L 6 U 62/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 43/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 62/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Mai 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 19. Juli 2002 und 20. Juli 2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 8. März 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 werden abgeändert. Es wird festgestellt, dass eine druckempfindliche Narbenbildung der Hohlhand und Störung der Greiffunktion der rechten Hand als weitere Unfallfolgen vorliegen. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger vom 9. Januar 2002 an Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge und das Vorverfahren zu zwei Dritteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf eine Verletztenrente.

Der 1943 geborene Kläger war bei der Bahnreinigungsgesellschaft L. , Zweigstelle M. , beschäftigt. Die dort anfallenden Verrichtungen und die Berufsausbildungsabschlüsse des Klägers sind Gegenstand eines Vermerks der Berufshilfe in der Verwaltungsakte der Beklagten vom 17. Dezember 2003. Am 15. November 2000 um 21 Uhr rutschte er auf dem Bahnhof M. aus und fiel mit der rechten Hand in eine Glasscherbe. Die Schnittwunde im Bereich der Palmaraponeurose musste operativ revidiert werden.

Nach dem Bericht des behandelnden Arztes Prof. Dr. B. vom 26. März 2001 litt der Kläger noch unter Sensibilitätsstörungen aller Finger, Kribbeln und Nachtschmerz. Es fanden sich eine reizlose Narbe in der Thenarfalte und ein Fingerkuppen-Hohlhandabstand der Langfinger von einem Zentimeter. Der Daumenballen erschien gegenüber links verschmächtigt. An dreieinhalb Fingern speichenwärts lag eine Gefühlsverminderung bzw. Überempfindlichkeit vor. Das Tinel-Hoffmann-Zeichen war in Höhe des Handgelenks positiv. Die Diagnose lautete auf posttraumatisches Karpaltunnelsyndrom. Prof. Dr. B. nahm am 25. April 2001 eine Operation des Karpaltunnelsyndroms vor. Nach seinem Bericht vom 29. Oktober 2001 suchte der Kläger letztmalig am 10. Oktober 2001 seine Sprechstunde auf. Dabei habe er eine vollständig wieder hergestellte Sensibilität der rechten Hand angegeben. Auch ein EMG habe einen verbesserten Befund ergeben. Der Kläger gebe noch eine verminderte Kraft der rechten Hand an, die aber trainierbar sei. Lediglich eine neurologische Kontrolle in etwa drei bis vier Monaten sei zu empfehlen.

Mit seinem ersten Rentengutachten vom 11. März 2002 gelangte der Chirurg Dr. R. zu dem Ergebnis, der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich vom 9. Januar 2001 – dem Tag der ersten Arbeitsfähigkeit – bis zum 31. Oktober 2001 auf 20 v. H., danach auf 10 v. H ... Er beschrieb als Unfallfolgen eine Narbenbildung in der rechten Hohlhand, eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenkes, eine mäßige Einschränkung der Einwärtsdrehung des rechten Unterarmes und eine geringe Störung der Greiffunktion der rechten Hand. Grobe Kraft, Muskelentwicklung im Armbereich und Beschwielung der Handflächen waren seitengleich. Die sechs Zentimeter lange Narbe in der rechten Hohlhand stufte er als kosmetisch wenig auffallend ein. Die Betastung der Narbe war wenig schmerzhaft. Im Bereich einer Gewebsverhärtung unter dem Daumenballen war ein umschriebener Druckschmerz auszulösen. Die Daumenballenmuskulatur war nicht verschmächtigt. Es verblieb ein Finger-Hohlhandabstand ellenwärts von 2,5/2/2/1 Zentimetern. Spitz-, Fein- und Hakengriff waren ausführbar. Die Unterarmdrehung war im Seitenvergleich um insgesamt 30, die Handgelenksbeweglichkeit in Beugung und Streckung um 15 und in der Seitbewegung um 20 Grad, die Daumengelenksbeweglichkeit in der Handebene um 25 und rechtwinklig dazu um 10 Grad, die Handspanne um zwei auf 20 Zentimeter vermindert.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2002 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) einen Anspruch des Klägers auf eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. für den Zeitraum vom 9. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2001 fest. Danach liege keine Änderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade mehr vor. Als Unfallfolgen bezeichnete sie eine leichtgradige Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenkes, Einschränkung der Beugefähigkeit der Langfinger der rechten Hand nach Schnittwunde im Bereich der rechten Hohlhand mit nachfolgendem Karpaltunnelsyndrom und operativer Karpaltunnelspaltung.

Mit Schreiben vom 5. Mai 2003 beantragte der Kläger, die Beklagte möge sich "noch einmal mit der Problematik" beschäftigen und noch einmal eine Prüfung "insbesondere im Hinblick auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes" vornehmen.

Mit Schreiben vom 30. April 2003 berichtete Privatdozent Dr. D. , der Kläger habe sich mit zunehmenden Schmerzen in der rechten Hand bei körperlichen Arbeiten bei ihm vorgestellt. Der Händedruck rechts sei kräftig, der Faustschluss mit Mühe vollständig gewesen. Es habe keine Daumenballenverschmächtigung und keine sensible oder trophische Störung vorgelegen, die Narbe in der Hohlhand sei reizlos. Die Handgelenksbeweglichkeit in Streckung und Beugung wurde gegenüber dem Gutachten mit 10 Grad vermindert, in der Seitwärtsbewegung mit 5 Grad vermehrt angegeben. Einer Betätigung am Arbeitsplatz stünden allenfalls die Schmerzen entgegen. Eine Therapie sei nicht erforderlich. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei nicht nachvollziehbar.

