L 6 SB 5131/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 3213/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5131/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Die im Jahr 1955 geborene, verwitwete Klägerin hat vier Kinder geboren, ein Kind ist nach schwerer Geburt verstorben. Ihr Mann war alkoholabhängig, erlitt im Jahr 1990 eine Gehirnblutung und verstarb 1992, danach musste sie die Landwirtschaft, in der sie zusätzlich zu ihrer Teilzeittätigkeit mitgearbeitet hatte, aufgeben. Sie war zuletzt seit 2004 als Kassiererin im Supermarkt in Teilzeit mit einer monatlichen Arbeitszeit von 80 Stunden berufstätig (vgl. Bl. 24 der Verwaltungsakte und Bl. 15 der LSG-Akte). Seit Dezember 2014 war sie wegen zunehmenden Rückenschmerzen krankgeschrieben. Ende August 2015 hat sie ihre Arbeitsstelle aufgegeben. Seither ist sie arbeitslos. Sie hat drei Kinder, drei Enkel und bewohnt mit zwei ihrer erwachsenen Kinder ein großes Haus (Eigenheim). Gesundheitlich leidet die Klägerin vor allem unter dem erstmals im Jahr 2004 diagnostizierten Lupus erythematodes, einer Autoimmunkrankheit, die zu den Kollagenosen gehört.

Auf der Grundlage u.a. des Entlassungsberichts des Rehazentrums bei der Therme in Bad Waldsee vom 14. Januar 2008, wonach bei der Klägerin vor allem eine undifferenzierte ANA-positive Kollagenose bestehe, stellte der Beklagte bestandskräftig den GdB rückwirkend mit 30 ab 1. Januar 2004 mit der Funktionsbeeinträchtigung Kollagenose fest (Bescheid vom 18. Februar 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. April 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008).

In einem Bericht der rheumatologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Freiburg vom 15. November 2009 wurden als Befunde u.a. ein guter Allgemeinzustand, kein Sensibilitätsdefizit und keine geschwollenen Gelenke angeführt. Bei der Klägerin bestehe unter der Therapie mit Quensyl und niedrig dosiertem Decortin kein Anhalt für eine Kollagenoseaktivität.

Nach einem erfolglosen Begehren der Klägerin, den GdB höher bewerten zu lassen (Bescheid vom 28. Mai 2010) verfolgte diese ihr Anliegen erneut mit Antrag vom 13. November 2013, da sich die bislang berücksichtigten Gesundheitsstörungen verschlimmert hätten bzw. neue Gesundheitsstörungen aufgetreten seien. Als Gesundheitsstörungen führte sie Lupus/ Kollagenose, rezidivierende Venenentzündungen, Gonarthrose links, eine Wirbelsäulenerkrankung, CTS (Karpaltunnelsyndrom) beidseits, Sulcus ulnaris Syndrom, chronische Gastritis und rezidivierende Entzündungen (Knie, Bronchien) an.

Der Beklagte holte einen Befundbericht beim Hausarzt Dr. K. ein, wonach von Seiten des Lupus erythematodes keine neuen Veränderungen, Verbesserungen oder Verschlechterungen des Krankheitsbildes bestünden. Weiter sei eine Gonarthrose Grad II-III aufgetreten, sowie eine Lumboischialgie. Die Klägerin sei deutlich gehbehindert, brauche allerdings keine Gehhilfe und könne Wegstrecken von 500 m unter Schmerzen zurücklegen. Andere, neue Krankheiten seien nicht dazu gekommen (Bericht vom 19. November 2013). Der ebenfalls befragte Orthopäde und Unfallchirurg Dr. J. teilte die Diagnosen eines sonstigen lokalisierten Lupus erythematodes, Lumbalsyndrom und Gonarthrose mit. Die Streckung/Beugung des beklagten linken Knies betrage 0/0/120°. Der Bandapparat sei stabil. Es bestehe eine pseudoradikuläre Symptomatik bei sicherem und flüssigem Gangbild.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 erhöhte der Beklagte darauf den GdB auf 40 ab dem 13. November 2013 und legte nun zusätzlich Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und des linken Kniegelenks zugrunde. Er stützte sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau B., die für die Kollagenose weiterhin einen Einzel-GdB von 30 und für die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und des Kniegelenks von zusammen 20 feststellte.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte zur Begründung ein Schreiben ihres Hausarztes vom 27. Februar 2014 vor, wonach sie vor allem über rheumatische Beschwerden mit typischen Aufwachversteifungen in den Händen und allgemeiner Müdigkeit klagte. Mit einem GdB von 40 sei sie nicht ausreichend beurteilt worden. Weiter wurde u.a. ein Arztbrief vom Nervenarzt Dr. B. vom 23. August 2013 vorgelegt, in dem dieser ein CTS rechts größer als links und SUS (Sulcus ulnaris Syndrom) rechts diagnostiziert hatte. In einem Arztbrief von Dr. J. vom 30. Juli 2013 wurden neben dem Lupus erythematodes ein Lumbalsyndrom und im Arztbrief vom 22. Oktober 2013 zusätzlich eine Gonarthrose ohne Erguss und mit stabilem Bandapparat diagnostiziert.

