L 2 AS 2326/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3893/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 2326/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger macht im Klagewege einen Anspruch auf Akteneinsicht im Verfahren des Sozialgerichts Reutlingen S 9 AS 1981/07 geltend, nachdem dieses durch den dem Kläger am 2. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2007, gegen den er am 22. August 2007 Berufung (L 2 AS 4301/07) eingelegt hat, abgeschlossen war.

Der Kläger hat mit der am 9. Oktober 2007 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage begehrt, ihm "im Rahmen der Akteneinsicht die Kopien der Aktenvermerke der Beklagten, auf die sich das Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid (Az.: S 9 AS 1981/07) vom 25.07.2007 (Seite 10, II. Aktenvermerke vorn 13.03.2007) bezieht, unverzüglich auszuhändigen und auf dem Postweg zuzusenden."

Mit Verfügung vom 17. Januar 2008 erinnerte das Gericht an die Vorlage der angekündigten Klagebegründung und wies darauf hin, ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage sei im Hinblick darauf nicht ohne Weiteres zu erkennen, dass der Kläger die gewünschte Akteneinsicht in dem vom Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2007 angestrengten Berufungsverfahren beim Landessozialgericht, wo sich auch die entsprechenden Original-Akten der Beklagten befinden dürften, erlangen könne. Der Kläger hielt mit Schriftsatz vom 14. Februar 2008 weiterhin unter Berufung auf § 54 Abs. 5 SGG an seinem Klagebegehren fest.

Das wegen Ankündigung eines Gerichtsbescheids eingelegte Ablehnungsgesuch des Klägers vom 18. Februar 2008 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 1. April 2008 zurückgewiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG lägen vor, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise, der Sachverhalt für das Gericht hinreichend geklärt sei und die Beteiligten dazu vorher gehört worden seien. Die unter Berufung auf § 54 Abs. 5 SGG erhobene echte Leistungsklage könne keinen Erfolg haben. Nachdem sich das Leistungsbegehren des Klägers durch Übersendung der gewünschten Kopien aus der Beklagtenakte durch das LSG mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 im Rechtsstreit L 2 AS 4301/07 erledigt habe (vgl. Beschluss des LSG vom 01.04.2008), sei für eine Fortführung der vorliegenden Klage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht (mehr) erkennbar.

Gegen diesem ihm am 18. April 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. Mai 2008 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei der Klage handele es sich gemäß § 54 Abs. 5 SGG um eine echte Leistungsklage. Daher seien auch kein Vorverfahren und keine Klagefrist zu beachten. Sie sei insbesondere auch hinsichtlich der Ansprüche auf Akteneinsicht zulässig (Meyer-Ladewig, 8. Auflage, § 54 Rz. 41). Hinsichtlich der Anwendung von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG bestünden Bedenken. Es werde in diesem Fall von einer Befangenheit des entscheidenden Richters ausgegangen. Die Akteneinsicht des Klägers sei durch die Vorgehensweise der Gewährung von Akteneinsicht in nicht unerheblicher Weise behindert worden. Der Sachverhalt sei Gegenstand eines laufenden Berufungs- und Beschwerdeverfahrens (AZ: L 2 AS 4297/07 B und L 2 AS 4301/07).

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. April 2008 aufzuheben und ihm "im Rahmen der Akteneinsicht die Kopien der Aktenvermerke der Beklagten, auf die sich das Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid (Az.: S 9 AS 1981/07) vom 25.07.2007 (Seite 10, II. Aktenvermerke vorn 13.03.2007) bezieht, unverzüglich auszuhändigen und auf dem Postweg zuzusenden."