In seinem Gutachten vom 2. November 2003 hielt der Direktor der Unfallchirurgischen Universitätsklinik M. Prof. Dr. W. noch einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 10 v. H. für gegeben. Die Beweglichkeit der Finger und des rechten Handgelenkes habe sich gebessert. Der Kläger habe eine Kraftverminderung und ein Druckgefühl in der rechten Hohlhand bei gelegentlicher Taubheit der Fingerspitzen zwei und fünf geschildert. Ein Hoffmann-Tinel-Zeichen sei nicht zu erheben. Sämtliche Fingergelenke seien passiv mit vollständigem Faustschluss frei beweglich gewesen. Aktiv sei ein Fingerkuppen-Hohlhandabstand der Langfinger von ei-nem Zentimeter verblieben. Alle anderen Werte wurden seitengleich gemessen. Nach einem Bericht des Neurologen Dr. D. vom 8. November 2003 war der Befund des Karpaltunnelsyndroms mit minimalen verbliebenen Zeichen deutlich gebessert. Unfallunabhängig fand sich ein Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom rechts. Die Beschwerden im Bereich des rechten Handtellers seien neurologisch nicht zu erklären.

Im Rahmen einer Heilverlaufskontrolle hielt der Chirurg Priv.-Doz. Dr. S. von den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in H. im Bericht vom 20. Janu-ar 2004 eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung für erforderlich. Ob eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigender Höhe verbleiben werde, sei noch nicht absehbar. Der Kläger hatte über eine ständige Schwellneigung der rechten Hand, vor allem abends, Schmerzen der rechten Hohlhand, vor allem in Höhe des Daumenballenmuskels, und über ein Taubheitsgefühl in den Fingerkuppen des Mittel- und Ringfingers geklagt. Der Arzt erhob die Streckung und Beugung im rechten Handgelenk gegenüber links um 20 Grad vermindert, die Seitenbewegung um 35 Grad vermindert. Die Kraft im Bereich des gesamten rechten Armes einschließlich der Schulter sei gegen Widerstand deutlich vermindert. Der Kläger gebe an, schmerzbedingt nicht mehr Kraft aufbringen zu können. Der Fingernagel-Hohlhandabstand der Langfinger liege aktiv bei 4/4/4/3 Zentimetern und passiv einheitlich bei 2 Zentimetern. Hinweise für ein Rezidiv eines Karpaltunnelsyndroms bestünden nicht. Der Fingernagel-Handrückenabstand liege bei 2/1,5/1/1 Zentimeter. Die Zwei-Punkte-Diskrimination betrage an allen Fingern fünf bis sechs Millimeter. Die Sensibilität sei unauffällig. Ab- und Adduktion der Langfinger gegen Widerstand seien rechts vermindert. Am computerisierten Handmessplatz erreiche der Kläger beim Grobgriff 10,8 kg gegenüber 42,7 kg links. Beim raschen Wechselgriff lägen die Werte bei 12,3 kg gegenüber 38,5 kg. Auch die Spitzgriffe seien vermindert. Beim Schlüsselgriff liege das Verhältnis bei 3,3 kg zu 12,6 kg, beim Dreifingergriff bei 2,2 kg zu 7,8 kg.

In dem Bericht vom 3. März 2004 über die stationäre Behandlung vom 1. bis 20. Fe-bruar 2004, beschrieb der Assistenzarzt Dr. F. von der selben Einrichtung die Handgelenksbeweglichkeit verbessert: Der Unterschied in Streckung/Beugung betrug noch 10 Grad gegenüber links; in der Seitbewegung fand sich kein Unterschied mehr. Der Faustschluss war passiv komplett, aktiv auf einen Fingerkuppen-Hohlhand-abstand von jeweils einem Zentimeter eingeschränkt. Die Fingerstreckung war nur beim kleinen Finger noch um 1,5 Zentimeter eingeschränkt. Die Kraftentwicklung lag im Grobgriff bei 22 kg gegenüber links 34 kg. Eine kräftige Ausführung bei noch gerin-gen Seitendifferenzen fand sich bei Spitz-, Schlüssel- und Dreifingergriff. Der Kläger werde seine Tätigkeit als Zugreiniger wieder wettbewerbsfähig ausüben können. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigender Höhe sei nicht zu erwarten.

Demgegenüber vertrat Dr. H. von der selben Einrichtung in seinem Abschlussbericht vom 8. März 2004 die Meinung, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß könne nicht ausgeschlossen werden, wozu er ein Gutachten empfahl. Nach einwöchiger Dauer einer Arbeitsbelastungserprobung habe sich eine Weichteilschwellung der rechten Hand mit einer leicht lividen Verfärbung im Bereich der Hohlhand als Zeichen einer trophischen Störung gezeigt. Der Faustschluss sei inkomplett. Der Fingerkuppen-Hohlhandabstand habe für die Langfinger einheitlich drei Zentimeter betragen. Die angegebenen Beschwerden bei chronifiziertem Schmerzsyndrom seien glaubhaft.