Der von dem Beklagten befragte Versorgungsarzt Dr. B. ging in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 10. März 2014 davon aus, dass die Störungen wie chronische Gastritis und Bronchitis weiterhin nicht nachgewiesen und mutmaßlich in der Kollagenose enthalten seien. Bei Schmerzen in der LWS, dem Vorlaufphänomen im rechten ISG (Iliosakralgelenk), der pseudoradikulären Schmerzausstrahlung und der Schmerzsymptomatik im linken Kniegelenk verbleibe es bei einem Teil-GdB von 20. Die Kniegelenksbeweglichkeit sei geringgradig eingeschränkt. Es lägen kein Erguss, ein stabiler Bandapparat sowie ein sicheres und flüssiges Gangbild vor. CTS und SUS seien nachgewiesen. Eine Besserung unter konservativen und ggf. operativen Maßnahmen könne angenommen werden. Ein höherer GdB als 10 sei insoweit nicht anzuerkennen. Nachdem Dr. B. im Ergebnis von einem weiter bestehenden Gesamt-GdB in Höhe von 40 ausgegangen war, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2014 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 2014 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, welches zunächst schriftliche, sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt hat. Dr. K. hat am 7. Oktober 2014 ausgeführt, dass im Rahmen der Polyarthritis auf dem Boden eines Lupus erythematodes schwere Adynamie und Müdigkeit bei leichten körperlichen Belastungen bestünden. Die Gelenkbeschwerden hätten sich während des letzten Jahres verschlimmert, jedoch hätten sich keine neuen Gesundheitsschädigungen ergeben. Ein Herzleiden liege nicht vor. Mit Osteoporose sei aufgrund der medikamentösen Dauerbehandlung zu rechnen. Ein Asthmaleiden werde seit längerer Zeit mit einem Kortisonspray behandelt. Von dieser Seite bestehe keine Verschlimmerung der Beschwerdesymptomatik. Der Chirurg und Orthopäde Dr. B. hat am 9. Oktober 2014 davon berichtet, dass im linken Knie eine mediale Gonarthrose bei einem Zustand nach Innenmeniskusteilresektion bestehe. Das Knie sei bei der letzten Untersuchung gut beweglich und reizlos gewesen. Wegen Schmerzen im rechten ISG sei eine einmalige Infiltration von Kortison erfolgt. Die Beweglichkeit der Hüfte sei frei gewesen. Wegen symptomatischen Hohl-Spreizfußes rechts seien Einlagen verordnet worden. Der HNO-Arzt Dr. K. hat schließlich am 10. November 2014 ausgeführt, dass er bei der Klägerin zuletzt mittels Tonaudiogramm eine beidseitige gering- bis beginnend mittelgradige hochtonakzentuierte Innenohrschwerhörigkeit festgestellt habe. Vorgelegt worden ist ferner ein MRT der LWS vom 17. November 2014, wonach bei der Klägerin eine Bandscheibenprotrusion mit leichter Wurzelaffektion bestünde.

Das SG hat darauf von Amts wegen ein Gutachten beim Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. N. eingeholt. Am 20. April 2015 hat dieser ausgeführt, dass die Klägerin als Hobbys leichte Gartenarbeit und Stricken angegeben habe. Ab einer Wegstrecke von 1 km träten Knieschmerzen links auf. Die Klägerin sei bei der Untersuchung zugewandt und freundlich, eine depressive Stimmungslage nicht erkennbar gewesen. Die Befragung und Untersuchung hätte mit normaler Lautstärke geführt werden können. Das An- und Auskleiden sowie der Transfer auf die Untersuchungsliege seien flüssig und ohne deutliche Verzögerung geschehen. Der freie Gang auf ebener Erde sei sicher und hinkfrei gewesen. Auch das Treppensteigen von einem Stockwerk sei ohne Funktionsbehinderung und Schmerzangabe geschehen. Die HWS habe in der Funktionsprüfung im oberen Abschnitt eine minimale Linksrotationseinschränkung gezeigt, die Seitneige nach links und rechts betrage 30°, der Finger-Boden-Abstand 2 cm, Schober 9/10/13 cm, die Seitneige der LWS sei nur mit 10° möglich gewesen. Der Gutachter hat auf seinem Fachgebiet ein chronisch degeneratives HWS-Syndrom mit Nervenwurzelreizung C5/6, ein chronisch degeneratives LWS-Syndrom mit Ischialgie bei Nervenwurzelreizung L5 links, Coxarthrose links, mediale Gonarthrosen links, Metatarsalgie rechts, Senk-Spreizfuß beidseits, ein Unterschenkelödem links, eine stattgehabte Beckenvenenthrombose links 1975, Impingementsyndrom bei Kalkschulter rechts, Karpaltunnelsyndrom rechts, Kortison induzierte Osteoporose und Polyarthritis bei rheumatischer Grunderkrankung sowie fachfremd systemischen Lupus erythematodes, Fettleibigkeit, chronische Bronchitis, chronische Gastritis, Grüner Star am rechten Auge, Innenohrschwerhörigkeit beidseits, ein Lymphödem am linken Unterschenkel und eine psychovegetative Erschöpfung diagnostiziert. Die Einzel-GdB hat er für das chronisch degenerative HWS-Syndrom in Höhe von 10 bis 20 wegen mittelgradiger funktioneller Auswirkungen bei anhaltender Bewegungseinschränkung, für das chronisch degenerative LWS-Syndrom in Höhe von 20 wegen mittelgradiger funktioneller Auswirkungen über Wochen und Monate bei anhaltender Bewegungseinschränkung, für die Coxarthrose eine GdB von 10 wegen insgesamt noch guter Mobilität unter Vorbelastung, für die Gonarthrose einen GdB von 10 wegen insgesamt noch guter Mobilität unter Vorbelastung, für die Metatarsalgie und den Senk-Spreizfuß einen GdB von unter 10 GdB, für das Unterschenkelödem ein GdB von unter 10, für das Impingementsyndrom ein GdB von unter 10 wegen geringen Impingements, für das Carpaltunnelsyndrom ein GdB von unter 10 wegen nur geringer Funktionseinschränkung, für die Osteoporose ein GdB von unter 10 wegen fehlender Funktionseinschränkung und für die Polyarthritis bei rheumatischer Grunderkrankung ein GdB von 30 wegen Dauermedikation, aber unter dieser geringe Krankheitsaktivität mit nur leichten Funktionseinbußen eingeschätzt. Der Gesamt-GdB betrage aus orthopädisch/unfallchirurgischer Sicht 40. Bezüglich des Zusammenspiels und der Beeinflussung des psychovegetativen Erschöpfungszustands werde eine nervenärztliche Begutachtung empfohlen. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin seien sicherlich nicht motivationsfördernd und nähmen Einfluss auf den psychischen Gesundheitszustand.

In der Folge hat das SG nach vorangegangener Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 2015, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 2. November 2015, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass im Vordergrund der Behinderungen der Klägerin die entzündlich-rheumatische Erkrankung im Sinne einer Kollagenose bzw. eines Lupus erythematodes stehe. Im Fall der Klägerin sei insoweit ein GdB von 30 gerechtfertigt. Zwar stehe die Klägerin unter einer (nicht aggressiven) Dauertherapie, die Krankheitsaktivität sei aber unter der angesetzten Medikation nur gering und es gäbe nur leichte dauerhafte Funktionseinbußen. Für das Wirbelsäulenleiden sei ein GdB von 20 gerechtfertigt. Insoweit bestünden Wirbelsäulenschäden mit (im Bereich der HWS allenfalls) mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich der HWS und der LWS. Im Bereich des linken Knies sei ein GdB von 10 gerechtfertigt, da das Gelenk bandstabil und insbesondere frei beweglich sei. Bezüglich der Hörstörung bestehe nach der Aussage von Dr. K. eine gering- bis beginnend mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit. Auch wenn die sprachaudiometrische Untersuchung fehle, werde zugunsten der Klägerin davon ausgegangen, dass eine beidseits gering- bis beginnend mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit ermittelt werden könnte. Eine solche rechtfertige einen GdB von 20. Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung von echtem Behinderungswert seien nicht aktenkundig. Eine solche Erkrankung werde in den Antragsunterlagen nicht angegeben, werde fachärztlich nicht behandelt und finde auch in den hausärztlichen Befundberichten keine Erwähnung. Zudem habe der Gutachter ausgeführt, dass die Klägerin freundlich und zugewandt erscheine und eine depressive Stimmungslage nicht erkennbar sei. Insgesamt sei ein GdB von 40 gerechtfertigt. Ausgangspunkt dabei sei die mit einem GdB von 30 bewertete Kollagenose. Dieser Wert könne angesichts der zwei weiteren mit jeweils 20 bewerteten Behinderungen, nämlich dem Wirbelsäulenleiden und der zu Gunsten der Klägerin unterstellten Hörstörung um weitere 10 Punkte auf insgesamt 40 erhöht werden. Die mit lediglich 10 oder weniger als 10 bewerteten Behinderungen seien demgegenüber zu vernachlässigen.

Hiergegen hat die Klägerin, eingegangen beim SG am 2. Dezember 2015, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, dass sie inzwischen ihre Arbeitsstelle krankheitsbedingt aufgegeben habe. Die psychische als auch physische Belastung sei für sie übermächtig gewesen. Sie befinde sich in Behandlung wegen Erschöpfungsdepressionen. Sie fühle sich kraftlos, ausgelaugt und nutzlos. Sie ziehe sich aus dem gesellschaftlichen Leben sehr zurück und meide möglichst Fremdkontakte, was allerdings auch auf ihre Schwerhörigkeit zurückzuführen sei. Die Behandlung ihrer Erschöpfungsdepression sei wegen der starken Auslastung der Therapeuten nur in sehr großen Abständen möglich.

Die Klägerin hat einen Arztbrief der Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin E.-Sch. vom 20. November 2015 vorgelegt, wonach die Klägerin ihr davon berichtet habe, dass sie die Arbeit zunehmend unter Druck setze. Sie sei bewusstseinsklar, allseits orientiert, ohne Denk-, Wahrnehmungsstörungen und Ich-Grenzstörungen, jedoch mit sichtbarer Verzweiflung, Erschöpfung und pessimistischer Grundstörung gewesen. Die Klägerin leide unter einer Erschöpfungsdepression und plane die Arbeit aufzugeben. Eine pharmakologische Unterstützung wünsche sie nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2015 aufzuheben sowie unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014 den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 18. Februar 2008 weiter abzuändern und bei ihr einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung wurde nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungsfrist wurde hier durch Einlegung des Rechtsmittels beim SG gewahrt (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.

Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des GdB mit 50 verfolgt worden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie ihn der Beklagte im angefochtenen Bescheid festgestellt hat. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Gegenstand der Klage ist ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit 50 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 18. Februar 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. April 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 zugrunde lag – soweit der Beklagte nicht bereits schon im streitgegenstädlichen Bescheid eine Verschlechterung der Gesundheitsverhältnisse mit einer GdB-Erhöhung von 30 auf 40 berücksichtigt hatte. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225) zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m.w.N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/ Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 18. Februar 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. April 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). Demgegenüber wurden in Bezug auf die Höhe des GdB mit dem Bescheid vom 28. Mai 2010, in dem der erste Verschlimmerungsantrag abgelehnt worden war, keine Regelungen getroffen, die über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinaus Wirkung entfalten sollten (vgl. Schütze, a. a. O. § 48 Rz. 3 und § 45 Rz. 63), weshalb dieser Bescheid lediglich eine punktuelle Entscheidung gewesen ist. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 18. Februar 2008 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 8. April 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 vorlagen, ist indes keine Änderung eingetreten, die einen Gesamt-GdB von 50 bedingt.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris). Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder des erstinstanzlichen Gerichts Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung haben die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin - im Vergleich zur Befundlage, wie sie dem Bescheid vom 18. Februar 2008 zugrunde lag - ab 13. November 2013 weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 zur Folge. Der angefochtene Bescheid vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2014 ist daher nicht rechtswidrig.

Die Klägerin leidet vor allem an Beschwerden, die dem Lupus erythematodes zugewiesen sind. Die aus diesen Erkrankungen folgenden Funktionsbehinderungen werden von den VG, Teil B, Nr. 18.2.2 als Schäden von rheumatischen Erkrankungen erfasst (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.1). Damit kommt es auch bei diesen Erkrankungen vorrangig nicht auf die Diagnosestellung, sondern vielmehr auf die funktionellen Beeinträchtigungen an. Außergewöhnliche Schmerzen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen (VG, Teil B, Nr. 18.1). Dabei ist bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße auch die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen (VG, Teil B, Nr. 18.1). Entsprechendes gilt für Kollagenosen (VG, Teil B, Nr. 18.1), mithin auch für den Lupus erythematodes. Nach VG, Teil B, Nr. 18.2.3 richtet sich die Beurteilung des GdB bei Kollagenosen nach Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie den Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, wobei auch eine Analogie zu den Muskelkrankheiten in Betracht kommen kann. Für die Dauer einer über sechs Monate anhaltenden aggressiven Therapie soll ein GdB von 50 nicht unterschritten werden.

Die Kollagenoseerkrankung geht bei der Klägerin vor allem mit Sonnenempfindlichkeit, Arthralgien (Gelenkschmerzen), Myalgien (Muskelschmerzen), trockenen Augen, Hautausschlägen und Müdigkeit einher (vgl. Bericht der rheumatologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Freiburg vom 15. November 2009, Bl. 57 der Verwaltungsakte). Sie steht deswegen unter einer (nicht aggressiven) Dauermedikation. Da die Krankheitsaktivität darunter gering, eine erhebliche Beteiligung der Lunge und des Magens nicht besteht (vgl. Bericht der rheumatologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Freiburg vom 15. November 2009, Bl. 57 der Verwaltungsakte) und die Erkrankung nur leichte Funktionseinschränkungen zur Folge hat (Gutachten Dr. N., Bl. 66 der SG-Akte), geht der Senat zusammen mit dem Beklagten (vgl. versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 5. März 2008, 27. Mai 2010, 10. März 2014) hier von einem Teil-GdB von 30 aus. Eine relevante Verschlechterung ist insoweit seit 2008 nicht eingetreten (vgl. Auskunft Dr. K. vom 19. November 2013, Bl. 78 der Verwaltungsakte). Eine solche wird im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht.

Für die weiter bestehenden Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule im Funktionssystem Rumpf ist ein GdB von 20 festzustellen. Nach VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme bestimmt, wobei sich das Funktionsausmaß der Gelenke nach der Neutral-Null-Methode bemisst. Für Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil VG, Teil B, Nr. 18.9 vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Nach VG, Teil B, Nr. 18.9 rechtfertigen erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, einen Einzel-GdB von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzel-GdB von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen GdB von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Ein GdB von 50 setzt besonders schwere Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte erfasst; schwere Skoliose) voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierende Störungen bei einer Spinalkanalstenose - sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Unter Anwendung dieses Bewertungsmaßstabs lassen sich über den gesamten Zeitraum seit dem Neufeststellungsantrag im November 2013 bis zum heutigen Zeitpunkt Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule feststellen, die einen GdB von 20 rechtfertigen. Dabei ist zu beachten, dass allein weder etwaige Operationen noch die bildgebenden Befunde für die Feststellung des GdB maßgeblich sind, sondern nur die funktionellen Auswirkungen (VG, Teil B, Nr. 18.1). Nach dem Gutachten des Dr. N. vom 20. April 2015 leidet die Klägerin unter einem chronisch degenerativen HWS-Syndrom mit Nervenwurzelreizung C5/6 und einem chronisch degenerativen LWS-Syndrom mit Ischialgie bei Nervenwurzelreizung L5 links. Nach den Befunden des Gutachters Dr. N. hat die Beweglichkeit der HWS nur im oberen Abschnitt eine minimale Linksrotationseinschränkung gezeigt, der mittlere und untere HWS-Abschnitt ist frei in der Rotation. Bei Rotations- und Kompressionsbewegungen lässt sich auch kein Ausstrahlungsschmerz in die Arme oder Beine provozieren. Wegen der begrenzten Seitneige (30/0/30° – Normalwert: 45/0/45°) lassen sich geringe funktionelle Auswirkungen im HWS-Bereich insgesamt bejahen. Bei der LWS rechtfertigen sich mittelgradige funktionelle Einschränkungen auch unter Berücksichtigung der Ischialgie. Das Ott- (29/30/33 cm) und das Schober-Zeichen (9/10/14 cm) sind außerhalb der Norm. Hingegen zeigt der Finger-Boden-Abstand von 2 cm eine erhaltene Flexionsfähigkeit der LWS. Die Seitneige der LWS ist nur mit 10° möglich (Normalwert: 35/0/35°). Damit können die Beeinträchtigungen der Klägerin aber weder mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichgesetzt werden, sodass insoweit der Einschätzung des Gutachters Dr. N. nur teilweise zu folgen ist und von einem Teil-GdB von 20 für die Funktionseinschränkungen der gesamten Wirbelsäule ausgegangen werden kann. Dies wird dadurch bestätigt, dass Dr. N. keine Probleme der Klägerin beim An- und Entkleiden festgestellt hat und ihr Gang frei und sicher ist. Auch das Treppensteigen von einem Stockwerk geschieht bei der Begutachtung ohne Funktionseinschränkung. Schließlich sprechen auch die Wirbelsäule belastenden Hobbys von Stricken und leichter Gartenarbeit gegen eine nennenswerte Behinderung.

Für das Funktionssystem Beine ist der GdB gemäß VG, Teil B, Nr. 18.14 in Übereinstimmung mit dem Gutachter mit 10 zu bewerten. Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0/10/90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) bedingen einen GdB von 10-20 einseitig und 20-30 beidseitig. Bei der Klägerin sind Streckung und Beugung jedoch noch relativ gut möglich (20/0/115° rechts und 20/0/110°). Ihre Beweglichkeit ist weitestgehend erhalten. Gleiches gilt für die Beweglichkeit der Knie. Sie sind frei beweglich (Streckung/Beugung: 0/0/120° rechts und links). Nach den VG sind geringgradige Bewegungseinschränkungen bei Streckung und Beugung erst ab 0/0/90° anzunehmen. Weiter sind die Bänder stabil und das Gangbild sicher und flüssig (Bericht Dr. J. vom 29. November 2013), so dass die arthrotischen Veränderungen unter Berücksichtigung der Schmerzen allenfalls ein GdB von 10 zur Folge haben.

Für das Funktionssystem Ohren ist entgegen der Einschätzung des SG kein Einzel-GdB von 20 zu vergeben. Dies entnimmt der Senat dem von HNO-Arzt Dr. K. beigefügten Tonaudiogramm, welches nach der Frequenztabelle Röser für das linke Ohr einen Tonhörverlust von 18 und für das rechten Ohr einen von 17 aufweist, die nach den VG 5.2.4 als unter 20 liegend und damit noch als normales Hörvermögen einzustufen sind. Die Klägerin ist im täglichen Leben - entgegen ihrem Vorbringen - nicht tatsächlich in ihrem Hörvermögen eingeschränkt. Sie benutzt kein Hörgerät und hatte bei der Begutachtung bei Dr. N. keine Schwierigkeiten, Sprache in normaler Lautstärke zu verstehen. Selbst wenn man also - wie es auch schon das SG getan hat - unterstellt, dass sich die gering- bis beginnend mittelgradige Schwerhörigkeit in einem Sprachaudiogramm bestätigen ließe, würde sie allenfalls einen GdB von unter 20 erreichen (vgl. VG, Teil B, Nr. 5.2.4).

Der Senat schließt sich ferner der Auffassung des Gutachters Dr. N., gegen die die Klägerin im Berufungsverfahren keine Einwände erhebt, an, dass den Gesundheitsstörungen Metatarsalgie rechts, Unterschenkelödem links, Impingementsyndrom rechts, Carpaltunnelsyndrom rechts und Osteoporose lediglich ein GdB von unter 10 zukommt.

