nicht zu, "dass das vom Gericht eingeholte Gutachten auf einer eigenen Untersuchung des Klägers beruht und damit zur Befunderhebung, Diagnosestellung und Zusammenhangsbeurteilung in aller Regel wesentlich besser in der Lage ist, als die sich lediglich nach Aktenlage äußernden beratenden Ärzte der Unfallversicherungsträger." Ein höherer Beweiswert mag insofern den aktuellen Befunderhebungen und allen medizinischen Schlussfolgerungen zukommen, die sich aus einer persönlichen Untersuchung ergeben. Dr. Sp. und der Beratungsarzt haben sich hier aber vor allem um die Interpretation von Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 2002 gestritten sowie um die Auswertung eines Operationsberichtes aus jenem Jahr. Hinsichtlich der Auswertung von älteren Röntgenaufnahmen, Operationsberichten und sonstigen früheren Krankenunterlagen ist jedoch nicht einzusehen, weshalb bei der entscheidenden Interpretation dieser Unterlagen von vornherein regelmäßig dem Gutachter zu folgen sein soll, der den Kläger später auch persönlich gesehen und untersucht hat. Der persönlich untersuchende Gutachter steht insofern ebenfalls in der Position eines Gutachters "nach Aktenlage". Auch hier kommt es entscheidend auf Inhalt und Überzeugungskraft der Ausführungen an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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