Nach einem Zwischenbericht der Klinik B. vom 14. Juli 2004 beschrieb der Kläger einen deutlichen Kraftverlust und eine enorme Einschränkung der Greiffunktionen mit einem von der Hohlhand in die Finger ausstrahlenden Schmerz. Der Faust-schluss sei inkomplett, der Fingerkuppen-Hohlhandabstand mit 4/4/3/3 Zentimetern messbar. Die Fingerstreckung erscheine fast komplett. Die Opposition sei deutlich erschwert. Die Ausführung der Greifformen sei nur kraftlos. Es finde sich eine Schwellung der Hohlhand im Rahmen der bestehenden trophischen Störungen. Hinweise auf ein Karpaltunnelsyndrom bestünden nicht. Nach einem Bericht des Neurologen Dr. M. vom 27. August 2004 lag eine periphere Läsion vor, bei der die sensiblen Fasern des Nervus medianus mäßig betroffen seien und bei der im Bereich des Nervus ulnaris eine ausgeprägtere Schädigung bei auch geringer motorischer Leitungsstörung vorliege.

In einem weiteren Bericht von Priv.-Doz. Dr. S. vom 21. September 2004 gaben die Ärzte als Beschwerden des Klägers ein Taubheitsgefühl im Bereich des Zeigefingers und Ringfingers rechts und fortbestehende Schwellungen und Schmerzen mit Kraftverlust an. Aktuelle Schwellungszeichen ließen sich aber nicht feststellen. Die Handinnen-fläche war ausgeprägt verhornt, rechts aber weitaus diskreter. Phalentest und Hoffmann-Tinelsches Zeichen waren negativ. Der Finger-Hohlhandabstand wurde mit 3/3/3/2,5 cm gemessen. Streckung und Beugung des Handgelenkes waren gegenüber dem Zwischenbericht vom 4. März 2004 um 10 Grad vermindert. Die Möglichkeit zur Seitbewegung war um 10 Grad erhöht. Auffällige Atrophien der Handinnenmuskulatur, insbesondere im Ulnaris-Versorgungsgebiet, seien nicht zu erkennen. Ein hinreichender Verdacht auf ein Sulcus-ulnaris-Syndrom ergebe sich weder aus dem EMG noch aus der klinischen Untersuchung.

Die Beklagte holte Gutachten des Evangelischen Diakoniewerks Frederikenstift H. ein. Im neurologischen Zusatzgutachten vom 22. November 2004 gelangte der Neurologe Dr. S zu der Einschätzung, auf seinem Gebiet liege eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vor. Der Kläger habe einen beeinträchtigten Faustschluss, Schwellungen der Hand, ein Taubheitsgefühl an den Fingerkuppen und Schmerzen in der Hohlhand bei abgeminderter Kraft rechts angegeben. Er sei insgesamt eher klagsam erschienen, habe im Untersuchungsgang nur zögerlich mitgearbeitet und habe ermuntert werden müssen. Der Befund habe keine umschriebenen Verschmächtigungen ergeben. Die Hände seien gleich warm gewesen. Die rechte Hand sei im Hohlhand- und Fingerbereich etwas geschwollen gewesen. Funktionell beeinträchtigende sensible Defizite seien nicht vorhanden gewesen, insbesondere nicht im Versorgungsgebiet des Nervus medianus oder Nervus ulnaris angesiedelt. Kleine Gegenstände seien geschickt betastet und prompt erkannt worden. Auf Ermunterung hin seien ausreichende Kraftgrade erreicht worden, wobei immer wieder aus Angst vor Schmerzen nachgegeben worden sei. Die neuroelektrischen Messungen seien unauf-fällig gewesen. Zeichen einer peripheren Nervenschädigung lägen nicht vor. Funktionelle Defizite fehlten auch dann, wenn man das operierte Karpaltunnelsyndrom als Unfallfolge auffasse, wozu seines Erachtens die Hinweise nicht ausreichten.

In seinem Gutachten vom 29. November 2004 schätzte der Chirurg Priv.-Doz. Dr. L. die Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum bis zum 31. Oktober 2001 mit 20 v. H., danach mit 10 v. H. ein. Die Intensität der angegebenen Schmerzen in Ruhe und die völlige Belastungsunfähigkeit der rechten Hand seien nicht nachvollziehbar. Die Schultergürtel- und Armmuskulatur seien seitengleich und regelmäßig. Die Narbe der rechten Hohlhand sei in der Tiefe druckschmerzhaft. Durchblutung und Sensibilität der Hand seien regelrecht. Der aktive Faustschluss sei endgradig eingeschränkt. Die Beweglichkeit des rechten Handgelenks sei in Streckung und Beugung um 10 Grad und in der Seitbewegung um 20 Grad gegenüber links eingeschränkt. Der Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand liege rechts aktiv bei einem Zentimeter, passiv darunter. Der Abstand zur Handrückenebene sei beim kleinen Finger ein Zentimeter. Das Daumengelenk sei frei beweglich, die Handspanne gegenüber links um drei auf 17 Zentimeter vermindert.

Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens teilte die Unfallkasse des Bundes mit, dem Kläger wegen eines Arbeitsunfalls nach dem Recht der DDR Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. im Dauerzustand zu zahlen.

Daraufhin holte die Beklagte eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. S. vom 9. Juni 2005 ein, der für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. in der Gutachtenliteratur keine Grundlage sah.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2005 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch im Zeitraum ab August 2001 ab. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht um wenigstens 10 v. H. gemindert. Die Unfallfolgen bezeichnete sie als: Geringe Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Handgelenkes in der handrücken- und hohlhandwärtigen sowie in der innen- und außenseitigen Bewegung, geringe Einschränkung der Beugefähigkeit der Langfinger der rechten Hand bei rechtsseitig betonter Minderung der Muskulatur nach Schnittwunde im Bereich der rechten Hohlhand mit nachfolgendem Karpaltunnelsyndrom und operativer Karpaltunnelspaltung. Sie führte aus, die Entscheidung stütze sich auf die von den Gutachtern Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. S. erhobenen Befunde.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger noch am gleichen Monat Widerspruch. Er bezog sich auf ein Gutachten für die Rentenversicherung, das der Chirurg Prof. Dr. H. am 5. Januar 2005 erstattet hatte und in dem er die Minderung der Erwerbsfähigkeit (nach den "Anhaltspunkten") mit 30 v. H. eingeschätzt hatte. Dabei ging er von partiellen Nervenausfällen des rechten peripheren Nervus ulnaris bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. und einem funktionellen Fingerverlust der Langfinger mit der Folge einer ebensolchen Minderung der Erwerbsfähigkeit aus.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten der Chirurgin Prof. Dr. A. vom 15. Dezember 2005 ein, die nach Einbeziehung des neurologischen Befundes von Dr. S. vom 28. Oktober 2005 zu dem Ergebnis gelangte, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei seit dem 9. Januar 2002 mit unter 10 v. H. einzuschätzen. Im Hinblick auf eine Anpassung und Gewöhnung hielt sie eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. noch über den 1. August 2001 hinaus "für weitere sechs Monate" bis zum 8. Januar 2002 für gerechtfertigt. Danach hätten sich die Funktionsstörungen der Finger zurückgebildet. Die Gutachterin maß die Beweglichkeit in Streckung und Beugung des rechten Handgelenks gegenüber links um 25 Grad vermindert, in der Seitbewegung um insgesamt 30 Grad. Ein Abstand zwischen Finger und Hohlhand war nicht zu erheben, die Daumenbeweglichkeit seitengleich. Die Handspan-ne war gegenüber links um 3,5 cm vermindert. Eine volle Fingerstreckung war möglich. Eine Muskelminderung von Mittelhand- und Daumenballen war nicht zu erkennen, auch keine Schwellungen. In der Hohlhand fand sich eine Gewebeverhärtung mit der Angabe von Druckschmerz. Anzeichen eines Karpaltunnelsyndroms bestünden nicht mehr. Die grobe Kraft werde im Seitenvergleich rechts gemindert demonstriert. Fein-, Schlüssel- und Hakengriff seien seitengleich. Dr. S. habe keine Hinweise auf eine Läsion des Nervus medianus erheben können.

Mit Bescheid vom 8. März 2006 stellte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. bis zum 8. Januar 2002 fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März wies der Widerspruchsausschuss der Beklag-ten den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog er sich auf das Gutachten von Prof. Dr. A ...

Mit der am 11. April 2006 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, die vorliegenden ärztlichen Einschätzungen seien widersprüchlich. Beurteilungen auf neurologischem Fachgebiet ergäben einen Spielraum hinsichtlich des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen 20 und 0 v. H ... Zumindest sei ein chronisches Schmerzsyndrom zu berücksichtigen. Anzeichen von Übertreibung oder Vorspiegelung von Beschwerden wurden in keinem Gutachten geschildert. Dass nicht einmal eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. erreicht würde, sei nicht nachzuvollziehen.

Das Sozialgericht hat einen Bericht von Dr. R. vom 26. Oktober 2006 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 30 - 43 d. A. Bezug genommen wird. Er hat mitgeteilt, seit 2004 seien keine Änderungen der Befundlage eingetreten. Der Kläger äußere unverändert Schmerzen der rechten Hand, eine Einschränkung der Handgelenksfunktion und der Greiffähigkeit der Hand.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. S. vom 10. April 2007 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 62 - 87 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei bis zum 8. Januar 2002 mit 20 v. H. und danach mit unter 10 v. H. zu beurteilen. Der Sachverständige hat die Hand- und Daumengelenke als frei beweglich erhoben. Der Faustschluss werde rechts mit einem Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand von jeweils 2 cm ausgeführt. Passiv bleibe kein Abstand. Bei dem rechten Kleinfinger bestehe eine Streckminderung von 20 Grad. Die Handspanne sei mit 20 cm um einen Zentimeter geringer als links. Die grobe Kraft werde beim gekreuzten Handgriff links stärker als rechts ausgeübt. Auch die Grobgriffarten würden rechts mit geminderter Kraft ausgeführt. Der Spitzgriff werde vollständig, aber gegenüber links langsamer und mit weniger Kraftentfaltung ausgeübt. Beim Kleinfinger werde aktiv kein Spitzgriff erzielt; dies gelinge nur mit Unterstützung. Die Hohlhandbeschwielung sei beiderseits mittelkräftig; die Fingerkuppen seien beiderseits mit kräftiger Hornhaut versehen. In der rechten Hohlhand befinde sich eine unregelmäßige, verstärkt verhornte und leicht schuppige Hautnarbe. Der Druck auf die Narbe werde als unangenehm angegeben. Narbige Einziehungen in die Strukturen der Hohlhand bestünden nicht. Der Sehnenlauf der Beugesehnen der dreigliedrigen Finger sei frei. Die taktile Sensibilität und Schmerzsensibilität würden an den Langfingern der rechten Hand als leicht gemindert angegeben. Der Kläger hatte beim Sachverständigen angegeben, er habe immer Schmerzen im Bereich der Narbe, die nicht weiter ausstrahlten. Morgens seien Zeige-, Mittel- und Ringfinger manchmal geschwollen. Am Kleinfinger habe er dann auch ein Taubheitsgefühl.

Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist den Gutachten von Prof. Dr. A. und Dr. S. gefolgt. Der Einschätzung von Dr. L. sei demgegenüber nicht zu folgen. Die zunächst aufgetretenen Beschwerden seien Folge des Karpaltunnelsyndroms gewesen. Daraus habe aber Dr. S. keine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgeleitet. Dr. L. habe die Intensität der ange-gebenen Schmerzen ebenfalls als nicht nachvollziehbar bezeichnet.

Gegen das ihm am 21. Mai 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Juni 2008 Berufung eingelegt. Er stellt dar, in dem Gutachten von Dr. R. sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit dauerhaft mit 10 v. H. eingeschätzt worden. Nach den Gutachten von Prof. Dr. W. sei er in ärztlicher Behandlung verblieben. Im Zusammenhang damit sei schon im Januar 2004 der Verbleib einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade als noch nicht endgültig einschätzbar bezeichnet worden. Im nachfolgenden Gutachten sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit wie-derum mit 10 v. H. eingeschätzt worden. Prof. Dr. H. habe die Minderung der Erwerbsfähigkeit sogar mit 30 v. H. bewertet. Die Einschätzung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 10 v. H. sei nicht schlüssig. Bei ihm habe sich ein chronifiziertes Schmerzsyndrom entwickelt, das die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand herabsetze. Auch habe Prof. Dr. A. ekzematöse Hautveränderungen und Hyperkeratosen im Bereich der rechten Hohlhand beschrieben, die die Gebrauchsfähigkeit der Hand ebenfalls beeinträchtigten. Eine fachärztliche Behandlung wegen der Unfallfolgen sei zuletzt im Jahre 2004 erfolgt. Dann sei ihm mitgeteilt worden, er sei bezüglich der Hand austherapiert. Er lasse sich lediglich noch von seinem Hausarzt Schmerzmittel verordnen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Mai 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 19. Juli 2002 und 20. Juli 2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 8. März 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 abzuändern, festzustellen, dass auch eine druckempfindliche Narbenbildung der Hohlhand und Störung der Greiffunktion der rechten Hand als weitere Unfallfolgen vorliegen und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 8. Januar 2002 hinaus Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und verweist auf die Gutachten von Prof. Dr. A. , Dr. S. und Dr. S.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bei der Entscheidung haben die Akten der Beklagten – Az. 3 2000 04474 – in drei Bänden vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist teilweise begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 19. Juli 2002 und 20. Juli 2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 8. März 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 beschweren den Kläger im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin die Unfallfolgen nicht vollständig festgestellt und die Gewährung einer Verletztenrente vom 9. Januar 2002 an nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. abgelehnt hat. Das Anliegen des Klägers ist so auszulegen, dass er sich auch gegen den Bescheid vom 19. Juli 2002 wendet. Denn dieser Bescheid steht mit Maßgabe der Änderung durch den Bescheid vom 8. März 2006 seinem weiter gehenden Anliegen auf Zahlung einer Verletztenrente entgegen. Einer ausdrücklichen Erwähnung dieses Bescheides durch den Kläger bedarf es nach § 123 SGG im Hinblick auf das eindeutig formulierte Anliegen nicht, weil das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist.

Die Klage ist als Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft. Dem steht hier nicht entgegen, dass der Bescheid vom 19. Juli 2002 bestandskräftig und nach § 77 SGG bindend geworden ist. Jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem die Beklagte ohne jegliche Anknüpfung ihrer späteren Prüfung an den früheren Bescheid vom 19. Juli 2002 und ohne die Anforderung einer Prüfung nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) überhaupt zu erkennen, einen Zweitbescheid erlassen hat (speziell zu dieser Fallgestaltung BSG, Urt. v. 23.3.1999 – B 2 U 8/98 RBSGE 84, 22, 23), schließt sich der Senat der entsprechenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an. Denn sie ergibt sich insoweit aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regeln.

Bei dem von der Beklagten erlassenen Bescheid handelt es sich um einen Zweitbescheid. Denn die Beklagte hat den Anspruch des Klägers für den Zeitraum vom ur-sprünglichen Ende des Rentenbezuges im Juli 2001 an voraussetzungslos, vollständig und mit neuer Sachaufklärung ohne Andeutung einer Bezugnahme auf einen früheren Bescheid geprüft und darüber durch Ablehnungsbescheid entschieden. Dabei hat sie die Unfallfolgen sogar neugefasst festgestellt. Ein solcher Zweitbescheid führt dazu, dass die frühere Unanfechtbarkeit der neuen Sachprüfung durch das Gericht nicht mehr entgegen steht (BSG, a.a.O.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rdnr. 60; BVerwG, Urt. v. 27.2.1963 – BVerwG V C 105.61BVerwGE 15, 306, 310 f.; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., nach § 54 Rdnr. 9b).

Der Kläger hat gem. § 56 Abs. 1 S. 1-3, Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) vom 9. Januar 2002 an Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H ... Offen bleiben kann, ob sachlich der Anspruch trotz der verlorenen Wirkung der Bestandskraft des Bescheides vom 19. Juli 2002 von den Voraussetzungen des § 44 SGB X abhängt. Denn wegen des im Bescheid vom 19. Juli 2002 zu Unrecht abgelehnten Anspruchs liegt jedenfalls ein im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X von Anfang an rechtswidriger Verwaltungsakt vor. Die Beklagte hat wegen eines unrichtigen Sachverhalts Sozialleistungen nicht erbracht, weil die Ablehnung im Bescheid vom 19. Juli 2002 die Zahlung einer Verletztenrente aus einem anderen Unfall als Stützrententatbestand nicht berücksichtigt hat und durch eine zu gering eingeschätzte Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens bestimmt gewesen ist.

Für den Rentenanspruch des Klägers reicht hier nach § 56 Abs. 1 S. 2, 3 SGB VII eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. aus, weil der Kläger bereits einen früheren Versicherungsfall mit der Folge einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v. H. – konkret 20 v. H. – erlitten hat. Der nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall zu beurteilende Vorfall stellt einen im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII ebenfalls als Ar-beitsunfall einzustufenden Versicherungsfall dar, weil nach § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – in der Fassung durch Gesetz vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606) ein Arbeitsunfall nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall nach dem SGB VII gilt. Dabei ist die Rechtsfolge des § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO in Form der Geltung eines solchen Unfalls als Arbeitsunfall nach der RVO im Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII als Geltung als Arbeitsunfall nach dem SGB VII auszulegen. Nur dies entspricht dem Sinn der Fortgeltung der Vorschrift im Bereich des § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII.

Grundlage für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung un-ter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum her-ausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft (BSG, Urt. v. 18. 3. 03 - B 2 U 31/02 R - Breithaupt S. 565; Urt. v. 2. 11. 1999 - B 2 U 49/98 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 6). Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis.

Danach beträgt hier die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen 10 v. H., wobei zusätzliche Unfallfolgen festzustellen sind. Entscheidend dafür ist die mit Schmerz und Schwellungen verbundene Minderung der Dauerbelastbarkeit der rechten Hand für schwere Arbeit. Diese ist Unfallfolge, weil sie mit einer Veränderung der Physiologie unterhalb der Narbe im Binnenhandbereich in Verbindung steht, die Dr. R. nach seinem Gutachten vom 11. März 2002 als Verhärtungen unter der Verletzungsnarbe, ähnlich auch Prof. Dr. A. in ihrem Gutachten vom 15. Dezember 2005 beschreibt. Hinweise auf diese Veränderungen geben auch die von der Beklagten als Unfallfolge anerkannten Funktionsstörungen, die nicht unmittelbar den Schnittbereich betreffen, sondern Folge dort angesiedelter physiologischer Veränderungen sind. Dies sind z.B. Bewegungseinschränkungen von Fingern und Handgelenk und eine Muskelminderung im Daumenballenbereich. Die unmittelbaren Auswirkungen hat Dr. L. in seinem Gutachten vom 29. November 2004 am deutlichsten als Druckschmerz der Narbe in der Tiefe beschrieben.

Die vorgefundenen Einschränkungen sind nicht durch unfallunabhängige Erkrankungen zu erklären. Prof. Dr. A. hat nach Mitteilung der Narbe und der verminderten Kraftentfaltung rechts ausdrücklich die Beurteilung abgegeben, sie habe keine unfallunabhängigen Befunde erhoben. Zwar wird durchgehend eine Hauterkrankung im Innenhandbereich – in der Formulierung von Dr. R. als Ekzematisierung und schuppende Veränderungen – beschrieben, die aber von keinem Arzt zur Erklärung der Funktionsstörungen herangezogen wird. Dies ist auch nachvollziehbar, da diese Erscheinung beiderseits, lediglich links etwas geringer, vorliegt, links aber keine Funktionsstörungen bestehen. Auch eine Funktionseinschränkung durch ein Sulcus-ul-naris-Syndrom kommt nicht in Betracht, weil dies durch die Erhebungen von Dr. S. und Dr. S. ausgeschlossen worden ist.

Eine Kraftminderung der rechten Hand hat bereits Prof. Dr. B. in seinem Bericht vom 26. März 2001 mitgeteilt. Dr. R. hat im Gutachten vom 11. März 2002 hingegen keine Kraftminderung, stattdessen allgemein eine leichte Einschränkung der Greiffunktion erhoben. Darin liegt aber kein Widerspruch, weil die Symptom- und Beschwerdeentwicklung beim Kläger von vorangehenden Belastungen abhängig ist. Dies zeigt sich insbesondere an den Berichten der Klinik B. vom 20. Januar und 3. und 8. März 2004. Danach konnten deutliche Krafteinschränkungen der rechten Hand, die mit Messungen am Computermessplatz objektiviert worden sind, innerhalb einer dreiwöchigen Behandlung deutlich (aber mit verbliebener Kraftminderung) gebessert werden. Innerhalb von zwei Wochen traten nach einer Arbeitsbelastungserprobung mit schweren Arbeiten aber objektivierbare Belastungsfolgen in Form von trophischen Stö-rungen mit Schwellungen auf. Somit ist es folgerichtig, wenn Dr. D. im Bericht vom 30. April 2003 und Prof. Dr. W. im Gutachten vom 2. November 2003 bei nahezu unauffälligen Befunden die Richtigkeit der Beschwerdeäußerung des Klägers über belastungsabhängige Schmerzen und ein Druckgefühl in der Innenhand jedenfalls nicht ausgeschlossen haben. Schwellungen sind auch nach dem Bericht der Klinik B. vom 14. Juli 2004 und dem Gutachten von Dr. S. vom 22. November 2004 vorgefunden worden. Nach den Beschwerdeäußerungen des Klägers treten sie häufiger auf, wie nach den erhobenen Befunden insoweit auch glaubhaft ist.

Der Kläger hat darüber hinaus auf die Beschwerdeverläufe reagiert, indem er ein Vermeidungsverhalten entwickelt hat. Dies wird konkret von Dr. S. als schmerzvermeidendes (algophobes) Nachgeben bei der Kraftprüfung beschrieben. Als Folge davon zeigte sich die rechte Gebrauchshand nach dem Bericht von Priv.-Doz. Dr. S. vom 21. September 2004 bei kräftiger Handverhornung gegenüber der linken Hand weniger verhornt, nach dem Gutachten von Dr. S. waren beide nur noch mittelkräftig verhornt.

Gegenüber den Gutachtern Prof. Dr. A. und Dr. S. hat der Kläger weiterhin Schmerzen im Narbenbereich mit gelegentlichen Schwellungen angegeben und eine geringere grobe Kraft der rechten Hand vorgeführt. Zweifel daran haben beide Gutachter nicht geäußert.

Bei der Gebrauchseinschränkung für grobe Kraftentfaltung der rechten Hand handelt es sich auch um einen Dauerzustand. Das ergibt sich aus dem Bericht von Dr. R. vom 26. Oktober 2006, wonach seit der Behandlung in den Kliniken B. 2004 keine Veränderung mehr eingetreten sei. Damit steht die Auskunft des Klägers in Einklang, ihm sei damals mitgeteilt worden, er sei austherapiert, und er sei seitdem nicht mehr in Behandlung gewesen. Auch Dr. S. geht ausweislich seiner Einschätzung von gleich gebliebenen Funktionseinschränkungen aus.

Die beschriebenen Funktionseinschränkungen führen zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H., wie Dr. R. in seinem Gutachten vom 11. März 2002 überzeu-gend einschätzt. Der Zustand ist gleichzusetzen mit dem Verlust eines Langfingers, der ebenfalls die Entfaltung der groben Kraft der ganzen Hand vermindert, mit Ausnahme des Verlustes des Zeigefingers aber die feinen Griffarten nicht wesentlich beeinträchtigt. Eine solche Unfallfolge bedingt nach allgemeinen Erfahrungswerten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. (vgl. Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Un-fallversicherung, Anhang 12, J 051 ff.).

Im Hinblick auf die oben beschriebenen Gesundheitsschäden war die Feststellung der Unfallfolgen antragsgemäß zu ergänzen. Die Formulierung der Unfallfolgen ist dabei dem Gutachten von Dr. R. entnommen und zur Verdeutlichung der funktionellen Einschränkung durch die Schnittnarbe durch den Hinweis auf die Druckempfindlichkeit zu ergänzen.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (Weiter-) Zahlung seiner Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Auf den Nachweis einer Besserung kommt es dabei schon deswegen nicht an, weil zu keinem Zeitpunkt ein bestandskräftiger Verwaltungsakt über die höhere Rente im Sinne von § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufzuheben war. Denn Rentengewährung und -ablehnung sind einheitlich im Bescheid vom 19. Juli 2002 erfolgt und durch Bescheid vom 8. März 2006 auch nur zu Gunsten des Klägers verändert worden.

Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. wird durch die festgestellten Unfallfolgen nicht bewirkt. Sie wird von keinem der zahlreichen auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung eingeschalteten Gutachter und Sachverständigen so eingeschätzt. Etwas Anderes folgt auch aus der Auffassung Dr. H. in seinem Abschlussbericht vom 8. März 2004 nicht, der eine Möglichkeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. lediglich gutachterlicher Einschätzung überlassen wollte. Zudem hat er diese Einschätzung auf der Grundlage einer akut verschlechterten Lage mit deutlichen Schwellungen im Handbereich abgegeben.

Dem Gutachten von Prof. Dr. H. vom 5. Januar 2005 folgt der Senat bezüglich der Einschätzung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit für das Gebiet der Unfallversicherung nicht; darauf hat sich Prof. Dr. H. allerdings auch nicht bezogen. Partielle Nervenausfälle des rechten peripheren Nervus ulnaris sind von keinem Gutachter mit dem Unfall oder seinen Folgen in Verbindung gebracht worden. Prof. Dr. H. stützt sich für deren Vorliegen auf einen Facharztbefund vom Oktober 2004, der insoweit im Widerspruch zum fast zeitgleichen Befund von Dr. S. steht. Dessen ausführlich begründeter Einschätzung folgt der Senat.

Ein funktioneller Verlust der Langfinger liegt entgegen Prof. Dr. H. Einschätzung nicht vor. Die von ihm gemessene Einschränkung der Beugung in den jeweiligen Fin-gergelenken, die lediglich eine Gesamtbeugung der Fingerspitzen zur Innenhandfläche von insgesamt 100 Grad erlauben würde, gibt keinen dauerhaften Zustand der Handfunktion wieder. Keiner der Ärzte, die den Kläger wegen der Unfallfolgen behandelt oder begutachtet haben, hat eine vergleichbar schlechte Beweglichkeit erhoben. Denn die wiedergegebenen Finger-Hohlhandabstände entsprechen einer weit besseren Be-weglichkeit, die allein nach den ärztlichen Erfahrungswerten keine Minderung der Er-werbsfähigkeit bedingt (nur im Falle einer stärkeren Beuge- und Streckhemmung der Langfinger 20 v. H. nach Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl., S. 167).

Die Einschätzung Dr. R. , der bereits die Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger – nur – mit 10 v. H. eingeschätzt hat, steht mit der Ablehnung einer höheren Be-wertung in Einklang mit den medizinischen Erfahrungswerten. Die gemessenen Bewe-gungseinschränkungen im Handgelenk erreichen nur bei zwei Messungen ein Ausmaß von insgesamt 40 und 55 Grad, das – ab 40 und unter 80 Grad – als Folge eines Speichenbruchs auch nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. bedingte. Diese Messungen nach den Berichten vom 30. April 2003 und 20. Januar 2004 stellen nicht den für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgeblichen Dauerzustand dar. Denn der Bericht vom 20. Januar 2004 geht einer stationären Behandlung mit deutlicher Besserung voraus. Zwischen beiden Berichten hat Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 2. November 2003 eine seitengleich freie Beweglichkeit des Handgelenks mitgeteilt. Jedenfalls führte aber auch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. wegen der Beweglichkeit des Handgelenkes nicht zu einer Minderung von insgesamt 20 v. H., weil sich die Funktionseinschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit und der Belastbarkeitsminderung bei der Greiffunktion über die eingeschränkte Verwendbarkeit für Hebe- und Tragevorgänge weitgehend überschneiden. Auch eine Verminderung der Unterarmdrehbeweglichkeit kann hier keine höhere Bewertung hervorrufen. Eine solche wird überhaupt letztmals von Dr. R. in seinem Gutachten vom 11. März 2002 beschrieben; danach ist die Unterarmdrehbeweglichkeit jeweils seitengleich und unauffällig erhoben worden. Aber auch die von Dr. R. erhobene Einschränkung führt nicht zu einer messbaren Funktionsminderung, da sowohl Ein- als auch Auswärtsdrehung weitgehend möglich waren und der Gesamtbewegungsspielraum von normgerecht 180 Grad lediglich auf 150 Grad vermindert war. Die funktionelle Bedeutungslosigkeit wird deutlich, wenn man die Einschränkung mit der Versteifung in Einwärtsdrehstellung vergleicht, die nach den Erfahrungswerten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 25 v. H. bedingt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Berufskrankheit und Arbeitsunfall, 8. Aufl., S. 530).

Auch die zuerst von Dr. R. gemessene Einschränkung der Daumenspreizung trägt nicht zu einer höheren Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei. Sie wird von Dr. L. nur noch mit einer Verminderung um 10 Grad in der Handebene und von Prof. Dr. A. nicht mehr erhoben. Selbst eine Versteifung des Daumengrundgelenkes in einer Beugestellung zwischen 45 und 90 Grad würde aber nach medizinischen Erfahrungswerten nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. bedingen (Mehrhoff/Meindl/Muhr, a.a.O., S. 166). Eine solche Funktionseinbuße liegt aber beim Kläger auch nach den Messungen von Dr. R. nicht vor, weil er den Daumen in diesem Bereich und darüber hinaus bewegen kann.

Messbare neurologisch bedingte Funktionsausfälle hat der Unfall beim Kläger nicht hinterlassen. Insoweit folgt das Gericht dem überzeugenden Gutachten von Dr. S. , gegenüber dessen Befundgrundlage Änderungen nicht mehr eingetreten sind.

Auch nach dem Gesamtbild der Funktion der rechten Hand ergibt sich keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Es ist nicht vergleichbar mit den Fällen von Voll- oder Teilverlusten von zwei Fingern einer Hand, die nach den medizinischen Erfahrungswerten eine solche Minderung der Erwerbsfähigkeit hervorrufen (zu den Fallgruppen Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., J 053 – 055). Sie alle führen zu Beeinträchtigungen bei der Entfaltung der groben Kraft durch verringerte Greiffläche oder Einbußen bei den Feingriffarten, die so beim Kläger nicht festgestellt worden sind.

Ein Fall der Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII liegt hier nicht vor. Die teilweise abgegebene – wohl zutreffende – ärztliche Einschätzung, der Kläger könne seine bei dem Unfall ausgeübte Tätigkeit als Zugreiniger nicht mehr ausüben, führt dazu nicht. Denn besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Sinne der Vorschrift waren mit der Tätigkeit nicht verbunden. In diesem Sinne "besonders" sind nur ungewöhnliche Fertigkeiten, nicht die durch eine allgemeine Berufsausbildung vermittelten Fertigkeiten (BSG, Urt. v. 19. 9. 1974 – SozR 2200 § 581 Nr. 2). Solche ungewöhnlichen Fertigkeiten gehen aus dem Vermerk der Berufshilfe der Be-klagten vom 17. Dezember 2003 in deren Verwaltungsakte nicht hervor. Weder die Ausbildungsberufe des Klägers als Stahlhärter und Facharbeiter für Transport- und Umschlagtechnik noch die erforderlichen Kenntnisse für die dort beschriebenen Ver-richtungen als Zugreiniger haben ungewöhnliche Fertigkeiten zum Gegenstand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt einerseits, dass der Kläger nicht in vollem Umfang obsiegt hat, andererseits zusätzlich, dass die Beklagte durch die vollständige Ablehnung der Rentenzahlung Anlass zur Klage gegeben hat und der Kläger mit dem weitergehenden Antrag keinen wesentlichen zusätzlichen Verfahrensaufwand verursacht hat.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht.
Rechtskraft
Aus
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