Der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorrangig vorgebrachte psychovegetative Erschöpfungszustand bzw. die Erschöpfungsdepression führt zu keinem GdB von 20 oder mehr im Funktionssystem Nervensystem und Psyche. Nach VG, Teil B, Nr. 3.7 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten.

Eine eigenständige psychische Erkrankung von echtem Behinderungswert wurde von der Klägerin weder in den Verschlimmerungsanträgen noch im Widerspruchsverfahren vorgebracht und ist auch nicht in den dort vorgelegten medizinischen Unterlagen aufgeführt. Die Klägerin wurde damals dementsprechend nicht haus- oder fachärztlich behandelt. Die von Dr. K. allein festgestellte Müdigkeit und Adynamie sind Symptome der Grunderkrankung des Lupus erythematodes (vgl. sein Schreiben vom 7. Oktober 2014, Bl. 20 der SG-Akte). Auch der nach der erstinstanzlichen Entscheidung durchgeführte erstmalige Besuch bei der Nervenärztin E.-Sch. im November 2015 führte nicht dazu, dass wegen der von dort auf dem Boden einer beruflichen Belastung diagnostizierten Erschöpfungsdepression nun tatsächlich eine Behandlung aufgenommen wurde. Eine pharmakologische Unterstützung wurde von der Klägerin vielmehr ausdrücklich nicht gewünscht. Auch eine Psychotherapie wurde nicht aufgenommen. Nachdem auf den ersten Untersuchungstermin ein Folgetermin nach Angaben der Klägerin erst im Februar 2016 stattfinden sollte, kann genauso wenig von einer engmaschigen fachärztlichen Begleitung ausgegangen werden. Ein entsprechender Leidensdruck, der bei einer stärkerer behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre und ggf. einen GdB von 20 zur Folge hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil des Senats vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15 -vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 – L 8 SB 1549/10 –, Rn. 31, juris), findet sich insoweit nicht. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass nach Aufgabe der psychisch belastenden beruflichen Tätigkeit die Erschöpfungsdepression, die eine depressive Episode (vgl. ICD-10: F32.9) darstellt, wieder abklingt. In der Familie oder der Freizeit sind nämlich keine psychosozialen Belastungen ersichtlich, vielmehr lebt die Klägerin in engem Familienverbund und kann noch ihren Hobbys Stricken und leichter Gartenarbeit nachgehen. Eine nennenswerte psychische Störung, die einen GdB von 20 oder mehr nach sich ziehen würde, ist danach nach Überzeugung des Senats nicht gegeben.

Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen besteht nicht.

Liegen, wie im Falle der Klägerin, mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (vgl. hierzu und zum Folgenden VG, Teil A, Nr. 3 a bis d). Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsstörung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn paarige Gliedmaßen oder Organe betroffen sind. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss deren Auswirkungen aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - Juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - juris). Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet es sich nicht, einen Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris). Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10).

Gemessen an diesen Voraussetzungen begründen der Teil-GdB von 30 für die Kollagenose sowie der Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden einen Gesamt-GdB von 40, wobei der Senat insoweit berücksichtigt hat, dass die Hörminderung nur bei wohlwollender Betrachtung einen Einzel-GdB von unter 20 nach sich zieht, daher insgesamt den GdB nicht zu erhöhen vermag. Die weitere mit lediglich unter 20 bewerteten Behinderungen sind ebenfalls zu vernachlässigen. Ein GdB von 50 kommt nicht in Betracht. Die Richtigkeit dieser Beurteilung zeigt sich im Vergleich mit anderen Behinderung, die nach den VG von vorneherein mit einem feststehenden GdB von 50 bewertetet werden. So wird bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erst bei dauernden erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden und einer therapeutisch schwer beeinflussbaren Krankheitsaktivität ein GdB von 50 bis 70 angenommen (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.2.1). Mit einem solchen Zustand sind die Behinderungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenschäden und der Hörstörung nicht zu vergleichen, zumal die führende Erkrankung der Kollagenose mit geringer Krankheitsaktivität nur leichte Funktionseinbußen zeigt.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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