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Berufungsakten und der Akten des SG verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet; denn die Klage ist bereits unzulässig. Eine Leistungsklage scheidet hier schon deshalb aus, weil der Kläger keine Verurteilung der Beklagten begehrt, sondern die unmittelbare Gewährung von Akteneinsicht beim SG beantragt hat. Zudem ist für einen Anspruch gegenüber der Beklagten nach § 25 SGB X kein Raum, soweit wie hier – ein Beteiligter zur Verfolgung eines gerichtlich geltend gemachten Anspruchs Einsicht in die im entsprechenden Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten begehrt. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsverfahren durch Erlass der im Gerichtsverfahren streitgegenständlichen Entscheidung abgeschlossen ist. Nach § 25 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das Recht auf Akteneinsicht nach dieser Vorschrift beschränkt sich somit auf die Dauer des Verwaltungsverfahrens (Schroeder-Printzen/von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 25 Anm. 6). Aber auch wenn Akteneinsicht gegenüber der Behörde nach § 25 SGB X bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts begehrt werden könnte, wäre eine Durchsetzung dieses Anspruchs im Klagewege nicht zulässig. Denn nach § 44a Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Es handelt sich nämlich um einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen, zumal in § 172 Abs. 2 SGG in vergleichbarem Zusammenhang der gleiche Rechtsgedanke zum Ausdruck gekommen ist (BSG SozR 1500 § 144 Nr. 39; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 3 m.w.N.; Urteil vom 10. Dezember 1992 - 11 RAr 71/91 - veröffentlicht in Juris; Urteil vom 24. November 2004 - B 3 KR 16/03 R -, SozR 4-2500 § 36 Nr. 1; offen gelassen in Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 11/08 R -, veröffentlicht in Juris).

Damit ist eine abgelehnte Einsicht in die Verwaltungsakten im gerichtlichen Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen. Im Falle der Beiziehung der Akten durch das Gericht kann dies insbesondere dadurch geschehen, dass von dem prozessualen Anspruch auf Gewährung von Einsicht in die von dem Gericht beigezogenen Verwaltungsakten Gebrauch gemacht wird, für den § 120 SGG die maßgeblichen Voraussetzungen normiert. Dieser hier allein in Betracht kommende Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber dem Sozialgerichten gemäß § 120 SGG ist nicht im Klagewege durchsetzbar. § 120 Abs. 1 SGG gewährt den Beteiligten ein grundsätzlich unbeschränktes Recht der Einsicht in die Akten während eines anhängigen Klage- oder Berufungsverfahrens. Dabei handelt es sich um ein Verfahrensrecht, das im Zusammenhang mit dem jeweiligen Hauptsacheverfahren steht. Prozessuale Ansprüche auf Akteneinsicht teilen daher das Schicksal des Hauptanspruchs und sind innerhalb des jeweiligen Verfahrens geltend zu machen. Wenn der Vorsitzende die Akteneinsicht unter den Voraussetzungen des § 120 Abs. 3 Satz 1 SGG versagt oder beschränkt, kann der Anspruch nicht im Klagewege durchgesetzt werden. Denn die Entscheidung ist eine im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden liegende, prozessleitende Verfügung und auch mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG). Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann vielmehr das Gericht angerufen werden, das dann endgültig entscheidet (§ 120 Abs. 3 SGG). Hat das Gericht Akteneinsicht zu Unrecht versagt, kann auch dies nicht isoliert im Klagewege angegriffen werden. Im Einzelfall kann, wenn eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) vorliegt, diese im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung zur Hauptsache als Verfahrensfehler gerügt werden (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 120 RdNr. 4 und 7d m.w.N.). § 120 SGG regelt die Durchsetzung der Akteneinsicht im sozialgerichtlichen Verfahren abschließend, so dass selbst für eine Zwischenfeststellungsklage kein Raum ist (BSG, Urteil vom 15. November 2007 - B 3 KR 13/07 R -, veröffentlicht in Juris).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ein Anspruch auf Akteneinsicht lediglich bis zu seinem Abschluss durch den Erlass des Gerichtsbescheids zustand. Dem hier vom Kläger nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens S 9 AS 1981/07 geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht ist durch die Gewährung der Akteneinsicht in dem Berufungsverfahren L 2 AS 4301/07 entsprochen worden, so dass die Klage, selbst wenn - wie der Kläger geltend macht - der Anspruch im Klagewege durchsetzbar wäre, schon mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved